Beiträge von Angus

    Nanu, hatte unser Gespräch vor ein paar Stunden denn so ihr Vertrauen in den Iulier zerstört? Anscheinend. Nur die Götter wussten, was er ihr zuvor versprochen hatte, wenn sie in seinem Cubiculum herumschwirrte und er sie becircen konnte. Sie konnte wirklich von Glück sagen, dass ich keine Ahnung davon hatte, was alles zwischen den beiden gesagt oder geschehen war. So wie ich den Iulier einschätzte würde er nicht tatenlos dabei zusehen, wie meine kleine Germanin ihm vor der Nase herumtanze. Erst recht nicht, wenn er das Recht hatte, sie sich zu nehmen, wann es ihm beliebte. Mein Los war es, dabei tatenlos zusehen zu müssen. Doch morgren schon würde ich die Gelegenheit haben, ihm dafür die Visage zu polieren. Bei Lugh, wie ich mich darauf schon freute! Letztendlich wiederholte sie meine eigenen Worte, so dass ich nur noch bestätigend dazu nickte.


    Wie ich es erwartet hatte, konnte ich sie durch meine Andeutungen fesseln. Natürlich wollte sie genau darüber Bescheid wissen, was unser Dominus auf meine Bitte hin geantwortet hatte. „Nun, er hat mir versprochen, dass er uns immer zusammenlassen wird. Ganz gleich, was kommt.“ Ob sie das wenigstens etwas beruhigen konnte? Aber wie zu erwarten war, war Iduna ganz und gar nicht davon begeistert, dass ich den Iulier herausgefordert hatte. Ich konnte mir mein Grinsen nicht verkneifen, als sie mich fragte, ob ich ihn verprügeln wollte. Der Gedanke daran war wirklich sehr reizvoll. Doch Iduna konnte das einfach nicht nachvollziehen. Für sie war es die größte Dummheit aller Zeiten.
    „Das habe ich doch nur gemacht, um ihm zu zeigen, dass ich ein guter Leibwächter sein kann. Und wenn der eine oder andere Schlag mal sein hübsches Gesicht trifft, dann wird er sicher auch nicht böse sein. Schließlich hat er sich ja darauf eingelassen. Weißt du, ich habe es satt Iduna, ständig diese Drecksarbeit verrichten zu müssen. Bei den Flaviern hatte ich wenigstens ein gewisses Ansehen unter den Sklaven. Doch hier bin ich der letzte Dreck. Selbst der Flavier, ewig soll er im Tartaros schmoren, hatte Vertrauen in mich und ich habe ihm mehr als einmal sein verdammtes Leben gerettet!“ Aber alle Verbitterung half nichts! Wenigstens hatte ich es morgen selbst in der Hand, etwas an meiner Situation zu ändern.


    Was mir hingegen richtig viel Kopfschmerzen bereitete, war die Tatsache, dass man mich beobachtet hatte, als ich den ersten Teil meiner „Aufnahmeprüfung“ in die Bande der Krähe absolviert hatte. Zu gerne hätte ich gewusst, ob Wonga und Tsuniro noch mehr beobachtet hatten, zum Beispiel als ich einige der Passanten auf der Straße bestohlen hatte. Ich musste vorsichtig sein! ja, das musste ich. Außerdem musste ich herausfinden, auf wessen Geheiß die beiden iulischen Sklaven mich beobachtet hatten. Oder war alles nur ein dummer Zufall gewesen? Ehrlich gesagt glaubt ich nicht an Zufälle.
    Zu dumm nur, dass ich so panisch reagiert hatte! Iduna würde mir nun keine Ruhe lassen, bis ich ihr eine plausible Geschichte aufgetischt hatte.
    „Ich? Ich habe nichts gemacht! Wie kommst du darauf? Ich wollte nur wissen…“ Wieder zögerte ich einen Moment, um Zeit zu gewinnen. Was sollte ich ihr nur sagen?
    „Ich wollte doch nur wissen, was aus Aislin wird. Es ist mir egal, ob ich freigelassen werde oder nicht. Wichtig ist doch nur unser Kind! Und der Magus hat mir versichert, dass es ihr gut gehen wird. Sie wird ein Leben haben, wie in Tír na nÓg, dem Land der Jugend und ewigen Glückseligkeit.“ Das dies nur die halbe Wahrheit war und nur auf Aislin, meine tote Frau zutraf, musste Iduna nicht wissen. Alles Weitere würde mein Geheimnis bleiben. Wenn ich ihr von meine Frau und meinem Sohn erzählen würde, dann würde sie womöglich noch eifersüchtig werden. Ganz zu schweigen von dem Gift, das ich bei dem Magus erstanden hatte.


    Sie hatte es zugelassen, dass ich zu mir hinzog und sie dankte mir meinen Kuss mit den zarten Berührungen ihrer Finger auf meinen Oberschenkeln. Vielleicht war es jetzt endlich Zeit, sich hinabgleiten zu lassen und alles was nur Ballast war, hinter sich zu lassen. „Deinem Wunsch werde ich entsprechen, Liebes,“ raunte ich ihr zu. Dieses Mal küsste ich sie auf ihre Lippen und schob sie dabei langsam zurück auf ihren Rücken. Nun lag sie endlich vor mir und ich beugte mich über sie. Nur ihre Tunika war noch im Weg. Doch ich begann den Stoff recht zügig nach oben zu schieben. Ich hatte mir ja für diesen Abend vorgenommen, sie auf besondere Weise zu verwöhnen. So wie sie es wahrscheinlich noch nie erlebt hatte. Als ihre Oberschenkel zum Vorschein kamen verstärkte dieser Anblick noch mehr mein Vorhaben. Vorsichtig schoben meine Hände ihre Schenkel auseinander, so dass sich mir ihre Weiblichkeit offenbarte und ich mein Antlitz darin vergraben konnte. Das geschickte Spiel meiner Zunge sollte sie in ungeahnte Höhen hinauftragen.

