Beiträge von Angus

    An Schlaf war kaum zu denken. Auch wenn es inzwischen dunkel wurde und ich eigentlich schon die Müdigkeit in meinen Knochen spürte, war ich einfach noch zu aufgewühlt. Die Eisenketten, die bei jeder noch so kleinen Bewegung raschelten, taten dann noch ihr Übriges dazu. Daher blieb mir nicht viel übrig, als zusammengekauert in der Ecke zu hocken und auf den kommenden Tag zu warten.

    So sollte es also enden! Meine Zeit hier in der Domus war beileibe keine harmonische gewesen. Zu sehr hatte ich mich von meiner Eifersucht leiten lassen, weil ich geglaubt hatte, Iduna wäre mein. Doch ich war ein Idiot gewesen, denn ich hatte immer noch nicht verstanden. dass Sklaven nichts eigenes besaßen, was nicht auch Eigentum ihres Herrn war. Iduna hatte dies scheinbar bei Zeiten schon recht schnell verstanden. Sie hatte gewusst, wie sie sich dem Iulier anbiedern musste. Bei diesem Gedanken spürte ich wieder diese aufkeimende Wut, obwohl dies alles doch inzwischen gar keine Rolle mehr spielte. Der Iulier war tot und mich würden sie morgen früh zum Sklavenmarkt führen.


    Nach einer Weile vernahm ich plötzlich ein Rascheln im Stroh. Zunächst dachte ich erst an eine Maus, die hier im Stall ihr Domizil hatte. Doch das Rascheln kam näher und wenn es eine Maus gewesen wäre, dann wäre eine ziemlich große gewesen... die zu meinem Leidwesen auch noch sprechen konnte!

    "Iduna?", fragte ich leise ins Halbdunkel hinein. "Was machst du hier? Geh und verschwinde einfach!" Mir war schon klar, dass sie das nicht tun würde. Und so machte ich mich auf eine weitere Auseinandersetzung mit ihr gefasst, obwohl das doch vollkommen sinnlos war. Von morgen an würden sich unsere Wege endgültig trennen.

    Wahrscheinlich hatte ich ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter gemacht, als mein neuer Dominus mir der Fesseln abgenommen hatte. Einer seiner Sklaven hatte sich dann meiner recht schnell angenommen. Er führte mich zum Sklaventrakt, wo ich zunächst auf die Villica traf und einigen anderen Sklaven begegnete. Nachdem ich einige Worte mit ihr gewechselt hatte, konnte ich mich endlich waschen. Doch bevor man mir neue Kleidung gab, wurde ich mit einem duftenden Öl eingerieben, so dass ich danach wie ein Moschusochse roch. Auch die Tunika, die ich erhielt und meinen Körperbau besonders zu betonen schien, ließ keinen Zweifel bestehen, was mich erwarten würde. Es war keine gewöhnliche Tunika, wie sie all die anderen Sklaven trugen, um ihr Tagwerk zu verrichten. Sie war mit feinen Borten besetzt auf denen ein fortlaufendes Muster zu erkennen war und machte einen sehr edlen Eindruck auf mich.


    Inzwischen war die Zeit vorangeschritten und der Tag neigte sich langsam seinem Ende zu. Nun war es an der Zeit, dem Decimer gegenüberzutreten. Ich musste zugeben, ich fühlte mich sehr beklommen, als ein Sklave, der mich zum Cubiculum meines Dominus bringen sollte, mich vor sich herschob, bis ich schließlich vor dessen Tür angelangt war. Bevor er mich verließ, klopfte er, öffnete vorsichtig die Tür und schob mich dann in den Raum hinein.


    Der Decimer saß auf der Fensterbank mit einem Weinkelch und las dabei aus einer Schriftrolle. Er schien sich dabei den Text selbst leise vorzulesen.

    Zunächst blieb ich an der Tür stehen und fühlte mich dort völlig fehl am Platz, denn er schien mich nicht zu beachten. Wenigstens blieb mir so ein wenig Zeit, um ihn mit ernster Miene zu mustern. Schließlich räusperte ich mich, um mich bemerkbar zu machen. Dann sprach ich ihn an. "Dominus?!"

    Ja, er! Er hatte sich nicht herabgelassen, auf meine Bemerkung einzugehen. Lediglich seine Brauen waren bedeutungsschwanger nach oben gegangen. Ja, so war es dann wohl beschlossene Sache. Ich sah einer düsteren Zukunft entgegen - als Gladiator und Lustsklave! Vielleicht gewährten mir die Götter einen raschen Tod in der Arena. Doch so wie ich sie kannte, würden sie sich an meinem Leid ergötzen.

    Noch einmal sah ich mich um und mein Blick traf dabei ausgerechnet auf Iduna. Ich musste schlucken und wandte schnell wieder meinen Blick ab, denn der Strick an meinen Händen hatte mich nach vorne gezogen. Seite an Seite mit meinen beiden Leidensgenossen hielt ich Schritt.

    Zu meiner Überraschung trennten sich unsere Wege schon recht bald. Während die anderen beiden Sklaven in einem Ludus nahe des Kolosseums abgegeben worden waren, nahm der Decimer mich mit zu seinem Heim. Von wegen Gladiator! Offenbar war alles nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, um zu verschleiern, mit welcher neuen Aufgabe er mich tatsächlich betrauen würde.

    Angus´ letzte Nacht in der Domus Iulia


    Die Sklaven, die Phocylides beauftragt hatten, mich fortzuschaffen und einzusperren, waren etwas ratlos gewesen, wohin sie mich bringen sollten. Der Weinkeller oder der Vorratsraum waren definitiv die ungeeignetsten Plätze dafür gewesen. Nachdem sie sich beraten hatten, schafften sie mich schließlich in den Stall. In einer Ecke im Stroh hatten sie mir einen Platz zugewiesen. Nachdem sie mir Eisen an die Handgelenke angelegt hatten und mich angekettet hatten, überließen sie mich mir selbst und den Pferden, die ein wenig abseits von mir standen.

