Beiträge von Helvetia Vera

    Ach herje, hatte sie es wieder geschafft. Ein diebisches Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sticheln, das einzige Mittel gegen ihre Brüder. Ein wunder Punkt tat sich meinst von selbst auf. In dem Falle Paxos. Eine malerische Insel. Die Götter hätten ihre wahre Freude an diesem idyllischen Fleckchen, bis es ihnen zu langweilig wurde. Für ein junges Mädchen mit ihren Brüdern ein Ort voll Abenteuer. Ohne Brüder eine einsame Insel im Meer. Das größte Ereignis des Tages waren die heimkehrenden Fischer. Kein großer Bruder der sich in einen Feldherren verwandelte, die wilden Horden von Barbaren besiegte und unterwarf. Kein großer kleiner Bruder mit dem man sich mal zickte. Dabei hatte Vera schnell begriffen, dass ihr zweiter Bruder sie sehr gern hatte und ihr alle Wünsche erfüllte, wenn sie das wollte. Das war das schöne, sie stichelte und er war ihr nie sehr lange böse.


    Ja, ja zu jung. Immer war sie für alles zu jung und zu klein. Hatte sie nicht bewiesen, dass sie für diese Reise nicht mehr zu jung war? Die Gefahren wurden von ihr leichtsinnig in den Wind geschrieben. Mit mehr Glück als Verstand war sie unbehelligt in Rom angekommen. Aber wer fragte jetzt noch danach. Sie hatte es alleine geschafft.


    „ Lieb von dir Commodus. Du bist der beste große kleine Bruder den man sich wünschen kann.“ Hoffentlich nahm er das „auf sie achten“ nicht zu wörtlich. Sie wollte hier ein bisschen mehr erleben als auf Paxos.


    Was er dann eröffnete, nahm sie mit großem Erstaunen und einer gewissen Portion Faszination auf. Ihr Bruder Pater familias der gens Helvetia. Das hatte sie nicht erwartet. Das hieß Varus hatte das Vermögen und ihr Bruder das Sagen. Vera dankte den Göttern für dieses Zusammentreffen. Für so viel beschiedenes Glück musste sie sich erkenntlich zeigen. Ein Gang zu den Tempeln war das erste was sie plante.


    Bumm, die erste Erkenntnis. Er meinte das ernst mit dem auf sie achten. Gleich neben seinem Zimmer ihr cubiculum. Wer sollte sich jetzt mehr beobachtet fühlen? Er meinte es wirklich nur gut, redete sie sich ein. Von ihrer Seite gab es keine Heimlichkeiten, die sie vor ihm hätte Verbergen müssen. Noch nicht!


    „ Sehr schön. Die Ehre ist ganz meinerseits, Varus. Die Reise war wirklich anstrengend. Ich hätte nichts dagegen bald in den Armen Morpheus zu landen.“ Ein Bett, wie sehr sie sich danach sehnte. Sie hatte sich überschätzt. Das wurde während der cena deutlich. Vera kämpfte nach dem ersten Becher Wein mit der Müdigkeit.

    Ein vielbeschäftigter Mann dieser Varus. Bei den Betrieben und der Anstellung als Aquaroius klingelten die Sesterzen in Vera’s Ohren. Er sorgte für die Zukunft vor. Das gefiel ihr. Commodus hatte in der Richtung sicher noch nichts vorzuweisen. Kurz an ihn gedacht und schon mischte er sich in das Gespräch ein, vermerkte Vera. Ihr kleines großes Brüderchen konnte die Zeit nicht abwarten. Um ihn ein klein wenig länger auf die Folter zu spannen, wählte sie zuerst ihren Wein. Die Entscheidung welchen Wein sie lieber trinken mochte, zog sie absichtlich in die Länge. Ihr fiel es offensichtlich schwer sich auf einen festzulegen. „ Schenk mir bitte von dem Roten ein.“ Tat sie Esther letztendlich kund.


