Beiträge von Phryne

    Auf dem Heimweg von der Basilika, in der Phryne diverse Haushaltsgegenstände eingekauft hatte, kam sie an einem Laden vorbei, der ihr Interesse weckte: die Taberna Medica Alpina. Als sie die Tür öffnete, läutete ein Glöckchen über der Tür. Zunächst war der Laden leer. Auf den Regalen stapelten sich unterschiedliche Gefäße die offenbar Kräuter, Balsame oder Tränke enthielten. Ein eigentümlicher Duft hing in der Luft. Während sich Phryne umsah, erschien eine junge Frau aus dem hinteren Teil des Hauses. Neugierig musterte Phryne sie. War sie die Frau, von der die Kellnerin gesagt hatte, sie habe eine Affäre mit Petronius Marcellus gehabt hatte? Nun, sie war hübsch, aber keine Schönheit. Rothaarig und sommersprossig, ein einfaches Mädchen - keine Konkurrenz, wie Phryne mit Kennerblick feststellte.


    Salve, ich hätte gerne einen duftenden Balsam für meine Gäste. Außerdem eine Blütenmischung für ein Bad und einen Trank, der die Liebeslust anregt.

    Phryne lächelte. Der Junge war nicht dumm. Es schien so als würden sie ins Geschäft kommen.


    Wie wäre es mit einer Hausbesichtigung? Komm doch einfach morgen vorbei und sieh dir die Räumlichkeiten an. Du kannst gleich Maß nehmen. Und natürlich erwarte ich schon ein paar repräsentative und kunstvoll gestaltete Möbel. Schnitzereien sind für die Klinen sicherlich sehr schön, für mein Bett kann ich mir sowohl Schnitzereien als auch Intarsien gut vorstellen. Ein paar hübsche erotische Darstellungen könnten nicht schaden. Es soll mir schließlich nicht langweilig werden... ich habe nicht vor, meine Zeit alleine darin zu verbringen.


    Sie zwinkerte ihrem Gegenüber zu und lachte glockenhell über ihre Andeutungen.

    Phryne musterte den jungen Mann, der sich ihr als Silvanus vorstellte. Seine grazilen Hände ließen vermuten, dass er kein Möbelschreiner war, dennoch fühlte er sich offenbar angesprochen.


    Ich nenne seit neuestem die Casa Acilia mein eigen. Wenn du das Gebäude kennst, weißt du auch, dass es über ziemlich viele Räume verfügt. Da ich es nahezu leer übernommen habe, habe ich an allen üblichen Gebrauchsmöbeln bedarf. Besonders dringend benötige ich aber ein qualtätvolles und geräumiges Bett und eine schöne Ausstattung für mein Triclinium. Wenn du oder deine Kollegen in der Lage sind, mir baldmöglichst dazu zu verhelfen, dann will ich einen angemessenen Preis dafür zahlen. Außerdem stelle ich euch in Aussicht, weitere Aufträge von mir zu bekommen, wenn ich zufrieden mit der Arbeit bin. Wann kann ich mit der Lieferung rechnen?

    Der Mann, der Haushaltsgegenstände auch Holz in der Baliika verkaufte, war kein Möbelschreiner. Er schickte Phryne mit ihrem Anliegen stattdessen zu den Marktständen des Handelskonsortiums Freya Mercurioque. Dort sollte es einen Möbelschreiner geben.
    Phryne dachte nach. Hatte Korone nicht gesagt, dass das Handelkonsortium Freya Mercurioque den Ducciern gehörte? Das war doch eine wunderbare Gelegenheit, Kontakt zu dieser interessanten Familie aufzubauen. Zielsicher steuerte sie mit ihren Sklaven im Gefolge die Marktstände des Konsortiums an.


    Salve, mein Name ist Phryne. Ich suche einen geschickten Schreiner, dem ich die Innenausstattung meines Hauses anvertrauen kann. Ich brauche diverse Einrichtungsgegenstände und zwar bald!

