Beiträge von Iulia Graecina

    Nachdem die Sklaven endlich gegangen waren und Graecina mit Sula und dem kleinen Mädchen, dass sie gerettet hatte, alleine war, fiel der ganze Druck, der ihre Fassade von der starken und selbstsicheren Römerin aufrecht erhalten hatte, von ihr ab. Sie beugte sich über die Hebräerin und fing fürchterlich an zu weinen. Was hatte man ihrer Freundin nur angetan? Was ging in einem Menschen vor, der so etwas getan hatte? Sula war der liebenswerteste und friedfertigste Mensch, den sie bis dahin getroffen hatte. Sie hatte sich voll und ganz für dieses Kind dort geopfert, dessen Leben für die meisten Menschen nicht mal ein Quadrans wert gewesen war. Graecina wusste, dass sie niemals eine solche Stärke hätte aufbringen können. Sie bewunderte Sulamith dafür. Doch sie so daliegen zu sehen, schmerzte sie ungemein.


    Liebevoll stich sie das verschwitzte Haar aus Sulas Gesicht. Vielleicht konnte ihre sanfte Berührung bis zu ihr vordringen, denn sie hatte scheinbar einen Schutzpanzer um sich herumgebaut, um nicht noch mehr verletzt zu werden.
    Die Iulia hatte kurze Zeit später einen Bottich mit Wasser und einen Waschlappen geholt, um Sulas Körper notdürftig damit zu reinigen. Die sichtbaren Spuren der Vergewaltigung ließen sie erschaudern. Sie fragte sich, wie Sula nur diese Kraft und diesen Mut aufbringen konnte, um sich auf diese Weise für einen anderen Menschen aufzuopfern. Es musste ihr Glaube sein, schlussfolgerte Graecina irgendwann, als sie auf keine andere Antwort kam. Ob sie jemals einen solch starken Glauben aufbringen konnte?


    Den Rest der Nacht hatte die Iulia über Sula gewacht, bis ihr irgendwann die Augen zugefallen waren und sie fest einschlief. Erst einige Stunden später, als die Sonnenstrahlen bereits in ihr Cubiculum hineinfielen, wachte sie langsam auf. Ancilla, das kleine Mädchen schlief noch immer ganz fest. Sollte das Kind sich gesund schlafen und alle Zeit der Welt haben, um sich wieder voll und ganz zu erholen.
    Als sie sich langsam umdrehte, erkannte sie Sulas Silhouette. Sie saß auf der Bettkante. Das machte ihr wieder ein wenig Hoffnung. „“Sula,“ wisperte sie ihr zu. „Geht es dir gut Sula? Wie fühlst du dich?“

    Willkommen zurück. :)


    Allerdings ist deine ID leider auf "In Elysio" gesetzt. Das heißt, deine ID ist tot. Daher kann diese dann nicht wieder reaktiviert werden. Du müsstest also mit einer neuen ID an den Start gehen.

    Die Iulia gab Anweisung, ihre Sklavin in ihr Cubiculum zu bringen. Dort befand sich jedoch auch noch das Sklavenmädchen und die alte Coqua. Ancillas Fieber war inzwischen glücklicherweise gesunken und das Kind schlief nun einen tiefen und ruhigen Schlaf.


    „Leg sie bitte neben das Kind,“ wies Graecina Angus an. Die alte Coqua erhob sich und schaute besorgt nach der Hebräerin. Allerdings konnte sie keine äußerlichen Verletzungen erkennen, bis auf eine geschollene Lippe. Sie sah zu, wie der Sklave Sula auf das Bett ihrer Domina legte.
    „Aber Domina, wo wirst du heute Nacht schlafen? Wäre es nicht besser,…“ Locusta konnte ihren Satz nicht mehr beenden, denn Graecina fiel ihr ins Wort. „Nein, das wäre es nicht! Die beiden bleiben heute Nacht hier, Ich finde schon ein Plätzchen zum Schlafen. Du kannst nun zu Bett gehen, Locusta. Ihr könnt nun alle zu Bett gehen!“ Damit entließ sie die Sklaven.


    „Danke, euch allen!“, rief sie, bevor sie drei Sklaven ihren Raum verließen.

    Graecina wandte sich von Sulamith und dem griechischen Sklaven ab, da sie deren Privatsphäre wahren wollte. Einige griechische Wortfetzen drangen trotzdem an ihr Ohr, doch sie versuchte, sie zu ignorieren und begab sich zu den beiden anderen Sklaven. In Kürze würden sie endlich diesen üblen Ort verlassen.


    Als der junge Grieche sich wieder erhob, gab sie dem Custos ein Zeichen, der ihrer Freundin dann aufhalf. Da sie kaum selbst laufen konnte, trug er sie. Dem furischen Sklaven nichte sie noch einmal zu. Dann verließen Graecina und die drei iulischen Sklaven die Taberna und machten sich auf den Nachhauseweg.

    Das Schankmädchen nahm die beiden Goldstücke sofort an sich und verfiel dann in einen wahren Dankestaumel. Die Iulia aber widmete sich inzwischen schon dem frischen Sklaven, der glücklicherweise keine großen Verletzungen von der Auseinandersetzung mit Angus davongetragen hatte. Da sein Rückweg ein anderer war, lehnte er ihr Angebot dankend ab. "Gut, dann sei es so!", sprach sie und gab dem Custos ein Zeichen, damit er sich um Sula kümmere. In letzter Sekunde aber äußerte der Sklave dann doch noch einen Wunsch, den Graecina gewährte. "Ja, du darfst!"

    Der Sklave richtete sich wieder auf und sprach weiter. Die arme Sula war an eine Räuberbande geraten, wie es schien. Graecina machte sich Vorwürfe, dass sie ihre Freundin an diesem Abend nicht zum Tiberufer begleitet hatte. Dann wäre ihr all das erspart geblieben.
    „Danke Tiberios, für deine aufklärenden Worte. Ich hoffe, mein Sklave hat dich nicht ernsthaft verletzt,“ sprach sie zu dem Griechen, nachdem er geendet hatte.