    Ich konnte nicht fassen, was gerade passiert war. Noch immer war ich total aufgewühlt. Was hatte ich nur verbrochen, dass man mir so übel mitspielte? Und Domina Iulia! Warum hatte sie mich einfach so fallen gelassen, wie ein glühendes Stück Kohle? Hatte ich ihr nicht gut gedient? Sie war doch immer mit mir zufrieden gewesen. Ich war es doch, die ihre Sklavin damals nach Hause geholt hatte! Warum nur? Nichts und niemand konnte mir darauf eine Antwort geben.

    Was würde nun aus mir werden? Wahrscheinlich würde ich niemals mehr meine Tochter sehen - und Iduna. Nun ja, bei Letzterer verspürte ich kein großes Verlangen. Iduna war mir inzwischen egal. Aber meine Tochter! Aislin...

    Das Ganze hier war an Abstrusität kaum zu überbieten. Gerade noch genoss ich mich auf fragwürdige Weise meinen Höhepunkt, obwohl ich es mir Unbehagen verursachte, wie dieser Höhepunkt zustande gekommen war. Ein wenig aufgeschreckt wurde ich, als sich die Nachbarn zu beschweren begannen und mit Dingen nach uns warfen. Genau dieses Missfallen erinnerte mich wieder daran, was ich hier gerade tat und mit wem. Ich hatte kein Problem damit, mit einer Frau intim zu werden. Aber mit einem Mann!!??Einem Mann, den ich ursprünglich eigentlich ausrauben wollte. Aber das konnte ich jetzt eh vergessen! Zumal er sich plötzlich von mir löste und mich einfach so stehen ließ.

    Verdutzt sah ich ihm noch nach und als er längst weg war, kam dann auch noch ein "Vale bene!" über meine Lippen. was inzwischen vollkommen überflüssig gewesen war.

    Eines wusste ich, nachdem was mir gerade widerfahren war, würde ich heute niemanden mehr ausrauben... morgen auch nicht.... und in Zukunft auch nicht, wie ich ein paar Tage später erfuhr. Denn die Krähe uns seine Männer waren allesamt gemeuchelt worden, nachdem sie den Iulier und eine seiner Verwandten umgebracht hatten. Damit war meine Karriere als Räuber schneller vorbei gewesen, als ich es jemals vermutet hätte.


    FINIS

    Die festen Hände von Caius Aiacius' Gehilfen packten mich ganz plötzlich am Oberarm und schoben mich vom Podest zu der kleinen Treppe hin. Beinahe wäre ich die wenigen Stufen hinunter gestolpert, doch der Gehilfe hatte mich gerade noch halten können. In meinen Gedanken war ich noch immer bei diesem Tribun, den die Iulia damals getroffen hatte und der, wie es nun den Anschein hatte, mein neuer Besitzer sein sollte. Meine Beine fühlten sich wie Brei an, als ich wieder den festen Boden unter mir spürte und ich weiter geschoben wurde. Der Decimus hatte sich bereits den Weg zum Podest gebahnt und kam mir entgegengeschritten. Ein weiterer Römer, dessen Eigentum ich geworden war. Ich machte mir keine großen Hoffnungen, dass sich mein Leben von nun an grundlegend ändern würde. Ich war es einfach leid und haderte mit mir, in den letzten Monaten und Jahren keine einzige Chance zur Flucht ergriffen zu haben.

    Als mich mein neuer Besitzer ansprach hatte ich zu Boden geblickt. Doch als er mich mit Namen ansprach, ging mein Blick sofort wieder hoch, so dass ich ihm direkt in die Augen schauen konnte. Woher kannte er meinen Namen? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass die Iulia mich irgendwann einmal in seiner Gegenwart mit Namen gerufen hatte. Wie ich so in diese blauen Augen schaute, durchfuhr es mich von Neuem. Diese Augen kamen mir so bekannt vor. Ich hatte sie erst kürzlich gesehen, auch wenn das Gesicht mir anderes in Erinnerung geblieben war. Ebenso diese Stimme, ich hatte sie erst kürzlich schon einmal gehört. Nein, es bestand gar kein Zweifel, das war der Kerl aus der Subura, den ich eigentlich ausrauben wollte. Jedoch war alles anders gekommen. Ganz anders, so dass ich mir immer noch schwer tat, an diesen Abend und diese Begegnung zurückzudenken. Und nun plötzlich fühlte ich mich, als wäre ich von alledem wieder eingeholt worden.

    "Du?!", entfuhr es mir voller Entgeisterung. Gleichzeitig spürte ich, wie mir die Röte in die Wangen schoss.


    Ganz anders erging es dem Sklavenhändler, der zufrieden lachte und mit überfreundlichen Worten seinen Kunden begrüßte, als der sich ihm zuwandte. "Ich beglückwünsche dich zu diesem klugen Kauf! Er wird sicher einen hervorragenden Gladiator abgeben!" Jedoch schien der Tribun es eilig zu haben, denn er verzichtete auf eine Brandmarkung, obwohl er diese für einen klitzekleinen Unkostenbeitrag bei ihm hätte bekommen können. Aber gut, wenn der Kelte zum Gladiator ausgebildet werden würde, bekäme er spätestens in seinem Ludus eine Brandmarkung. "Der Kaufvertrag, natürlich! - Strabax, der Kaufvertrag!", rief er einem anderen seiner Mitarbeiter zu, der nach einer kurzen Weile mit einer Tabula in der Hand angelaufen kam.


