Beiträge von Grian

    Lächelnd und glücklich blieb ich noch neben ihm liegen, während er davon sprach, auf welch wunderbare Weise diese Reise begonnen hatte. Auch ich hätte es mir auch nicht träumen lassen, dass ich und mein Dominus... nun ja, dass wir uns so nahe kommen würden. Das eine war zum anderen gekommen. Wir beide hatten uns eben einfach so treiben lassen. Ich hatte in mir dieses Verlangen gespürt. Solange ich mich erinnern konnte, hatte ich nie etwas verlangt. Mal ganz davon abgesehen, dass ich auf nichts ein Anrecht hatte. Doch heute war es anders gewesen. Nun waren wir beide hier angekommen und lagen nebeneinander, wie ein Paar. Nichts schien uns in diesem Augenblick trennen zu können. Mein Leben, wie ich es bisher gekannt hatte, schien meilenweit entfernt zu sein. Ich fragte mich, ob von nun an alles anders werden würde. Die Beziehung zwischen uns. War dies der Beginn von etwas ganz Neuem? Was dieses Neue sein sollte, konnte ich gar nicht so richtig erklären. Ich wusste nur, heute war meinem Dominus aufgegangen, was er an mir hat. Er hatte mich auf eine ganz neue Weise kennengelernt. Würde diese Erkenntnis bewirken, wie mich von nun an wahrnehmen würde?

    Meine Gedanken wurden unterbrochen, als Muckels Rufen ins Innere des Wagens drang. Ob er Schmerzen habe, fragte er. Der Gedanke, er habe uns hören können, belustigte mich. Was dazu führte, dass ich kichern musste, als Dominus Casca ihm zurief, dass alles in Ordnung sei.

    Doch ich verstummte wieder, als er seine Hand plötzlich nach mir tastete und sich schließlich auf meine Hüfte bettete. Dann wanderte sie weiter. Wie zuvor genoss ich jede seiner Berührungen. Wieder seufzte er. Ich drehte mich zu ihm hin und konnte nun auch erkennen, dass er die Augen geschlossen hatte. Das hier könne ruhig öfter geschehen, sagte er. Es war ein Wunsch gewesen - kein Befehl.

    Ich beugte mich über ihn. Mit meiner einen Hand stütze ich mich neben ihm ab. Einige Strähnen meiner Haare hatten sich gelöst und genossen nun ihre Freiheit. Sie berührten sein Gesicht, als ich mich ihm näherte. Für einen Herzschlag verharrte ich so und betrachtete mir sein Gesicht, dass eine friedvolle Ruhe ausstrahlte. "Wenn das dein Wunsch ist, Dominus..." Schließlich berührten noch einmal meine Lippen die seinen und ich küsste ihn. Sozusagen als Bestätigung, dass ich ähnlich empfand.

    Als er sich endlich seiner Tunika entledigt hatte und er sich wieder zu mir hinunter begab, vereinigten sich zunächst unsere Münder. Sein Kuss war so grob und gleichzeitig voller Verlangen. Er raubte mir damit fast den Verstand. Denn auch ich konnte nicht noch länger warten. Allerdings musste ich das auch nicht mehr lange, denn kurz danach kam er meinem Flehen nach. Ich seufzte tief, als ich ihn in mir zu spüren begann und ließ mich von ihm mitreißen von seinem Rhythmus. Für mich war dies eine ganz neue Erfahrung, denn nie zuvor hatte man sich so um mich bemüht, wie es mein Dominus tat. Ob er es aus einem bestimmten Zweck heraus tat, konnte ich nicht genau sagen. Vielleicht waren wir beide einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen und zufälligerweise war unser Verlangen dasselbe gewesen. Ich wollte aber im Augenblick auch nicht darüber nachdenken. Denn er gab mir etwas, was mir bis dahin noch niemand gegeben hatte.


    Mein Seufzen war einem Stöhnen gewichen und ich hielt ihn fest mit meinen beiden Armen, die ich um ihn geschlungen hatte. Fast außer Atem stöhnte er mir etwas ins Ohr, was mich anfachte, seine Lippen mit meinem Mund einzufangen, denn meine Zunge suchte die seine. Währenddessen trieb er mich immer weiter hinauf. Mein lustvolles stöhnen wurde heftiger und lauter, bis ich mich letztendlich die Welle der größten Verzückung überrollte und mich erschaudern ließ. Das Beben durchströmte meinen ganzen Körper. Ich wünschte mir, dieses Gefühl würde niemals enden, doch gleichzeitig konnte ich ihm nicht länger standhalten.


    „Du warst wunderbar, Dominus!“, gab ich irgendwann später zurück, als ich entspannte und die letzten Beben aus meinem Körper wichen. In diesem Moment fühlte ich die vollkommene Glückseligkeit. Ich lächelte.

    Als ich ihn zur Vorsicht gemahnt hatte, war er etwas zurückgewichen, so dass ich mich ungehindert von dem lästigen Stoff meiner Tunika befreien konnte. Da lag ich nun vor ihm in all meiner Pracht. Es war wohl besser so, dass er nicht meinen Rücken vor Augen hatte, da dieser von einigen alten Narben gezeichnet war. Diese Narben waren zwar nicht tief, doch erinnerten sie daran, dass es seine Vorgänger nicht immer gut mit mir gemeint hatten und mich gelegentlich ihren Unmut durch ihre Schläge hatten spüren lassen.


    Doch für meinen Dominus musste jener Augenblick, in dem er nun endlich meinen entblößten Leib direkt vor sich liegen hatte, wie ein Saturnalienabend in seiner Kindheit gewesen sein, an dem er endlich ein langersehntes Geschenk in Händen gehalten hatte. Ich konnte es an seinen Augen sehen. Da war eine Faszination, nein ein Verlangen, dass sich danach verzehrte, sein Eigentum endlich voll und ganz in Besitz zu nehmen. Zweifellos hatten es ihm meine Brüste angetan, die er auch sofort für sich beanspruchte. Ich seufzte lustvoll, als er mit seinen Lippen jenen empfindlichsten Teil berührte und ihn zu liebkosen begann. Ich muss gestehen, dass ich bis dato wenig Erfahrung im Liebesspiel hatte, da man mich in der Vergangenheit eher als Lustobjekt betrachtet hatte, welches lediglich dazu da war, benutzt zu werden und dass daher auch nicht in besonderer Weise stimuliert werden musste. Mein Dominus hingegen war durch und durch ein Genießer. Das hatte ich schon in anderen Situationen feststellen können. So blieb er sich auch hierbei treu.