    Indessen kam das Schankmädchen zu ihr und stellte sofort klar, dass die Eigentümerin dieser Taberna nicht verfügbar sei. Offenbar wollte sie vermeiden, dass die Iulia Regressansprüche stellte. Doch darum ging ihr es nicht. Eigentlich wollte sie nur rasch die Bezahlung für das Sklavenmädchen abwickeln, um danach so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Dieser Ort machte ihr Angst. Zwar hatte sie den Custos dabei, der mit Sicherheit einen potentiellen Angreifer abwehren konnte. Doch was würde geschehen, wenn mehrere Männer sich ihr in den Weg stellen wollten?
    „Nein! Hör zu! Ich sehe von einem Schadensersatz ab. Alles was ich will, ist die Ancilla! Das kleine Sklavenmädchen, das meine Sklavin zu mir gebracht hat.“ Dabei deutete sie auf Eireann. „Ich gebe deiner Herrin für sie zwei Aurei. Das ist mehr als genug für ein halbtotes Kind. Und in Anbetracht dessen, was meiner Sklavin in diesem Etablissement widerfahren ist, sollte dies genügen.“ Sie hatte aus ihrem Geldbeutel, der unter ihrer Palla verborgen war, zwei goldene Münzen genommen und reichte sie dem Schankmädchen.
    „Ich rate dir, dich damit zufrieden zu geben, wenn du und deine Domina keinen Ärger haben möchten. Meine Familie hat großen Einfluss und du möchtest doch sicher nicht als Löwenfutter in der Arena enden, oder?“ Auf dem Antlitz der Iulia zeichnete sich ein wölfisches Lächeln ab. In ihr drinnen aber pochte ihr Herz vor Furcht. Sie wollte nur weg von hier. So schnell wie es nur ging. Deshalb wartete sie nicht die Antwort des Schankmädchens ab, sondern wandte sich an den Custos und die keltische Sklavin. „Angus, nimm dich meiner Sklavin an und trage sie nach Hause. Ich fürchte, sie wird den Weg dorthin nicht selbst antreten können. Eireann, wir gehen. Sofort!“ Dann richtete sie noch einmal das Wort an Tiberios. Da er nicht zur Familia gehörte, konnte sie ihm auch nichts befehlen. Doch sie konnte ihm etwas anbieten. „Tiberios, Scriba des Gnaeus Furius Philus, es wäre wohl mehr als angebracht, dir den Schutz meines Custos anzubieten. Wenn es dir beliebt, kannst du uns ein Stück nach Hause begleiten.“ Dann wandte sich die Iulia um und war bereit, zu gehen.

    Graecina warf einen kurzen Blick auf das Bronzetäfelchen, welches Tiberios ihr zeigte. Mit seiner Identität hatte wohl alles seine Richtigkeit. Auch seine Wortgewandtheit ließ sich durch seine Tätigkeit als Scriba erklären. Interessant nur fand sie die Tatsache, dass der furische Sklave und Eireann offenbar ein Rendezvous gehabt hatten. Oder wieso trafen sich zwei Sklaven zweier verschiedener Häuser sich des Nachts an einem solchen Ort? Im Grunde war es der Iulia ja egal, denn schließlich gehörte ihr Eireann nicht und außerdem, warum sollten sich Sklaven nicht auch verleiben dürfen. Sie waren doch auch nur Kinder Gottes und folgten dem gleichen Plan des Lebens, auch wenn sie unfrei waren. So ließ sie dies unkommentiert stehen. Ebenso ließ sie sich zu keinem Kommentar hinreißen, als ihr der junge Grieche von Sulamiths Taten am Tiberufer erzählte. Er verteidigte sie sogar noch und meinte, sie habe ein gutes Herz. Oh ja, das hatte Sulamith! Sie hatte den neuen Glauben schon ganz verinnerlicht und gab sich sogar mit Ungläubigen ab, sowie Menschen, die nach jüdischer Auffassung als unrein galten.


    Entscheident für sie war jedoch sein Bericht von den Vorgängen in dieser Spelunke. Sie hatte sich ja nun selbst davon überzeugen können, dass dies ein Treffpunkt für übelste Gestalten aller Art war, die Rom zu bieten hatte.
    Die arme Sula! Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Sie hatte ein sehr großes Opfer gebracht, nur um das kleine Mädchen zu retten. Ihr hilfsbereites Wesen und ihre Arglosigkeit waren ihr offenbar zum Verhängnis geworden. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was dieser Titus mit ihr angestellt hatte. Das Resultat konnte man ihr ja deutlich ansehen.


    Da sie dem Griechen erlaubt hatte, sich frei zu äußern tat er es dann auch auf sehr emotionale Weise. Er war voller Zorn, wohl auch wegen seiner Unzulänglichkeit, da er Sula nicht zur Hilfe hatte eilen können. Tritt sie hier alle in den Staub, Domina! Lass diesen Titus suchen und ans Kreuz schlagen! Mit diesen Forderungen hatte sie so nicht gerechnet und sie spürte, wie es ihr die Kehle zuschnüren wollten. Gewiss hätte eine gestandenen Frau, die einer alten und einflussreichen Familie entstammte, sich dies nicht dreimal sagen lassen – und schon gar nicht von einem Sklaven! Doch Greacina fehlten gerade die Worte. Natürlich war es schlimm und unerträglich, was Sula widerfahren war. Es wäre ganz natürlich gewesen, nach Rache zu trachten. Doch was sagte die neue Lehre zu solchen Fällen?


