Beiträge von Titus Germanicus Antias

    Hätte ich noch einen Körper, würde ich euch zuwinken. ;)
    So entbietet euch der mit Wohlwollen auf euer Treiben blickende Geist des Antias seine herzlichsten Grüße und besten Wünsche für diese besinnliche Zeit!
    Lasst es euch wohl ergehen und ehret die Verblichenen.


    Alles Gute euch allen.

    Nach ein paar wohltuenden Tagen an an der frischen Luft habe ich mich dazu entschlossen, den Varoufakis zu machen. Meine IDs dürfen also weg.
    Allen alles Gute, und danke für die schöne Zeit. :dafuer:

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    Sextus Peducaeus Hispo


    Der Cluvius salutierte widerwillig. Hispo dagegen bestätigte die Anweisungen mit einem knappen „Jawohl, Centurio!“ und schob die junge Frau dem Cluvier geradewegs in die Arme. Ein flüchtiges Blitzen erhellte den Blick des Veteranen, erlosch aber sofort wieder, als der leicht orientierungslos wirkende Miles Rabuleius Caprarius aus dem Officium tappte. Hispo nahm es mit einem unguten Gefühl zur Kenntnis. Sulca und Capra. Da hatte man ja ein wirklich illustres Pärchen zur Carcerwache eingeteilt. Der eine hatte gewiss weit mehr auf dem Kerbholz als so mancher Insasse, und der andere gehörte eigentlich in die Obhut eines Medicus.
    „Werdet ihr alleine mit ihr fertig oder muss ich mit?“ fragte Hispo gallig. Wie erwartet erhielt er von keinem der beiden eine Antwort. Capra wuselte zurück ins Officium, wohl um die Schlüssel zu holen, und Sulca war bereits im Begriff, seinen Schützling den Flur entlang zu geleiten. Nickend drehte Hispo sich wieder zum Centurio um. Das war es dann wohl für den heutigen Abend. Er musste zurück an’s Tor. Fimbria würde sich ohnehin schon die haarsträubendsten Szenarien ausmalen. „Gibt es noch weitere Befehle, Centurio Iunius Avianus?“


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    Sextus Peducaeus Hispo


    So kann man sich täuschen, dachte sich Hispo zerknirscht, während er mit weit ausgreifenden Schritten auf die Porta des Carcerkomplexes zu marschierte. Hinter ihm war das schwere Stapfen des Centurios zu hören, untermalt vom wütenden Schnaufen der jungen Schönheit. Zwar wusste Hispo noch immer nicht, was in Avianus’ Habitatio vorgefallen war, mit Zärtlichkeit aber hatte das alles augenscheinlich nichts zu tun, so viel stand schon mal fest. Ohne erst zu klopfen riss er die Tür auf, trat schallenden Schrittes in den Flur und sah sich sofort mit einem rotäugigen nach billigem Wein müffelnden Cluvius Sulca konfrontiert, der mit Pugio und Lucerna bewaffnet aus dem Officium stürmte. „WER DA?“


    "Ich bin's." Hispo blieb stehen und blickte zur Tür. Vielleicht hatte er seine langen Keulen doch etwas zu schnell geschwungen. Der Centurio war mit seiner störrischen Beute noch eine gute Pertica entfernt.
    „Beim Riemen des Augustus! PEDUCAEUS! WARUM BIST DU NICHT AUF WACHE?“ röhrte Sulca mit hervorquellenden Augen.
    „Das geht dich einen Feuchten an, Cluvier! Wir haben hier einen Neuzugang!“
    „WIR? Was heißt hier wir?“
    Gerade als der Cluvius im Begriff war, Hispo die flackernde Lucerna um die Ohren zu hauen, erschien hinter einer schnaubenden jungen Frau Centurio Avianus' breite Gestalt im Türrahmen. Sulca wich grunzend zurück. Hispo grinste still in sich hinein. „Wohin mit ihr, Centurio? Übergangszelle oder Einzelunterbringung?“


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    Sextus Peducaeus Hispo


    Je stiller die fortschreitende Nacht wurde und je länger Hispo auf sein Scutum gestützt vor der Offiziersunterkunft verharrte, desto unwohler wurde ihm in seiner Haut. Allmählich begann er sich zu fühlen wie eine Ziege, die der Hirte am Abend vergessen hatte, von der Weide zu treiben. Aber die Warterei war nicht das schlimmste, weit schlimmer war seine Fantasie, die ihm die wollüstigsten Bilder vorgaukelte. Eigentlich kannte er den Centurio gut genug, um zu wissen, dass der sich auf nichts einlassen würde, nicht hier in der Castra. Andererseits war Avianus auch nur ein Mann, und Gelegenheit machte bekanntlich müde Männer munter, oder so ähnlich.


    Hispo gönnte es dem Iunier durchaus, wäre aber trotzdem am liebsten mit einem Eimer kalten Wassers in die Liebeshöhle gestürmt, um das höchst ungerechte Treiben zu beenden. Schnaubend begann er vor der verschlossenen Tür auf und ab zu stapfen. Vielleicht sollte er ein Lebenszeichen von sich geben? Mit einem dezenten Klopfen darauf hinweisen, dass er auch noch da war? Auf leisen Sohlen näherte er sich der Tür und lauschte. Keine spitzen Bekundungen des Entzückens, kein ekstatisches Japsen, nur gedämpftes Gemurmel war zu vernehmen, und das konnte verflucht nochmal alles mögliche bedeuten.