    Währenddessen war ich immer noch wie betäubt, weil ich noch immer nicht so recht daran glauben konnte, oder besser gesagt wollte, was gerade passiert war. Auch die weiteren Bemerkungen des Decimers an den Sklavenhändler, glitten an mir vorbei wie schmelzendes Eis. Teilnahmslos ließ ich mir auch die Hände binden, so dass man auch mich später ganz problemlos zu den beiden anderen Sklaven einreihen konnte, die einer der Begleiter meines neuen Dominus hinter sich herführte.

    Heute musste Caius Aiacius' Glückstag sein! Zweitausend waren inzwischen geboten. Das war mehr, als er sich überhaupt erhofft hatte. Zuletzt hatte ein gewisser Tribun Decimus Serapio bieten lassen. Gewiss würde er diesem Sklaven, der ihm als Unruhestifter übergeben worden war, Manieren beibringen. Aber das war nun auch nicht mehr sein Problem, denn bereits jetzt würde er für den Burschen einen satten Gewinn einfahren. "Zweitausend sind geboten für dieses Prachtstück! Zweitausend! Höre ich noch ein weiteres Gebot?" Der Sklavenhändler sah sich in der Menge um. Zu seiner Enttäuschung hatte die Patrizierin offenbar ihr Interesse verloren. Und was war mit der aufgetakelten neureichen Dame? Auch aus ihrer Richtung schien dann auch nichts mehr zu kommen...


    Für einen Moment atmete ich wieder auf, als dieses Weibsbild überboten wurde. Nein, es war nicht die Flavia gewesen, die das nächste Gebot hatte rufen lassen. Es war der Name eines Mannes, der mir irgendwie bekannt vorkam. Wo hatte ich den nur gehört? Decimus Serapio? Ich zermarterte mir mein Hirn, was an sich nicht schlimm war, denn dadurch war ich für eine Weile abgelenkt. so dass das flaue Gefühl im Magen wieder etwas nachließ. Zumindest solange, bis mich Caius Aiacius' Stimme mich wieder in die Gegenwart zurückbeförderte.


    "Zweitausend zum Ersten!"


    Was hatte er gerufen, fragte ich mich erschrocken. Doch dann begriff ich, dass niemand anderes mehr geboten hatte.


    "Zweitausend zum Zweiten!"


    Verdammt, wer war Decimus Serapio? Meine Augen musterten nun die Menge, die sich vor dem Podest eingefunden hatte, in der Hoffnung ein bekanntes Gesicht zu erkennen. Aber außer Iduna, die sich inzwischen ganz angeregt mit diesem Kerl unterhielt, sah ich niemanden, der mir bekannt vorkam.


    "Zweitausend zum Dritten! Verkauft an Tribun Decimus Serapio!"


    Mich durchfuhr ein Schauder, als ich hörte, dass alles vorbei war. Und plötzlich fiel es mir wieder ein! Dieser Tribun war der Kerl, den Domina Graecina auf diese Werkschau begleitet hatte. Ich erinnerte mich wieder ganz genau. Der Kerl hatte mich damals schon auf diese seltsame Art angeschaut, als ob er...

    Caius Aiacius hatte inzwischen seinen Stock wieder aus meinem Mund entfernt. Und grummelte mir etwas zu, was so viel zu bedeuten hatte, wie ‚Beim nächsten Mal spürst du auch meinen Stock!‘ Doch sein Zorn wich sofort wieder von seinem Antlitz, als das nächste Gebot gerufen wurde. Offenbar hatte sich da jemand in den Kopf gesetzt, mich kaufen zu wollen. Es war wieder dieser Mann mit den schulterlangen Haaren. Jedoch konnte ich wieder nicht genau ausmachen, für wen er bot. Ein wenig seltsam fand ich das schon. Aber derjenige hatte sicher seine Gründe dafür.


    „Tausend Sesterzen sind geboten! Tausend Sesterzen,“ stellte der Sklavenhändler erfreut fest und hoffte, dass aus tausend womöglich sogar zweitausend werden konnten.


    Was war eigentlich aus Tiberios geworden? Ich hatte nicht begriffen, was er versucht hatte, mir mit seine Wachtafel zu sagen. Dann fing ich ihn wieder mit meinem Blick ein. Inzwischen waren seine Schreibinstrumente nicht mehr zu sehen. Entweder hatte er sie weggepackt oder… oh, hatte er soeben einen Schlag von seinem Dominus abbekommen? Warum sollte es ihm besser ergehen?


    Mein Blick fiel dann auch wieder auf Iduna, obwohl ich sie doch lieber ignoriert hätte. Aber irgendetwas in mir hatte wohl noch nicht endgültig mit ihr abgeschlossen. Dieses Gefühl bestätigte sich, als ich erkannte, dass sie inzwischen mit einem fremden Mann sprach, statt tränenüberströmt zu mir herauf zu blicken und mit mir zu leiden. Denn ich spürte plötzlich wieder, wie sehr mir diese Tatsache missfiel. Sie hatte nicht mit fremden Männern zu sprechen. Doch was hätte ich nun noch ausrichten können? Ich musste mich daran gewöhnen, dass sie nicht mehr zu mir gehörte. Im Grunde konnte ich froh sein, dass sie vielleicht jemanden gefunden hatte, der nett und freundlich zu ihr war. Wenigstens jetzt und hier.