    In diesem Moment kann der iulische Custos ins Spiel, der sich sofort anbot, nach dem Schuldigen zu suchen. Der Grieche hingegen wurde sich seiner Vermessenheit bewusst, ihr als Römerin zu sagen, was sie zu tun hatte, und kniete sich deshalb demutsvoll vor ihr nieder.


    Das war eindeutig zu viel! Sie brauchte einen Moment, da sie damit vollkommen überfordert war. „Tiberios, bitte erhebe sich doch!“, meinte sie und berührte ihn sanft an seiner linken Schläfe. Dabei bemühte sie sich um eine feste und überzeugende Stimme. Dann wandte sie sich Angus zu. Sie musste nun handeln und sie wusste, dass sie dieses Verbrechen an ihrer Sklavin nicht ungesühnt lassen konnte. Doch lieber kümmerte sich ein Sklave ihrer Familie um diese Sache als es an die große Glocke zu hängen und die Stadtkohorten damit zu behelligen, die womöglich sehr unangenehme Fragen stellten und noch auf unangenehmere Gedanken kamen.
    „Du hast meine Erlaubnis dazu, Angus. Doch zuvor wirst du uns sicher nach Hause geleiten.“ Hoffentlich konnte sie auf die Diskretion des Sklaven rechnen. „Zuvor aber werde ich noch etwas Geschäftliches mit dem Besitzer dieses Etablissements regeln müssen.“ Mit diesen Worten sah sie sich suchen um, erspähte aber nur das schwarzhaarige Schankmädchen und winkte sie herbei. „Ist der Besitzer der Taberna anwesend? Ich habe etwas mit ihm zu besprechen!“

    Da Sulamith noch immer nicht in der Verfassung war, sich ihren Aufgaben zu widmen, war Audata für sie eingesprungen. Ihre Aufgabe war es, den privaten Bereich Graecinas in Ordnung zu halten und ihr beim Ankleiden zu helfen. Zwar war die junge Iulia eigentlich sehr genügsam, wenn es um ihre Kleidung ging, doch aus unerfindlichen Gründen schien die Chemie zwischen der Iulia und der Aushilfs-Cubicularia nicht zu stimmen. Ausgerechnet heute wurde dies einmal wieder mehr als deutlich! Denn nachdem man der Iulia gemeldet hatte, es sei Besuch da, hatte sie es plötzlich sehr eilig. Doch alles was Audata ihr an Vorschlägen machte, welche Tunika sie zu diesem Ereignis sie hätte tragen können, gefiel ihr nicht. So zog sich diese Prozedur länger als erwartet hin. Letztendlich war die Iulia selbst einen Blick in ihre Truhe und fand ein passendes Gewand.


    Unglücklicherweise hatte sie keine Ahnung, wer dieser geheimnisvolle Besucher war. Das hatte der Sklave wohl vergessen, ihr mitzuteilen. Allerdings hatte sie auch nicht explizit danach gefragt, weil sie dieser Tage ganz andere Sorgen quälten. Kurzzeitig erinnerte sie sich auch an das Gespräch mit ihrem Cousin, als er sich bei ihr erkundigt hatte, ob sie bereits einen möglichen Hochzeitskandidaten ins Auge gefasst habe. Caesoninus hatte doch nicht etwa einen potentiellen Bewerber eingeladen? Ach nein, das würde er doch nicht tun. Schnell schob sie diesen Gedanken wieder beiseite.


    Nachdem sie zurechtgemacht war, begab sie sich gemäßigten Schrittes hinunter und kam sie schließlich als letzte der drei Nichten im Atrium an. Außerdem war ihr Cousin zugegen und ein älterer weißhaariger Mann, der seine besten Jahre schon hinter sich hatte. Oje, dachte sie. Hatte sie Caesoninus nicht gesagt, dass sie reifere Männer bevorzugte? Doch der hier war mehr als überreif!
    Graecina näherte sich dem Besucher und begrüßte ihn freundlich. „Salve! ich bin Iulia Graecina. Es freut mich, dich kennenzulernen.“

    Angus hatte auf den Befehl der Iulia den fremden Mann losgelassen. Seine Nase war gerötet und leicht angeschwollen. Glücklicherweise war der Custos noch relativ „sanft“ vorgegangen, denn eine Nase konnte sehr schnell brechen oder bluten. Beides war hier nicht der Fall gewesen. Aber eigentlich waren seine Verletzungen eher zweitrangig. Vielmehr interessierte sie es, was mit Sula geschehen war. Die Ärmste sprach kein Wort, doch schien sie wieder etwas ruhiger geworden sein. Sie zitterte kaum noch und offenbar hatte ihre sanfte Berührung eine beruhigende Wirkung auf sie.


    Es interessierte Graecina brennend, wer dieser Mann war und welche Rolle er spielte. Es war unschwer zu erkennen, dass man Sula übel mitgespielt hatte. Blieb nur noch die Frage offen, wer hier der Schuldige war und wer nicht.
    Mit einer unterwürfigen Geste stellte er sich vor sie und flehte sie an, ihn anzuhören. Graecina erhob sich, damit sie größer erschien. Er bat sie darum, sprechen zu dürfen. Dass er dabei den iulischen Sklaven als schwachsinnigen Barbaren bezeichnete fuchste sie ein wenig, wobei sie sich dies nicht anmerken ließ.
    „Der schwachsinnige Barbar, wie du ihn zu nennen pflegst, handelte auf meinen Befehl. Außerdem ist er für meine Sicherheit verantwortlich“, antwortete sie in einem fast schob gelangweilten Ton. „Aber bitte sprich! Ich bin gespannt, was du zu sagen hast. Vielleicht kannst du mich ja aufklären, was mit meiner Sklavin geschehen ist.“

    Graecina war dem Custos gefolgt, jedoch hielt sie sich in sicherem Abstand hinter ihm. Angus fackelte nicht lange und nahm sich den Burschen zur Brust. Im Vergleich zu dem keltischen Custos war der junge Mann bei Sula ein schmächtiges Bürschchen. Doch auch solche Männer konnten einer Frau überlegen sein. Die arme Sula! Ihr Anblick, wie sie so da kauerte, rührte sie zu Tränen. So hatte sie ihre Freundin noch nie erlebt. Sie schien ganz apathisch zu sein. Ihr Äußeres deutete darauf hin, dass sie massive Gewalt erfahren hatte. Sie zuckte bei dem Gedanken zusammen, dass die Hebräerin vergewaltigt worden war. Das war wohl eines der schlimmsten Verbrechen, das man einer Frau antun konnte. Kein Wunder, dass Sula in dieser Verfassung war!