    „Du hast Angst, ihm zu vertrauen?“ Irritiert hatten sich meine Augenbrauen zusammengezogen. Bis vor kurzem hatte sie doch noch eine ganz andere Meinung von ihm. Er hatte sie schließlich zu seiner Cubicularia gemacht, wodurch er seinerseits sein Vertrauen ihr gegenüber bezeugt hatte. Oder war es doch anders gewesen? Hatte er das nur getan, um sie in seiner Nähe zu haben?


    „Nun, Vertrauen kann man das wohl nicht nennen“, gab ich zu bedenken. „Aber was bleibt uns anderes übrig, als ihn bei seinem Wort zu nehmen?“ Jeder brauchte doch etwas, woran man sich festklammern konnte, an das man glauben konnte um nicht vollkommen wahnsinnig vor Sorge zu werden.


    „Ich habe noch mit ihm gesprochen, nachdem du gegangen warst“, sagte ich nach einer Weile bedeutungsschwanger. „Ich habe ihn gebeten, uns niemals zu trennen. Und außerdem…“. Ich zögerte, da ich mir nicht sicher war, ob ich Iduna wirklich davon erzählen sollte, wie ich unseren Dominus herausgefordert hatte. Jedoch konnte ich mich nicht lange zurückhalten, denn wann bekam man schon einmal als Sklave die Gelegenheit seinen Dominus zu verprügeln? Grinsend sah ich sie an, denn ich ahnte schon, wie neugierig sie war. „Ich habe mich ihm als Custos angeboten, Iduna. Und damit er sich von meinen Fähigkeiten überzeugen kann, habe ich ihn zu einem Zweikampf herausgefordert. Er gegen mich, nur mit unseren Fäusten! Wie findest du das?“ Ich war gespannt, wie sie darauf reagieren würde, denn so etwas hatte es sicher noch nie gegeben. Zumindest nicht hier bei den Iuliern.


    Ihre Bitte, meine Götter darum zu bitten, auf unsere Tochter aufzupassen, ließ ich erst einmal unkommentiert, denn sie hatte endlich die Namen derer herausgerückt, die in der Villa über mich Gerüchte verbreiteten. Dass ich sie dabei ein wenig zu fest angepackt hatte, wurde mir erst bewusst, als sie zu protestieren begann. Erschrocken von mir selbst ließ ich sie los. „Verdammt!“ rief ich und beachtete ihre Nachfrage nicht mehr weiter. Ausgerechnet Wonga und Tsuniro, diese Schlange! Woher wussten die beiden das? Hatte mich jemand verfolgt oder beobachtet? Wie viel wussten die beiden? „Was haben sie noch gesagt? Iduna, du musst mir alles sagen! Hörst du!?“ Alles!!“ Panik spiegelte sich in meinen Augen. Wenn mich auch jemand beim Stehlen beobachtet hatte, war ich geliefert! Dann sah ich Iduna an, die wahrscheinlich völlig verängstigt sein musste, denn sie hatte ja keine Ahnung. Auch wenn es mir schwer fiel, versuchte ich mich wieder zu mäßigen. „Es tut mir Leid Liebes, Ich wollte dir nicht wehtun. Ich bin zu diesem Magus gegangen, weil ich etwas über unsere Zukunft wissen wollte“, log ich, um sie zu beruhigen. „Und wenn dir so viel daran liegt, werde ich meine Götter darum bitten, Aislin zu schützen.“ Dann zog ich sie an mich heran und küsste sie auf die Stirn. Doch meine Gedanken waren kreisten um ganz andere Dinge.

    Wer nicht wagt - der nicht gewinnt. So hieß es doch im Sprichwort. Ich wollte etwas an meiner Lage verbessern, also musste ich auch etwas wagen. Natürlich war mir bewusst, dass mein Vorschlag auch nach hinten losgehen konnte. Der Römer hätte mich auch für meine Impertinenz bestrafen können. Aber wollte er das wirklich? Um das herauszufinden richteten sich meine Augen direkt auf den Iulier, damit mir auch keine einzige seiner Regungen entging. Zunächst zogen sich seine Brauen in die Höhe und ich dachte schon, ich hätte zu hoch gegriffen mit meinem Vorschlag. Doch nein, dann begann er zu grinsen. Ich hatte also richtig gelegen mit meiner Einschätzung. Nie im Leben würde er vor mir klein beigeben. Dazu war er einfach zu sehr von sich selbst eingenommen. So war seine Antwort auch bezeichnend.
    Auch ich begann zu grinsen. Es würde sich noch zeigen, wer hier wem eine Abreibung gab. „Gut, Dominus! Morgen Nachmittag im Hortus!“ erwiderte ich nickend. Dann ging ich.

    „Ja, ja!“, sagte ich und zog die Augenbrauen nach oben. Dass sie aber auch ständig auf der gleichen Leier herumreiten musste! Wahrscheinlich würde sie mir deshalb noch Vorhaltungen machen, wenn wir bereits alt und grau waren und unsere Tochter längst frei war.
    „Er hat uns sein Wort gegeben. Das muss uns genügen, Liebes.“ Aber natürlich hatte sie Recht, wir hatten keinerlei Handhabe, falls er in zwei Jahren seine Meinung ändern sollte. Uns blieb also nichts anderes übrig, als nach seinen Regeln zu spielen. Mir gefiel das zwar auch nicht sehr, aber so sollte nun vorerst unser Plan aussehen. Um ein wenig Idunas Sorgen zu minimieren, lächelte ich ihr zuversichtlich zu und strich ihr sanft übers Haar.


    Manchmal hatte ich immer noch den Eindruck, dass sie besonders schreckhaft war, wenn ich die Stimme erhob oder gar etwas lauter sprach. Ob das ein Überbleibsel von damals war? Dabei hatte ich ihr doch schon unzählige Male gesagt, sie müsse mich nicht fürchten. Ich war doch ihr Beschützer! Dafür verlangte ich auch nichts von ihr. Bisher hatte ich immer geglaubt, sie gäbe sich mir freiwillig hin. Andererseits schien sie mir jedes Mal gefallen zu wollen, da ich bisher nie erlebt hatte, dass sie etwas gefordert hatte.