    Es war dringend an der Zeit, die Casa Acilia wohnlich einzurichten. Aus diesem Grund ließ sich Phryne von ihren Sklaven in die Basilika begleiten. Sie suchte in erster Linie einen geübten Schreiner, aber auch das ein oder andere dekorative Sück, das ihrem exklusiven Geschmack genügte.
    In ihrer Einfachheit konnte sich das Bauwerk nicht mit den monumentalen Basiliken in Rom messen, aber sie ermöglichte zumindest trockenen Fußes und eingermaßen warm Einkäufe zu tätigen. Phryne sah sich um. Sie entdeckte Töpfer und Tuchhändler, aber auch einen Mann, der Holzgefäße verkaufte. Vielleicht konnte er ihr weiterhelfen.

    Glaucus hatte es geschafft, das Triclinum des Hauses angenehm zu temperieren und aus den im Haus zusammengesuchten Einrichtungsgegenständen eine halbwegs wohnliche Atmosphäre zu zaubern. Phryne saß als in dem bequemsten Stuhl den sie gefunden hatten und ließ sich die Speisen und den Klatsch aus der Taberna Silva Nigra auf der Zunge zergehen.


    Petronius Marcellus ist also unverheiratet? Sehr gut! Und sein Onkel, der Duumvir auch? Fein. Das verspricht doch schon einige interessante Abende. Dieser Duccier Verus hat nur seine Tochter im Schlepptau? Keine Frau? Das ist doch auch vielversprechend, oder? Nun, das Familenoberhaupt ist erst jüngst Vater geworden, da werde ich keine guten Karten haben... es sei denn, seine Frau vernachlässigt ihn weil sie chronisch müde ist und das Kind ständig vorgeht. Nun, wir wollen sehen. Morgen werde ich auf jedenfall einen Schreiner aufsuchen müssen, der mir eine ordentliche Ausstattung für dieses Triclinum und meine Wohnräume herstellt. Hoffentlich arbeitet er schnell!


    Entspannt ließ sie sich zurücksinken und hinter ihrer hübschen Strin begann die Planung der kommenden Wochen...


    Endlich erschien eine Bedienung, die Korones Bestellung aufnahm. Sie war ein hübsches, blondes Ding. Neidisch musterte Korone die glänzenden blonden Haare. Sie selbst stammte aus Nordafrika und hatte das typische kräftige und dunkle Haar der Menschen vom afrikanischen Kontinent. Wie gerne hätte sie solche schönen goldenen Haare!


    Als die Blondine zurückkam und verschiedene Speisen für eine typisch römische Cena in den Korb packte, ergriff Korone die Gelegenheit und sprach sie an.


    Sag´, du wohnst doch sicher schon länger hier in Mogontiacum, nicht wahr? Meine Herrin und ich sind neu zugezogen und kennen uns noch gar nicht aus. Vielleicht kannst du mir ein paar Fragen beantworten?


    Die Bedienung nickte irritiert. Ich denke schon. Was willst du wissen?


    Heute hat uns ein junger Scriba aus der Curia zu unserem Haus begleitet. Er heißt Titus Petronius Marcellus. Was weißt du von ihm? Ist er verheiratet?


    Das Mädchen antwortete prompt.
    Titus Petronius Marcellus ist gerade zum Magister Vici des Vicus Apollinensis gewählt worden. Er ist der Neffe des Duumvir Marcus Petronius Crispus. Verheiratet? Nein, verheiratet ist er noch nicht, aber man munkelt, dass er eine Affäre mit der Kleinen aus dem Kräuterladen hatte.


    Korone tat sich schwer, den starken germanischen Akzent der Blonden zu verstehen. Kräuterladen? Das Wort kenne ich nicht. Was ist das?


    Die Bedienung suchten nach dem lateinischen Begriff. Eine Taberna medica. Sie verkauft Kräutermischungen, Salben, Tinkturen und so Zeug.


    Korone nickte. Und dieser Onkel von ihm, Petronius Crispus? Ist der verheiratet?


