Beiträge von Susina Alpina

    Er spielte grinsend den Eingeschnappten. Doch es war zu erkennen, dass er es nicht ernst meinte.
    Die Retourkutsche kam prompt. Er beschwerte sich über die Klamottenkauferei und markierte den vom Hungertod Bedrohten.


    Alpina piekte ihn lächelnd in den Bauch und sah ihn verschmitzt von unten nach oben an.
    "Oh ja. Man sieht ein Loch in deinem wohlgeformten Legionärsbauch! Das darf ich nicht zulassen! Dann wird es wohl Zeit, dass wir deinen Lukullustempel aufsuchen. Wo gehts lang?"

    Sie hätte sich denken können, dass er Hunger hatte. Also nickte sie auf seinen Vorschlag hin.
    "Gut, das machen wir. Ich bin auch ganz schnell. Ich versprech´s!"


    Er erwähnte, dass er die Kleidung aus der Horrea des Castellums bezog. Sie kannte das von ihrem Vater, der hatte die Kleidung auch von der Legion kaufen müssen, also nickte sie wieder.


    An dem Marktstand mit den Stoffen zog Alpina gezielt einen einfachen naturfarbenen Leinenstoff heraus. Sie strich ihn glatt, prüfte die Qualität und sah dann die Marktfrau herausfordernd an.
    "Wieviel willst du für den Ballen?", fragte sie.


    Die Marktfrau nannte ihren Preis. Alpina nickte, zog erneut an dem Stoff und wies dann die Händlerin auf einige Webfehler hin. Etwas mürrisch ließ sich die Frau noch ein wenig im Preis drücken. Zufrieden nickte Alpina und zahlte die geforderte Summe. Dann sah sie Corvinus herausfordernd an.
    "Sind diese Arme nur dafür gemacht mit oder ohne Waffen Germanen zu meucheln oder können sie auch einen Ballen Stoff tragen?"


    Ihr zuckersüßes Lächeln und der freche Augenaufschlag sollten ihn ein wenig tratzen. Sie wartete mit verschränkten Armen auf seine Reaktion.

    Alpina schüttelte bestimmt den Kopf als er fragte, ob sie eine Pause bräuchte.
    "Ich bin nicht krank, Corvinus, ich bin schwanger! Das ist ein Unterschied. Und noch fühle ich mich fit und leistungsfähig. Keine Sorge, wenn es sein muss, laufe ich dir noch davon!"


    Lachend machte sie Anstalten, davonzurennen. Natürlich hielt er sie fest. Doch sie wollte ihm deutlich machen, dass er sie nicht wie ein rohes Ei behandeln musste, nur weil sie gerade ein paar Unicae mehr mit sich herumtrug.


    Dann fragte er, ob sie einen bestimmten Wunsch habe.
    "Ich glaube, das was ich suche gibt es auch hier. Einen einfachen Stoff, denn ich werde das Gewand nur wenige Wochen tragen, habe ich dort drüben schon gesehen." Sie zeigte mit dem Finger auf einen klapprigen Stand. "Und sonst... vielleicht finden wir jemanden der Talismane verkauft. Ich möchte dir einen Talisman schenken, den du an dem Zaumzeug deines Pferdes befestigen kannst. Damit die Götter über dich wachen, wenn du hoch zu Ross unterwegs bist. Glaubst du, so etwas gibt es hier?"

    Corvinus erzählte Alpina noch mehr vom Leben im Castellum und sie begann sich langsam vorstellen zu können, wie sein bisheriges Leben verlaufen war. Dann kam er auf den Markt im Castellum und den vor diesem zu sprechen. Sie nickte immer wieder. Verständlich dass die Händler im Castellum die Faulheit der Legionäre ausnutzten, die den Weg nach draußen scheuten.
    Natürlich musste er ihr seinen bevorzugten Garumlieferanten zeigen. Alpina konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
    Mit einer Selbstverständlichkeit zog er sie an der Hand mit sich auf den Markt. Ja, einige Male legte er auch den Arm um sie oder strich ihr über den Bauch. Es war ganz offensichtlich, dass er allen zeigen wollte, dass sie und das Kind in ihrem Bauch zu ihm gehörten.


