Vorerst kamen keine unmittelbaren Reaktionen. Deshalb fuhr der Kaiser fort.
"Wie erwähnt gibt es unterschiedliche Kandidaten. Der Tradition gemäß entstammen die Könige von Armenia einer Nebenlinie der Arsakiden, des Königshauses von Parthia, dem auch Osroes angehört." Er wusste nicht, ob dieser Umstand allen Senatoren bekannt war. Es war ja nicht jeder Fachmann für die Klientelkönigreiche des Ostens. "Allerdings stehen sie sehr unterschiedlich zum Partherkönig und zu uns, wie meine Berater euch darstellen werden."
Mit einer Geste bedeutete er Veturius Cicurinus, dem ehemaligen Statthalter von Syria, seinen Vorschlag zu unterbreiten. Dann setzte er sich auf seinen Platz zwischen den amtierenden Consuln.
"Patres conscripti. Ich habe über viele Jahre die wichtigste Provinz an der Grenze nach Parthia geleitet. Ich kenne die Parther. Aus meiner Erfahrung rate ich dazu, ihnen Paroli zu bieten. Seitdem Iulianus den Krieg verloren hatte, haben sie uns auf der Nase herumgetanzt. Sie haben unseren Klienten und Freund Exedares vom armenischen Thron hinweggefegt und ihren Günstling Parthamasiris an seine Stelle gesetzt, ohne sich mit uns abzustimmen. Wir haben dies hingenommen, weil wir hier im Reich unsere eigenen Probleme hatten. Aber nun ist Frieden und Stabilität in unser Reich zurückgekehrt und es wird Zeit, den Parthern gegenüber Stärke zu zeigen.
Ich schlage deshalb vor, Publius Plautius Mithridates als Kandidaten zu unterstützen. Seine Mutter war eine parthische Prinzessin der armenischen Dynastie, sein Vater allerdings der vor Jahren verstorbene Aedilicius Publius Plautius Propertius."
Seine Ehe mit einer Ausländerin war seinerzeit ein Skandal gewesen. Der Veturier war jedoch ein Verbündeter von ihm gewesen (Freund war vielleicht zu viel gesagt). Einige Senatoren schnaubten verächtlich, doch Cicurinus hob mahnend den Finger.
"Unabhängig davon, wie man zu Plautius gestanden haben mag, möchte ich euch daran erinnern, dass Mithridates durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen einen Anspruch auf den Thron erheben könnte, in allem anderen jedoch ein wahrer Römer ist. Er diente im Exercitus Romanus und als kaiserlicher Procurator."
Für einen Einstieg in den senatorischen Cursus Honorum hatte es nicht gereicht.
"Heute lebt er in Campania auf seinen Landgütern, wäre aber sicherlich bereit, erneut Rom zu dienen - und sei es auf dem Königsthron seines Großonkels."
Sofort erhob sich der greise Faustus Cadius Servilianus, ehemaliger Legatus Iuridicus von Cappadocia und Severus erteilte ihm das Wort.
"Ich widerspreche vehement der Empfehlung von Veturius. Den Sohn eines römischen Senators als König von Armenia einzusetzen wäre ein Affront, dn Parthia niemals akzeptieren wird. Egal, wie sie momentan stehen - sie werden eher einen blutigen Krieg führen, als dass sie Mithridates akzeptieren werden!
Ich habe ebenfalls einige Jahre im Osten verbracht und bin der Meinung, dass Parthamasiris kein zu schlechter Monarch war, selbst wenn seine Einsetzung ein wenig... unorthodox gewesen sein mag.
Osroes ist ein vernünftiger Mann." Diesmal lachte der Veturier hönisch auf. Doch Servilianus wiederholte seine Aussage: "Osroes ist vernünftig. Er hat weder die Verwirrung unseres Landes nach dem Tode des Divus Iulianus genutzt, um in Syria einzufallen, noch hat er Armenia annektiert oder in sonstiger Weise seine Situation zu unserem Schaden ausgenutzt. Wir sollten ihm Vertrauen schenken und seinen Kandidaten akzeptieren: Pakoros ist der älteste Neffe des Parthamasiris, seit seiner Jugend ausgebildet, um zu herrschen. Sicherlich, er lebt am parthischen Hof und Gerüchte besagen, Osroes wollte ihn bereits als Satrapen in einer seiner Provinzen einsetzen. Doch ich denke, dass es ein Zeichen des Friedens und des Respekts wäre, den Kandidaten der Parther zu unterstützen. Wir sollten keinen Krieg gegen die Parther riskieren, denn sie sind nach wie vor überaus mächtig. Armenia liegt jenseits unserer Grenzen und solange es stabil ist, sind unsere Interessen weithin gewahrt."