    Wieder schüttelte die Blondine den Kopf. Nein. Der ist verwittwet, glaube ich. Ich habe jedenfalls noch nie eine Frau an seiner Seite gesehen.


    Korone bohrte weiter. Welches sind denn die wichtigesten Familien hier in Mogontiacum? Erzähl mir von ihnen!


    Das Mädchen sah sich ein wenig um. Sie schien beunruhigt und senkte die Stimme.
    Die wichtigste Familie in der Stadt sind sicher die Duccii. Sie haben sogar einen Senator in Rom in ihrer Famile, außerdem sind sie Großgrundbesitzer und die wichtigste Händlerfamiie Mogontiacums. Und dann gleich die Petronier und vielleicht noch die Quintilier. Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht viel von ihnen. Zu den Ducciern gäbe es noch mehr zu erzählen...


    Die kleine Blonde sah Korone herausfordernd an. Also zückte sie ein As und drückte es der Bedienung in die Hand. Jetzt löste sich deren Zunge erneut.
    Numerius Duccius Marsus ist das hiesige Famiienoberhaupt. Er ist mit der schönen Octavena verheiratet. Erst unlängst haben sie Nachwuchs bekommen. Und dann sind da noch Duccia Venusia mit ihren Kindern sowie Decimus Duccius Verus und seine Tochter, die erst jüngst wieder in die Stadt gekommen sind. Um das Haus kümmert sich Albin, ein Freigelassener. Ein großer Zweig der Familie lebt in Rom.


    Korone winkte ab. Sie kannte die Duccier in Rom. Insgesamt hatte sie schon genug erfahren. Sie beschloss, diese Neuigkeiten erst einmal mit ihrer Herrin zu teilen. Ein paar brauchbare Informationen waren darunter gewesen.


    Hergerichtet mit einem exotischen Kopfschmuck und einem pelzverbrämten Umhang begab sich Korone in die Taberan Silva Nigra. Sie hatte einen großen Korb mitgebracht, in den sie die Speisen für die Cena ihrer Herrin legen wollte. Stickige Luft und der Dunst von Cervisia und Essen schlugen ihr entgegen. Angeekelt verzog Korone das Gesicht. Sie sah sich um. Die meisten Tische waren besetzt, der Gesprächslärm immens. Sie konnte eine große Sprachvielfalt wahrnehmen. Neben Latein wurden hier auch Griechisch, die Sprache der Germanen und das keltische Idiom gesprochen. Verwirrt sah sich die Sklavin um. Soldaten, Handwerker und Tagelöhner waren zu sehen, aber ebenso gut gekleidete Männer, die vielleicht in der Stadtverwaltung arbeiteten. Es war offensichtlich, dass die Taberna bei nahezu allen Gesellschaftsschichten beliebt war.
    Korone stellte sich an den Tresen und wartete, bis jemand ihre Bestellung aufnahm. Nebenbei musterte sie interessiert die Männer ringsum. Sie hoffte, dass sie jemand in ein Gepräch verwickelte. Es war nicht das erste Mal, dass sie für ihre Herrin spionierte. Phryne ließ sich gerne von ihr Informationen verschaffen, die ihr dienlich sein konnten.

    Nachdem Petronius Marcellus ihre Einladung aktzeptiert hatte, verabschiedete er sich höflich. Phryne musste zugeben, dass ihr der gutaussehnde Mann sehr gefiel. Sie zitierte ihre Sklavin Korone zu sich.



    Heute Abend werden wir wohl auf ein Essen aus dieser Taberna Silva Nigra zurückgreifen müssen, da die Culina dieses Anwesens noch nicht nutzbar ist und wir noch keine Einkäufe tätigen konnten. Ich habe aber noch eine weit wichtigere Aufgabe für dich, Korone. Wenn du ohnehin in der Stadt bist, um für uns eine Cena und einige andere Leckereien besorgst, dann kannst du gleich ein paar Erkundigungen für mich einholen. Ich möchte, dass du herausfindest, ob Petronius Marcellus verheiratet ist und wenn ja mit wem. Außerdem möchte ich die Namen aller wichtigen Männer dieser Stadt und der Provinzverwaltung wissen. Versuche möglichst viel über sie herauszubekommen. Du weißt schon, auch die kleinen pikanten Geschichten. Und zieh dich ein wenig nett an...