    Doch was die Stammeszugehörigkeit von Aislin betraf, schien sie ganz genaue Vorstellungen zu haben. Bei dem Gedanken, dass unsere Tochter nun eine Halbgermanin sei und sie das Kind ihren Göttern geweiht hatte, wurde es mir auch nicht wirklich besser. Und nun wollte sie anscheinend auch noch, dass ich sie noch meinen Göttern weihen sollte. Ich stand dem Ganzen eher skeptisch gegenüber. Iduna stammte eben aus einer ganz anderen Welt. Eine Welt, die noch nicht Teil des Imperiums war. Britannien hingegen stand nun schon seit mehr als siebzig Jahren unter römischer Herrschaft. Alles hatte sich seitdem geändert. Sie versuchtem, unsere Götter in ihre Götterwelt einzubeziehen. Sie sperrten sie in Tempel ein und unsere weisen Männer, die Druiden hatten sie uns genommen. Sobald sich einer von ihnen zeigte, wurde er unbarmherzig verfolgt.
    „Ach Liebes, ich vertraue deinen Göttern voll und ganz. Ich denke es genügt, wenn du sie deinen Göttern geweiht hast, “ meinte ich schließlich, um dieses Thema abzuschließen.
    Eigentlich wollte ich viel mehr wissen, wer in der Villa herumerzählte, ich sei bei einem Seher gewesen. Derjenige hatte womöglich auch beobachtet, wie ich meine Opfer von ihren Geldbeuteln befreit hatte. Doch Iduna konnte oder wollte keine Namen nennen, was für mich sehr unbefriedigend war. Und wieder begann sie, mir Vorhaltungen zu machen. Es sei gefährlich… Was war gefährlich? Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mehr wusste, als sie zugeben wollte. Dass sie dann auch noch begann, sich an mich zu schmiegen, um mich auf andere Gedanken zu bringen, wirkte auf mich sehr verdächtig. „Du bist mein? Ach wirklich? Dann sag mir die Wahrheit Iduna! Wer erzählt so etwas? Und was meinst du damit, sei gefährlich, hm? Sag schon!“ Ich wich ihrem Kuss aus und packte sie an ihren Oberarmen. Mein strenger Blick traf sie. Sie sollte merken, dass ich es ernst meinte.

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    Als sich die Tür zum Haus des Sehers hinter mir schloss, machte ich ein paar Schritte und blieb dann wieder stehen. Ich lehnte mich gegen die Hauswand und atmete erst ein paarmal tief durch und reflektierte dabei das eben Erlebte. Die Kühle der Nacht tat mir gut und ich fand, dass dadurch mein Kopf wieder klarer wurde. Diese seltsame Begegnung würde ich so schnell nicht wieder vergessen.


    Ich überlegte, ob ich zurück zur Domus Iulia gehen sollte. Doch dann fiel es mir wieder ein, ich hatte noch etwas zu erledigen! Es waren erst vier gestohlene Geldbeutel in meinem Besitz! Das bedeutete, ich musste noch mindestens zwei Unglückliche von ihrer Habe befreien. Und falls ich mir selbst noch eine Cervisia oder einen Met genehmigen wollte, dann waren es sogar drei!


    Einfach konzentrieren, sagte ich mir. Ich musste mich einfach auf mein Tun konzentrieren und genau beobachten. Dann klappte es auch wieder mit den Geldbeuteln! So zog ich wieder los, begab mich zu den belebteren Gassen und Plätzen der Subura und mischte mich unter die Menschen. Dabei beobachtete ich die Leute, in der Hauptsache waren es Männer. Dann suchte ich mir einen aus, der bereits leicht angetrunken war. Wieder rempelte ich ihn an und während ich mich noch für meine Unaufmerksamkeit entschuldigte, stahl ich bereits den Geldbeutel meines Opfers. Mit dieser Masche hatte ich auch zwei weitere Male Glück, so dass ich mich nun wesentlich erleichtert fühlte.


    Den letzten erbeuteten Geldbeutel wollte ich für mich behalten. Zu meiner Überraschung war er gut gefüllt. Einen Teil davon würde ich in einer der unzähligen Tabernae in ein paar Cervisiae investieren, Danach würde ich zufrieden in die Domus zurückkehren können, denn die erste Aufgabe hatte ich, zwar mit einigen Schwierigkeiten, gemeistert. So zumindest sah mein Plan aus.

    Kaum hatte ich mein Interesse bekundet, bückte der Seher sich und kramte aus den Untiefen seines Ladens ein kleines Fläschchen hervor. Staunend betrachtete ich das kleine Gefäß mit der dunkelbraunen Gifttinktur darin. Dass so wenig Flüssigkeit einen so großen Schaden verursachen konnte!


    Der Seher erläuterte mir dann die Dosierung. Oh je, hoffentlich brachte ich da nichts durcheinander! Das war ja ziemlich kompliziert. Interessant war aber auch, dass diese Tunktur nicht direkt tötete, sondern das Opfer einschläferte oder einfach nur willig machte. Die Aussicht, Macht über einen anderen zu haben, fand ich besonders spannend. Vielleicht sollte ich einmal dem Iulier ein paar dieser Tropfen seinem Wein unterjubeln. Diese Vorstellung belustigte mich. Doch der Ernst hielt sofort wieder Einzug, denn schließlich musste ich noch einen Mord an einem Unschuldigen begehen. Da gebot es die Pietät, ernst zu bleiben.


    „Äh ja, ich hoffe ich kann mir das alles merken.“ Natürlich war das Fläschchen nicht umsonst. Da war es nicht überraschend, dass ich noch einmal zehn Sesterzen löhnen sollte. Mit einem Seufzer holte ich die letzten Münzen aus meinen Geldbeutel. „So, bitte sehr!“ Da ging mein Peculium dahin! Nun war ich blank. Lediglich die Münzen der gestohlenen Geldbeutel waren mir geblieben. Aber die musste ich abliefern.
    „Also dann gehe ich mal! Vielen Dank für deine Hilfe!“ Wieder öffnete ich die Tür und schob mich hindurch.