    Während er sich nun über mich gebeugt hatte, konnte ich auch spüren, dass sich in den unteren Regionen seines Leibes etwas zu regen begonnen hatte. Etwas, dass danach pochte, nicht länger vernachlässigt zu werden. Ich konnte es von Mal zu Mal deutlicher spüren, wie er auf diese kecke Weise Einlass verlangte. Unterstützt wurde diese Forderung von seiner Hand, die sanft aber bestimmt mich dazu anstiftete, meine Schenkel für ihn zu öffnen. Inzwischen war ich an einem Punkt angelangt, da es mich nur noch danach verlangte, ihn endlich in mir spüren zu können. Nein, ich war so vermessen, dass ich noch mehr wollte! Seine Haut sollte meine Haut berühren, wenn wir uns gleich vereinigten. Daher begannen meine beiden Hände seine Tunika nach oben zu ziehen. Letztendlich war es doch auch meine Aufgabe, ihm dabei zu helfen.


    Seine Lippen hatten inzwischen wieder ihren Weg zu meinem Hals gefunden, den sie liebkosten und mich aufs Neue zum seufzen brachten. Schließlich küsste er mich noch einmal und sein seinem Kuss lag all das verborgen, was er begehrte und nun einzufordern gedachte. Dass er dabei Vorsicht walten lassen wollte, sah ich in diesem Moment als einen weiteren Beweis seiner Wertschätzung an, der mich dankbar lächeln ließ. Bisher hatte sich niemand daran gestört, wie es mir dabei ging oder ob ich sogar Schmerzen empfinden könnte. Meine Hände strichen wieder durch sein Haar und setzten ihren Reise über seinen Rücken fort, weiter hinunter, um ihn dort zu ermuntern, nicht länger zu zögern. „Oh Dominus, bitte nimm mich!“ flehte ich leise in sein Ohr.

    Nein, dies war wahre Leidenschaft zwischen uns. Ich konnte es nun deutlich spüren. Denn was ich tat, gefiel ihm zusehends und spornte ihn weiter an. Er raunte meinen Namen, wie ich es bis dahin noch nie erlebt hatte. Seine Hände, die nicht untätig geblieben waren, verrieten mir, wonach er sich sehnte. Doch es war meine Tunika, die einzige Barriere zwischen uns, die noch Bestand hatte und die ihn davon abhielten, sich noch weiter der Lust hinzugeben, die wie ein Sturm über uns hereingebrochen war. Seine Versuche, dieser Barriere Herr zu werden, wären zum Scheitern verurteilt gewesen, hätte ich nur untätig zugesehen.


    Inzwischen hatte ich schon halb die Position unter ihm eingenommen, während sich mein Dominus seitlich neben mir befand und sich dort mit Selbstvorwürfen plagte, kurz danach aber bereits meinen Hals liebkoste, als könne dies der geheime Schlüssel zur vollkommenen Glückseligkeit sein. Doch heute war zweifelsfrei sein Glückstag. Er hatte mich endlich wahrgenommen und meine Vorzüge erkannt, die er offensichtlich so lange ignoriert hatte. Daher wollte ich ihm nun auch nichts mehr vorenthalten. So begannen meine beiden Hände meine Tunika stetig nach oben zu ziehen, so dass nach und nach ein zarter Körper mit weiblichen Kurven zum Vorschein kam, dessen Haut nur wenig Sonne gesehen hatte und daher recht alabastern wirkte. Die schmalen Oberschenkel waren noch verschlossen, der Bauchnabel verführerisch und die beiden kleinen straffen Brüste lockten wie zwei reife Äpfel, die verspeist werden wollten.



    „Vorsicht, Dominus!“, wisperte ich ihm zu, als ich meinen Kopf anhob, um die Tunika dann endlich entfernen zu können. Ich warf sie achtlos beiseite. Danach reckten sich meine Hände ihm entgegen, um ihn zu mir hinzuziehen.

    Hatte ich seine Körpersprache vielleicht doch falsch gedeutet? Diese Frage stellte sich mir schon kurz nachdem meine Lippen die seinen berührt hatten. So etwas wie ein schlechtes Gewissen überfiel mich und ich begann mich zu fragen, wie er reagieren wurde oder was er dazu sagen könnte. Womöglich machte ich mich hier gerade lächerlich oder zerstörte mit einer unbedachten Aktion alles wieder, was sich zwischen uns in so kurzer Zeit angebahnt hatte. Als er jedoch seine Augen öffnete und mich anlächelte, wusste ich sofort, dass ich mir unnötigerweise Gedanken gemacht hatte. Wie es schien glaubte er, dass ich ihm auf diese Weise meine Dankbarkeit erweisen wollte. Deshalb strich er wohl seine Hand auch zart über meine Wange. Jedoch war es weitaus mehr als nur eine simple Dankesbekundung. Seine Freundlichkeit und all seine guten Worte waren wie Balsam für mich. In all den Jahren hatte nie jemand so mit mir gesprochen. In gewisser Weise war er der Erste, der mich so schätzte, wie ich eben war und genau das musste der Auslöser gewesen sein, der mich dazu verleitete, in ihm mehr als nur meinen Dominus zu sehen. Dass er eine attraktive Ausstrahlung besaß, war mir schon viel früher aufgefallen. Seine Warmherzigkeit jedoch offenbarte sich mir heute erst so richtig. Fühlte sich so Verliebt sein an? Ich war in meinem Leben noch nie richtig verliebt gewesen. Sicher, es gab Menschen, die ich sehr mochte und die ich auch sehr schätzte, wie zum Beispiel Silas oder den alten Jupp, damals in Colonia Agrippina. Doch dieses seltsame Gefühl der Liebe hatte ich bislang noch nicht kennengelernt. Wie ich jetzt endlich feststellen konnte, fühlte es sich an, als flatterten tausende von Schmetterlingen in meinem Bauch herum. Dieses Gefühl ließ mein Herz schneller schlagen. Erst recht, als er dann plötzlich meinen doch sehr zaghaften Kuss auf eine wesentlich intensivere Art erwiderte und seine Hand sich von meiner Hand gelöst hatte, um auf Entdeckungsreise zu gehen. Ob er nun in mir mehr sah, als nur eine dankbare Sklavin? Ohne Frage, ich war dankbar. So sehr, dass ich bereit war, ihm noch mehr von mir zu geben, als das, was er bereits sowieso schon besaß.