    Sie flanierten an den Händlern mit ihren Bauchläden vorbei und Alpina warf den ein oder anderen Blick auf die Tabernae in der Nachbarschaft. Sie schien zumindest keine direkte Konkurrenz zu haben. Die ein oder andere Schankwirtschaft sah allerdings etwas zwielichtig aus und Alpina nahm sich vor, dort nicht alleine im Dunklen entlangzugehen.
    Alles in allem gefiel ihr das Viertel der Cabanae ausgespochen gut. Sie war sich sicher, dass sie sich dort wohlfühlen würde.


    "Es ist schön hier, Corvinus. Und ich bin sicher, dass wir uns gut mit unseren Nachbarn verstehen werden. Weißt du was? Ich mache einige Geschenkpackungen mit einem wohlschmeckenden Kräutertee und bringe jedem Nachbarn eines vorbei. Wie findest du das?"

    Neugierig betrachtete sie die Häuser, die Corvinus als zur zukünftigen Casa Helvetia gehörig bezeichnete. Es würde ein großes Haus werden - riesig geradezu! Alpina staunte. Nie hatte sie sich vorstellen können in so einem Haus zu leben. Am liebsten hätte sie Corvinus gesagt, dass sie mit ihm auch in eine windschiefe Holzhütte gezogen wäre, aber sie wollte ihm den Stolz auf dieses repräsentative Familiendomizil nicht nehmen. Also nickte sie auf seine Ausführungen mit dem Dach.
    Ein wenig traurig war sie schon, das Haus erst von innen sehen zu können, wenn es zur Eröffnung freigegeben war, doch sie vertand natürlich, dass die Bauarbeiten nicht gestört werden sollten.


    Dann erzählte er vom Castellum, in dem er die meiste Zeit des Tages und bisher auch die meisten Nächte verbracht hatte. Sie lauschte andächtig, folgte seinem Finger, wenn er auf ein Gebäude oder ein Areal hinter der Lagermauer zeigte. Als er begann von der Zukunft zu sprechen und von einem Leben in den Mauern des Castellums, sah sie ihn mit großen Augen an. Sie würde dort wohnen? Unter den Augen all der Männer? Schwer vorstellbar. Doch er sagte dazu, dass es noch viele Jahre dauern würde und sie atmete einmal tief durch. Die Vorstellung statt in der Casa Helvetia innerhalb des Castellums zu leben, war zunächst gewöhnungsbedürftig. Doch, wie er schon sagte, sie würde lang genug Zeit haben, sich an den Gedanken zu gewöhnen.
    Und natürlich hatte sie bemerkt, dass er, wie selbstverständlich von "wir" gesprochen hatte. Er ging also davon aus, dass sie dann noch mit ihm zusammenleben würde... im Augenblick brauchte Alpina noch diese kleinen Zeichen, sie achtete auf alle Hinweise, die ihr die Sicherheit gaben, dass er es wirklich ernst meinte, seine Zukunft mit ihr verbringen zu wollen.


    "Es klingt wohlgeordnet, euer Soldatenleben hinter diesen Wällen und Mauern. Wirst du es vermissen? Denn bald wird es alles andere als wohlgeordnet bei uns zugehen... ich fürchte, du wirst schon über den ein oder anderen Baustein stolpern, wenn du nach Hause kommst."

    An Corvinus Hand betrat Alpina den Platz vor der Porta Principales Dextra. Natürlich war sie schon dort gewesen, hatte aber nie Zeit mit der Betrachtung der Häuser verbracht. Meist war sie schnell zu einer Entbindung geeilt. Jetzt ließ sie den Anblick auf sich wirken und lauschte Corvinus Ausführungen. Es ging um ihre zukünftige Nachbarschaft.


    Sie zählte die Giebel der Häuser ab: 1,2,3. Neugierig betrachete sie die Fassaden.
    "Was bedeutet, ab dem dritten fängt die Casa Helvetia an? Haben wir nicht ein Haus?", wollte sie neugierig wissen.