    Natürlich blieb eine Reaktion auf meinen Anblick als Blumenstraußträger nicht aus. Der Decimus, der mich zuvor schon gemustert hatte, als ob er ein gewisses Interesse an mir hätte, schmunzelte bei mich an. Er musste wirklich über ein hohes Maß an Selbstbeherrschung verfügen, über meine Erscheinung nicht einfach loszuprusten. Ich jedoch hielt die Blumen in meiner Hand als seien sie eine Auszeichnung. Natürlich schmälerten sie mein kompetentes Auftreten als Custos, denn ein Leibwächter sollte abschreckend wirken und nicht wie ein Schoßhündchen aussehen, damit kein Irrer es wagte, die zu beschützende Person anzugreifen. Keineswegs jedoch beeinträchtigten sie meine Reaktionsfähigkeit oder meine Entschlossenheit, einen Angreifer niederzumachen.


    So ließ ich alles über mich ergehen, blieb artig hinter Domina Graecina und Sulamith stehen und verfolgte eher beiläufig das Gespräch der beiden Römer. Lediglich als sich herausstellte, dass der Sklave, der den unseligen Blumenstrauß seinem Dominus gereicht hatte, gar kein Sklave war, sondern ein Libertus, wurde ich hellhörig. Was der Schönling wohl alles machen musste, um diese Belohnung zu erhalten? Den Hintern für seinen Dominus hinhalten? Oder war er eher mit der Zunge geschickt gewesen?


    Während ich weiter meinen Dienst verrichtete und auf die Umgebung achtete, fiel mein Blick völlig ungewollt wieder auf den Griechen. Wie der Zufall es wollte trafen sich unsere Blicke. Was musste Tiberios von mir denken, mit den dämlichen Blumen in meiner Hand? Daran wollte ich erst gar nicht denken. Verdammt, nun zwinkerte er mir auch noch zu, als wäre ich einer vom anderen Ufer! Ich verzog meinen Mund zu einem Lächeln, das eher gequält daherkam.
    Hoffentlich war diese Schmach bald vorbei! Doch wenn die Domina und der Decimus in diesem Tempo jedes einzelne dieser Kunstwerke begutachteten, dann konnte dies noch Stunden dauern.
    Ich persönlich konnte nichts an diesen Skulpturen finden. Wie schon zuvor bei den Blumen, war die Iulia entzückt von diesem Zeugs. Ich fragte mich höchstens, wer beim Teutates war eigentlich Kainis oder Kaineus?

    Ja, wie ein Krieger hatte ich gesprochen. Auch wenn ich keiner mehr wahr. Wenigstens noch ein Funken Ehre war vorhanden. Deshalb sah ich es auch als Kompliment an, was der Seher zu mir sagte.
    Dann jedoch, als er weiter sprach, schien mir plötzlich alles so plausibel zu sein. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Für die Götter, in ihrer unendlichen Voraussicht, war ich bereits ein Mörder. Und ja, ich wollte nicht erwischt werden. Gerade jetzt, wo ich mich doch bewehren sollte, um meiner Tochter eine bessere Zukunft bieten zu können. Außerdem, was sollte aus Iduna werden? Wenn der Iulier von meinen Machenschaften erfuhr, hatte ich einen Platz am nächsten Kreuz sicher.


    Als er mir die verschiedenen Gifte und deren Wirkung aufzuzählen begann, kam ich zum Schluss, dass ich meine Meinung revidieren musste. Diese Art des Todes war nichts für Weichlinge. Sie konnte etwas abgrundtief Böses und furchtbar Grausames sein und wenn ich daran dachte, schüttelte es mich. Diese Art zu sterben wünschte ich meinem ärgsten Feind nicht. Dann lieber ein sauberer Schnitt mit der Klinge, der die Kehle durchtrennte. Und wieder wollte der Krieger in mir hervortreten. Der Mörder aber, zu dem ich schon bald werden würde, musste einen Weg finden, nicht entdeckt zu werden. Ich hatte ja an diesem Abend selbst erlebt, wie schnell etwas schief gehen konnte. Aus diesem Grund war ich ja überhaupt hier gelandet. Wenn ich mein Opfer zuvor ruhig stellte , so dass es still und leise hinübertreten könnte in die Anderswelt, könnte ich es anschließend ohne weiteres noch abstechen, ohne fürchten zu müssen, entdeckt zu werden. Dann würde auch die Krähe zufrieden sein. Ja, der Vorschlag des Sehers war einfach genial!
    Ich nickte. „Ja, das wäre wirklich gut!“, bestätigte ich ihm. Vielleicht würden mich dann später auch nicht die Schreie und das Flehen meines Opfers bis in den Schlaf verfolgen.

    Meine Augen waren hellwach und beobachteten, was der Seher mit seinem Doch vorhatte, gleichzeitig versuchte ich mich auf seine Worte zu konzentrieren. Glücklicherweise entspannte sich sein Griff um die Waffe wieder und er erzählte mir etwas über die Griechen und deren Sichtweise zum Tod. Ähnlich wie die Römer glaubten sie nicht an ein Leben auf der anderen Seite. Armes Volk!
    Ich persönlich hätte den Keres den Vorzug gegeben. Denn natürlich wünschte sich jeder edle Krieger einen heroischen Tod, am besten im Kampf.
    Früher, so hatte mir mein Vater einmal berichtet, als die Römer noch nicht unser Land besetzt hatten und die Carvetii ein freies Volk waren, hatte es immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstämmen gegeben. Die Krieger hatten dann ihre blaue Kriegsbemalung aufgetragen und sich das Haar gekalkt. Wenn die Carnyx dann zum Kampf aufrief und die mutigsten unter den Kriegern sich nackt in den Kampf stürzten, war es für jeden von ihnen die größte Erfüllung, über den Feind zu triumphieren oder im Kampf zu fallen. Jeder, der einen edlen starken Feind im Kampf bezwungen und getötet hatte, nahm ihm seinen Kopf. Dieser zierte dann den Hals seines Pferdes oder er wurde einbalsamiert in einer Kiste verwahrt. Damit zollte man ihnen in gewisser Weise Respekt. Diese Zeiten waren längst Geschichte, doch noch immer fürchteten wir uns nicht vor dem Tod und noch immer bevorzugten wir einen gewaltsamen Tod, als einen siechenden, der wie eine Schlange auf uns zu gekrochen kam, um uns dann zu verschlingen.
    Thanatos, Schlafes Bruder war eher etwas für verweichlichte Römer. Am Ende merkte man gar nicht, dass man tot war und fand womöglich gar nicht die Schwelle zur Anderswelt.