    Als unvermittelt von innen gegen die Tür gedonnert wurde, setzte es Hispo fast den Helm ab. Instinktiv stürzte er sich auf die Klinke und hatte den roten Kopf in der Habitatio, kaum dass Avianus’ Kommando verklungen war. „Centurio?“


    Der Fufius ließ sofort dankbar die Arme hängen, als er den Befehl vernahm, der Octavius nicht. Der arbeitete sich weiter wie ein Besessener am Pfahl ab und schien von Antias’ Kommando eher provoziert als erlöst, zumindest dem irren Blick nach urteilen, mit dem der junge Octavier herumfuhr. Antias erwiderte den Blick ohne sichtbare Regung. Wen auch immer dieser rasende Bursche gerade anstarrte, sein Optio war es nicht. Antias kannte diesen Blick, vor allem aber kannte er das Gefühl, das sich hinter Blicken wie diesem verbarg. Ein Stoß, ein Wort, eine Erinnerung zu viel, und man geriet in einen Strudel aus Zorn, der einen mit sich fortriss und schlimmstenfalls zu Dingen trieb, die man selbst nicht verstand. Der Octavius jedoch war noch nicht in diesem Stadium angelangt. Er bekam sich zumindest so weit in den Griff, die Waffen fallen zu lassen. Keinen Atemzug zu früh.


    Kopfschüttelnd ließ Antias das zum Stoß erhobene Hastile wieder sinken. „Bei den Gänsen der Iuno! Wer ist dir denn auf die Füße getreten, Junge? Ganz ruhig. Tief durchatmen.“ Das pfeifende Röcheln der restlichen Tirones war für einen Augenblick völlig verstummt. Antias rammte das Scutum, das er dem Siculus abgenommen hatte vor sich in den Staub und funkelte in die Runde. „Das gilt auch für euch! Durchatmen! Ausschütteln! Zuhören!“ Ohne den Octavier aus dem Rand seines Blickfeldes zu entlassen, sah Antias den Tirones geduldig beim Schnaufen zu. Als er den Eindruck hatte, dass alle wieder genügend Luft in die Lungen bekamen, um zu realisieren, was um sie her geschah, gestattete er sich ein kleines aber feines Lächeln.
    „Für den Anfang war das eine ganz passable Leistung!“ Das war glatt gelogen. In Wirklichkeit war es eine hervorragende Leistung für die erste Übungseinheit an den Pfählen, aber mit Lob verhielt es sich nun mal wie mit Savillum, in kleinen Häppchen verkostet machte es glücklich, im Unmaß genossen machte es fett.
    „Trotzdem muss das alles noch viel schneller, präziser und vor allem automatischer vonstatten gehen. Das war heute gerade mal ein gute Stunde. In Zukunft werdet ihr neben der weiteren Ausbildung zwei Stunden pro Tag an den Pfählen üben! So lange, bis diese starren alten Pfosten zu zittern anfangen, wenn sie euch auch nur von weitem kommen sehn!“ Einen Moment lang fragte er sich, ob nach dieser Erholungspause vielleicht noch fünfzig letzte Stöße herauszuholen waren, sah dann aber ein, dass die Schwächeren da nie und nimmer würden mithalten können. Heute nicht mehr. Morgen mussten sie.


    „In Ordnung, Tirones. Dann könnt ihr euch jetzt in die Thermen verziehen! Lasst euch gründlich durchkneten, sonst bekommt ihr morgen keinen Arm mehr hoch. Tiro Siculus! Du räumst die Übungswaffen weg, und du, Tiro Octavius ..“ Noch einmal bedachte Antias den Octavier mit einem gedehnten Kopfschütteln „.. du meldest dich nach der Cena in meiner Schreibstube! TIRONES! ABITE!“

    Die Rekruten ackerten. Kämpften. Wüteten. Zunächst gegen die Pfähle, dann gegen das, was sie auf dem geduldig schweigenden Holz zu erkennen glaubten und schließlich gegen sich selbst. Antias gab weiter mit bemüht ruhiger Stimme den Takt vor. Aber auch sein Herzschlag beschleunigte sich während er angespannt auf und ab ging. Er konnte es spüren. Brennende Lungen, die sich pfeifend gegen den Rhythmus auflehnten. Taube Arme, an denen das Gewicht der Übungswaffen zerrte als hätten sie Weinfässer zu stemmen. Stechende Schulterkapseln. Verkrampfte Nackenmuskeln. Gezerrte Sehnen. Heiß pochende Gelenke ...