    Die Dienerin nickte gehorsam und zog ab. Nun ließ sich Phryne ihren Sklaven Glaucus kommen.



    Glaucus, sieh zu, dass du einheizt! Mir ist kalt! Es wird doch hoffentlich ein wenig Brennmaterial zu finden sein? Wenn nicht, kaufst du welches. Ich nehme an, du wirst ohnehin heute Nacht mein Bettwärmer sein müssen...


    Sie zwinkerte dem blonden Jüngling kokett zu und entließ ihn dann lachend.

    Tatsächlich ließ sich Petronius Marcellus nicht lange bitten und betrat mit Phryne gemeinsam das geräumige Stadthaus. Die luxuriöse Ausgestaltung der Räume mit Wandmalerein und dekorativen Mosaikfußböden entlockte Phyne immer wieder Äußerungen des Entzückens. Ob Sextus jemals hier gewesen war und die Pracht des Hauses gesehen hatte, das ihm als Pfand überlassen worden war? Sie wußte es nicht. Phryne war ihrem ehemaligen Herrn und Geliebten jedoch unendlich dankbar für diese Großzügigkeit. Sicher würde sie in diesem Haus glücklich werden können!


    Das Haus war leer bis auf einige, wenige Möbelstücke, die der Vorbesitzer zurückgelassen hatte. Sie hatte den Petronier noch nicht gefragt, ob er wisse, was mit dem Vorbesitzer passiert war. Phryne beschloss, diese Frage zu gegebener Zeit zu stellen und jetzt erst einmal zu genießen. Sie wollte sich die Freude nicht durch ein schlechtes Gewissen bezüglich des Fatums des Vorbesitzers verdrießen lassen. Nachdem sie den Rundgang durch den Peristylgarten und die Unterkünfte der Dienerschaft fortgesetzt hatten und wieder im Atrium des Hauses angelangt waren ohne auf verdächtige Mitbewohner oder wilde Tiere zu stoßen, bedankte sich Phyne bei Petronius Marcellus.


    Vielen Dank, Petronius Marcellus! Es war sehr lieb von dir, mich zu begleiten und dafür zu sorgen, dass ich sicher in meinem neuen Domizil ankomme. Gerne würde ich mich erkenntlich zeigen und mich mit einem kleinen, privaten Convivium bei dir bedanken, sobald ich ein wenig wohnlich eingerichtet bin. Vielleicht kannst du mir bei der Gelegenheit auch meine Urkunde wiederbringen? Wenn es dir recht ist, schicke ich dir meine Sklavin Korone mit einer Einladung.


    Sie versah ihre rhetorische Frage mit einem Augenaufschlag und versuchte den Blick des jungen Petroniers zu fangen. Er würde doch nicht ablehnen? Oder?

    Nach einer Fahrt von der Curia der Stadt bis zu Phrynes neuem Domizil hatten sich Petronius Marcellus und sie angeregt unterhalten. Sie hatte einiges über die verschiedenen Vici Mogontiacums sowie die Tempel und Thermen erfahren. Als sie der Casa Acilia näher kamen war zu erkennen, dass sich das Haus in einer der besseren Gegenden der Stadt befand. Phryne war zufrieden. Als der Reisewagen schließlich hielt und Petronius Marcellus auf ein großes, weitläufiges Gebäude zeigte, dass sich über eine gesamte Insula zu erstrecken schien, ließ Phryne die Luft zwischen den Zähnen pfeifend entweichen. Es war tatsächlich ein repräsentabler Bau.
    Phryne ließ sich von Glaukus aus dem Wagen helfen. Dann nahm sie den Schlüssel in die Hand, um aufzusperren. Sie warf dem Petronier einen bittenden Blick zu.