    Seine Hand war bereits an meiner Hüfte angekommen, als ich mich dazu entschloss, ihn noch einmal zu küssen. Jedoch verlieh auch ich meinem Kuss diesmal wesentlich mehr Leidenschaft. Auch meine Hände blieben nicht untätig. Während sich die eine ihren Weg weiter nach oben, an seiner Wange entlang zu seinem Haar suchte, damit dort meine Finger hineintauchen konnten, wanderte die andere, die auf seinem Bauch verharrt hatte, weiter nach unten, um bislang unbekanntes Gebiet zu entdecken.

    Es war ein wirklich schöner Moment, in dem er mich so charmant ansah, als habe er mich jetzt erst richtig wahrgenommen. Vielleicht hatte das ja auch, denn schließlich hatte er vor unserer Abreise immer sehr viel zu tun gehabt. Und es hatte Tage gegeben, an denen er mich kaum zu Gesicht bekommen hatte. Doch nun war es ganz anders. Wir hatten nahezu alle Zeit der Welt, denn die Fahrt würde lange, sehr lange dauern.
    Er hatte sich sogar gemerkt, woher ich ursprünglich stammte. Gallien. Ich nickte und lächelte ihm dabei zu. „Ja, genau.“ Er war etwas erstaunt darüber, zu hören, dass die Geschichte noch gar nicht zu Ende war. Doch er lauschte auch weiterhin meinen Worten. Erst als ich am Ende meiner Geschichte angekommen war, stellte mir eine Frage zu den Barden. Womöglich hatte er den Begriff schon einmal gehört. Oder vielleicht auch von den Druiden. Letztere waren vor einigen Jahrzehnten von den Römern erbittert verfolgt worden. Alle, denen sie habhaft geworden waren, hatten sie getötet.
    „Früher war es so, Dominus. Bevor die… bevor Gallien erobert wurde. Die Barden waren Sänger, die in ihren Liedern die Heldentaten großer Krieger besangen. Heute gibt es sie kaum noch. Ebenso wenig wie die Druiden, die einst unsere Seher waren,“ erklärte ich. Nach mehr als hundertsiebzig Jahren der römischen Besatzung hatte sich vieles verändert, was die ursprüngliche gallische Kultur weitgehend verdrängt hatte.
    Er konterte mit einer scherzhaften Bemerkung und lachte. Danach zog er meine Hand näher zu sich und legte sie auf seinem Bauch ab. Ich verstand nicht so recht, weshalb er das tat oder ob er mir dadurch etwas zu verstehen geben wollte. Natürlich wehrte ich mich nicht dagegen, denn es fühlte sich angenehm an, als er sie wieder zu tätscheln begann. Schon kurz darauf, sagte er etwas sehr nettes zu mir. Dass er froh war, mich gekauft zu haben und mich nun auch mit auf die Reise mitgenommen zu haben. So viele Nettigkeiten war ich wirklich nicht gewohnt und mir standen schon fast die Tränen vor Rührung und Dankbarkeit in den Augen.
    Doch es kam noch besser, wobei ich mit einer weiteren Steigerung nie gerechnet hätte. Nicht ich, sondern Muckel sollte in Zukunft kochen und alle anderen Kleinigkeiten erledigen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mal etwas richtig gut machen könnte. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Dominus! Vielen Dank, Dominus!“
    Kaum hatte ich das gesagt, lehnte er sich weiter zurück auf die Liege und schloss die Augen. Meine ruhte noch immer auf ihm. Wieder fragte ich mich, ob dies eine Aufforderung sein sollte, ihm weiterhin, allerdings nun ganz nah, Gesellschaft zu leisten. Nach einigem Zögern legte ich mich dann vorsichtig neben ihn. Zuvor aber drückten meine Lippen einen zarten Kuss auf seine.

    Er wehrte sich nicht dagegen, dass meine Hand auf seiner ruhte. Im Gegenteil, er beließ sie dort eine Weile, bis er sich auf seiner Liege zurücklegte, die Augen schloss um sich ganz auf meine Geschichte konzentrieren zu können. Es freute mich, dass er sich ganz auf meine Geschichte einlassen wollte, denn sie spielte fernab der für ihn bekannten Welt der griechischen Götter und Helden. Wahrscheinlich empfand er die Namen meiner Protagonisten als fremdartig und konnte mit ihnen so gar nichts anfangen. Doch das war nur eine Vermutung, denn er unterbrach mich nicht einmal, währen ich meine Geschichte erzählte.
    Erst als ich Rätsel gestellt hatte, hörte ich seine Stimme wieder. Er runzelte seine Stirn und begann darüber nachzudenken, was denn die Lösung sein konnte. Dabei waren noch immer seine Augen geschlossen. Nach einer Weile aber öffnete er sein linkes Auge und schaute mich dabei so neckisch an, so dass ich grinsen musste. Er hatte eine Ahnung davon, was denn die Lösung sein könnte. Der Wind! Der Wind war die stärkste Kreatur vor der Flut. Er hatte weder Fleisch und Knochen noch hatte er einen Kopf oder Füße. Er war überall auf der Oberfläche der Erde und er wurde nie gesehen und niemals geboren.
    „Stimmt!“, rief ich. „Du bist sehr scharfsinnig, Dominus!“ Inzwischen lag meine Hand wieder in seiner. Die Kuppe seines Daumens streichelte zärtlich meinen Handrücken. Ich genoss die Nähe dieses Augenblicks, denn es hatte all die Jahre niemanden gegeben, der so freundlich liebenswürdig zu mir war, wie Dominus Casca.


    Letztendlich fand er die Geschichte sonderbar. Sicher weil alles sehr fremdartig auf ihn gewirkt hatte. „Die Geschichte hat mir meine Mutter oft erzählt, als ich noch kein war. Und ja, es wurden viele Geschichten erzählt, dort wo ich herkomme, Dominus.“ Die gleiche Geschichte hatte mir eine alte Sklavin, die ebenso wie ich aus Gallien stammte, einige Jahre später mit einigen Abwandlungen erzählt.