    „Tausendfünfhundert“, hallte es plötzlich aus einer ganz anderen Ecke, die meine Aufmerksamkeit bisher etwas vernachlässigt hatte. Doch das holte ich sofort nach und lenkte meinen Blick zu einer aufgetakelten Dame mittleren Alters, die für meinen Geschmack ein wenig zu sehr geschminkt war und recht aufreizend gekleidet war. Man hätte meinen können, es handele sich um eine ‚Dame‘ die für gewöhnlich im horizontalen Gewerbe zu finden war und nun auf der Suche nach Nachschub war. Ich schluckte unvermittelt. Wo war die Flavia? Warum bot sie nicht mehr? Langsam wurde es mir unbehaglich zumute.

    Keinesfalls hatte ich die Absicht, Domina Graecina weh zu tun oder sie gar zu verletzen. Vielleicht war ich auch zu unbesonnen gewesen und hatte geglaubt, sie würde mir voll und ganz vertrauen. Jedoch als sie vor mir zurückwich und sich dann auch noch der Maiordomus vor mir aufbaute, weil er die Iulia vor mir schützen wollte, wusste ich, dass ich von ihr nichts mehr zu erwarten hatte. Selbst Iduna hatte das Vertrauen in mich verloren, was ja auch kein Wunder war. Denn schließlich war ich es gewesen, der ihr Gewalt angetan hatte.


    Als Wonga dann im Zimmer erschien und er begriffen hatte, was hier gerade vor sich ging, bedurfte es nicht mehr vieler Worte. Er kam auf mich zu und riss mich von denn Herrschaften und Pholylides fort. „Es tut mir Leid, Domina! Ich wollte dir nichts antun!“ rief ich noch


    „Bring ihn von hier fort und sperre ihn vorerst in den Keller ein.“, befahl der Maiordomus. Daraufhin zerrte mich Wonga aus dem Raum. Doch er hatte leichtes Spiel mit mir, denn ich sträubte mich nicht mehr und ging mit ihm.

    Meine Ressentiments waren längst zur Seite gedrängt worden und meine niedrigsten Instinkte hatten das Ruder übernommen. Ja, ich genoss es! Und wie ich es genoss! Mein Opfer dessen Ofer ich geworden war, beherrschte seine Sache sehr gut und ließ mich immer heftiger Stöhnen. Dann fand seine freie Hand ihren Weg in meinen Nacken und dann in mein Haar. Und auch ich hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, nach etwas zu greifen. Also schlug ich meine Hände um seine Arme, schob sie weiter auf seinen Rücken und ließ sie beide nach unten fahren. Fordernd zog ich seine Tunika nach oben, damit der Weg für meine Hände zu seinem Hintern frei war. Meine beiden Hände griffen nach seinen Pobacken, während ich dann auch seinen gierigen Kuss erwiderte. Als wir so eng umschlungen waren und er seine Lenden gegen meine presste, spürte ich ganz deutlich wie erregt auch er war. Bei Lugh, ich hätte niemals gedacht, dass ich einmal so empfinden könnte. Oder war es nur das Übermaß an Alkohol und meine ausweglose Lage gewesen, die mich dazu getrieben hatten? Der Hinterhof der Taberna und der widerliche Gestank der Latrinen waren in der Tat der passende Ort für ein solches Stelldichein.
    Ich konnte nicht mehr lange an mich halten. Ein heftiges Stöhnen drückte aus, was ich im Moment des höchsten Lustgefühls empfand. Es war anders als alles, was ich bisher erlebt hatte. Nun ergab ich mich ganz ihm.

    Aiacius‘ Marktschreien perlte an mir ab, wie Regentropfen an einer Lotuspflanze. Es war das übliche Sklavenhändlergeschwätz, das ich schon so oft an solchen Plätzen wie diesem hier gehört hatte. Nur diesmal war ich es, der als Ware angepriesen wurde. Ich versuchte immer noch meinen Blick auf einen bestimmten Punkt zu legen, an dem ich mich festhalten konnte, um dem, was dort unten nun gleich vor sich gehen würde, so lange es ging, zu entgehen. Das gelang mir allerdings nur so lange, bis das erste Gebot für mich gerufen wurde. Es ließ sich einfach nicht vermeiden, dass ich doch einen Namen aufschnappte, der mir vertraut war. Flavia? Domina Flavia Domitilla? Ja wollt ihr mich verarschen?!


    „Vierhundert sind geboten von der edlen Flavia! Wer bietet mehr?“, schrie Caius Aiacius und war sichtlich zufrieden. Das erste Gebot war sogar von einer Patrizierin gekommen. Solchen Damen sagte man ja oft nach, dass sie immer auf der Suche nach dem passenden Spielzeug waren. Und dieses hier hatte seinen ganz besonderen Reiz, nicht zuletzt aufgrund des wilden Aussehens des Kelten.
    Seine Befürchtungen, die er zu Anfang gehegt hatte, als er den Sklaven von den Iuliern gekauft hatte, schienen sich nicht zu bewahrheiten. Gemäß dem Spruch ‚was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß‘, hatte er bewusst darauf verzichtet, den Leuten das unwichtige Detail auf die Nase zu binden, dass es sich bei dem Kelten um einen aufmüpfigen Unruhestifter handelte. Wahrscheinlich hatte es eh nur an der unsachgemäßen Haltung seiner vorherigen Besitzer gelegen. Im Augenblick machte er doch einen recht ruhigen Eindruck!



    Meine Augen verließen sofort ihren festen Punkt und machten sich auf die Suche nach der Flavia. Jedoch konnte ich sie in der Menschenmenge, die sich inzwischen vor dem Brettergerüst versammelt hatte, nicht entdecken. Die flavische Sänfte jedoch fiel mir dann doch schnell ins Auge. Ich konnte mich noch dunkel an sie erinnern. Wenn ich mich recht entsann, hatte Scato, mein ehemaliger Dominus, damals ihre Ehe arrangiert. Das war so lange her!