    Als er sagte, dass er jeden Morgen und Abend vom Castellum "nach Hause" käme, klang es so unglaublich schön, dass sie seine Hand ganz fest drückte. Was für eine schöne Vorstellung.
    Nun erzählte er von den Tribunen der Legion. Interessiert lauschte sie und konnte sich am Ende eines Grinsens nicht erwehren. Tja, solche Menschen gab es und sie war stolz, dass Corvinus nicht zu denen gehörte, die Dienst nach Vorschrift machten, sondern seine ganze Erfahrung und Engagement einbrachte.


    "Können wir uns unsere Haus aus der Nähe ansehen? Ich meine, wenn wir die Bauarbeiten nicht zu sehr stören, würde ich gerne zumindest einen Blick darauf werfen..."

    Alpina freute sich über die zuvorkommende und freundliche Auskunft Amons. Als er bei der Dekoration des Bettes gleich eine erotische Szene vermutete, wurde Alpina rot. Nein, an soetwas hatte sie nicht gedacht. Eher an etwas das gut zu Corvinus und ihr passte. Einen Widder oder eher eine Bärenfamilie? Sie zögerte noch.


    "Nein, nicht so etwas. Ich dachte eher an ein Tiermotiv. Vielleicht kann ich die Entscheidung noch vertagen bis ich mit meinem Mann darüber gesprochen habe. Ich komme dann in der Werkstatt vorbei und sage Bescheid was wir uns ausgesucht haben", sagte sie.


    Dann kam Amon auf das Finanzielle zu sprechen. Er schien sich sichtlich zu freuen, dass es mehr zu tun geben würde für die Duccische Schreinerei. Schließlich spielte er den Charmeur. Alpina lächelte geschmeichelt auch wenn ihr selbstredend klar war, dass er vermutlich allen Kundinnen dasselbe Kompliment machte, ob jung, ob alt, ob hässlich oder wohlgestaltet...


    Sie überdachte die Anzahl der Räume und ihr Budget. Einen Schrank würden sie momentan nicht dringend brauchen, er war sicherlich teurer als ein paar einfache Truhen. Für jeden eine Truhe, das bedeutete vier Truhen, denn die neue Sklavin Neman würde auch eine brauchen. Dazu einige Regale und eine Arbeitsplatte in der Culina waren in jedem Fall notwendig.


    "Nun. Wir werden vier Truhen benötigen und einige Regale. Vor allem in der Culina wird wohl Maßanfertigung vonnöten sein. Könnte wohl jemand vorbei kommen und Maß nehmen? Dann kann ich genauer erklären, was wir alles brauchen und wie teuer es werden wird. Eventuell muss ich meine Wünsche noch ein wenig eingrenzen, um das Budget zu halten."

    "Salve, Amon", begann Alpina und begrüßte den Mann, der ihr freundlicherweisse Hilfe angeboten hatte.
    "Mein Name ist Susina Alpina. Ich ziehe demnächst zu meinem Lebensgefährten in die neu entstandene Casa Helvetia in den Cabanae. Für die Innenausstattung unseres Hauses bräuchen wir noch einige Dinge. Das wichtigeste allerdings wird ein großes, stabiles Bett sein. Es sollten nicht nur mein Mann und ich sondern auch eventuell unser Nachwuchs zumindest zeitweise darin Platz finden können."


    Sie lächelte schüchtern und legte zur Erklärung ihre Hand auf den sich wölbenden Bauch.
    "Zur Ausstattung des Hauses würde dunkles Holz gut passen, Nussbaum vielleicht...und es sollte ein Kopf- und ein Fußteil haben. Meinst du wir könnten ein dekoratives Motiv einarbeiten lassen?"


    Alpina sah den älteren Mann fragend an und schob noch eine weitere Frage hinterher.
    "Können wir über den Preis verhandeln wenn ich auch noch ein paar Truhen und die Küchenborde von euch machen ließe?"

