Beiträge von Iullus Helvetius Curio

    | Acanthos


    Wieder schmunzelte Acanthos und blickte von seiner Tabula auf.


    Joah, so könnte man das sagen. Der ältere Mann ist Decurio Cantius Piscus hier aus dem Vicus. Er ist ein einflussreicher Fischer in nunmehr... ich glaub vierter Generation und Parteigänger der Duccier im Stadtrat. Wie du ja weißt gehört Curio ebenfalls zur duccischen Klientel und die duccischen Anhänger sind natürlich angehalten sich gegenseitig zu unterstützen. Nun ist der Cantius hier ein weithin bekanntes Gesicht im Vicus und was macht er also? Anstatt irgendwo eine trockene Rede zu halten, sucht er einfach die Nähe zum Helvetius, der diese Aufmerksamkeit gerne annimmt. Und damit auch jeder weiß, wer hier mit wem redet, schreien sie sich so an.


    erklärte Acanthos mit einem Nicken und sein Blick wanderte zu dem Jungen neben ihm.

    Curio blickte auf. Kaeso hatte sich noch nicht hingesetzt, ja nichtmal damit begonnen, einen Stuhl zu holen. Stattdessen stand er etwas verloren in dem großen Raum und wusste offenbar nicht, wie er das seltsame Verhalten des jungen Helvetiers zu deuten hatte. Gut, Kaeso wohnte noch nicht lange hier im Haushalt, kannte also die Dynamiken nicht und sah den jungen Helvetier zumeist in seinen eher problematischen Situationen. Wie hätte wohl Curio reagiert, wenn er zum Beispiel bei seinem Patron zuerst dessen jähzornige Seite kennengelernt hätte, mit der er erst erstaunlich spät konfrontiert worden war? Er wusste es nicht.


    Wenn du lieber in dein Zimmer gehen möchtest, kannst du gerne gehen.


    sagte er mit einem leichten, aber immer noch unsicheren Lächeln. Er würde auch jemand anderes finden, der ihm Gesellschaft leistete, während er darauf warte, dass sein Kind geboren und Silvana von ihren Qualen erlöst werden würde und wenn er dafür auf Acanthos warten müsste, der noch längst nicht genug von ihm mitbekommen hatte. Aber alleine sein, das konnte er nicht, wahrscheinlich würde er dann eher anfangen, durch das spätwinterlich kalte Atrium zu stapfen, um seiner Frau noch näher zu sein...

    | Acanthos


    Der Macedone klopfte dem Jungen auf die Schulter.


    Mach dir mal keine Sorgen. Alpina ist ja nicht alleine Decria Timarcha ist ja extra hergekommen, um ihr bei der Geburt zu assistieren und zudem sind Gwyn, Liam und Roderiq zu Hause. Irgendwer wird ihr da schon helfen können.


    Dann blickte er wieder zu dem Helvetier und musste schmunzeln. Ihm war auch aufgefallen, dass Kaeso offenbar etwas irritiert war.


    Überrascht?


    fragte er daher und notierte sich ein paar Worte auf seiner Tabula, die Curio eben gesagt hatte.

    | Gwyn


    Unsicher klopfte Gwyn an die Tür zum Cubiculum und trat ein. Es war etwas mehr als anderthalb Stunden vergangen, seitdem Alpina den jungen Kaeso zum Hafen geschickt hatte.


    Helvetius Curio ist nun zu Hause und befindet sich im Triclinium.


    sagte sie und wartete darauf, ob die Frauen ihr noch eine Aufgabe mitgeben wollten.

    Leise vor sich hinfluchend betrat Curio in Begleitung von Kaeso das Triclinium. Was fiel diesem verdammten Macedonen eigentlich ein, ihn eine ganze Stunde warten zu lassen, bis er ihm mitteilte, dass bei seiner Frau die Wehen eingesetzt hatten? Doch wurde seine Wut schnell von einem lauten Schrei unterdrückt, der durch das Haus gellte. Natürlich erkannte er die Stimme seiner Frau. Der Helvetier zuckte leicht zusammen und blickte in die Richtung seines Cubiculums, wo sich die drei Frauen befanden, um sein Kind zur Welt zu bringen - und wo Silvana wohl Tartarusqualen aushalten musste. Sämtliche Wut war aus seinen Augen verschwunden und hatte einer Unsicherheit Platz gemacht, die seinen ganzen Körper durchflutete. Er blickte zu Kaeso: Acanthos hatte betont, dass der Junge darauf bestanden hatte, ihm sofort bescheid zu sagen, was der Macedone allerdings unterbunden hatte. Nun war Acanthos auf dem Weg, um die restlichen Termin des Tages sicherheitshalber abzusagen. Keiner davon tat ihm besonders weh, auch wenn er wusste, dass er jeden einzelnen würde nachholen müssen.