    Und ihr Peiniger? Dieser junge Mann, den Angus inzwischen hochgezerrt hatte und ihm mit der Faust mitten ins Gesicht geschlagen hatte. Er hatte es verdient, wenn es wirklich derjenige war, der Sula das angetan hatte. Was aber, wenn es stimmte, was er behauptete? Was, wenn er wirklich unschuldig war? Und überhaupt, wie sollte sie sie richtig verhalten, nach all dem, was sie auf den Christenversammlungen gehört hatte? Wie stand es nun mit Aussagen, wie ‚liebe deine Feinde‘ oder ‚wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin‘ oder gar ‚vergebet, so wird euch vergeben‘?

    Nachdem Angus' Faust zielsicher die Nase des jungen Mannes getroffen hatte, begann dieser zu protestieren. Es folgte eine wahre Schimpftirade mit Verwünschungen und Flüchen, teils in Latein, teils in Griechisch. Doch mutete sehr seltsam an. Einen Menschen, der Grichisch beherrschte und sich so ausdrücken konnte, hätte sie niemals an einem solchen Ort vermutet.


    Während sie darüber nach sinnierte, hatte Eireann den jungen Mann anscheinend identifizieren können. Zumindest war ihr sein Name bekannt. Tiberios? Hatte sie nicht schon vor ihrem Aufbrechen etwas von einen Tiberios erzählt? Wenn es sich hierbei tatsächlich um ihren Bekannten handelte, dann war es sehr unwahrscheinlich, dass er der Schuldige war, der für Sulas Zustand verantwortlich war. Sie musste jetzt handeln! Das tat sie dann auch. „Schluss jetzt! Angus! Eireann!“, rief sie. „Lasst den Mann gehen! Er soll sich erklären können!“


    Sie trat nun etwas näher heran und kniete sich zu Sula hinunter, um ihr nah zu sein und um sie trösten zu können. „Sula, ich bin es! Alles wird nun gut! Ich bin jetzt endlich bei dir.“ sprach sie sanft zu ihr und nahm sie in ihre Arme.

    Auf dem schnellsten Wege waren die Drei, von der Domus Iulia kommend, durch die nächtliche Stadt geeilt. Besonders dann, als sie in die berüchtigte Subura kamen, war Graecina froh, einen Custos an ihrer Seite zu wissen. Gott sei Dank war es zu keinem Zwischenfall gekommen, dennoch waren ihr die Gestalten, die ihnen begegneten, nicht ganz geheuer.
    Glücklicherweise konnte die keltische Sklavin die Spelunke, in der sich ihre arme Sula aufhalten sollte, schnell finden.
    Die Spannung stieg in der jungen Iulia, als sie die Lokalität betrat. Eireann war vorneweg gegangen. Zuvor aber hatte sie ihr erklärt, dass dies kein guter Ort für sie wäre. Das hatte fast schon entschuldigend in Graecinas Ohren geklungen. Doch gerade deshalb war es nun in ihren Augen wichtig, hier zu sein, um ihre bemitleidenswerte Freundin aus diesem Drecksloch zu befreien.


    Nach Eireann hatte ihr großer keltischer Begleiter die Taberna betreten. Er hatte sich sofort an eine Bedienung gewandt und diese nach Sulamith gefragt. Währenddessen war die Iulia ebenfalls eingetreten und begann sofort damit, sich umzuschauen. Sofort begriff sie, was die Keltin gemeint hatte. Dieser Ort war der reinste Tartaros! Alleine schon der widerliche Gestank, der ihr entgegen geschlagen war, war kaum zum aushalten. Wie hatte es Sula nur zehn Minuten hier aushalten können?
    Krampfhaft umschlossen ihre Finger ihre Palla, die sie umhüllte und die ihr einziger Schutz gegen den Schmutz und die neugierigen Blicke der Gäste dieses Etablissements war. Besonders nach jungen Frauen hielt sie Ausschau, von denen es hier aber nur wenige zu geben schien. Abgesehen von den Bedingungen hielten sich hauptsächlich zwielichtige Gestalten, männlichen Geschlechts hier auf, Suchend Schritt sie weiter durch die Taberna, hin zu einer etwas ruhigeren Ecke. Dort saß ein junger Mann, der seinen Arm um den Körper einer jungen Frau gelegt hatte. Das Mädchen, sie konnte kaum älter als sie selbst sein, war in eine Art rotem Vorhangstoff gehüllt. Darunter schien sie unbekleidet zu sein. Das Haar der jungen Frau kam ihr seltsam vertraut vor. Dann plötzlich schlug sie die Hand vor den Mund, als ihr bewusst wurde, das dies ihre Sula sein musste. Das Herz der jungen Iulia schlug höher. Nicht nur weil sie ihre Freundin gefunden hatte,sondern auch, weil sie sich nicht traute, den jungen Mann zur Rede zu stellen. Sofort wandte sie sich deshalb zu dem keltischen Custos und raunte ihm etwas zu. Ihr Zeigefinger ging unmissverständlich in die Richtung, in der der junge Mann mit Sulamith saß. Sollte er dies in die Hand nehmen, denn Angus schien eindeutig die schlagfertigeren Argumente parat zu haben.