    „Octoginta! Gut so! Weiter Tirones!“ Zwei Rekruten hatten bereits ihre Grenzen erreicht und brachten ihre Gladii nur noch taumelnd ins Ziel. Einer davon, Siculus, stützte sich dabei sogar auf das inzwischen abgesetzte Scutum. Das hatte der Narr jetzt von seinem Getänzel. Antias trat seufzend auf den Siculier zu, nahm dessen Scutum an sich und wies den schwankenden Tiro mit einer kurzen Bewegung des Hastile an, weiter zuzustoßen. Normalerweise hätte das unerlaubte Absetzen des Schildes ein gewaltiges Donnerwetter nach sich gezogen. Heute nicht. Nicht an ihrem ersten Tag mit den Pfählen. „Sexaginta! Das ist es! Stoß und Block! Stoß und Block!“


    Die Halt suchenden Caligae der pumpenden Tirones hatten tiefe Furchen in den gestampften Boden gescharrt. Der Staub sprenkelte sich mit Schweißtropfen. Die jungen Gesichter glühten. Arme und Beine glänzten nass in der Nachmittagssonne. „Quinquaginta! Hört ihr die Pfähle lachen? Gebt’s ihnen!“ Antias zählte die Ausfälle. Fünf. Die Burschen waren fertig. Allesamt. Nur wussten das nicht alle von ihnen, und das machte den Unterschied. Diese fünf, die sich da hustend an die Pfähle stützen, wussten nicht nur, dass sie am Ende waren, sie hatten es auch akzeptiert. Die restlichen drei akzeptierten nur noch die Notwendigkeit zu atmen und dabei nicht umzukippen. Das war der Punkt. Genau das.


    „Viginti! Kommt schon, Männer, kommt schon!“ Der nächste Tiro ließ ächzend die Waffen sinken. Nur Octavius Frugi und Fufius Priscus stachen weiter auf ihre inneren Dämonen ein als ginge es ihnen nur noch darum, aufrecht zu sterben. Jetzt wurde es gefährlich für die beiden Rekruten. Antias wollte die Männer leiten, nicht töten. Ohne noch weiter herunter zu zählen packte er den Octavier am Arm. „Halt! Genug jetzt! HALT SAG ICH!“

    Mit einem wissenden Grinsen bestätigte Antias Apolonias’ Aussage. Oh ja, Eine Mischerin, fürwahr. In ihr vermischte sich alles, was auch nur im entferntesten dazu angetan war, den Sinnen zu schmeicheln. Über Narde und Sandelholz ging das weit hinaus. Und sie duftete von Tag zu Tag immer verheißungsvoller - fand Antias zumindest. Mit theatralischer Geste schnüffelte er in ihrem Nacken herum. „Bei den Göttern .. wenn diese Panscher das riechen könnten, würden sie in Tränen ausbrechen.“


    Mit verbunden Augen, sagte sie? Nicht nur das. Sogar mit verstopfter Nase würde er seine Gazelle aus allem anderen Duftgetier heraus schnuppern können. Ihre nächste Bemerkung ließ ihn allerdings kurz stutzen. Was redete sie denn da? Als ob sie nicht ganz genau wüsste, dass er weder seine Nase noch andere Körperteile jemals in fremden Auen würde weiden lassen, solange er sie hatte. Vertraute sie ihm etwa nicht? Einen Moment lang sah er sie forschend an. Doch, das tat sie. Sie vertraute ihm. Aber sie hatte eben ihre ganz eigenen Erfahrungen mit seinen Geschlechtsgenossen gemacht. Erfahrungen, um die er sie nicht beneidete. „Alles gut, Dorcas“ lächelte er ihr zu, hob ihr gesenktes Kinn wieder an und schenkte ihr ein vergnügtes Augenzwinkern. „Wer kaut schon auf gedörrten Rosinen rum, wenn er einen ganzen Weinberg sein eigen nennen kann?“


    Ohne an Dinge, die längst vergangen waren, auch nur einen weiteren Gedanken zu verschwenden, schnappte Antias sein Gazelle am Arm und geleitete sie zurück zur Treppe. „Gute Idee. Gehen wir Essen. Um deine Füße kann ich mich ja nebenbei auch noch kümmern.“ Dem unwiderstehlichen Duft von Knoblauch, Fenchel, süßem Garum und gebratenen Meeresfrüchten folgend gelangten sie wieder hinunter ins erste Geschoss. Hier war das Gedränge deutlich dichter als oben, was natürlich an all den Leckereien lag, die in scheinbar unzähligen Ständen angeboten wurden. Antias zog Apolonia noch enger an sich und bahnte ihnen höflich aber energisch einen Weg durch die Menge.


    Plötzlich sah er sich einem missmutigen Urbaner gegenüber. Optio Cloelius Pinna von der Achten. Richtig, die Achte und Neunte waren für das Marktgelände am Quirinal zuständig. Schon seit jeher. Trotzdem brachte es Antias kurzfristig etwas durcheinander, auf einen bekannten Principalis zu stoßen. „Na, Pinna, armer Hund? Hat’s dich heute erwischt?“ fragte er jovial. Der Cloelius warf ihm nur einen genervten Blick zu und ging weiter. Auch recht. „Worauf hast du denn Lust, Dorcas?“ wandte er sich erleichtert wieder seiner Geliebten zu. „Sollen wir uns hier nach was umsehen, oder möchtest du lieber wieder runter in eine der kleinen Garküchen an der Biberacta?“