    Setzen wir uns...


    sagte der Helvetier schließlich und rückte sich einen Stuhl zurecht, was Kaeso auch für sich tun konnte. Acanthos hatte gesagt, dass Curio hier ohnehin nichts hätte ausrichten können und es ärgerte den jungen Helvetier, dass er recht gehabt hatte. Aber eben auch nicht so ganz. Er konnte hier sein und Silvana würde sicherlich spüren, dass er hier war und an sie dachte. Sie hatte dafür ja ihren sechsten Sinn. Vorhin, als sie im Haus angekommen waren, hatte er Gwyn gebeten, in dem Raum nach dem Rechten zu sehen und bescheid zu sagen, dass er da sein. Nun hieß es aber warten und hoffen... warten... und hoffen...

    | Acanthos


    Acanthos nickte und musste schmunzeln. Damit konnte er sich erlauben, was er sich jetzt herausnahm.


    Beruhig dich, Kaeso. Wenn Alpina sagt, dass es nicht eilt und wir uns Zeit lassen können, gibt es keinen Grund zur Eile. Dieser Termin ist strategisch wichtig für den Helvetius, hier wohnen jede Menge Menschen und wird deren Stimmen bei den Wahlen brauchen. Wenn ich ihm jetzt sage, dass seine Frau in den Wehen liegt, wird er sofort den Auftritt hier abbrechen, was wiederum dazu führen würde, dass er Minuspunkte sammelt. Er soll den Auftritt hier zu Ende führen und seinen Kopf hier behalten, denn wenn es zu Hause noch dauert, kann er dort eh nichts ausrichten. Sobald wir hier fertig sind, sage ich im Bescheid.


    Acanthos blickte den Jungen an. Er war noch jung und hatte noch keine Ahnung, wie das politische Spiel lief. Allerdings konnte man ja heute eine kurze Lektion einfügen.


    Hat Alpina dir noch andere Aufgaben aufgetrage? Wenn nicht, bleib bitte hier bei mir stehen und schau dir den Helvetius genau an. Wenn du fragen hast, stell sie ruhig.


    Grade trat ein älterer Mann auf Curio zu und begrüßte ihn lautstark mit seinem Namen, während Curio ihn ebenso lautstark mit dessen Namen zurückgrüßte. Sofort schwangen ein paar Augenpaare der Umstehenden auf die beiden und begannen zu tuscheln.

    | Decria Timarcha


    Es war ein recht oberflächliches Gespräch, das die beiden führten, aber es ging ja auch nicht darum irgendwelche Probleme zu lösen, sondern Silvana ein bisschen abzulenken. Jetzt aber merkte Timarcha, wie Silvan plötzlich innehielt, in sich zusammensackte und aufstöhnte.


    Alles gut, Liebes, alles gut. Tief durchatmen. Wir bringen dich sofort wieder rein.


    Timarcha half Silvana wieder hoch und führte sie zurück durch das Atrium ins Cubiculum.

    | Decria Timarcha


    Timarcha lächelte vor sich hin. Sie wusste genau, was die junge Duccia gleich noch durchzumachen hatte, da ging es jetzt darum, ihr die Zeit so angenehm wie möglich zu machen.


    Du musst heute an gar nichts mehr denken, meine Liebe, sondern begib die einfach vertrauensvoll in Alpinas und meine Hände. Deine einzige Aufgabe ist es jetzt, dein Kind zur Welt zu bringen. Und das wirst du schaffen, weil du eine starke junge Frau bist, Silvana. So und jetzt kümmern wir und um die Kerze und gehen danach ein bisschen in den Garten.


    Timarcha wusste, dass Silvana mittlerweile bereits bei zwei Geburten geholfen hatte, bei der einen war ein gesundes Mädchen geboren, bei der zweiten war ausgerechnet ihre Mutter gestorben. Sie kannte also sowohl die Licht- als auch die Schattenseiten einer Geburt und die Gefahren die damit verbunden waren.

    | Acanthos


    Acanthos hörte konzentriert zu, immer noch die Stirn leicht gerunzelt aber deutlich entspannter als vor dem Bericht des Jungen.


    In Ordnung... Und Alpina sagte ganz klar, dass es nicht eilt und wir uns Zeit lassen können?