    „Aber die Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende, Dominus! Denn die schlauesten Männer des Landes errieten nicht die richtige Lösung. Nach drei Tagen und drei Nächten gaben sie schließlich auf. Da sprach Talesien zu ihnen: ‚Seht nur, wie eitel all eure Weisheit ist, die ihr aus staubigen Büchern gelernt habt. Denn das Wesen der Natur bleibt euch so verborgen, sonst wüsstet ihr, dass der Wind die Lösung des Rätsels ist!‘ Natürlich waren nun die hochgelehrten Barden sehr beleidigt, weil es ein Kind gewesen war, dass ihr Wissen übertroffen hatte. Den Gefangenen wollten sie natürlich auch nicht freilassen. Doch bereits als Talesien das Lösungswort ausgesprochen hatte, erhob sich ein Wehen, das immer stärker wurde. Es wurde zum Wind, dann zum Sturm und schließlich zu einem Orkan, der den Turm zusammenbrechen ließ, der über dem Kerker gebaut worden war und den Gefangenen, der darin in Ketten gelegen hatte hinaushob. Mit Hilfe von Zaubersprüchen löste Talesien die Fesseln.
    Die Barden aber wurden empor in die Luft gehoben und blieben dort, bis sie versprachen, Elphin und Talesien in Frieden und Freiheit ziehen zu lassen. Dann erst erhielten sie wieder festen Boden unter ihren Füßen.“
    Damit endete meine Geschichte.

    Oh ja, er war traurig! Er tat mir ja auf einmal so leid. Vielleicht fand er ja ein wenig Trost in meinen Worten. Er lächelte zumindest ein wenig und dankte mir. Ich erwiderte daraufhin sein Lächeln und legte dann meine Hand auf seine, auch wenn das vielleicht ein wenig vermessen schien.
    Wieder seufzte er, was mich etwas verunsicherte. Seufzte er, weil ich keine Übung im Schreiben hatte? Aber dafür konnte ich doch nichts! Ich hatte es als Kind bei meinem ersten Dominus lernen dürfen und danach hatte nie wieder jemand von mir verlangt, etwas zu schreiben. Dementsprechend krakelig war meine Schrift, wie bei einem Kind. Er würde mir das doch nicht übel nehmen? Doch zum Glück er wollte nachsichtig mit mir sein.
    Ich nickte. „Ja Dominus, ich werde viel üben, wenn du das wünschst!“ Hoffentlich würde ich ihn auch in dieser Sache nicht enttäuschen. Der Arme, irgendwie musste er von mir denken, dass ich absolut gar nichts auf die Reihe kriegte. Wenigstens hatte ich eine große Klappe. Denn wenn ich schon nicht schreiben konnte, konnte ich ihm vielleicht etwas erzählen. Eine Geschichte. Über die Götter und so. Aber da musste ich schon wieder passen. Erst Recht bei Uranos oder der schaumgeborenen Venus! Aber ich konnte ihn jetzt nicht schon wieder enttäuschen und sagen, dass ich das nicht konnte. Deshalb zermarterte ich mir mein Hirn nach einer schönen Geschichte und kramte dabei etwas hervor, was ich schon ganz lange nicht mehr gehört hatte. Eine Geschichte, die mir meine Mutter vor ewigen Zeiten oft erzählt hatte. An meine Eltern hatte ich all die Jahre nie wieder gedacht, um das Schreckliche, was mir nach ihrem Tod zugestoßen war, nicht noch schrecklicher werden zu lassen.


    „Eine Geschichte von Uranos oder Venus kenne ich nicht. Aber eine andere.“ Ich sah ihn erwartungsvoll an und begann dann mit meiner Geschichte. Falls sie Dominus Casca nicht gefiel, konnte er mich ja einfach unterbrechen.


    „Vor langer Zeit lebte ein reicher Mann namens Tegid. Mit seiner Frau Caridwen hatte er zwei Kinder - Creiwy , das schönste Mädchen unter der Sonne und Afagdu, den hässlichsten Knaben auf der Welt.
    Da der Knabe so abstoßend aussah, beschloss seine Mutter, ihm wenigstens große Klugheit zu verleihen. Also stellte sie einen Zaubertrank her, der Inspiration und Wissen verleihen sollte. Das Gebräu musste ein Jahr lang in einem Kessel am Kochen gehalten werden. Zu jeder Jahreszeit warf Caridwen neue Zauberkräuter in den Kessel, die sie zur rechten Stunde gepflückt hatte. Während sie die Kräuter pflückte, stellte sie einen Jungen mit Namen Gwion an und ließ ihn den Kessel umrühren. Am Ende des Jahres aber spritzten drei Tropfen der Flüssigkeit aus dem Kessel und fielen auf Gwions Finger. Der steckte den Finger in den Mund, um die ätzende Flüssigkeit abzulecken. Sofort verstand er die Sprache der Tiere und Pflanzen und hatte Kenntnis von allen vergangenen zu zukünftigen Ereignissen.
    So wusste er nun auch, dass er auf der Hut sein musste vor Caridwen, die beschlossen hatte, ihn zu töten, sobald sie ihn zum Umrühren des Zaubertranks nicht mehr brauchte. Er floh daher, und sie verfolgte ihn in der Gestalt einer schwarzen, kreischenden Hexe.
    Durch die Zauberkraft, die er durch die drei Tropfen erhalten hatte, verwandelte er sich in einen Hasen. Doch sie nahm die Gestalt eines Windhundes an. Er sprang in den Fluss und wurde ein Fisch. Sie verwandelte sich in einen Fischotter. Er stieg auf in die Luft als ein Vogel. Sie verwandelte sich in einen Falken. Er wurde zu einem Weizenkorn auf der Tenne. Sie verwandelte sich in eine schwarze Henne, scharrte im Stroh, fand das Korn und verschluckte es.
    Als Caridwen darauf wieder ihre ursprüngliche Gestalt annahm, spürte sie, dass sie schwanger war mit Gwion und neun Monate später gebar sie ihn als Kind. Sie brachte es nicht übers Herz, ihn zu töten, denn er war sehr schön. Sie ließ ihn in einen Sack einbinden und warf ihn ins Meer.
    Die Wellen trugen Gwion zu einem Strand in einem fremden Land. Dort wurde er von einem Prinzen, gefunden, der Elphin hieß.