    Das Gebot der Flavia hatte mich so irritiert, so dass ich nicht länger in der Lage war, mich auf meinen festen Punkt zu konzentrieren. Er war für mich unwiderruflich verloren. Mir wurde speiübel bei dem Gedanken, wieder in der Villa Flavia zu landen. Hoffentlich bot noch jemand anderes!
    Nun, da es vorbei war mit meiner inneren Ruhe, ließ ich dann doch noch meine Blicke schweifen, um potentiellen Käufern Ausschau zu halten. Aber wen musste ich da erblicken? Tiberios! Verdammt noch eins, welches Spiel spielten heute die Götter da mit mir? Tauchten jetzt alle möglichen Geister meiner Vergangenheit auf, um mir auch noch den letzten Rest meiner Würde zu rauben? Der Grieche fuchtelte mit einer Tabula und einem Stylos in der Luft herum. Ich hatte keine Ahnung, was er von mir wollte!
    Und da! War das nicht Iduna? Ja, das war sie! Wie so oft heulte sie auch diesmal wieder. Hoffentlich hatte sie nicht die Kleine dabei! Aislin sollte nicht mitbekommen, wie ihr Vater verhökert wurde! Mir war klar, dass sie noch viel zu klein war, um zu verstehen, was hier passierte. Dennoch war dies hier kein guter Ort für ein Kind!
    Jetzt fehlte eigentlich nur noch der Kerl, den ich letztens in der Subura getroffen hatte. Denjenigen den ich eigentlich ausrauben wollte. Stattdessen war der Typ über mich hergefallen und hatte mich nach Strich und Faden verführt. Ich war noch immer ganz verstört, wenn ich darüber nachdachte.


    Dann kam endlich das nächste Gebot. Ich atmete erleichtert auf, dass sich meine schlimmsten Befürchtungen nicht bewahrheitet hatten. Es war ein Mann, der ungefähr mein Alter hatte. Wahrscheinlich ein Sklave von irgendjemand. Wer war mir herzlich egal! Wie gesagt, ich würde meinem neuen Besitzer noch früh genug kennenlernen.


    Die Laune des Sklavenhändlers verbesserte sich noch mehr, als fünfhundert Sesterzen geboten wurden. Natürlich kamen auch Zwischenrufe aus dem Publikum. Die üblichen Anfragen nach den Fähigkeiten und Erfahrungen des Sklaven. Doch der kühnen Aufforderung, mich hier kämpfen zu lassen, wollte er nun doch nicht nachgehen. „Selbstverständlich kann er kämpfen! Der Bursche war ein Krieger, bevor er eingefangen wurde! Fünfhundert sind geboten! Fünfhundert! Wer bietet mehr?“, rief er. Da ging noch was! Das hatte Caius Aiacius im Urin.
    Ein weiterer Zwischenrufer wollte sich über die sprachlichen Kompetenzen seiner Ware informieren. Solche Fragen ließen sich am besten durch einfache Demonstrationen beantworten. Also stieß mich Caius Aiacius daraufhin unsanft mit seinem Stock an. „Los sag etwas! Mach schon!“ Da ich mir geschworen hatte, hier auf dem Podest nicht die riesen Welle zu machen, sondern den gehorsamen Sklaven geben wollte, fokussierte ich ihn nur mit einem herausfordernden Blick und antwortete dementsprechend, so wie er es mir befohlen hatte. „Etwas! Mach schon!“ Caius Aiacius versuchte diese unverschämte Antwort vorerst herunterzuspielen, denn es machte sich nicht gut, vor der Kundschaft die Ware direkt auf dem Podest mit Stockschlägen zu maßregeln. Stattdessen packte er mich an meinem Kinn und drückte mir mit seinem fleischigen Daumen und Zeigefinger den Mund und auf und die Kiefer auseinander, so dass meine Zähne zum Vorschein kamen. Bevor er wieder von mir abließ, führte er seinen Stock zu meinem Mund, so dass meine Zähne auf das Holz es Stockes bissen. „Seht her! Er hat noch alle seine Zähne. Dieser Sklave ist ein wahrer Naturbursche! Wer bietet mehr?“
    Der Ausdruck Naturbursche wann dann auch das Stichwort für die nächste Frage. Da dem Sklavenhändler dazu die nötige Information fehlte (denn ein Vorgespräch hatte es nicht gegeben und er hatte mich dazu nicht befragt), dachte er sich irgendetwas aus, wodurch meine Geschichte noch verwegener klang. „Ja, dieser Sklave hier war ein wilder Krieger aus dem Norden Britanniens. Dort wurde er eingefangen und in die zivilisierte Welt gebracht, wo man ihm bereits ein wenig Benehmen beigebracht hat! Wie ihr seht, er braucht eine starke Hand! Und im Übrigen hat die Peitsche noch keinem Sklaven geschadet!“

    Wie betäubt stand ich da. Dort, wo ich gehofft hatte, nie wieder stehen zu müssen. Letztendlich hatte mir der Iulier auch noch aus seinem Grab heraus eins ausgewischt. Von wegen, die Iulier kümmern sich um ihre Sklaven! Alles nur dummes Gewäsch von einem prahlerischen Großmaul, dessen Leichbrand inzwischen in einem Grabmal vor den Toren Roms vermoderte. Sie hatten mich ganz schön gelinkt, diese feinen Herrschaften! Vorneweg der Senator, gefolgt von seinen falschen Cousinen. In Ketten hatten sie mich aus der Domus weggeführt, weil ich gefährlich sei und ich ja sowieso ein notorischer Unruhestifter wäre.


