Beiträge von Marco

    Marco schickte ein Stoßgebet an die Götter und fühlte sich glücklich, nicht in Wirklichkeit in einer derart vertrackten Situation zu stecken. Trotzdem fühlte er sich unwohl, weil Maximus alias Plato derart überzeugend spielte. Fast hätte er wieder den Text vergessen, denn auch die Handlung zuvor, wo Maximus gegen Sofian trat, konnte kaum besser schauspielerisch umgesetzt werden. Der Mann verstand es, selbst in einem Schauspiel Glaubhaftigkeit zu erzeugen.


    "Ähm", druckste Marco nur zum Teil gespielt, weil er sich zunächst an den Text erinnern musste. "Ich habe sie zum Beispiel gefragt, welche unerfüllten Sehnsüchte sie in sich trägt." Das stimmte auch weitgehend, schließlich ging ihn das als Verlobten auch etwas an.

    "Gut, hätte man so auffassen können", gab Marco zu. "In Wirklichkeit war es aber so gemeint, dass du auch Arbeit verrichten kannst, anstatt dich hier zu langweilen. Wir arbeiten alle und können uns nicht die Rosinen rauspicken. Wenn niemand an der Tür ist, mach auch ich diese auf, obwohl ich alles, aber kein Haussklave bin. Ich bin nicht erfreut, aber ich mache es. Wie sieht es also bei dir aus? Es hat nämlich wer an der Tür geklopft."

    Marco bot sich für den Transport an, ohne erst dazu aufgefordert zu werden. Er kannte Morrigan, schon sehr lange. Aber auch bei einer neuen und fremden Sklavin wäre er zur Stelle gewesen, weil in ihm die Hilfsbereitschaft wohnte. Allerdings stand er nun vor ihr und überlegte, wie der Transport zu bewerkstelligen wäre. Natürlich hätte er sie relativ problemlos über die Schulter legen können, doch davon nahm er angesichts der vielen Verletzungen Abstand. Leider fiel ihm keine einzige Variante ein, bei der er einen schmerzfreien Gang garantieren konnte. Im Grunde wusste er nicht einmal, wo er anfassen sollte.
    'Hoffentlich wirkt dieser Saft recht bald', dachte er und stimmte sich durch ein Nicken mit zwei anderen Sklaven ab.


    "Wir heben dich jetzt an", verkündete er sicherheitshalber, damit Morrigan nicht erschreckte. "Kann wehtun, wird wehtun." Sie stellten sich auf Morrigans rechte Seite und fassten gleichzeitig zu. Einer hob sie im Schulterbereich, einer an den Hüften und der dritte hatte leichtes Spiel, er fasste sie an den Knien. Wie ein zusammengerollter Teppich hing das kleine Persönchen an ihrer Seite. Ein weiterer Sklaven kam ihnen an Morrigans linker Seite zur Hilfe. Ohnehin klein, besaß Morrigan auch nicht mehr viel Gewicht. Sie schien nicht gut versorgt worden zu sein. Mit dem Kopf der Fracht voran strebte der ungewöhnliche Trupp weg vom Markt und hin zur Straße, die zum Esquilin hinaufführte.

    Obwohl Marco ein Zimmer unmittelbar neben seinem Herrn besaß, kam er oft in den Sklavenunterkünften vorbei. Einerseits wollte er auf dem Laufenden bleiben und andererseits auch den Kontakt nicht verlieren. Heute bot sich ihm ein witziger Anblick. Magrus sah gedankenverloren in eine Ferne, die Marco nicht kannte. Er schien Marco auch nicht zu bemerken. Der stellte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme. In dieser Haltung schaute er sich Magrus eine Weile an, dann aber wurde es ihm zu langweilig.

    "Was träumst du denn? Ich hatte dir doch aufgetragen, den Türdienst zu versehen."

    Zitat

    Original von Pitholaus Plato
    "In was für Lebensfragen berätst du denn? Weißt du auch Rat, wenn der kleinere Teil eines Mannes nicht mehr so das Wasser hält wie zu Beginn seiner Laufbahn?" Maximus litt an Inkontinenz.


    Die Frage fungierte als Schlüssel zu Marcos Gedächtnis. Erleichtert atmete er auf, als sich die Erinnerung an den Text meldete. Er sollte jetzt ratlos daherschauen und tat es auch. Seine Rolle besaß keine Beraterfähigkeiten, konnte aber selbstständig denken, wenn auch naiv.