    Graecinas rechte Augenbraue zuckte bei dieser Antwort unwillkürlich nach oben. Er dachte schon! Jedoch hatte die junge Iulia keinerlei Alternativen, was ihre Begleitung betraf. Dann lieber mit einem angetrunkenen Custos losziehen, als gänzlich ohne Schutz ins eigene Unglück rennen, dachte sie sich.
    „Nun gut! Wenn wir das geklärt haben, dann sollten wir uns sputen!“ Sie nickte der keltischen Sklavin zu, denn natürlich musste sie auf jeden Fall mitkommen! Denn nur Eireann kannte den Weg zur Taberna, in der Sulamith fest saß.


    Bevor sie jedoch mit den beiden Sklaven ihr Cubiculum verließ, stellte sie sich ihnen ganz abrupt in den Weg und sah die beiden eindringlich an. „Wenn es uns gelingt, meine Sklavin zu befreien, dann sollt ihr mir nicht umsonst geholfen haben! Ihr werdet von mir eine Belohnung erhalten! Das gelobe ich!“ Sie hoffte auf diese Weise die beiden Sklaven dazu zu bringen, ihr menschenmöglichstes zu tun. Was sie den beiden als Belohnung geben würde, hatte sie in diesem Moment nicht genau sagen können.

    Nachdem Eireann sich auf die Suche nach dem Sklaven Angus gemacht hatte, wandte sich Graecina wieder der alten Coquina zu, die inzwischen neben Ancilla saß. Besorgt hielt sie ihre Hand auf die Stirn des kleinen Sklavenmädchens. Das Kind glühte förmlich. Der kleine Körper kämpfte gegen das Fieber. Wer am Schluss den Sieg aus diesem Kampf hervortragen sollte, stand noch lange nicht fest. Wichtig war es nun, dass ständig jemand bei dem Kind blieb und ihm regelmäßig die klaten Umschläge wechselte.


    „Locusta, ich habe eine Bitte an dich.“ Die Iulierin war einige Schritte auf die alte Sklavin zugegangen und blieb nun über ihr stehen. Die alte Köchin sah zu ihr auf. „Während ich fort bin, möchte ich, dass du hier an Ancillas Seite bleibst und sie weiter pflegst.“ Locusta nickte, nichts anderes hatte sie erwartet. „Natürlich, Domina!“ Doch wie es schien, hatte die Iulierin noch etwas anderes auf dem Herzen, weswegen sie nun nach Worten suchte, um es der Coquina verständlich zu machen. Locusta diente schon seit ewigen Zeiten den Iuliern. Sie war loyal und durch ihre direkte Art hatte sich auch eine gewisse Art von Respekt unter der Sklavenschaft wie auch bei den Herrschaften errungen. Daher, so glaubte Graecina, bedurfte es einer besonderen Ansprache.
    „Locusta,“ begann sie schließlich. Wieder sah die alte Sklavin erwartungsvoll zu der jungen Domina auf. „Ich hoffe, ich werde auch auf deine Verschwiegenheit hoffen können? Ich möchte nicht, dass Dominus Caesoninus davon erfährt, was heute Nacht hier vorgefallen ist! Ich möchte ihn damit nicht belasten. Er hat momentan sehr viel um die Ohren. Kann ich auf dich zählen?“ Der Blick der Coquina hatte die ganze Zeit auf Graecina gehaftet, als könne sie die Gedanken in deren Kopf lesen. Doch dann nickte sie erneut. „Ja sicher, Domina. Niemand wird etwas erfahren!“ Über diese Antwort war Graecina sehr erleichtert, denn sie wusste, wie viel auf dem Spiel stand. Sie wandte sich wieder von der Köchen ab und starrte erwartungsvoll auf die Tür, durch die, so hoffte sie, gleich Eireann und Angus hereinkommen sollten. Doch die beiden ließen lange auf sich warten, weshalb die Iulia immer nervöser wurde.


    Doch dann, endlich! Die Tür öffnete sich und die beiden Sklaven traten ein. „Da seid ihr ja endlich!“ man konnte eine gewisse Gereiztheit in der Stimme der Römerin spüren, die zu dem Sklaven trat und ihn scheinbar begutachtete. Sein kraftvolles muskulöses Äußeres ließ sie hoffen, dass er der zugedachten Aufgabe gewachsen war. Allerdings war ihr auch die Alkoholfahne aufgefallen, die aus seinem Mund zu ihr herüber gewandert war. Allerdings wusste sie, dass sie nicht sonderlich wählerisch sein sollte. „Du wirst uns begleiten, Angus! Meine Sklavin Sulamith ist in Schwierigkeiten geraten und wir müssen ihr helfen. Du sollst für unsere Sicherheit garantieren. Siehst du dich dazu im Stande?“

    Graecina lächelte der Sklavin mild zu, da ihr so viel an ihrer Sicherheit gelegen war. Im Grunde konnte ihr dies ja gleich sein, denn sie kannte die Iulia kaum und die beiden standen auch in keiner Beziehung zueinander – eigentlich. „Nun Eireann ich gebe dir recht, wir sollten nicht ohne Custos die Casa verlassen, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob dieser Angus wirklich der Richtige …,“ sagte ich nachdenklich, wurde dann jedoch von der alten Coqua unterbrochen, als sie mir ins Wort fiel. „Da sagst du was, Domina! Was man so hört, kann man diesem Angus nicht trauen! Er hat sich sogar mit seinem Dominus angelegt! Das muss man sich mal vorstellen! Doch der hat ihm Manieren beigebracht! Nimm doch lieber Wonga, den Nubier mit! Wonga ist ein loyaler Sklave, nicht wie dieser Angus!“, wetterte sie weiter. Doch indem das das getan hatte, hatte sie ungewollt meine Entscheidung beeinflusst. Unter normalen Umständen hätte ich ganz sicher auf ihren Rat gehört, doch ich konnte das Risiko nicht eingehen, dass Wonga seinem Dominus von unserem nächtlichen Ausflug erzählte. Bei Angus jedoch bestand zumindest die Möglichkeit, dass er dies nicht tat.