    Elphin war nicht traurig darüber, dass er keinen Fisch gefangen hatte. Er war über seinen ungewöhnlichen Fang sehr zufrieden. Er gab Gwion den Namen Taliesin, was so viel bedeutet wie ‘von hohem Wert’ oder ‘schöne Augenbraue’.
    Als nun Elphin von seinem Onkel gefangen gesetzt wurde, machte sich das Kind Taliesin auf, um ihn zu befreien. Er wollte sich dabei nur auf seine Weisheit und sein Wissen verlassen, mit dem er alle Barden seines Onkels übertreffen wollte.
    Zunächst legte er einen Zauber auf die Barden, nach welchem sie nur lallende Laute hervorbringen konnten, wenn sie versuchten, auf den Fingern zu pfeifen. Darauf sagte er ein langes Rätselgedicht auf, das keiner von ihnen zu lösen vermochte.
    Das beschämte sie sehr, und sie versprachen ihm, Elphin sollte frei sein, falls sie noch bei einem weiteren Rätsel die Lösung nicht erraten könnten. Sie hielten dies für ausgeschlossen, denn immerhin waren sie die klügsten Männer im ganzen Land. Taliesien aber schien in ihren Augen nur ein unwissendes Kind zu sein. Da sprach er zu ihnen:


    Entdeckt mir, was ist dies:
    Die stärkste Kreatur vor der Flut,
    ohne Fleisch und ohne Knochen,
    ohne Kopf und ohne Füße.
    Im Feld und im Wald,
    ohne Hand und ohne Fuß.
    Es ist weit, wie die Oberfläche der Erde.
    Es wurde nie geboren und nie gesehen!
    Was ist das?“


    Bevor ich weiter erzählte und ihm die Lösung des Rätsels verriet, wollte ich erst sehen, ob er des Rätsels Lösung bereits wusste.


    Sim-Off:

    nach dem Märchen Taliesins Rätsel https://aventin.de/taliesins-raetsel

    Oh, wie herrlich das klang! „Mit dem Westwind nach Athen!“, echote ich vollkommen fasziniert und lächelte über beide Ohren. Natürlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass eine solche Schifffahrt auch durchaus strapaziös sein konnte. Nämlich dann, wenn der Westwind zu arg heftig blies und man davon seekrank wurde. Als Dominus Casca dann in Aussicht stellt, eventuell in Terracina eine Pause einzulegen, um dort das Meer zu sehen, wuchs meine Freude noch mehr. Ob man dort vielleicht den kleinen Zeh ins Wasser strecken konnte? Wie war nur das Meerwasser. Ich hatte schon von großen Wellen gehört, die eine Mordskraft an den Tag legten und alles mit sich reißen konnten. „Oh, das wäre fein, Dominus!“


    Als Dominus Casca aus dem Fenster blickt und seufzte, bemerkte ich erst, wie schwer ihm offenbar der Abschied aus Rom fiel. Als er dann auch noch von der Vergänglichkeit sprach, fühlte es sich plötzlich gar nicht mehr so gut an, sich in seiner Gegenwart zu freuen und so wich dann auch mein Lächeln. Ob ich ich fragen sollte, was ihn bedrückte? Aber vielleicht war es ihm unangenehm, ihn so auszufragen. Immerhin war ich nur seine Sklavin und sonst nichts. Allerdings sagte ich mir, dass ich seinen Seufzer nicht unkommentiert lassen sollte.
    „Bist du traurig, Dominus? Was kann ich für dich tun?“, fragte ich und tippte ihm sanft auf seine Hand. In meiner Stimme schwang ein wenig Sorge mit. Ich hatte ja keine Ahnung, dass er das Verlöbnis mit Domina Valentina gelöst hatte. Oder war es einfach nur die Sorge um seine erkrankte Mutter? Er schien plötzlich so verletzlich zu sein. So ganz ohne Hoffnung. Doch dann sah er mich wieder an und sprach zu mir.
    „Nein, Dominus, ich werde immer für dich da sein. Wann immer du mich brauchst.“ Hoffentlich würde ich ihn niemals enttäuschen, denn ich wusste ja, dass ich gelegentlich dazu neigte, Murks zu fabrizieren. Dann lächelte ich ihm wieder aufmunternd zu.
    Als er mich dann vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen fragte, ob ich schreiben konnte, wurde mein Gesichtsausdruck wieder ziemlich nüchtern. „Ähm, ich hab es mal gelernt. Aber ich glaube nicht… also meine Schrift ist nicht so… toll.“ Außerdem war der Begriff ‚Rechtschreibung‘ völliges Neuland für mich.

    Während ich Dominus Cascas Teller hielt, starrte ich auch direkt auf die verlockenden Leckereien, die ich zuvor darauf angerichtet hatte. Wie die Datteln im Speckmantel dufteten! Spätestens jetzt meldete sich auch mein Hunger wieder zurück. Aber natürlich konnte ich mich noch soweit beherrschen, nicht einfach über den Teller herzufallen, sonst drohte am Ende doch noch der Sklavenhändler!
    Mein Dominus gefiel es, wie ich sein Frühstück angerichtet hatte. Er bediente sich dann auch sofort an seinem Morgenmahl. Zuvor hatte er etwas überrascht dreingeschaut, weil ich vor ihm kniete. Andererseits war diese Körperhaltung wesentlich entspannter und rückenschonender als sich über ihn zu bücken.


    Als er mir anbot, mich auch an den Leckereien zu bedienen, ließ ich mir das nicht zweimal sagen. Ich griff mir eine der Datteln, die so köstlich dufteten. So etwas gab es nicht alle Tage! Die Dattel inklusiven Speckmantels verschwand in meinem Mund. Ich schloss meine Augen. Genüsslich begann ich, sie zu kauen. Aber ich schluckte sie nicht hinunter – noch nicht! In meinem ganzen Mund hatte sich dieser wunderbare Geschmack ausgebreitet. Den wollte ich, so lange es ging, genießen.


    Meine Augen öffneten sich erst wieder, als er meinte, ich solle doch auch Muckel einen Teller richten. „Ja, Dominus!“ Den Leckerbissen hatte ich inzwischen untergeschluckt. Etwas wehmütig sah ich noch einmal auf den Teller und erhob mich. Eine Olive mopste ich mir dann doch noch.
    Natürlich richtete ich den Teller für meinen Mitsklaven nicht so liebevoll an, wie ich es für Dominus Casca getan hatte. Muckel würde das sowieso nicht zu schätzen wissen, sagte ich mir. Außerdem sollte er ja auch den Wagen lenken!


    Bevor ich mich dann wieder zu meinem Dominus gesellte, holte ich ihm noch sein gewünschtes Schreibzeug aus einer der Truhen und gab es ihm, als ich mich diesmal neben ihn setzte, so wie er es wollte. Wieder sah er mich so an. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er davon gar nicht genug bekommen konnte.


    Etwas Schönes sollte ich ihm erzählen. Ich sah ihn zunächst ein wenig ratlos an, weil mir auf die Schnelle nichts Schönes einfallen wollte. Zumal ich auch nicht wusste, was er unter ‚Schönes‘ verstand. Vielleicht die Story, als ich mit Silas die Hunde ausgeführt hatte und die Viecher sich auf einen ziemlich unbedarften Kerl gestürzt hatten, den sie dann anschließend abgesabbert hatten. Mhh, nein, lieber nicht. Über solche Geschichten konnten vielleicht Sklaven lachen, aber bestimmt nicht mein Dominus!