    Alpina machte sich auf den Weg, um für die Innenausstattung der Casa Helvetia Aufträge zu vergeben. Sie wollte es bei den Ständen des Handelskonsortiums Freya Mercurioque versuchen. Denn sie hatte gehört, dass es unter den vielen Betrieben der Duccier auch eine Schreinerei gab.


    Ein wenig suchend blickte sich Alpina um und hoffte darauf, dass jemand erkannte, dass sie Hilfe suchte.
    "Ähm, entschuldigung", sprach sie einen der Männer an, der gerade eine hölzerne Schale polierte. "Ich suche einen fähigen Schreiner. Könnest du mir vielleicht weiterhelfen?"

    Alpina sah zu, wie den Sklaven die Ketten gelöst wurden und nickte auf Curios Bestätigung, dass sie die Sklaven gleich mitnehmen würden. Sie würde noch genug Zeit haben, in den kommenden Tagen ein paar Erledigungen zu machen. Jetzt war es erstmal wichtig die neuen Mitglieder der "Famillia" aufzunehmen und in ihr vorübergehendes Heim zu bringen.


    Sie lächelte den Sklaven freundlich zu.
    "Vorübergehend werden wir es etwas beengt haben in unserer momentanen Bleibe. Das bleibt zum Glück nicht so. Aber das Weitere klären wir wohl besser in den vier Wänden. Kommt mit!"


    Ohne die Sklavin, die ihr als Kinderfrau dienen sollte, zu binden oder festzuhalten, schritt Alpina voran. Sie glaubte nicht, dass sie fliehen würde. Und auch die anderen beiden schienen zunächst nicht unzufrieden zu sein, den Sklavenhändler zu verlassen.

    Also war Curio auch aufgefallen, dass die beiden Sklaven mehr als nur die Kette verband. Und er schlug gleich zu. Er handelte auch nicht mehr, als der Händler einen Rabatt berechnet hatte. Alpina sah zu wie Curio zahlte. Sie würde ihren Anteil daran später begleichen.


    "Ich glaube, wir haben eine gute Wahl getroffen. Es wird sich zwar erst zeigen müssen, doch ich habe ein gutes Gefühl."


    An Acanthos Blick konnte sie erkennen, dass er es auch so empfand und selbst Curio wirkte zufrieden.

    "Wir werden sie gleich mitnehmen, nicht wahr?", fragte Alpina, die derweil ein wenig grübelte, wo sie die drei unterbringen sollte. Außer Leonides Kammer war nur noch eine weitere frei. Also mussten entweder beide Frauen eine Kammer teilen oder das Pärchen, so es eines war, zusammenziehen.
    "Wir sollten unbedingt klären, ob die zwei wirklich ein Paar sind, bevor wir die Unterbringung klären...", gab sie Curio gegenüber zu bedenken.

    Der Sklavenhändler erkannte den Magister Vici und die Kräuterfrau und pries sofort seine Ware in den höchsten Tönen an. Alpina hörte zu. Nun, das klang alles vielversprechend. Curio übernahm das Verhandeln. Erschrocken sog Alpina die Luft ein, als der Händler den Preis nannte. So viel hatte sie nicht ausgeben wollen. Aber Curio zuckte nicht mit den Wimpern. Er wusste, dass er den Händler würde drücken können, wenn er mehr als einen Sklaven kaufte und Alpina wusste ja, dass er das vorhatte.


    Der grobschlächtige Mann, auf den seine Wahl fiel, wirkte angsteinflößend. Doch das war ja gerade Sinn und Zweck. Curio suchte einen Ianator für die Casa Helvetia. Wie sich herausstellte, war er Brite und sprach das Lateinische ausreichend gut. Sein grimmiger Blick und die Art wie er sich schützend vor die Frau stellte, die neben ihm auf dem Podest stand, ließ vermuten, dass die beiden etwas mehr verband als die Ketten des Sklavenhändlers. Alpina zupfte Curio vorsichtig an der Toga.