    Es war eine wichtige Frage, denn andernfalls müsste Acanthos sofort zu dem Helvetier treten und den Termin hier abbrechen. Falls Alpina es aber so gesagt hatte, konnte er es auch dem Helvetier gegenüber rechtfertigen, wenn er noch warten und ihn seine Gespräche führen ließe.

    | Decria Timarcha


    Timarcha hatte sich sofort angezogen, als ihr die Nachricht vom Beginn der Geburt gebracht worden war. Nun ließ sie Alpina aber erstmal durch und lächelte ihre jüngere Schwiegertochter an.


    Ja, das ist eine gute Idee, dann kommst du nochmal an die frische Luft und Bewegung tut immer gut.


    antwortete die Decria und hielt der jungen Duccia ihren Arm hin, damit sich diese einhaken konnte.


    Mach dir keine Sorgen, die Kinder wissen, wann es soweit ist. Es ist ja auch deine erste Geburt. Lucius hat auch relativ lange gebraucht, bis er da war und ich ihn in die Arme schließen konnte.


    fuhr sie mit recht entspannter Stimme fort. Die Decria hatte vier eigene Kinder zur Welt gebracht und bei Alpinas Geburt geholfen. Allerdings fiel ihr noch etwas ein.


    Hast du schon die ganzen rituellen Dinge erledigt? Wie sieht es mit der Kerze für Candlifera aus?


    fragte sie, während sie mit langsamen Schritten das Zimmer verließen.

    | Decria Timarcha


    Nun kam auch ihre zweite Schwiegertochter und begrüßte sie mit einer Umarmung. Die Schwangerschaft näherte sich offensichtlich dem Ende, denn die sonst eher zierliche junge Frau hatte deutlich an Gewicht zugenommen. Timarcha lächelte sie zufrieden an.


    Meine liebe Silvana! Ich freue mich, dich zu sehen und auch du siehst gut aus.


    sagte sie regelrecht strahlend und ließ sich dann weiter ins Haus hinein führen.


    Iullus ist bestimmt wieder unterwegs, nicht wahr?


    Schwer beschäftigt, wie ihr Sohn war, verstand sich das von selbst, er hatte ja nichtmal Zeit, ihr regelmäßig zu schreiben.

    | Acanthos


    Acanthos war wieder vollkommen in seinem Element. Bereits zwei Stunden waren sie nun hier und führten Gespräche, die den Helvetier recht zufrieden wirken ließen. Eine weitere Stunde war eingeplant, bevor es dann wieder zum aufs Forum gehen würde, um dort das tägliche Händeschütteln zu starten, bevor es danach zu einem Gespräch mit Unterstützern in der Taberna Silva Nigra ginge. Doch dann zupfte jemand an seiner Tunika. Als er sich umblickte sah er Kaeso, der nun schon einige Tage in der Casa Helvetia lebte und Alpina in der Taberna Medica zur Hand ging. Der Macedone lächelte dem Jungen zu, doch der Gesichtsausdruck des Jungen sprach Bände und als er dann ansetzte, runzelte der Macedone die Stirn.


    Was ist mit der Duccia?


    fragt er und trat einen Schritt beiseite, damit Curio nicht gestört wurde.

    Curio war ein wenig hin- und hergerissen zwischen dem Willen, sich selbst, seine Familie und seinen Haushalt so unantastbar wie möglich zu halten, und andererseits seinem guten Herzen, dass in diesem Gespräch aber wohl eher von Alpina repräsentiert worden war, als von ihm selbst. Er war sogar ein bisschen von sich selbst, dass er fähig war, dem Jungen mit solcher Gefühlskälte entgegentreten zu können. Es war die richtige Entscheidung gewesen, Alpina dazu zu holen, denn ansonsten würde der Junge jetzt wieder auf der Straße stehen. Langsam machte sich sogar ein schlechtes Gewissen breit, dass durch die ehrlich wirkenden letzten Versprechungen des Jungen nur noch verstärkt wurden. Dennoch war er doch dazu verpflichtet, das Gesamtbild im Kopf zu behalten, wenn da jetzt schon etwas zu bröckeln begann. Es ging hier ja nicht nur um seine persönliche Eitelkeit oder sowas, sondern um den Bestand seiner Familie, die in seiner Vorstellung ohnehin eher aufgrund des äußeren Drucks ein labiles Gebilde war, trotzdem sie von innen her kaum stabiler hätte sein können. Genau deswegen mochte vielleicht auch die stille Angst in ihm brodeln, dass sie, wenn auch die innere Stabilität aus welchen Gründen auch immer angekratzt würde, das ganze Gebilde in sich zusammenbrechen würde.