    „Nun gut,“ meinte ich mit resoluter Stimme, ganz so, als hätte ich eine tiefgreifende Entscheidung getroffen. „Eireann, geh und suche diesen Sklaven - Angus! Bring ihn hierher zu mir! Aber pass auf, dass niemand sonst davon erfährt. Hast du gehört? NIEMAND!“ Ich hatte der alten Locusta den Rücken zugewandt, doch ich spürte ihre anklagenden Blicke auf mir. Später würde ich mir sie noch einmal zur Brust nehmen müssen, denn sie war die einzige Schwachstelle, die uns und unser Unterfangen hätte verraten können.

    Der Sklavin musste recht viel an diesem Tiberius liegen, dachte sich die Iulia. Dennoch, ihre Priorität war es, in erster Linie Sula zu retten. Wenn es sich einrichten ließ, würde sie selbstverständlich auch diesem fremden Sklaven ihre Hilfe nicht versagen.


    „Das lass mal meine Sorge sein!“, antwortete sie der Sklavin auf ihren Einwand. Bevor sie aufbrechen wollte, entnahm sie einen Beutel mit klimpernden Inhalt aus ihre Truhe. Darin waren mehrere Goldmünzen, die ausreichend gewesen wären, um einen kräftigen männlichen Sklaven auf dem Markt zu erwerben. Das würde allemal reichen, um das Kind und Sula auszulösen.


    Auf Locustas Einwurf hin hatte die Keltin tatsächlich eine Idee, wer sie zu dieser Taberna mitten in der Nacht begleiten konnte. „Angus?“ Diesen Namen hatte ich noch nie gehört. „Wer ist denn Angus? Ist das einer von unseren Sklaven? “,fragte Graecina, ohne dabei niemanden direkt anzusprechen.


    „Na, ich weiß nicht!“, meinte Locusta. „Dieser Angus ist ein Nichtsnutz, der nur Ärger macht, Domina! Schon an seinem ersten Tag hat er mit Respektlosigkeit geglänzt. Gegenüber Dominus Caesonius hat er sich ganz ungebührlich verhalten.“ Nun ja, das war ja nicht gerade vertrauenerweckend, dachte Graecina. Vielleicht war es doch besser, einen Custus ihres Cousins mitzunehmen. Andererseits hatten all diejenigen, die es sich mit der alten Coqua verscherzt hatten, auf ewig einen schlechten Stand in der Casa.
    „Meinst du, dieser Angus ist vertrauenswürdig?“, fragte sie die Keltin. Oder würde er sie irgendwo in einer dunklen Ecke abstechen und verbluten lassen, um dann zu fliehen.



    Sim-Off:

    Es wäre schön, wenn du auf mein Posting gewartet hättest. Außerdem würde ich gerne selbst mit meinem Char agieren.

    Die Iulia wurde aus der Keltin immer noch nicht richtig schlau. Sie verstand nicht, was sie bewogen hatte, sich nach dem Ichtys – Symbol zu erkundigen. Die Sklavin schien irgendetwas verschweigen zu wollen. Nur was? War das Mädchen etwa auch Christin? Zumindest erklärte das ihre Einstellung zu der Wohltätigkeitsarbeit, die Sulamith am Tiberufer verrichtete. Wieso sie allerdings im nächsten Atemzug mutmaßte die christliche Gemeinde könnte ein gefährlicher Geheimbund sein, der der Gewalt frönte, konnte sie nicht nachvollziehen. Sie beschloss, die Keltin in Zukunft besser im Auge zu behalten.


    Das kleine Mädchen ließ alles über sich ergehen. Sie schluckte brav den Sud, obwohl der sicher ganz widerlich schmeckte. Auch die kalten Umschläge ließ sie sich anlegen, die ihren Körper erschaudern ließen und ihn dazu bringen sollte, gegen das Fieber anzukämpfen. Als Graecina sah, dass die alte Locusta alles im Griff hatte und es der Kleinen gut ging, erhob sie sich und schritt auf die Keltin zu.
    Noch einmal ließ sie alles Revue passieren, was sie soeben erfahren hatte. „Also damit ich dich richtig verstehe, du und dieser Tiberius habt Sula am Tiberufer getroffen, nachdem die Kleine euch dort hingeführt hatte. Richtig? Und weil es der Kleinen so schlicht ging, hat Sula gesagt, du sollst das Kind hierher zu mir bringen. Stattdessen ist sie dann zurück in die Taberna gegangen, in der das Kind arbeitet. Um für sie zu arbeiten.“ Ja, das klang im ersten Moment recht plausibel. Sie verstand auch Sula Intention dahinter. Doch was ihr Sorgen bereitete, war die große Frage, was ihrer Sklavin in dieser Taberna alles zustoßen konnte. Selbst eine wohlerzogene junge Dame, die sich für gewöhnlich an solchen Orten nicht aufhielt, konnte sich vorstellen, um welch übles Etablissement es sich bei einer solchen Taberna handelte und welche Taugenichtse dort verkehrten.
    „Solange können wir nicht warten! Wir müssen sofort los, um Sula zu retten!“, antwortete sie der Keltin und bedeutete ihr ihr beim ankleiden zu helfen. Bei diesen Worten sah die alte Coqua auf. „Und was ist mit dem Kind? Wenn du sie jetzt von hier fortbringst, dann ist sie dem Tode geweiht, Domina! Und außerdem, wie stellst du dir das vor? Zwei Frauen, mitten in der Nacht, alleine in Rom? Das kann nur schief gehen!“
    Graecina wandte sich zu der alten Sklavin um. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, sondern sprach das aus, was sie dachte. Aber alle ihre Einwände waren berechtigt. „Das Kind bleibt da! Sie muss nie wieder zurück in diese Taberna! Ich werde sie ihrem Besitzer abkaufen!“ Aber wen sie als Begleitung mitnehmen sollte, war ihr ein Rätsel. Sie war bestrebt, dass ihr nächtlicher Ausflug niemand mitbekam, geschweige denn dass ihr Cousin davon Wind bekam. Wer von den Leibwächtern war verschwiegen genug und würde sie nicht verraten? Vielleicht wusste die Keltin eine Antwort.