    Würdest du mir den Gefallen tun und mit mir das Haus betreten? Ich habe ein wenig Angst, dass mich jemand oder etwas erwarten könnte, worauf ich nicht vorbereitet bin...

    Phryne lächelte dankbar.


    Sehr schön! Wir können meinen Reisewagen benützen. Er wartet vor der Tür. Du kannst meinem Sklaven den Weg weisen und mir vielleicht ein bisschen von der Stadt und ihren Sehenswürdigkeiten erzählen, während wir zum Haus fahren. Ich bin sehr gespannt, von einem Kenner die Vorzüge meiner neuen Heimat erklärt zu bekommen. Im Moment empfinde ich alles noch als fremd und...
    sie lächelte entschuldigend... kalt! Aber ich bin sicher, dass sich das bald ändern wird!


    Dabei warf sie dem Scriba einen vielsagenden Blick zu.

    [Blockierte Grafik: http://img233.imageshack.us/img233/2295/insula2ec.jpg]




    Die Casa Acilia ist ein repräsentativer Bau, der eine gesamte Insula einnimmt.
    Im Vorderhaus ist Platz für zwei Läden, der Rest des Hauses dient Wohnzwecken und ist mit ansprechenden Wandgemälden und Mosaikfußböden ausgestattet.
    Hinter dem Zwischentrakt mit Peristylgarten und Exedra sind die Küche und die Räume der Sklaven untergebracht.

    Phryne hob überrascht die Augenbrauen. Schließlich sie hatte ja keine Ahnung, wie die Immobilie aussah, die Sextus ihr vermacht hatte. Also würde sie wohl nicht in einer Herberge absteigen müssen, deren Name schon hinterwäldlerisch klang. "Ein Schatz für jemanden, der es zu genießen weiß", hatte er gesagt. Zu genießen wußte Phryne. Sie hatte gute Lust, diesen gutaussehenden Schreiberling um einen Gefallen zu bitten.


    Du scheinst das Gebäude gut zu kennen, Petronius Marcellus. Ich jedoch kenne mich überhaupt nicht aus in dieser Stadt und auch mein Sklave würde den Weg nur durch Nachfragen finden. Meinst du, es wäre vermessen von mir, dich zu fragen, ob du mir den Weg zeigen könntest?

    Nur widerstrebend ließ Phryne dem hübschen Petronier ihre Schriftrolle da. Schließlich bedeutete sie für Phryne ein neues Leben. War sie doch durch dieses Schreiben zu einer freien und wohlhabenden Frau geworden. Schon als Meretrix war sie von ihrem Gönner mit Schmuck und Geld nicht knapp gehalten worden, doch jetzt hatte sie Eigentum, das sie zu verteidigen gedachte - bedeutete es doch Freiheit für sie. Sie wollte es sich aber nicht mit dem Petronier verscherzen. Also nickte sie und zog die Hand wieder zurück, die das Schriftstück zurücknehmen wollte.


    Da das Gebäude wohl über Jahre leer gestanden hat und aus diesem Grund sicher einer Generalreinigung wenn nicht sogar Sanierungsmaßnahmen bedarf, werde ich zunächst ein vorübergehendes Quartier suchen, bis meine Sklaven saubergemacht und geheizt haben. Kannst du mir eine adäquate Unterkunft in der Stadt empfehlen?


    Die Frage verband sie mit einem bittenden Augenaufschlag und einem zuckersüßen Lächeln.

    Phrryne betrachtete den jungen Mann von oben bis unten, der offenbar als Scriba tätig war. Er war extrem gutaussehend, auch wenn er ein wenig ernst dreinsah. Sie lockerte die Palla, ließ sie leicht über die Schulter gleiten und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.


    Salve, ... wie war doch gleich dein Name? Ich habe ihn leider nicht verstanden?


    Als der Petronier ihr seinen vollständigen Namen genannt hatte, legte Phryne los.