    "Hast du gesehen? Die beiden scheinen sich zu mögen. Er versucht sie zu beschützen. Frag doch auch nach ihr. Vielleicht kannst du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Du suchst doch ohnehin eine Haushaltssklavin. Wenn er sie mag, dann wird er dir dankbar sein, wenn du sie mit ihm zusammenkaufst. Ich fände das eine gute Lösung."

    Alpina ließ Curios Worte auf sich wirken. Was sagte ihr Bauchgefühl? Was sagte das kleine Wesen unter ihrem Herzen zu der Vorstellung, von dieser Frau gepfelgt zu werden?
    Tatsächlich spürte sie in diesem Moment eine deutliche Bewegung in ihrem Bauch. Hatte sie sich das nur eingebildet oder hatte ihr Spross tatsächlich mitreden wollen, bei der Entscheidung? Trat er oder sie von innen, um sie zu warnen?
    Sie beschloss die Frau direkt darauf anzusprechen und dann endgültig zu entscheiden.


    "Ich bin die Frau eines römischen Soldaten. Eines Decurio um genau zu sein. Du würdest also das Kind eines Mannes aufziehen, der indirekt womöglich für den Tod deiner Söhne verantwortlich war. Kannst du dir das vorstellen?"


    Das Gesicht der Frau wirkte wie versteinert. Sie antwortete nicht.


    Also wandte sich Alpina einer anderen Frau zu, die deutlich jünger war.



    "Was ist mit dir? Wie heißt du und wo kommst du her? Du hast gehört, ich suche eine Kinderfrau."


    "Ich komme aus Gallien", sagte die Frau selbstbewusst. "und mein Name ist Neman. Ich bin als Sklavin geboren und habe schon früh Aufgaben in der Familie meines Herrn und meiner Herrin übernommen. Dazu gehörte auch das Aufpassen auf die Kinder."


    Alpinas Gesichtszüge entspannten sich. Das klang allerdings wesentlich besser. Sie sah zu Curio hinüber, um seine Meinung einzuholen.

    Von Curio aufgemuntert, sprach Alpina die Frau an.


    "Salve. Sprichst du Latein? Kannst du mich verstehen? Ich suche eine Kinderfrau, keine Stillamme, aber eine Frau, die sich um den Nachwuchs, den ich erwarte und um meinen Haushalt kümmern kann. Hast du Erfahrung mit Kindern?"


    Die Frau, die etwas missmutig und abweisend drein geschaut hatte, schien aufzumerken. Sie richtete sich auf und nickte.
    "Mein Name ist Frieda", sagte sie mit deutlichem germanischen Akzent, aber gut verständlich. "Jawohl, ich verstehe dich und sprechen kann ich auch."
    Mit dem rasselnden Gersäusch der Ketten, die ihre Handgelenke hielten, verschränkte sie die massigen Arme unter der Brust. Sie wirkte resolut.
    "Kinder? Ich habe selbst drei geboren. Alle drei leben nicht mehr. Die Tochter starb an Durchfall, die Söhne in der Schlacht gegen die Römer. Sie waren noch nicht einmal richtige Männer."
    Sie spuckte auf den Boden vor sich.


    Alpina bemerkte den unverhohlenen Groll der Frau und konnte ihn ihr nicht verdenken. Was würde sie davon halten im Haushalt eines Decurios dienen zu müssen, den sie vermutlich für den Tod ihrer Söhne verantwortlich machte? Ratlos wandte sich Alpina an Curio.
    "Was meinst du, Curio. Kann ich ihr mein Kind anvertrauen oder könnte sie ihm gefährlich werden, wenn sie einen solchen Groll gegen die Römer hegt?"

    Alpina hatte noch nie selbst einen Sklaven gekauft. Sie kam aus einem Haushalt, in dem es keine Sklaven gegeben hatte. Ihre Mutter hatte mit Hilfe der beiden Töchter den Haushalt selbst versorgt und Leonides war Alpina von Corvinus geschenkt worden - als Gegenleistung für den Mandragorawein, der schlußendlich zu ihrer Schwangerschaft geführt hatte. Also war sie ein wenig unsicher, wie der Kauf einer Sklavin vonstatten gehen würde.