    Eireann zeichnete mit ihrem Finger das Zeichen des Fisches nach. Jenes Zeichen, dass die Christen benutzten. Das Zeichen war im Prinzip eine Art Glaubensbekenntnis, mit dem man Jesus Christus als Gottes Sohn und Retter anerkannte. „Das ist das Zeichen der Christen, nicht wahr?“, fragte sie vorsichtig. „Was hast du mit diesen Leuten zu schaffen, Eireann? Gehörst du etwa zu ihnen? Oder willst du zu ihnen gehören?“, fragte sie nun die Sklavin in einem strengeren Ton. Sie war gespannt, was die Keltin darauf antworten würde.


    Eireann berichtete ihr dann weiter, was ihre Sklavin am Tiberufer tat, wenn sie nachts fort war. Allerdings konnte sie an der Stimme der Sklavin nicht eindeutig herausfinden, ob sie Sulamiths Taten guthieß oder nicht. „So so, das tut also meine Sklavin am Tiberufer nachts. Und, wie denkst du darüber, Eireann? Wenn sie diese Geschöpfe mit Essen und Decken versorgt.“, Dabei deutete sie auf das Mädchen.


    Graecina konnte die Erleichterung der Sklavin spüren, als sie sie hinunter in die Culina schickte. Doch wenn sie wieder zurückkam, würde sie das Mädchen noch ein wenig in die Zange nehmen, um wirklich alles aus ihr herauszubekommen. Die Iulia hatte schließlich keine Ahnung, wieviel Sula von ihrem Geheimnis schon preisgegeben hatte. Graecina musste auf Nummer sicher gehen. Es stand dabei zu viel auf dem Spiel.


    Nachdem sie zurückgekehrt war, ließ sie sich nicht lange bitten und half mit, das Kind zu versorgen. Als sie dabei die Haut des Mädchens mit dem kühlen Wasser benetzten, begann es zu zittern. Womöglich hatte sie in ihrem kurzen Leben nie viel Fürsorge und Zuneigung erfahren. Diese Erfahrung musste völlig neu für sie gewesen sein. „Alles gut, Liebes. Du brauchst keine Angst zu haben. Dir geschieht nichts Böses. Schon bald wirst du dich besser fühlen.“
    Die Coqua flößte dem Kind schluckweise den Sud ein. Dann legte sie ihm die kalten Umschläge an die Beine an und deckte den Körper des Mädchens mit der Decke zu. „So, jetzt müssen wir warten. Wenn es den Göttern gefällt, wird sie leben und wenn nicht….“ Den letzten Teil ihrer Rede verkniff sich die Alte, denn alle wussten, was dann geschehen würde. Graecina nickte zustimmend, doch ihre Gedanken waren bereits weit weg. Erst der Einwurf der keltischen Sklavin riss sie wieder mit einem Mal zurück. „Was sagst du? Wo ist Sulamith? Und wer ist dieser Tiberios?“ Wenn es sich um einen der iulischen Sklaven handelte, hatte sie ihn noch nicht zu Gesicht bekommen. Jedoch hätte Sula ihn ganz bestimmt einmal erwähnt. Mit dem was die Sklavin gesagt hatte, erschloss es sich ihr noch immer nicht, was wirklich geschehen war. Doch sie spürte, das Sula in großer Gefahr schwebte.

    Graecina wusste Bescheid, was die Hebräerin am Tiberufer tat. Schon mehrmals hatte sie sie sogar dorthin begleitet. Schließlich hatte sie all die Dinge bezahlt, die Sula dort den Armen gab. Dass sich aber nun diese Sklavin auch am Tiberufer herumtrieb, ließ sie stutzig werden. Als Eireann dann auch noch jenes „Fisch-Zeichen“ erwähnte, zuckte sie kaum merklich zusammen.
    „Am Tiberufer sagst du?“ Sie blickte die Sklavin forschend an. „Das Fisch-Zeichen? Welches Fisch-Zeichen?“ Natürlich wusste sie genau, welches Zeichen die Sklavin meinte. Doch sie musste vorsichtig sein. Auf keinen Fall durfte sie von ihrer Verbindung zur Christengemeinde in Rom erfahren. Sie konnte dieser Sklavin, die sie eigentlich gar nicht kannte, nicht vertrauen. Es sei denn… was, wenn sie auch eine Gläubige war?


    „Sulamith kümmert sich um arme Geschöpfe?“, echote sie und sah dann zu dem Kind. Solche armen Geschöpfe wie dieses Kind hier. Und sobald die junge Iulia endlich begriff, wie schlecht es um das Kind stand, konnte sie sich in etwa vorstellen, was am Tiberufer geschehen sein musste. Zu gern hätte sie die Sklavin weiter ausgefragt, um endlich herauszufinden, warum Sula das Kind nicht selbst hergebracht hatte und wo sie letztendlich jetzt steckte.