    „ Brüderchen deine Wissbegierde in allen Ehren. Ich wäre in Kürze auf mein Erscheinen in Rom eingegangen. Aber wo du nun so direkt nachfragst. Wer hat mich denn alleine auf Paxos zurück gelassen? Wolltest du mich von allem weltlichen fern halten? Ich kam mir vor wie eine Vestalin.“ Ein kleiner Seitenhieb. Sie hatte darauf gewartet, dass er sie so bald als möglich nachholte, aber denkste.


    Sie bekam ihren gewünschten Wein gereicht. Mit spitzen Lippen kostete Vera. Er mundete vorzüglich. „Es war dann eher ein spontaner Entschluss nach Rom zu reisen und Paxos vielleicht auf immer den Rücken zu zukehren. Was erwartest du von diesem Eiland. Immer der gleiche eintönige Tagesablauf. Ich weiß nicht wie man so etwas vermissen kann. Vor allem ohne entsprechende Gesellschaft.“ Nicht zum Aushalten war es. Nur Sklaven um sich, keine Abwechslung. Wer sollte sie auch zu Empfängen und Feiern begleiten. Es war kein männlicher Anverwandter im Haus, der das hätte übernehmen können. Sich nach dieser Eintönigkeit sehnen, beileibe nicht.


    „ Damit wäre deine Frage gleich mit beantwortet Varus. Ich werde länger in Rom bleiben. Mich gelüstet nicht nach einer baldigen Rückkehr auf dieses trostlose Eiland. Vor allem die Überfahrt. In nächster Zukunft hege ich nicht den Wunsch ein Schiff zu betreten.“


    Der Teller mit den Häppchen forderte ihre Aufmerksamkeit. Mit den Fingern griff sie sich ein Stück. Gekonnt balancierte sie es zu ihrem Mund. Auf ihrer Lippe blieb ein kleiner Tropfen Tunke zurück. Genüsslich leckte sie ihn mit ihrer Zungenspitze weg. Die Finger griffen in die Serviette und wurden daran gesäubert. Ein Brocken Brot folgte. Ein Schluck Wein rundete alles ab. „ Hhmmm, ich will dir natürlich nicht zur Last fallen Brüderchen.“ Er sollte nicht denken, dass sie ihm ständig an der Tunika hing. Er mochte sie ganz bestimmt und sie ihn, aber bei Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf. „ Außerdem liegt es an Varus, unserem exzellenten Gastgeber, ob er mich für länger hier in der Villa beherbergen kann und will.“ Genug Platz gab es. Das war augenscheinlich und das bisschen was Vera zum Auskommen brauchte. Mal einen neuen Peplos, schicke calligae, eine Tunika, Schmuck…..Die Liste wurde länger und länger. Vera schwor sich zu Beginn ihres Aufenthaltes kürzer zu treten. Die Männerwelt musste nicht gleich von vornherein geschockt werden. Es war besser ihr die Notwendigkeit des Einkaufs neuer Sachen nach und nach beizubringen. Dafür war das Geld vornehmlich gedacht. So sah sie es. Wetten beim Wagenrennen und Gladiatorenkämpfen inbegriffen. Für was sonst?

    Was für eine Ehre am heutigen Tag. Vera wusste diese Geste zu schätzen. Sie nahm Platz und sortierte ihren Peplos. Bei einer cena in heimischer Umgebung ein unpraktisches und unbequemes Kleidungsstück. Eine synthesis wäre das passende gewesen. Die zwei Sklavinnen wurden von Vera sehr genau in Augenschein genommen. Sehr gepflegt und durchaus für eine cena geeignet befand sie. Gesicht und Name prägte man sich ohne große Mühe ein.


    „ Einen Becher verdünnten Wein bitte.“ Suchend sah sie über die Speisen auf dem Tisch. Alles sehr ansprechend und der Duft. Sie leckte sich über die Lippen. „ Einen kleinen Teller mit etwas herzhaften bitte, Esther.“ Vera gab sich freundlich. Unnötiges Drangsalieren von Sklaven lag ihr nicht. So lange diese ihren Platz im Haushalt kannten war alles in Ordnung. Diese hier wussten um ihre Stellung, ein angenehmer Fakt. Vera richtete ihre Aufmerksamkeit als allererstes auf Varus. „ Welchen Beschäftigungen gehst du hier in Rom nach?“ reichlich Bekanntschaften, Beziehungen und finanzielle Mittel waren in Rom nicht zu unterschätzen. Ihre eigenen waren begrenzt. Je früher sie eine Quelle für sich erschloss umso besser. Ihr Bruder Commodus war in dieser Beziehung ihre erste Anlaufstelle. Sich umzuhören schadete auf keinen Fall, schließlich wollte sie in der Gesellschaft Rom’s Fuß fassen.