    Sie suchte nach einer Sklavin, die sich um ihr Kind kümmern würde, wenn sie arbeiten musste. Alpina hatte durchaus vor, selbst zu stillen, die Frau musste also keine Amme sein, aber ihr den Rücken frei halten, wenn sie in der Taberna Medica gebraucht wurde oder zu Entbindungen gerufen wurde. Nebenbei sollte sie natürlich auch den Haushalt von Corvinus und ihr versorgen, denn nach Leonides Tod würde Alpina deutlich mehr im Laden stehen müssen.


    Zwar wölbte sich ihr Bauch inzwischen schon sichtbar, doch noch fühlte sich Alpina fit und beweglich. Sie konnte noch zügig gehen, war aber dennoch dankbar, das Curio und Acanthos sie flankierten. Einen Ellbogenstoß in den Bauch galt es in jedem Fall zu vermeiden.
    Sie flanierten an den Podesten mit den Sklaven vorbei und Alpina musterte die "Ware Mensch". Als Curio sie dann fragte, ob sie bereits eine geeignete Kandidatin gefunden habe, erwiderte sie:


    "Hm. Nicht so einfach, denn ich sehe ihnen ja nicht an, ob sie mit Kindern Erfahrung haben. Da werden wir wohl fragen müssen. Aber die Frau dort, ist zumindest nicht mehr zu jung. Sie könnte über die passenden Kenntnisse verfügen. Sollen wir nachfragen?"
    Alpina wies dezent auf eine dralle Frau mit kastanienfarbenem Haar.


    Corvinus´ Auftrag an Alpina, sich um die Einrichtung des zukünftigen Familiendomizils zu kümmern, kam die Hebamme und Kräuterfrau mit Feuereifer nach. Eine der Frauen, denen sie schon ein paar Mal bei Geburten zur Seite gestanden hatte, schenkte Alpina das Körbchen, in dem sie ihre Kinder in den ersten Wochen nach der Geburt zum Schlafen gelegt hatte. Man konnte ihn an einem Balken aufhängen und so würde er sich mit einem kleinen Schubs in Bewegung setzten und hoffentlich den kleinen Schreihals in den Schlaf wiegen.


    Auch einige andere Möbelstücke hatte Alpina bei ihren zufriedenen Kunden und Kundinnen organisieren können. So verfügte sie bald über einen alten Tisch, der zwar wackelte, aber mit ein wenig Geschick schnell repariert werden konnte. Dazu hatte sie drei verschiedene, aber durchaus noch brauchbare Stühle aufgetrieben. Diese konnte in der Culina Platz finden. Und von einer weiteren Wöchnerin bekam sie einen Satz Bettwäsche geschenkt, den diese von ihrer verstorbenen Schwiegermutter übernommen hatte. Alles in allem schien sich so langsam ein gewisser Grundstock zu bilden. Bei nächster Gelegenheit allerdings wollte Alpina der Schreinerei der Duccii einen Auftrag erteilen. Sie sollten für die Ausstattung der Curlina einige Borde und eine Arbeitsplatte herstellen und vor allem für ein schönes und geräumiges Bett sorgen in dem Corvinus uns sie und eventuell auch noch ein drittes Wesen Platz fänden.

    Die Situation spitzte sich zu. Corvinus ging auf Marcellus los. Zunächst nur verbal, indem er ihn zurecht darauf hinwies, dass es seine Aufgabe war, für die Verhaftung des Übeltäters zu sorgen. Sie wusste, dass er sich nur mühsam beherrschte dem Mann, der sich als Helvetier ausgab, diesem Ausbund an Grausamkeit, für immer die Augen zu schließen. Die Vorstellung, dass so ein Kerl ein Helvetier war, musste an ihm nagen, wo er und Curio doch immer so stolz auf ihre Gens und deren Wahrung der klassischen Tugenden waren.