    Langsam begriff ich aber, worauf der Seher hinauswollte. Ja, es gab ein Mittel, dass dich ohne Schmerzen einfach hinübergleiten ließ. Gift! In meinem Gesicht spiegelte sich die Abscheu wieder, denn nie im Leben würde ich auf solch ein Mittel zurückgreifen wollen. „Du meinst … Gift?“, fragte ich schließlich abschätzig, obschon ich die Antwort zu wissen glaubte. „Auch wenn ich ein Sklave bin und meine Ehre längst verloren habe, werde ich nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden. Gift ist etwas Weichlinge!“ Doch was war mit dem Unschuldigen da draußen, der noch auf seinen Tod wartete, den ich ihm geben würde? Ob sich die Krähe mit einem Giftmorde zufrieden geben würde?

    Ich hatte die Tür bereits geöffnet und wollte genau in diesem Moment den ersten Fuß über die Schwelle setzen, als der Seher mich aufhielt. Ich zögerte einen Augenblick. Hatte der Kerl nicht schon genug an mir verdient. Ganz urplötzlich hatte er doch noch eine Botschaft von den Göttern für mich. „Ja, na klar!“ raunte ich leise. Doch dann veränderte sich etwas an dem Seher, was ich nicht genauer definieren konnte. Die Art wie er schaute vielleicht und auch seine Stimme.


    Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, begann er plötzlich über die Dauer des Bösen zu reden. Ich trat wieder einen Schritt zurück und schloss wieder die Tür, um mich dem Seher entgegenzustellen. Das was er sagte, bescherte mir eine Gänsehaut. Ich sei das Böse, sagte er. Und so lange ich lebte, bestünde es weiter fort. In der Tat würde ich einen Unschuldigen töten müssen, wenn ich nicht selbst mit dem Gesicht nach unten schwimmend im Tiber landen wollte. Irgendein Penner von der Straße würde daran glauben müssen. Ich würde mir einen aussuchen, der es eh nicht mehr lange machen würde und für den der Tod eine Erlösung war. So hatte ich es mir jedenfalls vorgestellt, ungeachtet darüber, dass ich mich damit zum Herr über Leben und Tod machte.


    Wieder glaubte ich, er habe erneut meinen Gedankengang gesehen. Sprachlos und den Schrecken im Blick sah ich zu dem Seher. Woher wusste er das alles. Ich hatte doch mit niemandem darüber geredet. Kein Mensch wusste, dass ich heute dabei war, den ersten Teil meiner Aufnahmeprüfung für die Bande der Krähe absolvierte.


    Doch damit war es nicht genug! Das seltsame Kichern des Wahrsagers ließ mir schier das Blut in den Adern gefrieren. Ja, in der Tat fragte ich mich, wann wie und wo es geschehen würde? Doch dann drängte sich mir die Frage auf, was denn geschehen würde. Sprach er vom Tod meines zukünftigen Opfers, oder war es mein eigener, den er meinte? Ich hatte all die Jahre meinen Tod nie gefürchtet, denn ich wusste ja, dass auf der anderen Seite etwas wesentlich Reizvolleres auf mich wartete. Doch nun aber fing ich an zu zweifeln. „Äh… ähm… ja… äh vielleicht,“ stammelte ich. Dann beobachtete ich skeptisch , was der Seher mit seinem Dolch anstellte. Er zog sie zu sich. Was er damit nur vorhatte?

    Über die Dauer des Bösen hatte der Seher nichts sagen können. Obwohl mich genau das am meisten interessiert hätte. Aber die Götter wollten sich darüber wohl nicht auslassen. Doch wenigstens konnte er mir etwas über diese große Reise sagen. Eine richtige Antwort aber erhielt ich auch darüber nicht. Er erzählte mir nur, wohin die Reise nicht ging. Nicht nach Hause also, was auch irgendwie nachvollziehbar war. Nachdem sich die römischen Soldaten unserm Dorf angenommen hatten, hatte es dort nichts mehr gegeben, was in irgendeiner Weise gerechtfertigt hätte, dort zurückzukehren. Ja, in all den Jahren hatte ich mich auch verändert und war ein anderer geworden. Doch das Land war mir stets präsent in meiner Erinnerung. Und obwohl es dort nichts mehr gab, hätte ich es gerne noch einmal gesehen.


    Ich wurde auch das Gefühl nicht los, das dieser Wahrsager mich langsam aber sicher loswerden wollte. Außerdem wurde mir das Ganz hier langsam suspekt. Mit hundert Worten hatte der Seher im Grunde gar nichts gesagt. Meine Skepsis wurde noch verstärkt, als der Hellseher dieses Kästchen mit den Amuletten herauszog und mir anbot, mir eines herauszusuchen. Ich hatte immer geglaubt, ein Amulett wäre etwas Einzigartiges und ganz Besonderes. Aber das war nur billiger Tand. Er fischte zwei heraus: Epona und Cernunos. Nun ja, Epona wurde zwar auch hier in Rom verehrt, doch hatte sie in meiner Heimat kaum eine Bedeutung. So viel ich wusste, waren die Gallier ganz verückt nach Epona gewesen. Und Cernunos? Der Gehörnte wurde zwar auch bei uns verehrt, doch es war nicht der Gott, dem ich für gewöhnlich opferte.
    „Mhm, tut mir leid. Da ist meiner nicht dabei. Ich denke ich sollte nun langsam gehen, damit ich dich nicht länger aufhalte. Hier hast du deine zehn Sesterzen!“ Noch einmal griff ich in meinen Beutel und fischte ein zweites Mal die Münzen heraus. „Also dann, danke und vale!“ Daraufhin ging ich. Da draußen durfte die Luft inzwischen wieder rein sein.