    Eine erbauliche Erscheinung dieser Varus. Verwandtschaft aus Ostia, wie schade, dachte Vera bei sich. „ Ja ich denke es ist ausbaufähig und wird an Wohnlichkeit zulegen. So fern du mir gestattest mich bei der Ausgestaltung einzubringen.“ Äußerte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Der vorhandenen Einrichtung sah man förmlich an, dass sie von einem sparsamen, eher praktisch veranlagten Mann angeschafft worden war. Vor ihrem geistigen Auge kamen neue Möbelstücke dazu, Büsten wurden gerückt und wirkungsvoller präsentiert. Sie war voll in ihrem Element und wären nicht die Worte Balneum und Cena gefallen. Die Sklaven hätten die ersten Möbel nach ihren Vorstellungen gerückt. Das Balneum lockte, ein Bad zur Entspannung. Für eine kleine Cena war sie empfänglicher. Auf einer Kline ausstrecken, leichte Konversation üben und ein Häppchen zu sich nehmen, konnte genauso entspannend sein. Außerdem bekam sie einen ersten Eindruck von ihrem Gastgeber und ihrem neuen Heim. „ Eine Cena? Dafür wäre ich empfänglich. Mein Aussehen bitte ich zu entschuldigen.“ Vera öffnete die Fibel an ihrem Mantel und nahm ihn ab. Sie warf ihn auf ihre Kisten. Erst den daneben stehenden Sklaven aufzufordern danach zu greifen, war ihr zu viel. An ihren zusammengesteckten Ärmeln zupfend ging sie auf Varus zu, in Erwartung, dass er sie zur besagten Cena geleitete. Schließlich war er hier der Hausherr. " Wir können." gab sie ihm Bescheid.

    Sieh an, das ging zügig, stellte Vera fest, man musste nur die richtigen Worte finden. Sie folgte dem Ianitor ins Atrium. „ Danke Atermas.“ Sagte sie beiläufig. Er sollte wissen, dass sie selten einen Namen vergaß und gelegentlich einen Dank heraus brachte.
    Was für eine Überraschung. Ihr Bruder war anwesend. Er sah nicht mehr ganz so jungenhaft aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte und seine überschwängliche Begrüßung. Ungewohnt, vielleicht war das Leben in Rom ein Grund. Das „… was machst du denn hier…“ überhörte sie einfach. Gut, dass sie keine Nachricht geschickt hatte. „ Die Freude ist ganz auf meiner Seite Commodus.“ Erwiderte Vera, schlug die Kapuze ihres Mantels zurück und fuhr prüfend über ihr Haar. „ Die Reise war anstrengend, eine regelrechte Zumutung. Hätte ich das vorher gewusst…“ ein Seufzer, ein suchender Blick in die Runde nach einer Sitzgelegenheit. Natürlich hatte sie gewusst, dass es kein Spaziergang werden würde. So zart besaitet war sie zudem nicht. Ein bisschen Melodramatik passte immer. „Ich setze nie wieder einen Fuß auf ein Schiff.“ Damit war gleich geklärt, dass sie eine Rückreise nicht in Betracht zog. „ Wie ich sehe geht es dir gut. Aber wieso dieses Haus hier und nicht unser Familiensitz?“ flüchtig betrachtete sie die Wände und die Einrichtung. Sie wusste nichts von den Vorfällen während des Bürgerkrieges. So viel war davon nicht nach Paxos vorgedrungen. „ Ganz annehmbar. Nicht ganz das, was ich von Paxos her gewohnt bin. Man wird sich damit arrangieren können.“ Ein kleiner Wink, dass sie nicht vor hatte sich eine andere Bleibe zu suchen. Ihr Blick fiel auf den zweiten Anwesenden Herrn. „ Willst du mich nicht vorstellen?“ knuffte sie ihren Bruder in die Seite. Den Sklaven der ihre Kisten herein gebracht hatte, ignorierte sie geflissentlich.