    Nun war die Entscheidung aber vor allem auf Drängen Alpinas zugunsten des Jungens ausgefallen, was auch hieß, dass er nun zu ihrem Haushalt dazugehörte. Auch Curio reichte ihm daher, wenn auch etwas weniger herzlich als Alpina, die Hand.


    Nun, dann hoffe ich, dass du deinen Worten auch Taten folgen wirst.


    sagte er mit einem einigermaßen freundlichen Nicken - er musste ja grade einen furchtbar ungerechten Eindruck auf den Jungen machen - und erhob sich dann.


    Alpina wird dir dann deine Kammer zeigen und dich über die Gepflogenheiten hier im Haus aufklären. Scheue dich aber nicht, auch auf mich oder meine Frau, die du noch kennenlernen wirst, zuzukommen. Ich wäre dir aber dankbar, wenn du dich grade in dieser... anstrengenden Zeit erstmal an Alpina oder Acanthos halten würdest. Spätestens wenn der Wahlkampf vorbei ist, werden wir dann auch die Möglichkeit haben, uns besser kennenzulernen.


    Tatsächlich schaffte es doch noch ein kleines Lächeln auf seine Lippen, allerdings nur bis aus dem Hintergrund ein leises Hüsteln zu hören war und Curio wusste ziemlich genau, was das bedeutete. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch.


    Es tut mir leid, aber draußen wartet schon der nächste Gesprächspartner.


    Ausgerechnet ein Decurio, der jetzt nicht unbedingt zu Curios besten Freunden gehörte. Der junge Helvetier hatte zwar angemerkt, dass es nicht so tragisch war, wenn der auch mal etwas länger würde warten müssen, aber irgendwann war auch die Grenze des guten Anstandes erreicht, was unterm Strich vor allem hieß, dass ein weiteres Warten nicht weniger als ein kräftiger Tritt vors Schienbein bedeuten würde. Der Decurio hatte zwar mal ein bisschen Demut zu lernen, aber demütigen, wollte man ihn ja auch nicht.


    Alpina, es wäre gut, wenn du Kaeso noch Runa vorstellen könntest, denn ich habe keine Ahnung, wie lange mich der nächste Termin in Anspruch nehmen wird...


    sagte er mit einem deutlich vernehmbaren Augenrollen. Der Decurio hatte sich nämlich praktisch selber eingeladen und musste daher noch am Abend in den Terminplan reingezwängt werden, obwohl der junge Helvetier doch gehofft hatte, dass dies hier sein letzter Termin sein würde. Nun gut, da musste er jetzt auch durch.

    Curio fuhr sich ebenfalls mit der nassen Hand durchs Gesicht, um auch dieses ein bisschen mit dem warmen Wasser zu benetzen. Dann schaute er zuerst zu dem iunischen Praefectus.


    Es sind drei größere Projekte, die ich in Angriff nehmen möchte. Erstens die Erstellung einer Marktordnung. Es gab in der Vergangenheit bereits Versuche eine solche einzuführen, doch ist der letzte Versuch an kleineren Problemen gescheitert. Weiterhin plane ich, die bisher eher auf dem Gewohnheitsrecht beruhenden Hafenregeln in eine verbindliche Hafenordnung aufgehen zu lassen. Zuletzt habe ich mich bereits in meiner letzten politischen Amtszeit als Magister Vici des Vicus Apollinensis um die Pflege und Renovierung der Kreuzungsschreine in der Innenstadt bemüht. Dies möchte ich nun auf die Kreuzungsschreine im gesamten Stadtgebiet ausweiten.


    Zwei gesetzgeberische Pläne, ein Plan zum anpacken, wie Curio fand eine gute und machbare Agenda für das kommende Amtsjahr. Schließlich kamen ja auch noch die Alltagspflichten dazu und nicht zuletzt die unerwarteten Ereignisse, die trotz ihrer Diffusität ebenfalls irgendwie eingeplant werden mussten.


    Danach wandte er sich dem Iulius zu. Der Praefectus hatte etwas davon gesagt, dass Curio seine wilden Zeiten in den Tabernae der Stadt verbracht hatte. Bestätigen konnte er das zwar nicht, denn eigentlich konnte sich Curio nichtmal daran erinnern, überhaupt eine "wilde Phase" gehabt zu haben. Das hieß aber natürlich nicht, dass er die einschlägigen Adressen nicht kannte.


