Aiacius‘ Marktschreien perlte an mir ab, wie Regentropfen an einer Lotuspflanze. Es war das übliche Sklavenhändlergeschwätz, das ich schon so oft an solchen Plätzen wie diesem hier gehört hatte. Nur diesmal war ich es, der als Ware angepriesen wurde. Ich versuchte immer noch meinen Blick auf einen bestimmten Punkt zu legen, an dem ich mich festhalten konnte, um dem, was dort unten nun gleich vor sich gehen würde, so lange es ging, zu entgehen. Das gelang mir allerdings nur so lange, bis das erste Gebot für mich gerufen wurde. Es ließ sich einfach nicht vermeiden, dass ich doch einen Namen aufschnappte, der mir vertraut war. Flavia? Domina Flavia Domitilla? Ja wollt ihr mich verarschen?!
„Vierhundert sind geboten von der edlen Flavia! Wer bietet mehr?“, schrie Caius Aiacius und war sichtlich zufrieden. Das erste Gebot war sogar von einer Patrizierin gekommen. Solchen Damen sagte man ja oft nach, dass sie immer auf der Suche nach dem passenden Spielzeug waren. Und dieses hier hatte seinen ganz besonderen Reiz, nicht zuletzt aufgrund des wilden Aussehens des Kelten.
Seine Befürchtungen, die er zu Anfang gehegt hatte, als er den Sklaven von den Iuliern gekauft hatte, schienen sich nicht zu bewahrheiten. Gemäß dem Spruch ‚was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß‘, hatte er bewusst darauf verzichtet, den Leuten das unwichtige Detail auf die Nase zu binden, dass es sich bei dem Kelten um einen aufmüpfigen Unruhestifter handelte. Wahrscheinlich hatte es eh nur an der unsachgemäßen Haltung seiner vorherigen Besitzer gelegen. Im Augenblick machte er doch einen recht ruhigen Eindruck!
Meine Augen verließen sofort ihren festen Punkt und machten sich auf die Suche nach der Flavia. Jedoch konnte ich sie in der Menschenmenge, die sich inzwischen vor dem Brettergerüst versammelt hatte, nicht entdecken. Die flavische Sänfte jedoch fiel mir dann doch schnell ins Auge. Ich konnte mich noch dunkel an sie erinnern. Wenn ich mich recht entsann, hatte Scato, mein ehemaliger Dominus, damals ihre Ehe arrangiert. Das war so lange her!
Das Gebot der Flavia hatte mich so irritiert, so dass ich nicht länger in der Lage war, mich auf meinen festen Punkt zu konzentrieren. Er war für mich unwiderruflich verloren. Mir wurde speiübel bei dem Gedanken, wieder in der Villa Flavia zu landen. Hoffentlich bot noch jemand anderes!
Nun, da es vorbei war mit meiner inneren Ruhe, ließ ich dann doch noch meine Blicke schweifen, um potentiellen Käufern Ausschau zu halten. Aber wen musste ich da erblicken? Tiberios! Verdammt noch eins, welches Spiel spielten heute die Götter da mit mir? Tauchten jetzt alle möglichen Geister meiner Vergangenheit auf, um mir auch noch den letzten Rest meiner Würde zu rauben? Der Grieche fuchtelte mit einer Tabula und einem Stylos in der Luft herum. Ich hatte keine Ahnung, was er von mir wollte!
Und da! War das nicht Iduna? Ja, das war sie! Wie so oft heulte sie auch diesmal wieder. Hoffentlich hatte sie nicht die Kleine dabei! Aislin sollte nicht mitbekommen, wie ihr Vater verhökert wurde! Mir war klar, dass sie noch viel zu klein war, um zu verstehen, was hier passierte. Dennoch war dies hier kein guter Ort für ein Kind!
Jetzt fehlte eigentlich nur noch der Kerl, den ich letztens in der Subura getroffen hatte. Denjenigen den ich eigentlich ausrauben wollte. Stattdessen war der Typ über mich hergefallen und hatte mich nach Strich und Faden verführt. Ich war noch immer ganz verstört, wenn ich darüber nachdachte.
Dann kam endlich das nächste Gebot. Ich atmete erleichtert auf, dass sich meine schlimmsten Befürchtungen nicht bewahrheitet hatten. Es war ein Mann, der ungefähr mein Alter hatte. Wahrscheinlich ein Sklave von irgendjemand. Wer war mir herzlich egal! Wie gesagt, ich würde meinem neuen Besitzer noch früh genug kennenlernen.
Die Laune des Sklavenhändlers verbesserte sich noch mehr, als fünfhundert Sesterzen geboten wurden. Natürlich kamen auch Zwischenrufe aus dem Publikum. Die üblichen Anfragen nach den Fähigkeiten und Erfahrungen des Sklaven. Doch der kühnen Aufforderung, mich hier kämpfen zu lassen, wollte er nun doch nicht nachgehen. „Selbstverständlich kann er kämpfen! Der Bursche war ein Krieger, bevor er eingefangen wurde! Fünfhundert sind geboten! Fünfhundert! Wer bietet mehr?“, rief er. Da ging noch was! Das hatte Caius Aiacius im Urin.
Ein weiterer Zwischenrufer wollte sich über die sprachlichen Kompetenzen seiner Ware informieren. Solche Fragen ließen sich am besten durch einfache Demonstrationen beantworten. Also stieß mich Caius Aiacius daraufhin unsanft mit seinem Stock an. „Los sag etwas! Mach schon!“ Da ich mir geschworen hatte, hier auf dem Podest nicht die riesen Welle zu machen, sondern den gehorsamen Sklaven geben wollte, fokussierte ich ihn nur mit einem herausfordernden Blick und antwortete dementsprechend, so wie er es mir befohlen hatte. „Etwas! Mach schon!“ Caius Aiacius versuchte diese unverschämte Antwort vorerst herunterzuspielen, denn es machte sich nicht gut, vor der Kundschaft die Ware direkt auf dem Podest mit Stockschlägen zu maßregeln. Stattdessen packte er mich an meinem Kinn und drückte mir mit seinem fleischigen Daumen und Zeigefinger den Mund und auf und die Kiefer auseinander, so dass meine Zähne zum Vorschein kamen. Bevor er wieder von mir abließ, führte er seinen Stock zu meinem Mund, so dass meine Zähne auf das Holz es Stockes bissen. „Seht her! Er hat noch alle seine Zähne. Dieser Sklave ist ein wahrer Naturbursche! Wer bietet mehr?“
Der Ausdruck Naturbursche wann dann auch das Stichwort für die nächste Frage. Da dem Sklavenhändler dazu die nötige Information fehlte (denn ein Vorgespräch hatte es nicht gegeben und er hatte mich dazu nicht befragt), dachte er sich irgendetwas aus, wodurch meine Geschichte noch verwegener klang. „Ja, dieser Sklave hier war ein wilder Krieger aus dem Norden Britanniens. Dort wurde er eingefangen und in die zivilisierte Welt gebracht, wo man ihm bereits ein wenig Benehmen beigebracht hat! Wie ihr seht, er braucht eine starke Hand! Und im Übrigen hat die Peitsche noch keinem Sklaven geschadet!“