    Als Eireann den Raum verlassen hatte, nahm Graecina sich dem Kind an und legte es behutsam auf ihr Bett. Sie redete beruhigend auf das Kind ein und strich ihm sanft über sein Haar. Dann begann sie das Mädchen von ihren zerlumpten Kleidern zu befreien und deckte es mit einer kuschligen Wolldecke zu.
    Es dauerte eine Weile bis Locusta und Eireann in ihr Cubiculum eintraten. Doch als sie endlich da waren, wirkte die Iulia sehr erleichtert. „Wir müssen das Kind zuerst waschen. Es ist ganz verdeckt.“ Die alte Coqua trat sofort an das Bett heran und begutachtete die kleine Patientin. „Wo hast du denn dieses Würmchen aufgetrieben, Domina?“, fragte sie etwas abschätzig. Sie verkniff sich, ihre wahren Gedanken preiszugeben. Aber gut, wenn die Domina meinte, dass man sich um das halbtote Gör kümmern sollte, dann tat sie das, was man ihr sagte. Die Herrschaft hatten manchmal sonderbare Ideen.


    Graecina nahm eines der Tücher, benetzte es mir Wasser und begann den Körper des Mädchens abzuwaschen. „Eireann, bitte hilf mir!“, bat sie die Sklavin. Die Alte brachte dann den Aufguss aus Weidenrinden, um ihn dem Kind einzuflößen.

    Im Prinzip war das, was sie von ihrem Cousin hörte das Gleiche, was ihre Mutter und auch Tante Calvena immer gesagt hatten. 'Begib dich unter die Leute, dann machst du auch Bekanntschaften!' Dabei war sie eigentlich gar keine Stubenhockerin gewesen. Nun gut, seitdem sie in Rom war, hatte sich einiges geändert. Ihr ganzes Weltbild hatte sich geändert. Aus diesem Grund galt es Vorsicht walten zu lassen, denn er war ein schmaler Grat., den sie beschritten hatte, seitdem sie sich den Christianern zugewandt hatte. „Ja, ganz sicher!“, meinte sie und errötete leicht. Eigentlich war dies ein Thema, über das sie am liebsten mit Tante Clavena gesprochen hätte, statt mit ihrem Cousin. Sie kannte ihn ja inzwischen schon viel besser und sie wusste auch, dass er alles für ihr Wohlergehen tun würde. Aber über Männer mit einem Mann zu sprechen, das war irgendwie seltsam. Doch Caesonius wollte nicht so einfach locker lassen. Wahrscheinlich war es einfach auch dem Abend geschuldet: eine Cena in trauter Familie, die Freude über den Heimkehrer und eben auch das Verlangen nach leichter und lockerer Konversation. Doch als er nun nach ihrem Traummann fragte, da geriet sie nun wirklich ins Rudern. „Mein Traummann? Nun, ich weiß nicht,“ antwortete sie, um Zeit zu gewinnen. Aber da sie ja ihren Cousin mittlerweile kannte, wusste sie genau, dass er sich so nicht abspeisen ließ. Also marterte sie ihr Hirn, nach dem Bild eines Mannes, der ihr sympathisch gewesen war. Und nach einer Weile fiel ihr sogar ein männliches Individuum dazu ein. „Nun ja, also er sollte nicht zu groß aber auch nicht zu klein sein, braunes oder zumindest dunkles Haar haben… vielleicht grüne… ähn ein doch eher blaue Augen haben. Und er muss auch nicht so blutjung sein. Vielleicht mittleres Alter. Man sagt, diese Männer hätten schon einiges an Erfahrung.“ Oh Gott, hatte sie das wirklich gesagt?!
    Warum war in einem solchen Moment nicht Sula an ihrer Seite! Aber Sula hatte an diesem Abend Anderes zu tun.


    Bei ihrem Cousin allerdings sah es nicht besser aus. Auch bei ihm war kein weibliches Wesen in Sicht. Offenbar auch nicht die Claudia, mit der er sich an jenem unseligen Theaterbesuch so intensiv unterhalten hatte. Doch noch etwas anderes erfuhr sie. Caesonius wollte sein Tribunat ableisten. In Germanien! "Was, du willst nach Germanien gehen? Für ein ganzes Jahr?"

    Graecina beäugte dieses seltsame Paar, welches gerade auf ihrem Bett Platz nahm. Das Kind sah wirklich schlimm aus. Es war schmutzig und unterernährt. Außerdem wirkte es sehr eingeschüchtert und sah nicht gerade gesund aus. Doch die Information, die aus Eireanns Mund gekommen war, ließ sie wieder aufhorchen. Offenbar hatte sie eine Nachricht von Sula und konnte ihr sogar mitteilen, was mit ihr war. Doch aus irgendeinem Grund wollte die iulische Sklavin nicht so recht mit der Sprache heraus.
    „Du hast Sulamith getroffen? Wo? Wo hast du sie getroffen?“ Große Besorgnis lag in ihrer Stimme. Die Tatsache, dass ihre Freundin noch immer nicht hier bei ihr war, machte ihr schwer zu schaffen. „Ich soll mich um dieses Kind hier kümmern? Das hat sie gesagt?“ Nun machte die Iulia einen Schritt auf ihr Bett zu und ging vor dem Kind in die Hocke. „Wer bist du, Kleine? Und was ist mit dir geschehen?“, fragte sie das Kind in einem ruhigen und liebevollen Ton. Dabei strich sie ihr liebevoll über das verschmutzte Gesicht. „Oh mein Gott, sie hat ja Fieber! Das Kind glüht ja förmlich!“ Sie erhob sich wieder und wandte sich der Sklavin zu. „Bitte Eireann, renn schnell hinunter in die Küche. Sag der alten Locusta Bescheid, sie soll einen fiebersenkenden Sud aufsetzen und Umschläge machen. Und bitte bring du mir einen Bottich mit frischem Wasser und ein paar saubere
    Tücher.“
    Zwar hätte sie liebend gerne erst Klarheit darüber gehabt, was mit Sula geschehen war und wo sie sich gerade aufhielt. Doch die Gesundheit dieses Kindes stand auf dem Spiel und es war der Wunsch ihrer Freundin, sich um es zu kümmern.