    „Quirites! Volk dieser wunderbaren Stadt! Seht her, was ich nun für euch habe!“, begann Caius Aiacius zu rufen, seines Zeichens Sklavenhändler. Gerade eben noch hatte er eine nubische Schönheit an den Mann gebracht und dabei ein ordentliches Sümmchen eingenommen. Der fette untersetzte, nach Knoblauch stinkende Kahlkopf, rieb sich erwartungsvoll die Hände, als seine beiden Gehilfen mich kurz zuvor auf das Verkaufspodest gezerrt hatten. Nun standen die beiden hinter ihrem Herrn, allzeit bereit, mich zur Raison zu bringen, falls ich Dummheiten machten solle. Doch dazu wollte ich ihnen keinen Anlass geben.


    Mein Blick ging ins Nichts, Ich hatte kein gesteigertes Interesse daran, welcher römische Pöbel sich gerade vor dem Brettergerüst des Sklavenhändlers versammelt hatte. Wer mich letztendlich kaufte, würde ich noch früh genug erfahren. Mittlerweile hatte ich ja schon etwas Erfahrung in puncto Sklavenversteigerungen. Caius Aiacius hatte mich zum Glück nur einige Tage durchfüttern müssen und ich hatte auch keinen strapaziösen Fußmarsch durch das halbe Imperium hinter mich bringen müssen. Also machte ich eine recht gute Figur. Um für mich einen ordentlichen Preis zu erzielen, hatte er mich lediglich in Subligares auftreten lassen, so dass jeder, den es interessierte, meine Muskeln begutachten konnte. Ganz zu Schweigen von meinen Tätowierungen auf der Brust und meinem rechten Oberarm, knapp unterhalb der Schulter, die offensichtlich die Fantasie mancher Römer stark beflügelten. Meine Haut glänzte noch von dem Öl, mit dem er meinen Körper hatte einreiben lassen und mein blondes Haar sah wirr aus, so wie eh und je. Wenn dass nicht barbarisch wirkte! Plötzlich war ich nichts mehr weiter als nur eine Handelsware. Ein Stück Fleisch, das man an den Höchstbietenden weiterverkaufte.


    „Schaut euch diesen strammen keltischen Barbaren an! Er stammt aus dem Nachlass eines iulischen Herrn, der kürzlich das Zeitliche gesegnet hat. “ Mehr wollte Caius Aiacius dazu nicht verraten. Vielmehr wollte er nun die Aufmerksamkeit der Leute auf meine körperlichen Vorzüge lenken. Mit einem Stock, den er in seiner rechten Hand hielt, tippte er nun auf meinen linken Oberarm.
    „Schaut her ihr feinen Damen, erlauchte Herrn und seht euch nur seine Muskeln an! Der Bursche ist es gewohnt, schwere Arbeit zu verrichten. Doch mit ein wenig Anleitung und der nötigen Geduld ist er durchaus auch als Custos Corporis oder für die Arena brauchbar.“ Diese Informationen ließ der Sklavenhändler erst einmal sacken, dann fuhr er fort.
    „Werte Herrn, edle Damen, das Anfangsgebot für diesen prachtvollen Kelten hier startet nicht bei fünfhundert und auch nicht bei Vierhundert! Für euch startet das Anfangsgebot heute bei sage und schreibe dreihundertfünfzig Sesterzen! Wer bietet mehr?“ Während der Sklavenhändler suchend seinen Blick über die Leute schweifen ließ, um einen möglichen Interessenten auszumachen, wirkte ich gänzlich abwesend neben ihm. Mich interessierte es nicht, wer da für mich bot. Ich wünschte mir nur, alles wäre schon vorbei. Letztendlich lag nur eine weitere erniedrigende Station in meinem hundsmiserablen Leben als Sklave vor mir.


    Sim-Off:

    Reserviert!

    Ich war ein lausiger Räuber! Wenn die Krähe davon Wind bekam, dann konnte ich meine Karriere als Bandenmitglied an den Nagel hängen.
    Noch immer versuchte ich, an den verdammten Dolch zu kommen. Doch dafür musste ich ein wenig den Druck auf mein Ofer reduzieren. Diese Nachlässigkeit sollte sich auch sofort rächen. Denn danach ging alles plötzlich ganz schnell. Der Kerl nutzte meinen Lapsus und konnte sich so aus meinem Griff befreien. Dabei bohrte er mir seine Fingernägel ganz tief in mein Handgelenk, so dass ich beinah hätte aufschreien müssen. Aber ich konnte mich beherrschen, denn ich war ja keine Memme!


    Statt nun das Weite zu suchen, bleib mein Opfer seltsamerweise direkt bei mir stehen und machte nicht einmal Anstalten, über eine baldige Flucht auch nur nachzudenken. Im Gegenteil, er kam noch auf mich zu, so dass ich automatisch ein zwei Schritte nach hinten machte, bis ich letztendlich in meinem Rücken eine Wand spürte. Wahrscheinlich musste ich dabei ein ziemlich dümmliches Gesicht gemacht haben, denn ich war total verwirrt und kapierte rein gar nichts mehr, was gerade hier vor sich ging.
    Er nannte mich einen Adonis, der alles bekäme, was er wollte. „Ach wirklich?“, fragte ich ungläubig, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Kerl mir nun sein Geld freiwillig überlassen würde. Einfach so, nur weil ich in seinen Augen ein Adonis war.