    Mein Name ist Phryne. Ich bin neu in der Stadt, Petronius Marcellus, und habe ein Anliegen hier. Mir wurde ein Haus in Mogonticum zum Legat gemacht. Nun bin ich von Rom hergereist, um mein Eigentum in Besitz zu nehmen, zu renovieren wenn notwendig, und dann auch zu bewohnen. Vielleicht kannst du oder der Duumvir mir helfen, die Formalitäten, die notwendig sind zu erledigen. Ich besitze nur die beglaubigte Abschrift des Testaments und den Schlüssel des Hauses.


    Sie ließ sich von Korona die Schriftrolle und den Schlüssel aushändigen und legte beides dem hübschen Kerl auf den Schreibtisch.


    Legat aus dem Testament des
    Sextus Acilius Priscus



    Mit dem Moment meines Todes schenke ich meiner Sklavin Phryne die Freiheit. Außerdem vermache ich ihr meine Villa in Mogonticum, die ich einst als Sicherheit für einen Kredit erhielt, der nie zurückgezahlt wurde. Damit sie ein gesichertes Auskommen hat, soll ihr eine Summe von 200 000 Sesterzen ausgezahlt werden.


    Möge Dir, meine geliebte Phryne, in Mogontiacum ein Neuanfang als Libertina gelingen!


    Gezeichnet: Sextus Acilius Priscus

    Begleitet von ihrer Sklavin Korona, die das Kästchen mit den wichtigen Unterlagen trug, begab sich Phryne zu den Officii der Scribae. Das Gebäude war repräsentativ und Phryne fühlte sich in ihrem Element. In elegant schwingendem Schritt lief sie die Gänge des Gebäudes eintlang. An der Wand neben den Officii der Scribae stand ein Mann in zerlumpter Kleidung, an einen Ring gekettet. Er war offensichtlich ein Sklave, womöglich sogar gefährlich, denn hätte man ihn sonst angekettet? Angewidert von der Erscheinung und dem Geruch des Sklaven, wandte sich Phryne der nächstbesten Tür zu. Sie klopfte beherzt an und drückte auch sogleich die Klinke, um einzutreten.

    Phryne versuchte das Kaudawelsch des Wachsoldaten zu verstehen. Dann hörte sie sich an, wie sie zur Curia finden würde. Nun, ein Fußmarsch kam selbstverständlich nicht in Frage. Sie nuschelte einen Dank und bestieg erneut den Reisewagen.

    Begleitet von ihrer Sklavin Korona stieg Phryne die Treppe zur Porta Regiae hinauf. Sie baute sich vor den Soldaten der Statthaltergarde auf und begehrte Einlass.


    Mein Name ist Phryne. Ich erhebe Anspruch auf mein Erbe - die Villa des Sextus Acilius Priscus! Führe mich unverzüglich zu dem Magistrat, der für diese Angelegenheiten zuständig ist und mir sagen kann, wo diese Villa zu finden ist! Ich komme extra aus Rom angereist.


    Mit hochnäsigem Blick wartete Phryne darauf, dass sich der Wachsoldat bewegte, um sie in die Curia zu geleiten.

    Nochimmer wütend auf die herablassende Behandlung durch die Wachsoldaten, stieg Phryne wieder in den Reisewagen und gab ihrem Sklaven Glaukus die Anweisung, sie unverzüglich zur Curia zu fahren.
    Nun wußte Glaukus natürlich nicht, wo sich die Curia in Mogontiacum befand. Er musste sich also durchfragen. So erhielt Phryne gleich eine Stadtführung. Neugierig sah sie aus dem Fenster ihres Reisewagens und betrachtete die unterschiedlichen Vici, die sich teils mit einfachen Fachwerkhäusern, teils mit durchaus ansehnlichen Villen präsentierten. Der germanische und keltische Einfluss war nicht zu übersehen. Endlich hielt der Wagen vor dem Statthalterpalast.
    Wieder ließ sich Phryne von Glaukus aus dem Wagen helfen und von ihrer Sklavin Korone die Kleidung richten. Dann stieg sie die Stufen zur Porta der Regia hinauf.