    Nun, die größte und wichtigste und zugleich beste Taberna ist sicherlich die Taberna Silva Nigra im nördlichen Teil der Innenstadt. Sie ist zwar etwas teurer als andere Tabernae, Speisen und Getränke sind von guter Qualität und es finden regelmäßig Themen- und Unterhaltungsabende statt. Die Taberna gehört den Ducciern, der führenden Familie der statt.


    Curio musste wohl grade ziemlich anbiedernd wirken, vor allem auf den Iunier, mit dem er ja bereits über die duccischen Betriebe gesprochen und diese in den Himmel gelobt hatte. Na ja, was tat man nicht, um seinen Klientelpflichten nachzukommen.

    Curio musste lachen, als Cossus Malleus von den "hirnerweichenden hellenischen Spinnereien" sprach. Natürlich erwartete er nicht, dass sich jemand hier in der Provinz mit der höheren und äußerst abstrakten Mathematik auskannte. Selbst Curio selbst hatte diese nur ansatzweise gelernt und ebenfalls nicht viel damit anfangen können. Allzu tief waren seine Lehrer dort aber ohnehin nicht eingestiegen, sie waren hier ja schließlich weder in den großen Schulen Achaias, noch in Alexandria oder Rom, wo man sich, soweit er wusste, ja auch einfach mal aus Spaß mit diesen höheren Zahlenspielerein beschäftigte. Mit der Praxis hatten sie aber nur dann zu tun, wenn man es mit Spezialisten zu tun bekam, mit Architekten zum Beispiel, die die Statik eines Gebäudes auszurechnen hatten - worin Curio ja zumindest in seiner Amtszeit als Magister Vici erste Erfahrungen hatte sammeln, allerdings nicht den komplexen Rechnereien des duccischen Architekten folgen können. Stattdessen hatte er sich einfach darauf verlassen, dass die Rechnungen korrekt waren, während seine Aufgabe darin bestanden hatte, Arbeiter sowie Material zu beschaffen, die Arbeiten zu überwachen und gleichzeitig stets auf Fristen zu achten.


    Nein, nein. Die höhere Mathematik ist hier bestimmt nicht vonnöten. Die wichtigsten Rechenarten jedoch sehr wohl. Erfahrungen in der Buchführung und -prüfung ermöglichen dir zudem bestimmt weitere Perspektiven, auch wenn du sie zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht nicht oder noch nicht verfolgen möchtest.


    Was danach folgte, überraschte Curio derweil weniger. Er sah sich selbst vor allem im Objekt- und Personenschutz. Acanthos hatte ja auch erwähnt, dass der Veteran in ihrem ersten Gespräch einen entsprechenden Satz hatte fallen lassen. Grade die Betonung der Loyalität gefiel dem jungen Helvetier außerordentlich.


    Gestatte mir das Eingeständnis, dass ich nicht wirklich überrascht bin. Als ehemaliger Soldat bleibt man natürlich gerne bei seinen alten Aufgaben. Ich hatte glaube ich noch nicht erwähnt, dass mein Vater ein Legionsveteran ist, ich weiß also wovon ich rede.


    Gut, sein Vater betrieb ein Weingut, allerdings hatte er sich ja bis jetzt nie wirklich von seinem Militärdienst trennen können, verkehrte weitgehend mit seinen alten Kameraden, von denen auch einige auf dem Weingut lebten und arbeiteten und hatte nicht zuletzt durch regelmäßigen Drill und tägliches Training dafür gesorgt, dass sein ältester Sohn ebenfalls zu den Adlern gegangen war und hätte es wohl am liebsten gesehen, wenn sein zweitältester, Curio selber, ebenfalls in den Execitus eingetreten wäre.


    Als Malleus geendet hatte und Curio den Eindruch erhielt, dass er etwas zu trinken gebrauchen konnte, deutete er auf die beiden Krüge und Becher.


    Du kannst dich gerne bedienen. Dafür stehen die Sachen ja hier.


    sagte er mit einem freundlichen Nicken, bevor er dann damit fortfuhr, die Möglichkeiten für einen Personen- und Objektschützer aufzuzählen.