    Der Octavier griff an. Zögerlich zunächst und ungelenk, aber konzentriert und mit zunehmender Verbissenheit. Dass er sich beim ersten Stoß den Unterarm an der Schildkante aufschürfte, war so normal wie nützlich. Noch ein, zwei derartige Schrammen, und es würde ihm nie wieder passieren. Antias nickte den anderen Rekruten auffordernd zu. „Sieht saudämlich aus, aber genau so ist es gemeint! Also los, Tirones! An die Arbeit!“
    Ein trockenes Stakkato setzte ein. Die Vorstellung, die Antias geboten wurde, war so täppisch wie erwartet. Mit umständlichen Verrenkungen suchten die Rekruten, die verschiedenen Körperpartien zu koordinieren, was anfangs dazu führte, dass die Stöße entweder zu kurz kamen oder das Gleichgewicht verloren ging. Aber auch das war normal. Die jungen Burschen waren noch daran gewöhnt, ihre Wucht aus den Extremitäten zu schöpfen, über die wahre Quelle ihrer Kraft, die Körpermitte, hatte sicher noch keiner von ihnen nachgedacht. Kein Problem. Um das zu lernen waren sie hier.


    Mit gespreizten Schritten ging Antias von Pfahl zu Pfahl, betrachtete sich die diversen Darbietungen mit unbewegter Miene und leistete vereinzelt verbale Hilfestellung. „Kein Gestocher aus dem Ellbogen! Wenn ihr die Schulter mitnehmt, wird euer Arm um die Hälfte länger! Stoß und Block! Unus! Duo!“ Schwer zu kapieren war das Ganze nicht, aber verflucht ungewohnt und weit anstrengender als ein Zuschauer es einschätzen würde, das wusste er nur allzu gut. Nichtsdestotrotz war die Schinderei unerlässlich. Aus dem eckigen Gehampel mussten fließende Automatismen werden, je schneller desto besser.
    „Tiro Siculus! Lass das Gehopse! Die Füße bleiben am Boden! Um die Beinarbeit kümmern wir uns später. Und weiter! Unus! Duo! Unus! Duo!“


    Das allgegenwärtige Schnaufen wurde zunehmend lauter und begann, die dumpfen Treffer zu übertönen. Die Gesichter röteten sich und die Scuta sackten bei jedem neuen Stoß ein klein wenig nach unten. Als ausgesprochener Bewegungskünstler konnte sich zwar noch keiner der jungen Männer hervortun, aber die ersten schienen immerhin ansatzweise begriffen zu haben, worum es ging. „Bene, und nach den Stößen zum Gesicht nehmen wir jetzt einen seitlichen Stoß zum Kopf dazu! Gerader Stoß! Block! Seitlicher Stoß! Block! Unus! Duo! Tres! Quattro!“ Die Rekruten gaben sich sichtlich Mühe, das wusste Antias durchaus zu honorieren, nur war jetzt nicht die rechte Zeit für Lobeshymnen. Sich das Hastile rhythmisch gegen den Schenkel klopfend schlenderte er weiter gravitätisch zwischen den Männer hin und her. Schweißtropfen und feine Holzsplitter flogen umher. Aus Schnaufen wurde Keuchen, und bis zum Ende der Übungseinheit würde aus dem Keuchen ein Japsen werden. Aber bis dahin war noch Zeit.
    „Schön, dann legen wir nochmal ein paar Kohlen drauf! Gerader Stoß in’s Gesicht! Block! Seitlicher Stoß zum Kopf! Block! Tiefer gerader Stoß zum Bauch! Block! Und das ganze wieder von vorn! Unus! Duo! Tres! Quattro! Quinque! Sex!“


    Die Zeit verrann. Die Gesichter wurden härter, die Stöße weicher. An den hervortretenden Kiefermuskeln war deutlich der aufkeimende Hass abzulesen. Sehr gut. „Stellt euch ruhig vor, dass ich es bin, auf den ihr da einstecht! Das hilft!“ In der Tat, es half. Die Stöße wurden wieder energischer, allerdings nur für eine Weile. „Denkt dran, jeder Treffer ist eine halbe Stunde Lebenszeit! Na kommt schon! Nur noch hundert! Ab jetzt! In Antias loderte Spannung auf. Nun kam der interessante Teil. Was die körperlichen Reserven betraf, waren die meisten Rekruten höchstens noch für fünfzig Stöße gut, alles darüber hinaus war eine reine Sache des Willens.

    Denk an den Gockel! ermahnte sich Antias zum wiederholten mal, vergiss den Gockel nicht! Nein, er würde den verdammten Gockel schon nicht vergessen. Schließlich quälte ihn das schlechte Gewissen schon seit geraumer Zeit. Er hätte sich schon viel früher darum kümmern müssen, hätte diesem bedauernswerten Osturius und seine Söhnen längst einen Besuch abstatten und ihnen wenigstens den Gockel ersetzen sollen. Das war schließlich das allermindeste, was er für den vom Schicksal gestraften Veteranen tun konnte. Aber er hatte es immer wieder vor sich her geschoben. Keine Ausrede war ihm zu fadenscheinig gewesen, um die Konfrontation mit dem Schlamassel zu vermeiden, das er selbst mit angerichtet hatte.