    Doch als sich Marcellus direkt an sie wandte, mit seiner sehr blumigen Ausdrucksweise von Alpina sprach und sich im nachfolgenden Satz dann Gedanken um "seine Braut" machte, platze Corvinus der Kragen. Sie wusste warum. Zum einen sicher, weil er Alpinas Gefährdung weit höher einschätze als die der jungen Frau und zum anderen, weil er Alpinas Geheimnis kannte. Er wusste, dass Marcellus sie schwanger sitzen gelassen hatte. Er hatte sie gerächt indem er Marcellus zusammengeschlagen hatte. Aber das durfte nun auf keinen Fall herauskommen. Dass sich die beiden in dieser Situation gemeinsam mit ihr wiederfanden, war schon schlimm genug. Marcellus könnte sehr wohl seine Schlüsse ziehen, jetzt wo Curio auch noch ausgesprochen hatte, dass Corvinus von der Secunda und Alpia seine Frau war und sein Kind trug. Der Aedil war nicht dumm, im Gegenteil, er würde womöglich 1+1 zusammenzählen und ihn mit dem nächtlichen Überfall in Verbindung bringen.


    Alpina schoss also vor, legte Corvinus besänftigend die Hand auf den Unterarm und meldete sich zu Wort.
    "Danke Curio für deine Vermittlung. Es macht mir nichts aus, Petronius Marcellus Rede und Antwort zu stehen. Schließlich wird er für seine Ermittlungen diese Informationen benötigen."


    Sie sah zu Corvinus hoch und warf ihm einen dankbaren Blick zu, der ihm sagen sollte, dass sie seinen Einsatz für sie zu schätzen wusste, ihr aber wichtiger war, dass er sich nicht in Schwierigkeiten brachte. Ein Angriff auf Marcellus vor Zeugen würde seinen Untergang bedeuten und jetzt wo sie endlich so etwas wie eine Beziehung zueinander entwickelten, wollte sie alles vermeiden, was ihr zukünftiges Glück beeinträchtigen konnte. Alpina trat also noch einen Schritt auf Marcellus zu.
    "Dieser Mann hat mir seinen Namen nicht genannt. Wie du sicher noch weißt, Aedil, war ich erst unlängst bei dir im Officium, weil ich einige sehr wichtige Heilkräuter auf den Märkten und bei den Fernhändlern nicht erhalten konnte. Er hat mir jetzt genau diese Heilmittel zum überhöhten Preis angeboten. Nun, Erpressung ist das vielleicht nicht, aber unlauter in jedem Fall. Denn er wusste, dass ich diese Heilmittel für meine Patienten und Kunden brauche. Über sein Rabattangebot möchte ich lieber schweigen. Du kannst dir vorstellen worin es bestand, wenn du siehst was er versucht hat. Helvetius Corvinus wird dir bestätigen können, bei welch schändlichem Verbrechen er diesen Mistkerl angetroffen hat."


    Alpina holte noch einmal Luft. "Er hat gesagt, dass der Markt kontrolliert werde und er hat geäußert "wir schreiben die Preise vor". Auf wen dieses "wir" sich bezieht, wirst du herausfinden müssen, Aedil. Das hat er mir nicht verraten."

    Das kleine Grabareal in dem Leonides Urne beigesetzt wurde, lag in der letzten Reihe an der Straße, die am Drususmonument vorbei zum Vicus Victoria und dem Vicus Novus führte. Alpina selbst hatte die Überreste des Leichenbrandes aus der Asche gelesen und mit der Münze an Charon in die Urne gegeben. Nun stellte sie das tönerne Gefäß noch mit geöffnetem Deckel in die Grabgrube, goss den Inhalt einer Phiole mit duftener Kräuteressenz darüber und stellte zuletzt die brenndende Öllampe hinein. Das Licht, das Leonides Seele in die Schattenwelt führen sollte. Dann verschloss sie die Urne.


    Mit einem letzten Gebet an die Manen des Getöten und der Anrufung an die Lemuren, der Seele ihre wohlverdiente Ruhe zu geben, übergab Alpina die Überreste ihres Sklaven dem Leib von Mutter Erde.