    In den von dir angestrebten Bereichen gibt es derweil einige Möglichkeiten. Du könntest entweder in den Postdienst treten und dich dort an eine der Grenzstationen versetzen lassen, wo es ja auch darum geht, die Pferdewechselstationen zu leiten, aber natürlich auch vor Banditen zu beschützen, oder du trittst als Apparitor in den Dienst des Statthalters, um dort mit für dessen Sicherheit zu sorgen und zuletzt die Arbeit für einen städtischen Amtsträger. Alle Kandidaten, die ich kenne - mich eingeschlossen - sind grade damit beschäftigt, ihre Officia vorzubereiten, damit sie nach ihrer Amtseinführung gleich mit der Arbeit beginnen können. Alle diese Posten haben ihre Vor- und Nachteile. Im städtischen Dienst zum Beispiel gibt es keine regulären Apparitores, da diese immer direkt im Dienst der einzelnen Amtsträger stehen. Deine Dienstzeit wäre also auch auf die Amtszeit des Amtsträgers beschränkt, es sei denn, du wirst danach noch im privaten Dienst weiterbeschäftigt oder in späteren Amtszeit erneut eingesetzt. Als Apparitor der Provinz wiederum müssen wir erstmal schauen, dass wir dich beim Statthalter bekannt machen und im Postdienst käme wahrscheinlich mehr Schreibarbeit auf dich zu, als du vielleicht möchtest.


    erklärte der junge Helvetier, goss sich etwas Wasser in seinem Becher und lehnte sich ebenfalls zurück. Seine Händen waren vor seinem Bauch zusammengelegt und so wartete er nun auf die Erwiderung von Malleus. Auch hier hatte Curio einen kleinen Verdacht, der natürlich auch auf den Bericht von Acanthos zurückging.

    Früh am Tage hatte sich Curio mit ein paar Begleitern, darunter Acanthos, in den Vicus Navaliorum begeben. Es war seine zweite Wahlkampfstation und auch hierfür hatte er eine kurze Ansprache gefolgt von einer Art Bürgersprechstunde vorgesehen, in der er mit den Einwohnern, aber auch den Besatzungen der Schiffe und den hier ansässigen Unternehmern ins Gespräch kommen und sich auch erste Rückmeldungen für sein Vorhaben dazu holen konnte. Denn auch wenn er schon konkrete Vorstellungen dazu hatte, war es doch auch wichtig, dass die Betroffen dabei zu Wort kommen konnten. Wie immer suchte er sich also eine exponierte Stelle am Hafenkai, wo er sich auf einen recht praktischen Stein stellen konnte, um seine Ansprache zu halten.


    Einwohner des Vicus Navaliorum


    Meine Name ist Iullus Helvetius Curio, ich bin Aedituus im Tempel des Apollo Grannus Mogon und amtierender Decurio von Mogontiacum und ich trete bei den kommenden Wahlen für das Amt des Aedils an!


    Die typische Vorstellung markierte den Beginn dieser kurzen Ansprachen, da er nicht von allen Vicani verlangen konnte, dass sie ihn kannten.


    Der Hafen von Mogontiacum bildet seit jeher einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt des Transports. Ob es nun Reisende sind, die aus dem Süden in unsere schöne Stadt kommen, oder Waren, die an den vielen Marktständen verkauft werden. Viele kommen hier an und sehen als erstes den Hafen. Er ist daher ein Aushängeschild für unsere Stadt in dem Ordnungs herrschen muss, damit nicht gleich der Eindruck entstehen kann, das Leben in unserer Stadt gleiche einem wildgewordenen Hühnerhaufen. Ich plane daher als Aedil eine Neufassung der Hafenordnung zu verfassen, in der ich nicht nur die Verhaltensregeln in diesem Bereich fixieren möchte, sondern auch klare Vorgaben für die hiesigen Anlegeplätze. Es soll geordnete zugehen hier im Hafen, den davon profitiert nicht nur das Bild unserer Stadt, auch ihr werdet davon profiteren. Auch wenn ich bereits erste Ideen dazu habe, so zum Beispiel eine Liegegebühr für Schiffe, die länger im Hafen liegen und offensichtlich nicht regelmäßig genutzt werden, so erhoffe ich mir doch in Gesprächen mit euch allen Vorschläge, welche weiteren Regelungen ihr für wichtig erachtet. Ich freue mich daher, euch nun für Fragen und Anmerkungen zur Verfügung zu stehen.


    Curio stieg von dem Stein und schon kam ein Schiffseigner auf ihn zu, der einen Vorschlag für Sicherheitsmaßnahmen an den Liegeplätzen machte. Acanthos schrieb wie immer fleißig mit, während Curio interessiert Nachfragen stellen, inwieweit andere Regeln überhaupt umsetzbar und sinnvoll waren.