    Heute aber war sein und Apolonias’ Markttag, und da würde sich gewiss auch die Gelegenheit bieten, einen ansehnlichen Hahn zu erwerben. Was für die restliche Einrichtung der neuen Wohnung noch gefehlt hatte, war bereits besorgt: Ein paar nachtblaue Vorhänge, ein weicher Cubile, ein hoher Leuchter, alles Gegenstände, die genau genommen der Princeps mit seinem großzügigen Donativum finanziert hatte, was Antias als gutes Omen wertete. Fehlte also nur noch der Gockel. Nachdem sie den Korb mit den Einkäufen vertrauensvoll Babilas’ Obhut überlassen hatten, schlenderten die beiden weiter staunend über das gewaltige Marktareal am Steilhang des Collis Quirinalis.


    Hier gab es wirklich alles. Sklaven, Vieh, Lebensmittel, Kleidung, Werkzeuge, Huren, Musikanten, Ringkämpfer und mochte Iuppiter wissen, was noch alles. Aber vor allem anderen gab es hier eine selige Ahnung von einem normalen Familienleben für Apolonia und ihn. Es interessierte sich niemand dafür, was sie waren. Wer sie sah, sah ein glückliches junges Paar, das völlig entspannt und bar aller Sorgen umher flanierte. Antias genoss es, sich mit Apolonia treiben zu lassen. Je tiefer er mit ihr in den Trubel zwischen den Ständen tauchte und je öfter er das freudig entspannte Gesicht seiner Gazelle betrachtete, desto weiter schweiften seine Gedanken ab. Als sie schließlich das Obergeschoss der riesigen Markthalle erreicht hatten, wo nützlicher und unnützer Tand aller Art feil geboten wurde, von edlem Geschirr und monströsem Schmuck bis zu wohlriechenden Essenzen und exklusiver Kleidung, war der Gockel längst vergessen. An einem Stand mit betörend duftenden Ölen machte er halt, gab Apolonia einen verstohlenen Kuss auf die Wange und grinste sie spitzbübisch an. „Wetten, die haben da nichts, was nur annähernd so gut riecht wie du?“

    Der Rekrut schien zunächst etwas erschrocken darüber, vom Optio herausgepickt worden zu sein. Gut. Das war der Plan. Schon vor einiger Zeit war Antias aufgefallen, dass der junge Octavier einerseits alle Ausbildungseinheiten geschickt und konzentriert absolvierte, andererseits aber stets ein wenig den Eindruck vermittelte, als hadere er mit sich selbst. Dafür gab es nach Antias’ Dafürhalten keinen Grund. Der Octavius würde zweifellos einmal einen guten Urbaner abgeben, wenn er selbst es denn zuließ. Letztlich lag es allein an ihm, ob ein verdrossener Karrengaul oder ein feuriges Rennpferd aus ihm werden würde, das Zeug zu letzterem hatte er zumindest. Die Frage war nur, ob ihm das auch klar war.


    Antias quittierte die Antwort des Rekruten mit einem leichten Nicken. „So ist es, Tiro. Die hohe Stellung.“ Zugegeben, eine Aussage zu wiederholen, die gerade einmal zehn Augenaufschläge zuvor getätigt worden war, stellte noch keine außerordentliche Leistung dar. Richtig war die Antwort allemal. „Und genau die will ich in Zukunft sehn, wenn ihr Kampfposition einnehmt!“, wandte er sich an die restlichen Tirones, „Die tiefe Stellung eignet sich zwar besser, um in lockerer Formation gegen aufständischen Pöbel vorzugehen, weil das Ziel leichter zu treffen und zudem der Schwertarm besser geschützt ist. Aber sie birgt die Gefahr, dass der Gladius zwischen den Scuta eingeklemmt wird und bei geschlossenem Schildwall ist sie ohnehin nicht anwendbar! Also: Hohe Stellung!“


    Die Rekruten glotzten ihn an wie Rekruten immer glotzen, wenn ihnen die Informationsdichte langsam lästig wurde. Nun gut, Schluss mit der grauen Theorie. Antias stelle sich schräg hinter den Octavier und klatschte ihm aufmunternd die Hand auf die Schulter. „Hersehen, Tirones! Gerader Stich nach vorn! Leichte Drehung aus der Hüfte über die Schulter und Stoß über den Schildrand! Klinge zurück, Scuta leicht anheben und blocken. Dann wieder zustoßen! Stoß und Block! Stoß und Block! Verstanden? Also schön. Tiro Octavius ... Angriff!“

    „Bene!“ lächelte Antias anerkennend. Die Gladii waren aus den Scheiden gezischt ohne zu haken, und die aufgenommenen Scuta mäanderten auch nicht mehr vor der Linie herum wie die Zahnreihen eines naschhaften Greises. Die Tirones machten sich, langsam zwar, aber sie machten sich. „Man scheint geübt zu haben!“ Grinsend legte das Hastile ab und schnappte sich ebenfalls Scutum und Gladius.


