Von hinten nach vorn arbeitete Severus sich durch die Formationen, doch irgendwann hatte er es geschafft und kam vor der Haupttribüne zum Stehen, wo seine Gattin bereits ihren Platz eingenommen hatte. Eine Handvoll Diener kam angerannt, um dem Kaiser vom Pferd zu helfen und selbiges wegzuführen, während dieser die Treppe hinaufging und noch einmal unter Trompetenschall der Menge die Hand zum Gruß bot.
Als der Jubel sich gelegt hatte, ergriff er endlich das Wort: "Prätorianer!" begann er und blickte in die Reihen. "Seit mehr als hundert Jahren seid ihr der Schild, der die Kaiser vor allen Feinden schützt! Eure Vorgänger und auch mancher von euch hat gedungene Mörder niedergestreckt und Verräter enttarnt, ehe sie gefährlich werden konnten." Tatsächlich war es kaum je gelungen, einen Kaiser zu ermorden. Zumindest nicht, wenn man die Garde nicht einbezog. "Aber ihr seid mehr als eine Truppe Söldner, wie jeder Despot des Erdkreises sie sich hält! Ihr seid keine exotischen Leibwächter, die von den Enden der Erde herbeigeholt werden, sodass sie keine Bindungen haben außer an den, der sie herbeigeholt und bezahlt hat!" Man mochte an die Skythen denken, die der Vescularier sich gehalten hatte. Zweifellos eine Provokation für die Garde.
"Ihr seid römische Bürger, die Elite des Exercitus Romanus und geschult in den Einheiten, die fern von hier die Grenzen des Imperiums schützen! Dort habt ihr euch bewährt, um ins Zentrum dieses Reiches zurückzukehren und hier nicht nur einen Mann zu bewachen, so reich und mächtig er auch sein mag. Euer Dienst ist viel mehr als das: Mit eurem Dienst verteidigt ihr das Herz dieses Imperiums! Nicht nur ich als der erste Mann des Staates und damit sein erster Diener, sondern auch der Senat und das Volk von Rom selbst sind euer Augapfel! Das zeigt sich, wenn ihr an der Spitze des Heeres an Feldzügen teilnehmt, um den Ruhm Roms zu mehren, oder den Aufstand in Hispania niedergeschlugt, um die Herrschaft Roms zu sichern. Und auch in der Thronvakanz vor meinem Herrschaftsantritt war es wieder zu erkennen, als ihr treu auf dem Forum ausharrtet, um den Senat in dieser gefährlichen Zeit zu schützen!" Böse Zungen hatten behauptet, dass der Prätorianerpräfekt die Senatoren damit unter Druck setzen wollte. Aber der Aquilier interpretierte auch das lieber als Druck im Interesse Roms. Schließlich brauchte Rom einen Kaiser!
"Heute seid ihr hierher auf das Marsfeld gekommen, wo seit jeher das Exercitus Romanus gemustert wird, um die Imagines, die Bilder von mir und meiner Familie an euren Standarten zu weihen. Sie werden jedem zeigen, dass ihr treu zu mir und meiner Familie steht!" Er blickte hinüber zu den erhöht aufgestellten Feldzeichen. "Aber auch wir sind nur Diener Roms, auserkoren von den unsterblichen Göttern durch den Senat und das Volk von Rom, um diese Stadt und dieses Reich zu lenken, zu schützen und zu vergrößern!
Dafür brauchen wir jeden Römer, jeden Soldaten und vor allem euch als Elite des Exercitus! Nur mit eurer Hilfe können wir hier in Rom die Sicherheit und Ruhe gewährleisten, die wir benötigen, um im Senat die Richtlinien der Politik zu bestimmen. Nur dank eurer Wachsamkeit können die Feinde Roms in den eigenen Reihen rechtzeitig enttarnt und vernichtet werden! Und wenn die äußeren Feinde Roms unsere Grenzen bedrohen, wird nur eure Schlagkraft und Erfahrung sie zurückschlagen können!"
Er hob die Hand, um nun direkt auf die Imagines zu deuten. "Wie die Beziehung zu den Göttern ist unsere Treue also beidseitig: Ich schenke euch meine Gunst, zahle euren Sold und zeichne euch dadurch aus, dass ihr mein Bild auf euren Standarten führen dürft. Doch zugleich bin ich auf euren Mut, eure Stärke, eure Einsatzbereitschaft und Wachsamkeit angewiesen!"
Er griff nach der Fibel, die sein Paludamentum zusammenhielt und öffnete es. Sogleich kam ein Sklave herbei, der ihn abnahm und dann eine Schar weiterer, die eine Toga ausbreiteten. "Deshalb wollen wir die Götter selbst in diesen Bund hineinnehmen, als Garanten und Quell der Treue und Ehre, die unser unverbrüchliches Band auszeichnet!" Die Sklaven begannen, die Toga anzulegen und auch den Kopf des Kaiser mit ihr zu verhüllen.
"Favete linguis!" riefen die Herolde aus.