    "Ich würde das Wasser und den Wein oben weglassen. Wenn oben nichts reinläuft, läuft unten nichts raus." Zum Glück gehörte diese Probleme nicht zu seinen, daher griff er nach dem Becher, den er laut Anweisung nicht sehen konnte. Zuerst langte er durch die Luft, bis er das Tischchen fand. Es blieb nicht aus, dass seine Finger durch die Weinpfütze tasteten, bis sie an den Becher stießen.


    "Ah", sagte er erfreut und griff nach dem Becher. Wie üblich in Rom, galt der erste Schwapp den Göttern und so holte Marco alias Pinto aus und ... traf Sofian. Er freute sich insgeheim, dass dessen Rolle ebenfalls einen gewöhnungsbedürftigen Namen abbekommen hatte.

    Marcos Vorhaben, einmal wenigstens im Leben den feurigen Liebhaber zu spielen, plumpste ins Wasser. Als Cara ihre Hand auf seine legte und er sich plötzlich oben und unten berührt wusste, überfiel ihn die übliche Schüchternheit. Er wusste noch, dass Cara sich laut Anweisung verstecken sollte, was er nicht mehr wusste, war sein Text. Ein gähnender Grund füllte seinen Kopf und er konnte sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, was er zu antworten hatte. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.


    "Ähm, Ma..äh." Fast hätte er auf die Frage nach seinem Namen mit Marco geantwortet. Seine Hand zitterte, zum Glück musste er nichts festhalten. Er trabte hinter Pitholaus her und vergaß dabei sogar, sich nicht sehend zu stellen.
    "Ähm, ich berate in Lebensfragen", antwortete er schließlich. Irgendetwas in der Art besagte auch sein Text, an den er sich hoffentlich bald erinnern würde.


    Er ließ sich seufzend auf einer Kline nieder.

    Marco richtete sich auf. Die Tarnung war aufgeflogen und ein Vorbeischleichen unmöglich geworden. Der alte Mann bewegte sich keinen Fingerbreit vom Eingang fort.


    "Ääähm." Er suchte nach einer plausiblen Erklärung. "Ich bin ein Berater." Er richtet sich vollends auf und wiederholte mit fester Stimme: "Ich berate deine Tochter Helena." Immerhin - nicht ganz gelogen, fand er. In seiner Hand hielt er noch immer Helenas, damit zog er sie an sich bzw. hinter sich. Noch wusste der Alte nicht, dass sie sich ebenfalls im Raum befand.

    "Wir können so tun, als sind wir nicht hier", hauchte er Helena ins Ohr. "Oder wir schleichen uns an ihm vorbei. Wenn er uns bemerkt, bekommen wir Ärger."
    Eigentlich wollte er ein paar schöne Stunden mit Helena verbringen. Sie sahen sich viel zu selten und die Zeit bis zur Hochzeit wollte nicht vergehen. Jetzt stand viel auf dem Spiel. Der alte Herr dachte konservativ und er verstand wenig Spaß.
    Marco, der sich weigerte, den Namen Pinto anzunehmen, griff Helenas Hand.
    "Das ist ein Notfall, das sieht jeder." Er versuchte auf Zehenspitzen zu laufen, was bei seiner Gestalt kurios wirkte. Die Kline mitten im Weg bemerkte er fast rechtzeitig, nur ein winziges Stückchen verrückte sie. In der Nähe der Tür hielt er an. Er wusste dass Helenas Vater kaum eine Armlänge entfernt stand. Seine Nase sagte es ihm. Der alte Herr aß für sein Leben gerne Fisch.

    -- Schauspieler --


    Zitat

    Original von Magrus
    „Du hast mich über den Haufen gerannt, ein Glück, dass nichts passiert ist. In dieser Finsternis kann man ja zu Schaden kommen.“


    "Dann steh nicht im Weg", antwortete Marco und fand zum ersten Mal, dass seine Rolle genau das sagte, was er selbst sagen würde. Zufrieden lächelnd bog er ab und steuerte auf die Stimme seiner Liebsten zu.


    "Liebste Helena", sagte er, als er weibliche Rundungen spürte. "Du siehst wunderschön aus." Ganz schön dämlich diese noblen Bürger, wenn sie glauben, im Dunkeln Schönheit sehen zu können, dachte Marco bei sich. "Wir zwei haben ein Problem, ein großes Problem." Er versuchte es so theatralisch zu sagen, wie es ging, dann drückte er seine Helena an sich. "Und es steht jeden Moment vor der Tür."

    "Endlich, Helena!" Er bewegte sich schlurfend in die Richtung, aus der die Stimme kam. Seine Hände suchten den bislang leeren Luftraum vor ihm ab. Gleichzeitig fragte er sich, wer seiner Rolle diesen dämlichen Namen gegeben hatte. Pinto war ein Pferd, ein albernes sogar! Es besaß überall Flecken.