    „In Ordnung, Tirones. Bevor ihr auf eure formschönen neuen Feinde losgeht, solltet ihr noch wissen, wie. Zwei Grundstellungen! In einer einzigen flüssigen Bewegung beugte er sich leicht nach vorn, verlagerte das Gewicht auf sein linkes Bein, drückte die linke Schulter in das Scutum und presste sich den abgewinkelten Schwertarm gegen den Rippenbogen. „Primum! Die tiefe Stellung. Zum Stoß gegen Bauch und Brust. Klinge an den rechten Schildrand. Handfläche nach innen. Ellbogen weit zurück.“ Nachdem er ein paar Atemzüge lang in der Haltung verharrt hatte, ließ er Scutum und Schwert wieder sinken. „Die Körpermitte ist an sich das dankbarste Ziel. Allerdings nur, wenn der Gegner nicht durch Panzer oder Schild geschützt ist. Secundum ..“ Erneut nahm er die Angriffsstellung ein, riss diesmal jedoch den Ellbogen etwas zur Seite und brachte den Gladius über Schulterhöhe. „Die hohe Stellung. Zum Stoß gegen Gesicht und Hals. Klinge über die Schildkante. Handfläche nach unten. Ellbogen leicht nach außen.“ Den konzentrierten Blicken der Tirones ließ sich entnehmen, dass sie kapiert hatten, worauf er hinaus wollte. Allzu schwierig war das ja auch nicht. Nickend legte er die Übungswaffen wieder ab und griff nach dem Hastile. „So. Und jetzt sucht sich jeder einen Pfahl aus.“


    Während die Rekruten zaghaft zwischen die Pfähle traten, und versuchten, durch Betasten des harten Holzes die richtige Wahl zu treffen, suchte Antias nach dem richtigen Kandidaten für eine entsprechende Demonstration und wurde schnell fündig. „Tiro Octavius Frugi. Vor dir steht ein verdammter Daker mit Schuppenpanzer, Rundschild und Falx. Wie greifst du ihn an?

    Die enge Coquina war warm und gemütlich. In der Herdstelle knisterte ein munteres Feuerchen. Von der niederen Decke hingen geräucherte Würste, deren aromatischer Duft sich mit dem würzigen Geruch frisch aufgekochten Kräuterweines mischt. An einem kleinen Tisch in der Ecke saßen sich auf derben aber bequemen Stühlen zwei Männer und ein Junge gegenüber. Friedlich, anheimelnd, fast idyllisch hätte das Szenarium angemutet, wäre das eisige Schweigen der Männer nicht gewesen. Und das helle Schluchzen des Jungen. Und das Blut.


    Einer der Männer war Optio Titus Germanicus Antias von den Urbaniciani. Ihm rann das Blut in dünnen Fäden unter dem Haar hervor in den Nacken. Der andere Mann war Manius Osturius Cerco, ein großer neunzehnjähriger Bursche, der an den Kalenden des Iulius seine Grundausildung bei der Legio Prima beginnen würde. Bei ihm kam das Blut aus einer klaffenden Platzwunde an der Stirn, die er gelegentlich mit einem zusammengeknüllten Stofffetzen abtupfte. Der weinende Junge war sein dreizehnjähriger Bruder Galeo. Seine Rückenwunde hatte bereits aufgehört zu bluten und zeichnete sich nun als dunkler krustiger Streifen unter der Tunika ab. Alle drei lauschten angespannt dem gedämpften Murmeln im Nebenzimmer, wohin Antias den schlimm zugerichteten Vater seiner jungen Tischgenossen gebracht hatte. Publius Osturius Calenus. Einst stolzer Veteran der Legio Septima Claudia, dann glückloser Cives und Familienvater und jetzt aller Voraussicht nach ein Krüppel. Der alte Gladius, mit dem sein ältester Sohn im Hinterhof herumgefuchtelt hatte war seiner.


    Die Tür zum Nebenzimmer knarrte. Mit einer kleinen Tabula in der Hand und dem Helm unter dem Arm kam Optio der Vigiles Theoxenus Trogus in die Coquina zurück und nickte in die Runde. „Gut, das wär’s dann, Jungens. Ihr könnt jetzt zu ihm rein. Optio Germanicus ..“ Antias blickte trübe auf. „.. der Osturier hat deine Aussage bestätigt. Dann will ich dich nicht länger aufhalten.“ Die beiden Burschen erhoben sich und verschwanden mit hängenden Schultern im Nebenraum. Antias blieb sitzen. Aufhalten? Das war ja wohl ein Witz. Mit einem bitteren Lächeln sah er den Vigil an. „Ach, und das war’s schon?“ Der Optio runzelte die Stirn, offenbar hatte er Antias’ Frage nicht recht verstanden. Wie auch, es war eine völlig überflüssige Frage, zumal für einen Urbaner. Antias wusste selbst nicht, was er sonst noch von den Vigiles erwartet hatte. Sie waren von einem Anwohner geholt worden, hatten den Hinterhof abgeriegelt, alle Anwesenden, die noch oder wieder selbst gehen konnten in der Coquina versammelt und verhört; sie hatten den Gladius sichergestellt, die Leiche durchsucht und den Bewusstlosen unter Aufsicht gestellt; sie hatten einfach ihre Arbeit gemacht, und die war mit der endgültigen Klärung des Hergangs schlichtweg abgeschlossen. Dafür, wer sich nun wofür verantwortlich fühlte, interessierten sie sich nicht im geringsten.