    Statt einer eindeutigen Entscheidung, kam nur eine weitere Frage. Der Iulier schien der Sache nicht so ganz über den Weg zu trauen. Doch glaubte er tatsächlich, dass ich so dumm war, um ihm zu schaden? Damit würde ich nicht nur mich ins Unglück stürzen, sondern auch Iduna und unser Kind. Aber gut, er hatte ja auch allen Grund, misstrauisch zu sein. Ebenso wie ich, denn ich hatte schon mehr als einmal erlebt, dass ein Römer nicht sein Wort gehalten hatte.


    Also versuchte ich meine Bitte zu begründen. „Dominus, Phocylides teilt mich, seitdem ich hier bin, hauptsächlich zum Dienst an den Öfen des Hypocausts ein. Nicht etwa, dass ich harte und schmutzige Arbeit verabscheue. Doch ich finde, dass es eine Vergeudung meiner Fähigkeiten ist. Ich spüre, wie mir das tägliche Training fehlt. Wenn es dein Wunsch ist, kannst du dich gerne selbst von meinen Fähigkeiten überzeugen. Lass mich gegen einen deiner Custodes antreten. Oder noch besser, tritt du gegen mich an, wenn es dir beliebt. Mann gegen Mann, ohne Waffen, nur du und ich.“ Ob er diese Herausforderung ablehnen konnte. So wie ich ihn einschätzte, glaubte ich das nicht. Nun griff ich doch zu dem Becher und nippte zunächst daran. Wider Erwarten schmeckte der Wein nicht schlecht, so dass ich dann noch einen Schluck davon trank.

    Ob der Iulier die leiseste Ahnung davon hatte, wieviel Überwindung es mich gekostet hatte, das zu sagen? Besonders den letzten Teil, in dem es um Iduna und Aislin ging. Ich konnte ja schon froh sein, dass er mir wenigsten angehört hatte und mich nicht gleich aus seinem Officium hinausgeworfen hatte. Als ich jedoch geendet hatte und meinen letzten Worten ein Hauch von Verzweiflung nach hing, stand ich mit gesenktem Blick vor ihm. Jetzt hatte er mich da, wo er mich haben wollte. Und ohne es zu wollen, fiel mir wieder Tiberios ein. Der Grieche, den ich vor einer Weile kennengelernt hatte und den ich für sein demütiges Verhalten verachtet hatte. So wie der Grieche wollte ich niemals werden. Eher hätte ich meinem Leben vorher ein Ende gesetzt.


    Doch statt meine demütigende Lage auszukosten und sich darin zu suhlen, erhob er sich, trat zu einer Kommode, in der sich Wein und Wasser befand und schenkte mir einen Becher ein, den er vor mir auf dem Schreibtisch abstellte. Eigentlich war ich kein großer Freund von Wein. Zumal die Römer dieser Unsitte anhingen, das Gesöff auch noch mit Wasser zu verdünnen oder seinen Geschmack mit Gewürzen zu verschandeln. Ein Met oder eine Cervisa wären mir lieber gewesen. Aber ich war nicht in der Position, wählerisch zu sein.
    Etwas verunsichert sah ich auf den Becher, dann zu ihm. Ich musste gestehen, dass ich zunächst sprachlos war. Er setzte sich vor mich auf die Tischplatte, so dass unser Gespräch plötzlich einen ganz anderen Charakter erhielt. Das diese Unterhaltung keinesfalls auf Augenhöhe stattfinden würde, musste mir klar sein. Ein wenig erinnerte ich mich zurück an den Flavier, mit dem ich gelegentlich auch einen Becher Wein geleert hatte. Ich jedoch fühlte mich immer noch befangen und rührte den Becher vorerst nicht an.


    Dem Iulier gefiel natürlich mein Sinneswandel, so dass er noch einmal sein Versprechen von vorhin bekräftigte. Ich wusste jetzt schon, dass die nächsten zwei Jahre nicht einfach werden würden. Weder für mich, noch für Iduna. Und ob ich in zwei Jahren das Wort des Iuliers dann noch für bare Münze nehmen konnte, war fraglich. Denn was hätte mich veranlassen sollen, dem Iulier zu trauen? Trotzdem bedankte ich mich nochmals. Ich fühlte mich elend dabei, wie ein getretener Hund.


    Schließlich gab er mir ein weiteres Versprechen, dass er uns nicht trennen würde. Ja, dass wir ein Teil seiner Familia seien und wir unter seinem Schutz stünden. Wieder bedankte ich mich für seinen Großmut, obwohl er mit keinem Wort erwähnte, ob er nicht doch Anspruch auf Iduna erheben wollte. Ich kam mir dabei noch kleiner und schäbiger vor. Der Becher blieb weiter unberührt. Auch dann noch, als der Iulier mich fragte, ob ich noch etwas zu sagen hätte. Zunächst überlegte ich, ob ich überhaupt noch etwas sagen sollte. Doch dann entschied ich mich doch dafür. Letztendlich wollte ich nicht bis zu meinem Lebensende in der Domus nur die Drecksarbeit machen müssen.


    „Dominus, meinem ersten Dominus, Flavius Scato habe ich bis zu seinem Tod als Custos gedient. Ich glaube, sagen zu können, dass ich all die Jahre meine Sache gut gemacht habe. Zumindest habe ich alle Angreifer, die ihm nach seinem Leben trachteten, abwehren können. Auch eine deiner Verwandten habe ich bereits als Custos gedient, als die Custodes der Iulia verhindert waren. Ich wollte dich daher bitten, zu erwägen, ob ich nicht auch dir auf diese Weise dienen könnte.“ Irgendwie fand ich mich plötzlich neben Tiberios im Staub wieder.