    Aber es kam noch besser! Ich beobachtete seine Hand, die er dann zielgerichtet nach meiner ausstreckte. Jene Hand, die soeben noch erfolglos versucht hatte, den Dolch unter meiner Tunika hervorzuholen. Er schob sie beiseite und fuhr mir mit seiner unter den Saum meiner Tunika. Fragend sah ich ihn an. Bevor ich noch protestieren konnte, hatte sie bereits sein Ziel erreicht und packe dort zu, wo normalerweise nur ich zupacken durfte.
    „Hee, was…“, begann ich zu protestieren. Bisher hatte ich mir nichts aus Männern gemacht und fand es eigentlich eher abstoßend, intim mit einem Mann zu werden. Aber wie es schien, begann hier gerade mein eigener Körper gegen mich zu revoltieren, was mich komplett überrumpelte, denn ich konnte mich nicht dagegen wehren. Mein Kopf sagte zwar nein, doch meinem Körper schien es zu gefallen, was dieser Kerl plötzlich mit mir anstellte. Zum Glück hatte ich nun die Mauer im Rücken, denn ich lehnte mich gegen sie, als er mich mit seinen gekonnten Bewegungen von null auf hundert brachte und ich lustvoll zu seufzen begann.

    Kurz nach mir trat Iduna mit unserer Tochter herein. Als sie mich sah, trat wieder ihr schlechtes Gewissen zu Tage und schnell richtete sie ihren Blick zu Boden. Auch mein Lächeln entschwand kurzzeitig. Doch bei dem Anblick meiner Tochter vergaß ich all den Unmut, den ich bei Idunas Erscheinen aufgekommen war. Wie groß sie geworden war! Ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen, da dies zur Folge gehabt hätte, mich auch mit ihrer Mutter auseinandersetzen zu müssen. Gerne hätte ich mich nun mit Aislin mehr abgegeben, jedoch eröffnete dann der Iulier das Gespräch und ich wandte mich ihm wieder zu.


    Nachdem er sich uns noch einmal vorgestellt hatte und uns eröffnet hatte, dass er der Erbe unseres Dominus sei, teilte er uns auch mit, dass er sich von uns trennen wolle. Meine Augen verengten sich ein wenig, da ich verstehen wollte, was dies für uns zu bedeuten hatte. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Doch ich glaubte nicht daran, dass mich die Iulier fallen lassen würden, ebenso wenig Iduna und unser Kind.
    Nein, Domina Graecina wollte sich Iduna und Aislin annehmen. Darüber empfand ich Erleichterung. Aber was war mit mir. Der nächste Satz des Dominus klang sehr schwammig. Was meinte er damit, für mich würde sich ebenfalls bald ein geeigneter Interessent finden?
    „Äh, ich verstehe nicht, Dominus?“ Ich sah die drei Iulier an, insbesondere Domina Graecina, die doch wissen musste, dass ich ihr gute Dienste geleistet hatte! Doch Iduna schien die Worte des Iulier schneller entschlüsselt zu haben, als ich mir es eingestehen wollte.
    „Ihr wollt mich doch nicht etwa…? Nein! Das kann nicht sein!“, begann ich zu schreien. „Domina Greacina, ich bitte dich!“, flehte ich eindringlich und machte ein paar Schritte auf sie zu, so dass ich fast direkt vor ihr stand.

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    Kurze Zeit später erreichte ich die Tür zum officium des Maiordomus. Bevor ich eintrat, klopfte ich an der Tür. Zu meiner Überraschung erblickte ich Iulia Graecina und ihre Cousine Stella und einen stattlichen Mann, der in etwas in meinem Alter sein musste. Das musste der Senator sein, von dem alle sprachen und der kurz nach dem Tod des Iuliers hier eingetroffen war.
    „Salve Dominus! Salve Domina Grecina und Domina Stella!” Ich nickte allen dreien zu lächelte und harrte dann der Dinge, die dann noch kommen sollten.

    Seitdem der Iulier das Zeitliche gesegnet hatte, herrschte eine getrübte, ja sogar fast eine angsterfüllte Stimmung unter den Sklaven des Iulius Caesoninus. Spätestens seitdem bekannt war, der Iulier habe keinen letzten Willen hinterlassen, reagierten mache unter den Sklaven regelrecht hysterisch, weil sie sich schon mit einem Fuß auf dem Podest des Sklavenhändlers sahen.


    Ich für meinen Teil sah das Ganze ziemlich gelassen. Ich hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich den Iulier nicht mochte. Nun war er tot. Im Prinzip konnte es nicht schlimmer werden. Im Gegenteil, vielleicht wurden die Zeiten ja jetzt besser.
    Doch schließlich war der Tag gekommen, an dem sich das Schicksal all seiner Sklaven offenbaren würde. Wie ich gehört hatte, munkelte man, dass wohl einige freigelassen werden würden und mache sollten weiterhin den Iuliern dienen. Einige wenige sollten auf dem Sklavenmarkt landen.
    Ich persönlich rechnete nicht damit, verkauft zu werden. In der kleinen Iulierin, die ich gelegentlich schon als Leibwächter begleitet hatte, fand ich bestimmt eine Fürsprecherin. Außerdem arbeitete ich hart und war mir für keine Arbeit zu schade.


    Als der Maiordomus kam und nach mir rief, war ich mir ziemlich sicher, dass es nur einen einzigen Grund dafür gab. Mein neuer Dominus wollte mich begutachten, um entscheiden zu können, was er mit mir in Zukunft anstellen wollte. Zeit also, sich von meiner besten Seite zu zeigen! Ich hoffte nur, er war nicht genauso ein schmieriger Angeber, wie es Caesoninus gewesen war.


    Für einen Moment verschwendete ich sogar einen Gedanken an Iduna, diese falsche Schlange. Nun hatte sie niemanden mehr, zu dem sie ins Bett kriechen konnte! Was nur aus Aislin werden würde? Das machte mir am meisten Sorgen. Meine Kleine würde ich wohl nie wieder sehen.