    Antias wusste natürlich nur zu gut, wie eine derartige Angelegenheit von den Ordnungskräften bewertet wurde: Ein Unteroffizier der CU war auf dem Heimweg von bereits aktenkundigen Galgenvögeln überfallen worden und hatte sich verteidigt. Einer der Räuber war dabei draufgegangen, ein anderer ohnmächtig geprügelt, das nahm den Vigiles nur die Arbeit ab. Bedauerlich war da höchstens der Umstand, dass ein dritter entkommen war. Ähnlich bedauerlich mochte es sein, dass ein mehr oder minder harmloser Bürger schwer verletzt worden war, aber das konnte man dem Urbaner eben so wenig ankreiden wie sein irrtümliches Vorgehen gegen den Sohn des Verletzten. Schließlich hatte der einen Gladius in’s Spiel gebracht. Blieb höchstens noch der Vorwurf, sich unbefugt im Hinterhof aufgehalten, ein paar Hühner verscheucht und einen Hahn getötet zu haben. Das allerdings war nicht die Sache der Vigiles, da musste der Geschädigte schon Klage einreichen. So zynisch diese Sichtweise auch war, Antias hätte die Sache kein bisschen anders betrachtet, wenn er selbst mit seinen Männern hinzugerufen worden wäre.


    „Nun gut, Optio.“ Mit einem rauen Stöhnen erhob er sich, nahm seinen dreckigen Mantel von der Stuhllehne und ging auf die Hintertür zu. Optio Theoxenus folgte ihm und stieß die Tür auf, vor der sich ein breitbeiniger Vigil postiert hatte. „Apelles, ruf die Männer zusammen! Wir rücken ab.“ Draußen war die ehedem undurchdringliche Schwärze schon in diffuses Grau übergegangen. Die klare Nachtluft hatte den feuchten Dunstschwaden Platz gemacht, die vom Tiberis her nach Osten trieben. In den Obstbäumen der benachbarten Hinterhöfe zwitscherten schon die ersten Vögel. Hätte der wehrhafte Gockel noch gelebt, wäre sein großer Auftritt unmittelbar bevorgestanden.


    Antias ging schweigend neben Theoxenus her. Fußspuren, Hühnerfedern, niedergetrampeltes dürres Gras. Ansonsten erinnerte fast nichts mehr an die Geschehnisse der Nacht. Die getrockneten Blutspritzer waren kaum vom braunen Lehmboden zu unterscheiden, die beiden leblosen Körper waren von den Vigiles weggebracht worden, nur die Knüppel lagen noch immer dort, wo man sie hingeworfen hatte. „Und du bist dir sicher, dass wir diesen Autronius nicht überstellen sollen?“ fragte Theoxenus unvermittelt. „Ist immerhin ein gesuchter Unruhestifter, sowas macht sich recht positiv in den Akten.“ Antias schüttelte müde den Kopf. „Macht mit dem Drecksack was ihr wollt. Ich will die Fresse nicht mehr sehn.“ Die restlichen Vigiles warteten vor dem Torbogen auf ihren Optio. Mit einem beiläufigen Handzeichen verabschiedete sich Antias von Theoxenus und seinen Männer und schlug dann den Weg nach Osten ein. Er hatte sich noch über so einiges klar zu werden, bevor er antreten ließ. Zum Beispiel über den Unterschied zwischen Grund und Anlass.

    Nach bevor es Antias gelungen war, die Lage richtig einzuschätzen, änderte sie sich erneut. Der anfangs so energisch vorgehende Geflügelzüchter geriet unter die Knüppel und taumelte stöhnend zum eingerissenen Hühnergatter zurück, wo er schließlich zu Boden ging. Im gleichen Moment stürmten zwei weitere Gestalten, eine davon mit eher zwergischen Ausmaßen, durch den Torbogen in den dunklen Hinterhof. Antias riss sich die Paenula herunter und sprang auf. Von der Hand des größeren Neuankömmlings hatte für einen kurzen Moment eine lange Klinge aufgeblitzt. Dieses flüchtigen Funkeln war mehr als ausreichend, um Antias’ Lebensgeister wieder wach zu rütteln. Mit dem Auftauchen einer Waffe war aus der chaotischen Rauferei endgültig eine ernste Angelegenheit geworden. Entgegen seines ursprünglichen Vorhabens, den neuen Mitstreiter von seinen Peinigern zu befreien warf er sich auf die bewaffnete Gestalt und rammte ihr das Knie in die Seite. Die Klinge fiel leise klirrend zu Boden und erwies sich im fahlen Schein der Lucerna als veralteter aber sichtlich gepflegter Gladius. Na wunderbar. Die Mistbande schien ja bestens ausgerüstet, und er selbst war so blauäugig, nicht einmal den Pugio mitzunehmen. Das würde ihm mit Sicherheit nicht noch einmal passieren. Allmählich ernsthaft sauer stieß er den entwaffneten Angreifer zur Hauswand, packte ihn am Genick und schlug seinen Kopf zweimal kräftig gegen die Mauer.