    Damit ich nicht ganz wie ein begossener Pudel wirkte, begann ich die Umgebung mit meinen aufmerksamen Blicken zu sondieren, während die Iulierin sich mit diesem Kerl unterhielt. Schließlich machte ich so etwas nicht zum ersten Mal.
    Ach nein, war das da drüben nicht dieser Grieche? Tiberios hieß er. Bei unserer letzten Begegnung hatte ich ihm eine verpasst, weil ich geglaubt hatte, er hätte sich an Domina Graecinas kleinen Hebräerin vergangen. Doch wie sich herausgestellt hatte, war er völlig harmlos. Eigentlich war er nur ein schleimiger Speichellecker, der vor allem und jedem im Staub kroch. Was er hier nur machte? Anscheinend hielt er irgendwelche Volksreden zur Unterhaltung der Gäste. Ob er mich gesehen hatte? Im Augenblick konnte mir das egsl sein, denn ich hatte hier ja einen Job zu erledigen.

    Als ich das Gefühl hatte, beobachtet zu werden, ging mein Blick zurück zur Domina und diesem Fremden. Ich blickte ziemlich argwöhnisch drein, als ich merkte, dass der Bekannte der Iulierin mich von Kopf bis Fuß musterte und scheinbar sehr davon angetan war, was er sah. Mir schwante, dass er auch einer von diesen Römern war, die sich an alles heran machten, was nicht bei drei auf den Bäumen war.


    Endlich ließ sein Blick von mir ab. Als ob es abgesprochen war, reichte ihm plötzlich sein Sklave einen Strauß mit bunten Blumen, den er der Iulia schenkte. Die schien deswegen ganz aus dem Häuschen zu sein, bis der Strauß zu Sulamith wanderte. Die fand die Blumen anscheinend auch nett, doch nach kurzer Zeit hielt sie mir die Blumen entgegen, auf dass ich sie nehmen sollte.
    Letztendlich sah ich dann doch wie der größte Depp aus, mit dem Blumenstrauß in meinen Händen.

    Iduna wusste inzwischen selbst, dass sie es vermasselt hatte. Daher fing sie wieder an, sich zu rechtfertigen. Im Grund hatte sie so gehandelt, wie jede verantwortungsvolle Mutter an ihrer Stelle auch gehandelt hätte. Nun gab sie dem Iulier die Schuld. Sie nannte es grausam, wie er gehandelt hatte. Doch war unser ganzes Leben als Sklaven nicht auch schon grausam? Ja, das war es, wenn man einst die Freiheit gekostet hatte.
    Liebes, ich weiß, dass du das wolltest. Und der Iulier weiß dies sicher auch. Doch es ist sein gutes Recht, wie er gehandelt hat. Und wenn wir uns Mühe geben, dann wird Aislin vielleicht doch noch eines Tages frei sein. Daran musst du von jetzt ab immer denken, Iduna!“ Zunächst hatten meine Worte tröstend geklungen. Bei meinem letzten Satz jedoch sah ich sie eindringlich an, um die Bedeutung meiner Worte noch zu unterstreichen.


    War ich mit ihr zu hart umgegangen? Ich sah, wie ihre Augen zu glänzen begannen, weil sie den Tränen nah war. Danach wandte sie sich von mir ab und sagte etwas, was mich sehr erschütterte. Denn letztendlich hatte Iduna nie eine Wahl gehabt, ob sie ein Kind wollte oder nicht. Die Art und Weise, wie dieses Kind gezeugt worden war, hatte kein bisschen mit Liebe zu tun. Aislin war ein Produkt der Gewalt. Der grausamen Zurschaustellung der Macht einer Domina über ihre Sklaven. Dass ich dabei ihr Werkzeug gewesen war, würde ich nie vergessen können. Ich dankte den Göttern dass Iduna mir verziehen hatte.

    Ihre Lippen schmeckten süß, wie der Nektar von Wildblumen und ihr Taint glich der Farbe von saftigen Aprikosen. Sie hatte versucht, sich an mich zu schmiegen als ich sie küsste. Ihr Blick verriet mir, dass sie sich auch nach mir verzehrte. Als sie merkte, dass ich dies erkannt hatte, errötete sie. Ja, es knisterte zwischen uns. Ob sie mich wirklich liebte? Oder war es nur fleischliches Verlangen, dem keinerlei Emotionen zugrunde lagen?
    Unter der Schlaftunika, die sie trug, zeichnete sich ihr graziler Körper und die prallen Brüste ab. Alleine das hätte mir schon genügt, um mich auf sie zu stürzen und sie zu nehmen. Doch das tat ich nicht. Das was ich ihr heute Nacht geben wollte, war mehr als nur fleischliches Vergnügen. Bevor ich jedoch damit beginnen konnte, fing sie plötzlich wieder an zu reden. So musste ich mein Vorhaben erst einmal verschieben und hörte ihr zu, was sie zu sagen hatte.
    „Äh ein Stammesritual? Dann ist unsere Tochter nun eine Cheruskerin?“ Welch schreckliche Vorstellung! Natürlich würde ich ihr das niemals sagen. Ich lächelte sie an. „Natürlich bin ich dir nicht böse an, mo ghràidh.“ Und damit sie mir auch wirklich glaubte, wollte ich sie erneut küssen. Doch scheinbar wollte sie lieber weiterplappern. Sie kam mit irgendwelchen Gerüchten, die in der Sklavenschaft die Runde gemacht hatten. Verdammt noch eins, wer hatte das Gerücht gestreut, ich hätte einen Wahrsager besucht? Hatte derjenige etwa auch gesehen, wie ich zuvor die Geldbeutel gestohlen hatte?
    „Ach ja, wer sagt denn so was?“, entgegnete ich ihr. Ihr scharfer Ton aber brachte mich dazu, ihr wenigstens einen Teil der Wahrheit zu verraten.
    „Nun ja, eigentlich bin ich nur durch Zufall bei diesem Seher gelandet. Und weil ich dann schon mal da war, habe ich ihn auch etwas gefragt. Wann trifft man denn sonst schon einen Seher?“ Ich hoffte, das genügte vorerst.