    Ein Geräusch an der Porta. Eine kleine Luke aus der sie in Augenschein genommen wurde. Ah, man hatte sie für nicht gefährlich eingestuft, die Porta wurde geöffnet. Eine Domina war sie, richtig. Der Mann hatte einen guten Blick. „ So, das Haus von Tiberius Helvetius Varus.“Wäre sie nie drauf gekommen. Wo sollte sie denn sonst gelandet sein. Den Ochsentreibern hatte sie so viel Verstand und Ortskenntnis zugetraut, dass sie sie zum richtigen Haus gebracht haben. Egal, sie brauchte eine Kline, ein Bett, jedenfalls etwas zum Ausruhen. „ Ich bin Helvetia Vera, Schwester von Helvetius Commodus. Ich bin angekündigt.“ Was nicht im Mindesten zutraf. Einen Brief hatte sie nie geschrieben. In weißer Voraussicht, ihr Bruder sollte sie nicht abwimmeln können. Jetzt war sie da, nun blieb sie. „ Also geleite mich ins Atrium. Husch, husch…Informiere deinen Dominus oder meinen Bruder. Die drei Kisten, sind mein Reisegepäck. Also schleunigst ins Haus damit.“ Komplettierte sie Anweisungen. „ Dein Name? Ich muss ja wissen wen mein Bruder zur Rechenschaft ziehen muss, falls ich mir hier noch länger die Beine in den Bauch stehe.“ Ein genervtes Seufzen. Ging das hier in Rom immer alles so langsam? Allein ihre Müdigkeit macht sie quengelig, ansonsten war sie recht annehmbar.

    Eine himmlisch ruhige Insel. Paxos, der beste Ort Kinder wohlbehütet aufwachsen zu lassen. Viel zu ruhig hatte Vera entschieden. Alles was eine junge Frau in ihrem Alter wissen musste hatte sie gelernt und halbwegs verinnerlicht. Was hier fehlte war Unterhaltung. Ständig das immer gleiche Gehopse ihrer Sklaven anzusehen und die immer gleichen Lieder auf der Lyra anhören. Der Entschluss Paxos zu verlassen war gefasst. Bei der Umsetzung spielte ihr Bruder Commodus in die Hand. Er lebte in Rom, im Zentrum des Imperiums. Aus Erzählungen erfuhr sie, dass es dort Unterhaltung jeglicher Art gab, Thermen, riesigen groß, das Forum Romanum, zig Tempel, Märkte, den Circus Maximus. Das alles wollte sie sehen und erleben. Zwei Kisten gepackt, nein drei, ohne ihre Tuniken und ihren Schmuck das ging nicht.
    Kurzum, am Abend rumpelte ein Ochsengespann durch die Straßen und hielt vor der Villa Urbana des Tiberius Helvetius Varus. „ Na los klopf an. Auf was wartest du?“ gängelte Vera den Gespann Führer. Sie war müde und genervt. Alle nahmen sich unheimlich viel Zeit ihren Anweisungen nachzukommen. Der zweite Mann lud die drei Kisten ab und stellte sie an die Porta. Vera stieg notgedrungen alleine ohne Hilfe vom Wagen ab. Mit dem chiton keine leichte Übung. Die Kapuze ihres ricinium rutsche ihr dabei ins Gesicht. Mit leisen Verwünschungen rückte sie die Kapuze zurecht, ordnete ihren Chiton und ging zur Porta. Der Gespann Führer hallte geklopft und sah seine Aufgabe als erfüllt an. Ein genuscheltes Vale zu Vera, zügiges Aufsteigen auf sein Gespann und Vera stand alleine da. Das Gespann rumpelte zurück von wo es gekommen war. „ Mich hier so stehen zu lassen….“ Empörte sich Vera leise. Unnötig Aufmerksamkeit bei hereinbrechender Dunkelheit zu erregen war nicht angebracht. Nervös wartete sie, dass jemand öffnete und sie einließ.