    "Helena, rede mit mir, damit ich höre, wo du bist. Ich muss dir etwas sehr Wichtiges sagen." Er sollte es ihr ins Ohr flüstern, fand aber die Anweisung des Theaterleiters blödsinnig, weil so zwar Julius nichts hörte, aber das Publikum ebenfalls nicht. "Weißt du, wo die Lampen geblieben sind? Wir müssen sie finden und zwar schnellstens!" Laut Anweisung sollte er in die falsche Richtung gehen, was er auch tat. Er steuerte auf Magrus zu, der Julius spielte.

    Marco glaubte, er stand im falschen Theater. Hier unterhielten sich Sklaven und flirteten miteinander, als wäre er gar nicht anwesend.
    "Sagt mal, geht es noch?"


    Marco stellte sich blind. Er durfte ja auch nicht sehen, dass Portia bereits verschwand. "Julius, such Kerzen oder Öllampen. Portia, du holst Helena, aber schnell!"


    Er tastete sich weiter nach vorn. Die Arme ausgebreitet schlurfte er in Minischritten bis zur Wand. Dort suchte er nach der Halterung für die Öllampe, aber sie war leer. "Zum Hades", schimpfte er.

    Zitat

    Original von Cara
    Mühsam stemmte sie sich hoch. "PST, nicht so laut," zischte Cara. "Und nimm die Finger weg, denk nicht du könntest, das jetzt ausnutzen." Nachdenklich runzelte sie die Stirn oder ? Hatte er etwa? Nein das konnte nicht sein.
    "Du Julius, wieso fragst du überhaupt? Wer könnte denn sonst von unserem Treffpunkt wissen?" Lauernd kam diese Frage, scheinheilig wie nur Frauen fragen konnten.


    Das Fiepen im Ohr ließ nach und er konnte die Frauenstimme zuordnen. Sie gehörte einer Sklavin und Marco schreckte zurück.


    "Ich bin nicht Julius", knurrte er. "Du hast hier nichts zu suchen, Portia. Wieso überhaupt brennt hier kein Licht?!" Ärgerlich über sich selbst, krabbelte Marco von der Cline. Die Hände ausgebreitet, versuchte er sich stehend zu orientieren. Waren sie hier allein?

    Endlich eine Frauenstimme, bevor ein Körper auf die Kline fiel, sodass Marco eine Handbreit abhob und kurz darauf wieder landete.


    "Helena bist du das?" Seine Händen tasten über den Frauenkörper. Falls ja, fürchtete er ihre Reaktion, weil er sie nicht auf Anhieb erkannte. Zum einen fiepte es in seinen Ohren durch den Sturz. Zum anderen hatte er Helena bisher nie derart freizügig berührt. Er kannte sie optisch, nicht aber vom Anfassen.
    Falls dies nicht Helena war, befand er sich in einer noch schlimmeren Not, einer Erklärungsnot.

    Von selbst wäre Marco nicht auf die Idee gekommen zu schauspielern, aber je länger er sich in seine Rolle einfand umso mehr wuchs sie ihm ans Herz. Er wollte schon immer einmal ein feuriger Verliebter sein, denn im wahren Leben traute er sich das nicht. Die Schüchternheit hielt ihn gefangen. Und so stand er jetzt am Rand der Bühne und mimte einen Blinden - so gut er konnte. Er tastete imaginäre Wände ab und hielt endlich den Türrahmen in den Händen, der den Durchgang darstellte.


    Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Als er an eine Cline stieß, fiel er kopfüber auf sie, was etwas künstlich wirkte, aber im Lachen der Zuschauer unterging.


    "Helena, wo sind die Lampen und Kerzen?"

    Der Familienrat der Claudier tagte am Vortag und weil der beabsichtigte Abkauf eines Wagenlenkers auf recht unsicheren Füßen stand und außerdem zu lange dauern würde, wurde nach weiteren Möglichkeiten gesucht, den schweren Stand erträglicher zu machen. Da kam ein Bündnis mit der Factio Aurata ins Gespräch und dieses wollten die Claudier heute besiegeln. Ein Bote brachte zur Domus der Factio Aurata einen Antrag.