    Ich hatte mich noch schnell umgesehen, um mich zu vergewissern, dass sie tatsächlich fort war. Doch die Tür war inzwischen geschlossen. Dann wandte ich mich schließlich wieder dem Iulier zu, der zu mir aufsah. Bevor ich mein Anliegen vorbrachte, räusperte ich mich.
    Vielleicht wäre es eh besser gewesen, wenn nur ich gesprochen hätte und Iduna nicht den Vortritt gelassen hätte. Doch sie war so von ihrer fixen Idee überzeugt gewesen.
    „Dominus, bitte vergib Iduna! Ihre Worte waren unüberlegt und sie wollte dich ganz gewiss nicht erzürnen. Doch wenn es um unsere Tochter geht, dann kann sie wie eine Löwenmutter sein. Außerdem hatte ich ihr vorher schon gesagt, dass es sinnlos ist, dir ihren Wunsch vorzutragen. Aber sie wollte ja nicht auf mich hören.“ Dann entstand eine Pause, denn eigentlich wollte ich nicht nur wegen Idunas Benehmen um Verzeihung bitten. Es gab noch einiges anderes, was zwischen uns geklärt werden musste. Doch dieser nächste Schritt war mit Sicherheit der Schwerste, den ich bislang gehen musste.


    „Dominus, ich wollte dir noch sagen, dass es mir leid tut, wie ich mich benommen habe. Ich weiß, ich hatte nicht das Recht dazu. Doch ich war im Sorge… um Iduna. Der Flavier… Dominus Scato hatte mir gestattet, sie mir als meine Gefährtin zu nehmen. Nach allem was ihr zugestoßen ist, sah ich mich in der Pflicht, mich um sie zu kümmern. Doch nun ist alles anders. Der Flavier ist tot und wir sind nun… dein Eigentum…“ Wieder stockte ich. Es hatte mich schon einiges an Überwindung gekostet, ihn um Verzeihung zu bitten. Doch was nun noch folgen sollte, kostete mich noch viel mehr Überwindung.
    „Und somit hast du auch das Recht, sie zu nehmen, wann immer es dir beliebt.“ Alleine schon der Gedanke hätte mich in Raserei versetzt. Doch ich hatte Iduna versprochen, mich zu mäßigen. So spürte ich lediglich wie sich meine Muskeln anspannten, als ich weitersprach.
    „Das Einzige, worum ich dich bitten möchte, Dominus, reiße unsere kleine Familie nicht auseinander. Ich verspreche dir, ich werde alles tun, was du von mir verlangst. Wirklich alles! Aber nimm sie mir nicht weg!“

    Die Antwort des Sehers war schmerzlich, jedoch nachvollziehbar. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als dies zu akzeptieren. Meine Gesichtszüge festigten sich und ich presste meine Lippen fest aufeinander. Ich wusste jetzt schon, wie schwer das für mich werden würde. Doch am Ende, so verhieß es der Seher, würde es eine Zeit der Ruhe und des Wohlbefindens auf uns warten. Dass diese Wahrsager immer so in Rätseln sprechen mussten! Nun oblag es mir selbst, seine Worte zu interpretieren.


    „Wie lange wird das dauern, bis das Böse vorübergeht?“, fragte ich dann. Wie viele Jahre würde unsere Gefangenschaft noch andauern? Bis an unser Lebensende? Der Tod konnte uns schneller ereilen, als uns lieb war. Besonders dann, wenn man sich wie ich einer Räuberbande anschließen wollte.


    Schließlich meinte der Seher noch, dass wir mit Zuversicht in die Zukunft schauen sollten. Seine Worte erinnerten mich schlagartig an die letzte Unterredung mit dem Iulier, in dem er uns aufforderte, an uns zu arbeiten und zu Mustersklaven zu werden. Er gab uns dafür eine Frist von zwei Jahren. Doch was meinte der Seher mit der großen Reise?
    „Eine große Reise? Wohin? Nach Hause?“ Tatsächlich klang ein Funken Hoffnung in meiner Stimme mit. Ob ich jemals wieder die grünen Hügel, die dunklen, von Eichen gesäumten Seen und die vom Moor braungefärbten Flüsse wiedersehen würde? Das wäre tatsächlich mein größter Wunsch gewesen, hätte ich einen Äußern dürfen.

    Eigentlich hatte ich auf einen romantischen Ausklang des Abends gehofft, weil sie mich hierher in den Hortus gebeten hatte. Gab es einen schöneren Platz für zwei Liebende, als an diesem Brunnen? Doch dann holte sie mich schneller aus meinen Gedanken wieder zurück, als mir lieb war. Mein verträumter Blick wich einem nachdenklichen. Meine Stirn legte sich leicht in Falten, als sie unsere Unterredung mit dem Iulier erwähnte. Musste das jetzt sein? Ich wollte ihr nicht sagen müssen, dass ich es ja gleich gewusst hatte und dass sie auf meine Worte ja nicht hören wollte. Doch das äatte dann den Augenblick vollkommen zerstört.


    „Wir müssen das Beste daraus machen, Liebes!“, antwortete ich ihr, ohne dabei eine Prognose abzugeben. Für meinen Teil konnte es schwierig werden, immer stillzuhalten, nicht zu murren und Dinge zulassen zu müssen, die mein Ehrgefühl verletzten. Der Iulier hatte von uns die totale Unterwerfung gefordert. Für so etwas wie Ehre, war da kein Platz mehr. Und um Idunas Willen durfte ich dabei nicht versagen.
    „Ich werde alles Erdenkliche tun, um ihn und dich nicht zu enttäuschen, Geliebte.“ Dieses Versprechen besiegelte ich mit einem sanften Kuss auf ihre Lippen. Ich hoffte, dass dieses Thema damit erledigt war, denn ich spürte bereits in mir wieder das Verlangen nach ihr. Ihre bloße Anwesenheit verdrehte mir den Kopf. Dagegen war ich völlig machtlos. Ob sie diese Wirkung auch bei anderen Männern auslöste? Wie zum Beispiel bei dem Iulier? Genug Zeit verbrachte sie ja in seiner Nähe!
    Ach verdammt, da kam sie wieder angekrochen, meine Eifersucht!