    „Äh ich… äh… Ich hab noch nie das Meer gesehen, Dominus. Ich bin schon ganz gespannt darauf. Auf Bildern habe ich Fische, Muscheln und so was gesehen, die darin leben sollen und ich habe von großen Schiffen gehört, die darauf fahren. Werden wir auch auf einem großen Schiff fahren, Dominus?“ Oh je, jetzt hatte ich wieder einfach drauf los geplappert. Etwas Schöne war sicher etwas ganz anderes!

    Diese ungewohnte Vertrautheit, die Dominus Casca mir plötzlich entgegenbrachte, machte mich ein wenig verlegen. Obwohl mir das Ganze eigentlich nicht unangenehm war. Denn wer mochte es nicht, wenn jemand ein gutes Wort für einen übrig hatte? Allerdings kannte ich solche Blicke nur allzu gut von meinen vorherigen Besitzern. Im Grunde wollten sie alle nur das Eine. Ein paar reizende Blicke, ein wenig Honig ums Maul schmieren und je schneller man sich verguckte, lag ich mit ihm in der Kiste, um ihm eine schöne Zeit zu bereiten. Na ja, es war wahrscheinlich unwahrscheinlich, dass ich ihm hier auf dieser fiesen Karre zu Diensten sein sollte. Jedenfalls nicht, solange Freund Nepomuk noch da war. Also war es doch ganz gut, dass die eingeschnappte Mimose noch da war. Allerdings hatten wir nun endgültig das Stadttor erreicht und würden nun endlich den Ochsenkarren verlassen können, um in den Reisewagen umzusteigen. Aber egal, ich spielte sein Spiel einfach mit und lächelte einfach nur, bei allem, was er tat und sagte. Damit fuhr man immer gut.


    Mir verging mein Lächeln gleich wieder als wir vom Karren abgestiegen waren und auf die Reisegesellschaft stießen, die unseren Weg begleiten sollte. Der Nasir verdiente sein Geld mit dem Handel von Sklaven. Neben seinen Angestellten und den anderen Händlern, die sich der Karawane angeschlossen hatten, konnte man auch einen Blick auf die armen Kreaturen werfen, die dazu verdammt waren, als Nasirs Handelsware ihr Leben zu fristen. Ich fühlte mich ganz beklommen bei diesem Anblick, denn ich war oft genug in den Händen von Sklavenhändlern gewesen. Daher zog ich es vor, ganz nahe bei meinem Dominus zu bleiben, nicht dass ich am Ende noch ‚verloren ging‘!


    Der Dominus war ganz angetan von unserem Reisewagen. Ich selbst hatte noch keinen Blick hineinwerfen können. Doch ich vertraute ihm. Was ich allerdings nicht nachvollziehen konnte, war Dominus Cascas Entschluss, Muckel auf den Kutschbock des Wagens zu lassen. Ob er da wirklich wusste, was er tat? Ich fand das eher fahrlässig. Aber mich fragte ja keiner! Stattdessen schickte mich Dominus Casca schon einmal in den Wagen, was ich auch sofort tat. Als ich dann einstieg und die gemütliche Innenausstattung begutachten konnte, wurde mir doch einiges klar! Nicht ohne Grund hatte Dominus Casca mit mir geflirtet, als gäbe es kein Morgen mehr und nicht umsonst saß Muckel nun auf dem Kutschbock und sollte den Wagen lenken! Aber gut, ich hatte keine große Wahl und tröstete mich damit, dass Dominus Casca doch ein netter Kerl war, der bestimmt nicht grob zu mir sein würde und eigentlich doch ganz gut aussah! Er war nicht fett und hatte auch keinen übelriechenden Atem. Das war doch schon mal was!
    Bevor es dann los ging verstaute ich noch einige Proviantstücke, die unser Dominus käuflich erworben hatte. Zum Glück würden wir zunächst nicht hungern müssen. Jedenfalls nicht, solange ich nicht kochen musste!


    Dominus Casca bestieg dann auch den Wagen und ließ sich mit einem Seufzer auf die Liege fallen. Kurz danach begann der Wagen beängstigend zu ruckeln und zu schaukeln, so dass ich schon befürchten musste, unser letztes Stündlein hätte geschlagen. Ich konnte mich nur schwer auf den Beinen halten, hätte ich mich nicht an der nächsten Möglichkeit festgehalten. Sogar Dominus Casca wäre beinahe von der Liege heruntergekullert. Zum Glück beruhigte sich dann alles wieder und der Dominus meinte, nun wäre die Zeit für das Morgenmahl gekommen. Wieder beschwichtigte er mich, ich solle doch Muckels Worten nicht so viel beimessen. Dann ermutigte er mich noch. Ich würde das schon wunderbar machen. Was auch immer er damit meinte, ich lächelte einfach. Denn damit fuhr man am Besten!
    Dann kümmerte ich mich um sein Frühstück. Ich selbst würde mich noch etwas gedulden müssen, denn zuerst war der Dominus an der Reihe. Ich würde mich mit dem begnügen, was er übrig ließ. Also richtete ich den Proviant auf einem Teller an. Neben frischem Brot gab es Schafskäse, Oliven, mit Speck ummantelte Datteln und etwas Moretum.
    „Bitte sehr, Dominus!“ Ich ließ mich vor ihm auf den Kein nieder und hielt den Teller, so dass er zugreifen konnte.

    Oh ja, und wie Muckel eifersüchtig war! Dass ihm meine Anwesenheit von Anfang an nicht gefallen hatte, wusste ich ja. Aber dass er nun auf mich neidisch war, weil unser Dominus mir offensichtlich auf die Pelle rückte, hätte das niemals gedacht. Denn eigentlich hatte ich immer geglaubt, er orientiere sich eher am weiblichen Geschlecht und weniger am männlichen. Zumindest hatte ich das gerüchteweise so gehört, dass er mit so einer dummen Gans aus der Küche angebandelt hatte. Oder waren es sogar noch mehr, denen er den Hof machte. Aber so konnte man sich täuschen!