    Dominus Factionis Auratae
    Marcus Decimus Livianus



    Ehrenwerter Dominus Decimus,


    nach langen Reisen bin ich in die Hauptstadt zurückgekehrt, um zu bleiben. Ich suche ein Betätigungsfeld, wo mein Geld und mein guter Name Positives bewirken kann. Unter Rücksprache mit meinem Vater, Claudius Menecrates, möchte ich meine Kraft der Aurata zur Verfügung stellen und bitte hiermit um Aufnahme.
    Vielleicht erfreut es dich, denn bei schneller Entscheidung kann ich eine Nachmeldung zu den bevorstehenden Ludi Palatini durchsetzen. Die Aurata soll sich wieder den Fans zeigen.


    Die Praesina, die mein Vater fördert, und die Aurata sind die erklärte Gegnerschaft der Russata. Die Fans der Russata pflegen jedoch eine Freundschaft zur Veneta. Die Veneta wiederum ist das erklärte Feindbild der Auratafans.
    Daran ist erkennbar, die Herzen der Fans der Praesina und der Aurata schlagen im selben Takt. Lass uns Fanfreundschaften stärken, denn in Freundschaft verbunden sind unsere Familien schon jetzt.


    Gern höre ich von dir.
    Galeo Claudius Gallus


    Auf dem Weg zwischen Küche und Porta traf Marco wieder Magrus.

    "Ähm, du sollst zum Dominus kommen. Neben dem großen Tablinum das Arbeitszimmer."
    Sicher war sich Marco nicht, ob Magrus das Zimmer fand. Manchmal wirkte der Kleine etwas orientierungslos. Was ihm fehlte, wusste Marco nicht zu sagen.

    Nachdem der Bote der Factio Russata die Fahrer für die kommenden Spiele gemeldet hatte, brauchte Marco eine Vertretung an der Porta, denn er musste die Nachricht überbringen.
    "Hey, Magrus. Komm mal her!" Er winkte zusätzlich. "Du müsstest mal die Porta übernehmen. Ich habe eine Information weiterzuleiten, was du nicht machen kannst." Für regelrecht zuverlässig hielt Marco Magrus nicht, aber er räumte ihm eine Chance ein. "Lass nicht jeden rein, sondern frag erst nach dem Anliegen. Senatoren dürfen ohne große Worte passieren." Er nahm sich vor, nicht zu lange wegzubleiben.

    "Jaa", erwiderte Marco, was weniger eine Zustimmung als vielmehr ein Wort zum Zeitgewinnen war. Er kam aber schnell zu der Auffassung, dass sein Herr wohl die Namen der Fahrer wissen würde und sparte sich eine Nachfrage. "Ich werde es ausrichten. Vale!" Danach schloss er wieder die Tür und übermittelte die Nachricht an den Sekretär des Consuls.

    Die Musikanten spielten noch immer und sie gingen Marco auf die Nerven. Er mochte diese Art von Musik nicht, weil sie ihn nicht erfreute, aber er ließ sich nichts anmerken. Wen interessierte es auch schon, was einen Sklaven erfreute und was nicht. Welcher Sklave konnte sich überhaupt erlauben, zu einem eigenen Geschmack zu finden. Eine gewisse Unzufriedenheit begleitete Marco zuletzt auf all seinen Wegen und er hoffte, sie hier und heute loszuwerden. Seine Bitte an die Götter beinhaltete unter anderem diese Hoffnung. Ob diese Bitte erhört wurden, hing genauso von der Eingeweideschau ab wie die Bitten des Consuls für den Staat, den Kaiser und all die anderen um Welten wichtigeren Dinge.


    Marco rieb sich den Nacken, weil er die Spannung kaum mehr ertragen konnte. Er wollte Gewissheit, ob ihm die Götter eine höhere Zufriedenheit schenken und die missmutigen Gedanken nehmen würden.

    Marco behielt seinen Herrn im Auge, als sich dieser von den Liktoren entfernte. Sorgen beschlichen ihn nicht, denn mittlerweile kannte er den Prätorianer. Einzig die immerwährende Gefahr, von Taschendieben ausgeraubt zu werden, bestand für den Consul, doch sie hielt Marco nicht davon ab, hin und wieder einen Blick zur Bühne zu werfen. Es war eine Sache, einen Sklaven auf dem Markt zu erwerben, eine andere aber, einer öffentlichen Auspeitschung beizuwohnen. Sein Blick verfinsterte und seine Hand ballte sich. Er hörte seinen Herzschlag in den Ohren und musste an sich halten, um nicht einem Unbeteiligten die Faust ins Gesicht zu setzen oder seine Wut verbal entgegenzuschleudern.
    Auch wenn er wegschaute, liefen die Hiebe wie ein Film vor seinen Augen ab. Er wollte hier fort, am liebsten alleine sein, aber er blieb, weil ihn sein Stand dazu verpflichtete.