Während Cicurinus den Kopf schüttelte, erteilte der Consul einem jungen Quaestor das Wort. Alle wandten ihren Kopf zu den hinteren Rängen, wo er saß. "Mein Name ist Publius Cornelius Longinus und ich habe hier noch nie gesprochen. Doch der Princeps hat mich gebeten, Euch meine Gedanken mitzuteilen. Ich diente im letzten Jahr als Tribun bei der Legio XXIV Syriaca und nahm an einer Gesandtschaft an Artaxata teil. Dort lernte ich Sanatruces, einen Vetter von Parthamasiris kennen. Er ist bisher kaum öffentlich in Erscheinung getreten und verkehrt lieber in Kreisen der Priester des Zarathustra als am Hof. Entsprechend besitzt er weder enge Verbindungen nach Ktesiphon, noch ins Imperium. Er ist der Ansicht, dass Armenia weder die Protektion der Römer, noch der Parther benötigt, sondern neutral bleiben sollte. Ihn zu unterstützen könnte dazu beitragen, Armenia mehr Unabhängigkeit zu gewähren. Zwar würden wir dadurch an Einfluss verlieren, doch ebenso könnten wir sicher sein, dass Parthia seinen Griff nach Armenia lockern würde. Ich denke, ein derart neutrales Armenia wäre ein Gewinn für beide Seiten und somit auch auf friedlichem Weg zu vermitteln."
Nun trat Maenius Firminus, der Procurator ab Epistulis, vor. "Zuletzt möchte ich die Empfehlung des Calidius Calvena, Legatus Augusti pro Praetore in Cappadocia, vorstellen: Er empfiehlt Vologases, den jüngsten Bruder des Pakoros. Vologases ist ebenfalls ein Prinz aus dem Königshaus, steht uns aber deutlich näher als sein großer Bruder. Manche von Euch mögen sogar seine Bekanntschaft gemacht haben, denn er nahm an der Gesandtschaft zu unserem Princeps teil, die vor einigen Jahren hier in Rom war. Calvena ist der Meinung, dass er unsere Interessen am ehesten berücksichtigen würde, durch seine verwandtschaftlichen Beziehungen aber leichter zu vermitteln wäre als etwa Mithridates. Allerdings steht er uns selbstverständlich auch nicht ganz so nahe."
Schließlich erhob sich wieder der Kaiser. "Wir haben also Mithridates, einem römischen Eques, Pakoros, der am parthischen Hof lebt, Vologases, seinen Bruder, und Sanatruces, den Außenseiter. Sie alle sind in einem Alter, das ihre Erhebung zu einer eher langfristigen Lösung machen würde. Eine letzte Alternative, die ich nicht verschweigen möchte, ist schließlich Tiridates. Er ist der Onkel des Parthamasiris und entsprechend schon etwas älter. Dieses Alter lässt auch erwarten, dass er ein eher defensiver Herrscher werden wird und damit eine Art Übergangskandidat.
Er hätte den Vorteil, die Frage der langfristigen Außenpolitik bis zu einem günstigeren Moment zu vertagen. Unsere Kundschaften nehmen an, dass die Parther zu einer solchen Lösung ebenfalls zustimmen könnten. Sie birgt allerdings das Risiko, dass unsere Position gegenüber den Parthern in einigen Jahren, wenn Tiridates stirbt, womöglich auch schwächer sein könnte als jetzt.
Insofern gilt es abzuwägen, wie wir vorgehen. Ich bitte deshalb um Nachfragen, Einschätzungen und Ratschläge aller Art." Er blickte fragend in die Runde. Mindestens Nachfragen würde es sicherlich geben.