    Die Spannung in dem Raum war regelrecht greifbar. Doch dann löste Alpina diese und Curios Unterkiefer klappte nach unten. Sie hatte dem Jungen ihre vollste Unterstützung versprochen, einem möglichen Vatermörder... Aus ihren Worte hatte meinte er, herausgehört zu haben, dass sie sein Schicksal mit dem ihren verglich, denn auch sie hatte ja Schuld auf sich geladen, die sie mühsam abgetragen hatte, wofür sie beinahe ihr Leben verloren hatte. Leicht schüttelte er seinen Kopf, denn sie dachte ganz offensichtlich nicht an die möglichen Konsequenzen. Sie würden einen möglichen Vatermörder beschäftigen, wenn das herauskam, würde damit zwangsläufig ein riesiger Skandal folgen. Er war auf das Wohlwollen der Menschen in dieser Stadt angewiesen, aber er hatte auch eben nicht nur Freunde. Dieser Junge wäre eine Zielscheibe für all jene, die noch eine Rechnung mit dem jungen homo novus vom Lande offenzuhaben glaubte. Es waren nun Curios Hände, die sich um den Stuhl krallten und er hatte Mühe, nicht die Fassung zu verlieren. Er atmete tief durch, blickte nochmal ungläubig zu Alpina hinüber und legte schließlich seine Hand an seine Stirn.


    Ich werde ihm sicher keine städtische Anstellung verschaffen, solange ich nicht weiß, ob er einer solchen Aufgabe gewachsen ist.


    begann er und es machte den Eindruck als glaubte er, er sei mit Alpina allein im Raum. Dann jedoch erhob der junge Helvetier den Blick und musterte den Jungen eindringlich. Nein, er würde ihn nicht in seinem Namen auf die Gesellschaft loslassen, bevor er sich dessen nicht sicher war. Schade eigentlich, dass man den Menschen immer nur vor den Kopf gucken konnte. Dann fuhr er mit strengem Ton fort.


    Du wirst eine Kammer vorne bei den Sklaven und Bediensteten bekommen. Zudem wirst du von uns versorgt und kannst an den täglichen Mahlzeiten teilnehmen. Ich kann nicht genug betonen, dass du dabei Dinge mitbekommen wirst, die das Haus unter keinen Umständen verlassen dürfen. Vertrauliche Dinge, Familiendinge. Der übrige Haushalt hat mich in dieser Richtung noch nicht enttäuscht, sollte ich also davon hören, dass etwas nach draußen gedrungen ist, werde ich wissen, bei wem ich ansetzen muss und glaube mir, ich schätze nichts so gering, wie Illoyalität


    Er machte eine Pause und schluckte. Eigentlich mochte er diesen Ton selber nicht, denn er ahmte damit doch nur seine Mutter und vor allem seinen Vater nach.


    Natürlich wirst du hier nicht umsonst leben. Alpina hat angeboten, dass du bei ihr in der Taberna Medica aushelfen kannst. Das wirst du auch tun und da sie dieses Angebot ausgesprochen hat, gehe ich auch davon aus, dass sie dich zudem im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichten wird. Währenddessen wirst du auch aus Alpinas Umsatz ein kleines Taschengeld erhalten.


    Erneut wanderte sein Blick zu Alpina und mit Sicherheit konnte sie den Tadel darin erkennen. Ein gutes Herz hin oder her, aber es ging doch schon lange nicht mehr nur um Menschenfreundlichkeit, die Curio ja defintiv besaß. Es ging um Prestige und die öffentliche Meinung, davon lebte er und dadurch wurde seine Ehe am Leben gehalten. Ansonsten galt hier für Alpina mitgehangen, mitgefangen.


    Sobald du dich dabei bewiesen hast, wirst du zudem die Aufgabe erhalten, in meinem Namen Botendienste auszuführen. Ab diesem Zeitpunkt erhälst du dein Taschengeld aus der Haushaltskasse, also von mir bzw. von Acanthos hier.


    Würde er diesen Sprung schaffen, hätte der Junge schon viel erreicht. Ab diesem Punkt könnte man nämlich ernsthaft daran arbeiten, ihm einen städtischen Posten zu besorgen, als Schreiber oder wenn ihm das lieber war, im Cultus Deorum.