    Aber nein, es ging nicht darum, dass Dominus Casca meine Knie als sein neues Ablegemobiliar für seine Hand erkoren hatte, wie sich herausstellte. Es ging ihm einzig und allein nur um Wertschätzung und Aufmerksamkeit! Wertschätzung seiner unermüdlichen Arbeit an unserem Dominus. Das ich nicht lachte! Deshalb strengte er hier dann auch sofort einen Zwergenaufstand an. Mich bedachte er dabei dann auch sofort mit einem launischen Blick, den ich wiederum mit einem genervten Blick erwiderte. Heul doch, du Opfer! hätte ich ihm am liebsten zugerufen, wenn Dominus Casca nicht da gewesen wäre.
    Wie immer, wenn Nepomuk sich als darstellte, bekam er sofort, was er als so dringlich ansah: die Aufmerksamkeit unseres Dominus! Zugegebenermaßen musste ich dabei richtig grinsen. Wahrscheinlich hatte er das gesehen und holte sofort noch mal zum Gegenschlag aus. Grian macht gar nichts, meinte er dann erbost, was mich direkt wieder auf die Palme brachte! „Das stimmt gar nicht!“, rief ich entrüstet und sah zu unserem Dominus, der das irgendwie so ähnlich sah, wie ich. Ich tat nicht nichts! Ja, genau, so konnte man das sehen!


    Natürlich kränkte das Muckel nur noch mehr. Jetzt war er erst Recht beleidigt. Dominus Casca entschuldigte sich dann für ihn. Er lächelte wieder und sah mich wieder so an. Ich erwidert sein Lächeln. „Das ist er doch immer!“, raunte ich ihm zu, ohne Muckel auch noch eines Blickes zu würdigen.

    Völlig unabsichtlich hatte ich anscheinend jetzt auch noch Muckel gegen mich aufgebracht. Er war doch nicht etwa eifersüchtig auf mich? Oh doch, das war er und ich musste mich echt zusammenreißen, nicht irgendetwas dazu zu sagen! Allerdings hörte ja auch immer noch der Nasir mit. Doch der Sklavenhändler hatte jetzt endlich kapiert, dass wir beide nicht verkäuflich waren und dass Dominus Casca keine weiteren Sklaven für Aufgaben benötigte, die wir auch locker erledigen konnten. Was ich jedoch nicht mit einkalkuliert hatte, war die Tatsache, dass mein Dominus meine Aussage für bare Münze nehmen würde. Denn inzwischen hatte er seinen Arm um mich gelegt, lächelte und sah mich dabei so an.


    Mein erster Gedanke war, sich gegen so viel Nähe wehren zu müssen. Doch dann ruderte ich schnell wieder zurück, denn sonst würde der Nasir ja wieder misstrauisch werden. Also warf ich alle meine Bedenken über Bord und sagte mir einfach, dass Dominus Casca doch ein ganz attraktiver Kerl war. Und um mal ganz zu sein, ich war in meinem früheren Leben schon mehr als einmal dazu gezwungen worden, mich von hässlicheren Typen begrapschen zu lassen.


    Das Gesäusels, das er mir zuraunte, quittiere ich mit einem Lächeln. „Du hattest ja so viel zu tun, Dominus!“, entgegnete ich ihm untertänig. Im Prinzip war das doch eine tolle Zeit gewesen! An manchen Tagen hatte es nicht viel zu tun gegeben, so dass ich auch mal fünf grade sein lassen konnte. Aber von nun an würde ein anderer Wind herrschen, wie mir schien. Angefangen mit der Androhung, kochen zu müssen. Und wenn das hier so weiterging, dann würden meine Aufgaben auch noch um ein Vielfaches erweitert werden, zum Beispiel als Bettwärmerin.


    Ja, Dominus Casca ging echt ran und ließ dabei auch nichts aus! Inzwischen lehnte er sich an mich. Ich hoffte nur, dass wir bald am Stadttor waren, damit wir von diesem dämlichen Ochsenkarren herunterkamen. Doch ausgerechnet jetzt musste der Karren durch ein extragroßes Schlagloch fahren, so dass ich regelrecht auf ihn geschleudert wurde, weil ich damit nicht überhaupt nicht gerechnet hatte. Wie musste das nun nur auf Muckel gewirkt haben? Ganz zu schweigen von dem Nasir. Ich konnte mich gerade noch an Dominus Cascas Schultern festkrallen und sah ihm in diesem Moment in die Augen...
    Braun, sie waren braun... seine Augen. Das war mir vorher gar nicht aufgefallen. Ich hatte aber auch nicht direkt darauf geachtet. So nah war ich ihm noch nie gewesen.
    Als dann der Ochsenkarren mit einem Ruck zum stehen kam, weil wir das Stadttor erreicht hatten, kam ich ihm dann noch näher!

    Auf diesem Karren wurden wir ordentlich durchgerüttelt. Beinahe wäre Dominus Casca sogar über mich hergefallen. Natürlich nur, weil der Karren treffsicher so ziemlich jedes Schlagloch mitnahm, das der Fuhrmann auf der Straße entdecken konnte.
    Der Dominus war ja sehr optimistisch, was meine Kochkünste betraf. Allerdings nur, weil er noch nie etwas gekostet hatte, was ich gekocht hatte. Nun wollte er sogar Fleisch kaufen! An und für sich wäre das wirklich toll gewesen, denn Fleisch gab es nicht alle Tage. Doch wenn ich es zubereiten sollte, dann war es eher eine Zumutung. Im Grunde hätte er die Sesterzen auch gleich in den Tiber werfen können!


    „Dominus, ich äh…“ Ja, ich war wirklich drauf und dran gewesen, ihm zu beichten, dass ich gar nicht kochen konnte. Allerdings verlor ich den Mut, nachdem Nasir meinem Dominus eine Coqua aufschwätzen wollte. Dieser Kerl mit dem albernen Hut und dem Schnurrbart war mir noch immer suspekt. Auch wenn Dominus Casca mir versichert hatte, er würde mich nie und nimmer an ihn verkaufen wollen. Nein, Dominus Casca sprach nun auch noch in großen Lobeshymnen über meine vortreffliche Kochkunst und dass ich ja auch noch über jede Menge anderer Vorzüge verfügte, wie zum Beispiel das Massieren. Als er das sagte, lief ich sofort rot an, denn ich konnte mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich damals in seinem Cubiculum saß und er von mir massiert werden wollte. Da er im gleichen Moment dann auch noch meine Knie mit seiner Hand berührte und er davon sprach, dass seine Glieder sich danach immer wie neu anfühlten, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. Nasir grinste dann auch noch so anzüglich. Entweder hatte er es nun kapiert, dass Dominus Casca absolut glücklich mit mir war, oder er bohrte nun erst recht weiter, weil er in mir qualifiziertes Lupanarpersonal sah, dass man gewinnbringend weiterverscherbeln konnte.
    Doch mein Dominus wehrte ihn wie eine lästige Latrinenfliege ab und blieb weiterhin optimistisch. Diesmal tätschelte er sogar mein Knie und diesmal spielte ich sein Spiel mit!
    „Aber natürlich, Dominus“, hauchte ich mit einer leicht lasziv anmutenden Stimme und schmiegte sich an ihn. „Nepomuk und ich werden auf der Reise dafür sorgen, dass es dir an nichts fehlt, Dominus. An gar nichts!“ Als ich den letzten Satz ausgesprochen hatte, warf ich dem Sklavenhändler einen aufreizenden Blick zu.