    Ohne abzuwarten bis das keuchende Bündel zusammen gesackt war, wandte er sich wieder um, bückte sich nach dem Gladius, fand ihn aber nicht mehr. Stattdessen robbte ein fast schon beängstigend röchelndes Etwas durch den Lichtkegel der Lucerna auf die beiden prügelnden Straßenräuber zu, unter deren harten Schlägen Antias’ unverhoffter Verbündeter mittlerweile gänzlich verstummt war. Mist! Das Arschloch mit dem eingeschlagenen Kehlkopf! Den hatte Antias eigentlich schon abgeschrieben. Fluchend packte er den erstaunlich zähen Hund am Bein, zog ihn ein Stück zu sich, wurde dann aber von hinten angesprungen, was ihn im ersten Schrecken dazu veranlasste, das Bein wieder loszulassen. Angesichts des geringen Körpergewichtes war Antias schnell klar, dass es der Zwerg war, der ihm da im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken saß. Eher lästig als wirkungsvoll hatte der Gnom die Arme um Antias’ Hals geschlungen und versuchte ihm ohne großen Erfolg die Luft abzudrücken. Antias ließ ihn für’s erste machen und wankte dem hechelnden Kriecher hinterher. Der jedoch hatte sich inzwischen mit letzter Kraft zu seinen Kumpanen gerettet, die ihre Aufmerksamkeit augenblicklich von ihrem reglosen Opfer ab- und Antias zuwandten. Einer von den beiden humpelte auffällig, wie Antias befriedigt feststelle, der Kerl schien ein Problem mit der rechten Wade zu haben.


    Tief geduckt warf er sich auf die rechte Flanke des Hinkebeins. Sofort fuhr ein zischender Knüppelhieb auf ihn nieder, der ihm höchstwahrscheinlich die Haut vom Rücken gerissen hätte, wäre er nicht vom zappelnden Körper des ihn verzweifelt würgenden Zwerges abgefedert worden. Der Würgegriff löste sich. Der Gnom fiel von ihm ab wie ein angesengter Blutegel. Der zweite Hieb blieb im Ansatz stecken, denn während die humpelnde Ratte noch ausholte, krachte ihm Antias schon mit dem Schädel voran in die Rippen. Ein Knüppel landete polternd am Boden. Ein Knochen knackte trocken. Ein gepresster Lungenflügel entließ einen pfeifenden Luftschwall in die Nacht. Antias hörte es kaum. Die Geräusche um ihn her vermischten sich zusehends mit dem brausenden Blut in seinen Ohren und verschwanden schließlich darin. Dafür schien sein Blick auf einmal von allen Schleiern befreit. So scharf umrissen als ginge ein inneres Leuchten von ihm aus sah er das Gesicht des Gestürzten sich verformen, während er darauf eindrosch.


    Verwundert blickte er sich um. Da lag der Knüppel, bleich schimmernd, deutlich zu sehen. Drei Schritte weiter hielt ein sich blutüberströmt am Boden krümmender Mann das Bein eines anderen Mannes fest, der mit einem Knüppel auf Antias losgehen wollte. Direkt daneben lag der erstarrte Körper eines weiteren Mannes, dessen Faust sich um die Handhabe eines Gladius verkrampft hatte. Etwas links davon kroch ein kleiner Körper zwischen aufflatternden Hühnern durch den lehmigen Dreck. Drüben an der Hauswand hockte der sechste Unbekannte, die Schultern eingesunken, den Rücken gebeugt an die Mauer gelehnt. Inmitten all dessen warf die friedlich blackende Flamme einer Lucerna einen kleinen warmen Lichtkreis auf Gras und Lehm. Antias blickte nach oben. Da stand der Mond nun völlig unverhangen über der Dachkante und tauchte den Hinterhof in blausilbernes Zwielicht. Dann sah er nach unten und bemerkte erstaunt, dass er das verquollene Gesicht noch immer schlug, obwohl ihn der Mann, dem es gehörte, längst nicht mehr interessierte. Sein Interesse wandte sich voll und ganz dem einzigen noch aufrecht stehenden Besucher des Hinterhofes zu. Fast widerwillig ließ seine blutverschmierte Faust von dem Bewusstlosen ab, öffnete sich und griff nach dem Knüppel. Antias erhob sich langsam, näherte sich mit flach gesetzten Schritten dem Kerl mit dem anderen Knüppel, nur um zu seiner maßlosen Enttäuschung sehen zu müssen, wie das feige Stück Dreck sich mit einem letzten Schlag aus dem Griff des Verwundeten befreite, dann den Knüppel fortwarf und wie von Larvae gehetzt zum Torbogen rannte.


    Antias wollte ihm nach, ihn totprügeln, ihm das Rückgrat zertrümmern und dann alles sofort vergessen, was hier eben passiert war, allein eine raue brüchige Stimme, die sich schwach vom Rauschen des Blutes abhob, hielt ihn davon ab. „.. Manius .. Galeo .. wo seid ihr ..“ Erschrocken ließ Antias den Knüppel fallen. „Was?“ fragte er dümmlich. „.. Manius .. bist du das .. wo ist Galeo .. such Galeo..“ Ein sehr eigentümliches und überaus bedrückendes Gefühl kroch an Antias’ Beinen hoch. Nein, er war nicht Manius. Aber er wünschte sich plötzlich nichts sehnlicher, als Manius zu sein. Oder Galeo. Oder irgend ein anderer - nur nicht Antias.