Oh, wenn ihr Onkel wüsste, was sie hier tat, würde er sie wohl übers Knie legen, wenn nicht schlimmeres. Es war Corvina schon außerordentlich schwer gefallen ihn überhaupt darum zu bitten, heute das Iseum besuchen zu dürfen. Die Göttin war schließlich so weit weg von allem Etruskischem, wie man als ägyptische Gottheit nur sein konnte. Sie war noch nicht einmal eine wirklich römische Gottheit und das meiste ihres Kultes lag im Mysterium. Noch ein Grund, weshalb ihr Onkel den Kult argwöhnisch betrachtete und es nicht guthieß, Corvina in dessen Nähe zu wissen.
Aber – und das war unbestreitbar – Isis war eine Zauberin und hier im Tempel konnte man die sichersten und zuverlässigsten Zauber in ganz Rom kaufen. Natürlich hatte Corvina das ihrem Onkel nicht als Grund genannt. Sie hatte etwas von weiblichen Beschwerden genuschelt und davon, der Göttin der Heilkunst hier einmal eine Chance geben zu wollen. Eine kleine Notlüge, aber wie könnte ihr Onkel, der Haruspex Primus, es jemals gutheißen, dass seine Nichte vorhatte, jemanden zu verzaubern?
Zum Glück blieb ihre Geleiteskorte vor dem Tempel zurück, um ihr hier ein wenig Privatsphäre zu gönnen. Von einer der Sklavinnen hatte Corvina die Information, hier her zu gehen, und nun sah sie sich um. Sie sollte eine alte Priesterin ansprechen, in etwa ihre Größe... Corvina sah sich im Tempel um und suchte. Und suchte. Entschuldigend lächelte sie schon dem ein oder anderen Tempeldiener zu, weil sie hier so verloren herumstand, aber offensichtlich nicht angesprochen werden wollte. Erst, als sie ein wenig zwischen den Säulen wandelte, sah sie eine Frau, auf die die Beschriebung passte.
“Bist du... bist du Thakara?“, fragte Corvina mit zittriger Stimme.
“Wer will das wissen?“ fragte die alte Frau zurück. Corvina hoffte, sich die Losung richtig gemerkt zu haben und antwortete so leise wie möglich “Eine Liebende auf der Suche nach Hoffnung.“
Als die alte Frau lächelte und einen Mund offenbarte, dem ein paar Zähne fehlten, glaubte Corvina schon, einen Fehler gemacht zu haben. Aber die Frau winkte sie mit sich und ging am Tempel entlang in ein kleines Nebengebäude des Tempels. Corvina sah noch einmal kurz zu ihrer Sänfte und ihrem Leibwächter, die aber brav warteten, und folgte dann unauffällig.
Die ältere Frau führte sie in einen kleinen Raum, in dem allerlei Kräuter in Bündeln von der Decke hingen. Es roch sehr exotisch nach unbekanntem, und obwohl Corvina nicht gerade groß war, musste sie sich bücken, um nirgends anzustoßen. Thakara saß auf einem Schemel und wies Corvina einen Platz auf einem anderen Schemel zu.
“Du willst also einen Liebestrank kaufen, ja? Oder einen Liebesfluch? Ich habe die stärksten, ich habe die besten. Dein Angebeteter wird nie mehr eine andere ansehen, sonst wird ihm seine Männlichkeit verfaulen und..“
“Nein! Nein, ich will nur... einen ganz, ganz kleinen Zauber. Einen... Stups.“
“Einen Stups?“
Corvina nickte.
“Was genau soll denn dieser... Stups... bewirken? Soll sein Glied bei deinem Anblick anschwellen und zucken? Oder soll ihn die Sehnsucht plagen? Soll er bei jedem Kuss an dich denken?“
Corvina lief rot an, blieb aber tapfer sitzen. Sie hatte nicht gewusst, dass ein Zauber derart heftig und penis-orientiert sein würde. “Nein, er soll nur... ich möchte gerne, dass er von mir träumt.“
“Träumen... ja, Isis wirkt gut durch Träume, Träume sind ein Blick in die Seele, und Isis ist Herrin der Seelen. Jaja. Was soll er denn träumen? Soll er sich im Traum mit dir vereinigen, ja? Willst du denselben Traum teilen?“
Corvina wurde noch eine ganze Spur roter. Es war ja nicht so, als hätte sie genau das nicht schon völlig ohne Zauber geträumt. Sich vorzustellen, dass Callistus in genau derselben Zeit genau denselben Traum hätte... ihr wurde geradezu heiß und sie fühlte sich sehr ertappt.
“N-Nein. A-Also ja, oder... er-er soll einfach von mir träumen“, stotterte sie zusammen und war sich des bohrenden Blickes der alten Frau nur zu deutlich bewusst.
Thakara kaute ein wenig mit leerem Mund herum und nickte dann. “Gut, dann ein Stups. Warte hier.“
Sie lief erstaunlich behende in dem kleinen Raum hin und her, holte hier ein wenig, dort ein wenig. Schließlich mischte sie einige Kräuter in einem Mörser und mahlte sie mit dem Stößel ganz fein, mische goldgelbes Bienenwachs dazu und knetete alles gut durch, bis sie einen wohlduftenden Wachsball hatte.
Zusammen mit zwei durch einen breiten Lederstreifen verbundene Holzplättchen, ein paar Holzstäben und dem Wachs kam sie zu Corvina. “Gut, wenn du willst, dass er von dir träumt, dann gibt es einen verborgenen Zauber. Du schreibst deinen Namen und seinen Namen hier auf eine Holztafel, dazu das, was du von ihm wünscht. Danach bestreichst du die Platten mit dem Wachs und bastelst mit den Stäben hier eine Wachstafel daraus. Wenn der Zauber zuverlässig wirken soll, gibst du ein paar deiner Haare in das Holz, bevor du es verleimst. Dann gibst du ihm die Wachstafel, als Brief beispielsweise. Solange er sie besitzt, wird er dann von dir träumen. Also schreib irgend etwas darauf, das er behalten will. Der Zauber wirkt nur, solange die Tafel in seiner nähe ist. Hast du das verstanden?“
Corvina hörte aufmerksam zu und nickte zuletzt ehrfürchtig. Es war ihr erster Zauber, und es schien fast schon verlockend einfach zu sein. Bis auf den Teil, dass sie Callistus etwas würde schreiben müssen. Sie konnte ja noch nicht einmal mit ihm sprechen, wie sollte sie ihm da schreiben? Doch als sie schon nach der Tafel greifen wollte, klopfte die alte Frau ihr mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf die Finger.
“Na, erst die Bezahlung. Fünfzig Sesterzen!“
Nicht gerade ein Schnäppchen, und wenn man eine arme Handwerkerstochter wäre wohl unerschwinglich hoch. Doch Corvina nahm an, dass die alte Frau sehr wohl wusste, dass Corvina sich dies leisten konnte. Corvina kramte also in den Falten ihrer Palla und brachte schließlich einen kleinen Beutel hervor, aus dem sie die geforderte Summe herausholte. Thakara verstaute ihren Zauber in einem einfachen Leinenbeutel und gab ihn Corvina. Denk daran, der Zauber wirkt nur, wenn er ihn behält“ sagte sie noch einmal mit Nachdruck und ließ dann das junge Mädchen aus ihrer Kräuterstube gehen.