    Allerdings will ich dir nichts vormachen. Man wird sich für dich interessieren und mancher wird vielleicht sogar Erkundigungen über dich einholen. Wie weit sie dabei kommen, weiß ich nicht, aber sollte mir jemand zutragen, dass gegen dich der Verdacht des Vatermords im Raum steht, ist das einzige, was ich dann noch tun kann, dir einen guten Rechtsvertreter zu besorgen. Hier im Haus kann ich dich dann nämlich nicht behalten, ohne mich selbst in diese Affäre hineinziehen zu lassen. Allerdings wollen wir die Götter darum bitten, dass es nicht soweit kommt.


    Das wiederum war nicht verhandelbar. Er könnte sich am Ende der ganzen Geschichte nichts davon kaufen, dass er ein guter Mensch gewesen war, dafür aber sämtliche Zukunftsperspektiven verbaut wären. Die Konsequenzen dessen sollten mittlerweile allen Mitgliedern des Hauses bekannt sein - auch Alpina.

    Curio hörte interessiert und konzentriert zu. Der Mann schien ja viel herumgekommen zu sein, zuerst bei den Einheiten in Pannonia, später in Italia und nun wieder in seiner Heimat hier in Germania. Der junge Helvetier konnte ja jeden verstehen, der in seine Heimat zuückkehrte. Er wollte ja schließlich auch nicht weg von hier und erst recht nicht das riesige, unpersönliche, ja, regelrecht verdorbene Rom. Dass es Malleus lediglich bis zum Duplicarius gebracht hatte, war für den jungen Helvetier kein Problem, allerdings erklärte es, warum er trotz regulärer Dienstzeit kein Bürgerrecht vorzuweisen hatte. Das wiederum war hier in der Provinz wenn überhaupt nur ein winziger Makel, schließlich gab es hier kaum wirklich unüberbrückbaren Schranken zwischen Bürgern und Peregrinen, seine Schwäger hatte ja auch (noch) kein Bürgerrecht und seine Nichte war, zumindest nominell, auch Peregrina.


    Ein sehr beeindruckender Lebenslauf, Cossus Malleus. Du scheinst ja auch viel rumgekommen zu sein und entsprechend auch schon Erfahrungen in den privaten Betrieben gesammelt. Nur der Vollständigkeit halber: Darf ich davon ausgehen, dass du lesen und schreiben kannst, vielleicht sogar rechnen?


    Schließlich ging es darum, alle möglichen Berufswege für den Veteranen auszuloten und da gehörten dann auch Fähigkeiten dazu, die ihn vielleicht auch außerhalb seiner bisherigen Stellen erwarten konnten. Allerdings war dafür auch ein anderer Faktor entscheidend, nähmlich Malleus selber.


    Jedefalls würde mich noch interessieren, was für eine Anstellung du dir vorgestellt hast. Es gibt ja zahlreiche Möglichkeite, nicht nur in Tätigkeiten, bei denen du körperliche Stärke und Kampferfahrung mitbringen müsstest, zum Beispiel in der Stadt- oder Provinzverwaltung.


    Curio traute es dem alten Haudegen eigentlich nicht zu, dass er sich ernsthaft langfristig an einen Bürojob binden wollte, aber ausschließen konnte er das freilich auch nicht. Eine Anstellung als Scriba, besonders in der lokalen Verwaltung, wäre schnell organisiert. Nichtsdestotrotz ging der junge Helvetier eher davon aus, dass sich der Veteran eher für eine Sicherheitsaufgabe interessierte, für die er aber ebenfalls sehr geeignet schien.

    Curio war überrascht, dass die hinzukommende Alpina, die ja nun wirklich nicht angsteinflößend oder gar bedrohlich. Und dennoch musste der Junge offenbar Halt an seinem Stuhl suchen. Dann fing er an, zu erzählen und Curios Stirn legte sich mehr und mehr in Falten. Er hatte seinen Vater getötet. Wohl, weil dieser Mutter und Schwester des Jungen in betrunkenem Zustand beinahe totgeschlagen hätte, aber er hatte seinen Vater getötet. Nach Kaeso geendet hatte, fehlten dem jungen Helvetier die Worte und er blickte stattdessen zu Alpina hinüber. Er konnte doch keinen Vatermörder anstellen, geschweige denn in sein Haus aufnehmen. Aber warum hatte der Junge die Geschichte nicht einfach für sich behalten? Es war praktisch unmöglich, ihn hier ausfindig zu machen und selbst, wenn es jemand schaffen würde, hätte er immer noch alles abstreiten können. Aber jetzt? Fragend ruhte sein Blick auf seiner Schwägerin. Sie war etwas älter, hatte einiges in Germanien durchgemacht und Curio bildete sich ein, dass sie deutlich mehr Lebenserfahrung gesammelt hatte, als er.