    Ich ließ also alles stehen und liegen, wischte meinen Schweiß an einem Tuch ab und zog meine Tunika über. Zum Glück war sie nicht übermäßig schmutzig. Dann folgte ich Phocylides in dessen officium.

    Ich war vor die Tür gegangen und hatte mir eine nette dunkle Ecke gesucht, um dort eine Stange Wasser abzulassen. Die stinkende Latrine im Hinterhof war nicht so meins. Wenn ich hier in der Subura war, dann fühlte ich mich wenigstens ein bisschen frei. Dann war ich auch so frei, mich dort zu erleichtern, wo es mir beliebte.
    Danach betrat ich wieder die Taberna, um mich zurück zu meinem neuen „Freund“ zu gesellen. Doch was war das? Er war nicht mehr da! So ein Mist, mir war gar nicht aufgefallen, dass er auch die Taberna verlassen hatte. Sofort ging ich zu Gwen hinüber, um sie zu fragen, ob ihr etwas aufgefallen war. Außerdem bezahlte bei der Gelegenheit auch meine Zeche. Die Wirtin berichtete mir dann, der Mann habe seine Rechnung bei ihr beglichen, sei aber noch nicht gegangen. Er sei nach draußen in den Hinterhof gegangen, dort wo die Latrine war. Ich bedankte mich bei ihr für die Information und ging dann auch zum Hinterhof hinaus. Schon bald kroch mir der Gestank der Latrine in die Nase. Bevor ich jedoch hinaus trat, blieb ich an der Ecke stehen und beobachtete ihn kurz. Er stand mit dem Rücken zu mir und wenn ich leise war, würde er mich nicht kommen hören. Das war die Chance, ihm hier und jetzt seinen Geldbeutel abzunehmen!
    Ich schlich mich also auf leisen Sohlen an ihn heran. Als ich direkt hinter ihm stand, drückte ich ihm von hinten meine Hand auf seinen Mund und drücktete ihm mit all meinem Gewicht gegen die nächstliegende Mauer. „Kein Mucks, mein Freund! Wenn du schön brav machst, was ich von dir verlange, wird dir nichts Schlimmes passieren!“, zischte ich ihm leise ins Ohr.
    Dummerweise bemerkte ich erst jetzt, dass ich doch glatt vergessen hatte, meinen Dolch unter meiner Tunika hervorzuholen. Also pfriemelte ich mit einer Hand am unteren Ende meiner Tunika herum, während ich ihn immer noch fest gegen die Wand drückte. „Mist, verdammter!“, fluchte ich leise und bewegte meine Hand immer hektischer dabei.

    Gwen kam mit einem weiteren Becher Cervisia an. Der wievielte war das eigentlich? Ich hatte gar nicht mitgezählt. Entweder konnte sie hellsehen und hatte durch ihre Fähigkeiten sehen können, dass der Inhalt meines Bechers gerade zur Neige gegangen war oder ich litt bereits an Aussetzern, denn ich konnte mich nicht erinnern, noch eine Cervisia bestellt zu haben. Aber egal, ich nahm sie trotzdem! Auch wenn ich nun langsam den Alkohol zu spüren begann, was nicht unbedingt von Nachteil war.


    „Na ja, es könnte besser sein!“, entgegnete ich ihm. Wahrscheinlich konnte man als freier Mann einen ordentlichen Reibach machen. Doch als unfreier Custos waren alle Mühen mehr oder weniger selbstverständlich, geschweige denn dass ich dafür bisher niemals bare Münze gesehen hatte. Aber gut, daran würde ich nichts ändern können.


    Viel mehr Spaß machte es mir hingegen zu sehen, dass ihm das Essen tatsächlich schmeckte und er auch langsam an der Cervisia Geschmack fand. Ja, Gwen hat es tatsächlich mit diesem Gericht geschafft, die traditionelle britannische Küche mit den Feinheiten der mediterranen Küche zu vereinigen. Wenn das mal nicht der Beginn der Fusionsküche war! Darauf musste ich direkt meinen Becher leeren. „Noch eine, Gwen!“, rief ich und hörte meinem Gegenüber zu, als er mir verraten wollte, wovon er immer schwach wurde. Ich glaubte natürlich zunächst, der Kerl redete vom Essen. Eigentlich hätte es mir schon auffallen müssen, als er sich so am Kopf kratzte. Blondes Haar, so wie meines, mochte er. Ich dachte mir nichts dabei, denn ich wusste inzwischen, dass manche Römer total auf blonde Haare (bevorzugt bei Frauen) abfuhren und ich assoziierte das irgendwie mit seinem Interesse an seinem Interesse an Streitwagen.


    „Aha,“ machte ich grinsend. „Viele meiner Landsleute sind blond oder rothaarig. Stell dir vor, früher in den glorreichen Zeiten, als die Stämme noch frei waren, da kämpften unsere mutigsten Krieger nackt! Lediglich blaue Farbe bedeckte ihren Körper. Mit wildem Geschrei stürzten sie sich auf ihre Feinde! “ Tja, das waren noch Zeiten! Für einen Moment sah ich das Bild noch vor meinem inneren Auge. Doch dann verblasste es wieder und etwas ganz anderes trat in den Vordergrund. Denn wenn ich so darüber nachdachte, konnte der Römer das jetzt auch ganz anders gemeint haben. Besonders seine letzten Worte verstärkten meinen Verdacht. Mein Grinsen verschwand langsam und glücklicherweise erwies sich meine Blase als Retter in der Not. Schließlich hatte ich ziemlich viel getrunken. „Ich muss mal schiffen gehen!“ Ich stand auf und ging nach draußen.