    Bis zum Forum Romanum war es ein ganzes Stück gewesen. Ich hoffte nur, dass wir unsere Reise doch mehr in Wägen oder auf Schiffen verbringen würden. Als wir dann endlich dort waren, stellte sich heraus, dass unser Weg doch noch länger war, als erwartet. Auf dem Forum Boarium trafen wir dann endlich auf diesen Sin Nasir.


    War das etwa eine Ochsenkarre? Na toll, wenn wir damit reisen wollten, dann gute Nacht schöne Welt! Aber es war nicht nur der Karren, der mich irritierte. Es war auch Nasir selbst. Von Anfang an beäugte ich den Kerl argwöhnisch. Erst recht als ich in sein Wahrnehmungsfeld tauchte und er mich mit einem sehr interessierten Blick begutachtete. Schon wieder war da dieses mulmige Gefühl. Vorsichtshalber hielt ich mich dicht bei meinem Dominus. Nicht dass der Kerl noch auf dumme Gedanken kam! Doch Dominus Casca stellte gleich klar, dass er mich nicht haben konnte. Dann schob er mich zu der Karre und ich stieg auf. Gleich sollte es also losgehen- auf einem Ochsenkarren.


    Der Händler beschwichtigte und um versprach, das vor den Toren der Stadt ein ordentlicher Reisewagen auf uns wartete. Und nicht nur das! Ein Morgenmahl sollte uns dort erwarten. Bei dem Gedanken knurrte mein Magen noch heftiger. Ich hatte solchen Hunger und wäre auch mit einem Schälchen Puls zufrieden gewesen.
    Natürlich war das angekündigte Morgenmahl nicht umsonst. 4 Sesterzen sollte der Spaß kosten. Na hoffentlich bestand es aus mehr als einem Schälchen Puls! Dominus Casca jedoch schien sich bereits darauf zu freuen. Ich lächelte ihm verheißungsvoll zu. Als er sich mir dann aber näherte, um mir etwas ins Ohr zu flüstern, verschluckte ich mich erst einmal, obwohl ich doch noch gar nichts gegessen hatte. Ich sollte kochen? Ich konnte gar nicht kochen! Dominus Casca war überaus mutig! „Ähä“, sagte ich und nickte vorsichtig. Mehr wollte ich im Augenblick nicht dazu sagen.

    Die Nacht war nicht besonders lang gewesen. Bevor ich mich zum Schlafen legte, packte ich noch auf die Schnelle ein paar Sachen zusammen. Zwei einfache Tuniken, etwas Besseres besaß ich ja nicht, und ein paar Sandalen als Reserve. Das war mein ganzes Gepäck. Mehr brauchte ich nicht.


    Eigentlich war ich müde gewesen. Der Tag war schließlich lang und die Aufregungen groß gewesen. Doch ich war noch immer so aufgekratzt, so dass ich kein Auge zubekam. In meinem Bett rollte ich mich hin und her und konnte einfach keinen Schlaf finden. Dann änderte ich meine Strategie und begann Schäfchen zu zählen. Aber auch das brachte nicht wirklich den erlösenden Schlaf, weil ich mich jedes Mal verzählte und von Neuem anfangen musste.
    Irgendwann, kurz vor Sonnenaufgang hätte ich dann endlich schlafen können, doch dann war auch die Nacht leider schon vorbei. Vor unserem Aufbruch gab es noch jede Menge zu tun. Da konnte ich nicht länger liegen bleiben! Die Reisetruhen mussten noch verschlossen werden und nicht zuletzt bedurfte der Dominus meiner Hilfe.


    Schließlich waren wir bereit zur Abreise. Ein wenig Wehmut verspürte ich schon, denn die Casa war eben doch schon zu meinem Zuhause geworden. Allerdings lag auch eine spannende Zukunft vor mir. Ich war noch nie in Achaia gewesen und ein Schiff hatte ich auch nur von außen bisher bestaunen dürfen. Ich fragte mich, wie es auf dem großen Meer, dem mare nostum war. Stimmte es, dass darin riesig große Fische lebten?

    Es war noch sehr frisch am Morgen, als wir zur Porta hinaustraten. Mich fröstelte es etwas an den Beinen und an den Armen. Deshalb zog ich die Palla etwas straffer um mich, um mich vor der Kühle des Morgens zu schützen. Offenbar fiel es auch Dominus Casca nicht sonderlich leicht, Abschied zu nehmen. Er wusste so gar nicht, was er sagen sollte, also sprach er einfach drauf los und plapperte etwas vom Ende und das dies ja eigentlich nur ein Anfang wäre. Mich hatte es zunächst schon geschockt, als er zu Ephitales sagte, dies sei nun das Ende. Die erste Assoziation, die ich damit verband war, ‚müssen wir jetzt alle sterben?‘ Auch der arme Nubier, der die Porta bewachte, schien Dominus Casca ab einem gewissen Punkt nicht mehr genau folgen zu können. Ich hatte es vorher schon aufgegeben und sah vielleicht etwas verwirrt drein. Besonders als er am Ende meinte, in jedem Anfang würde natürlich auch ein Zauber innewohnen. Diese Aussage sollte mich tatsächlich noch eine Weile beschäftigen. Der Zauber des Neuanfangens, der uns weiter bringt, unsere Neugier schürt, uns dadurch quasi beschützt und uns hilft, zu leben. Äh, ja… manchmal war ich von mir selbst total verblüfft.


    Dominus Cascas Frage riss mich dann doch aus meinen Gedanken. Zum Glück gab es bei mir nicht viel zu vergessen, da die Tasche mit meinen Habseligkeiten nicht sonderlich voll war. Keine Ahnung wie es sich bei Muckel verhielt. Ich konnte jedoch mit Gewissheit sagen, „Ich hab alles dabei, Dominus!“
    Nach den ersten Schritten schaute ich mich noch einmal um. Komisch, dass ich ausgerechnet jetzt an Silas denken musste. Der junge Sklave war immer noch nicht aufgetaucht, was mich sehr traurig machte. Hoffentlich ging es ihm gut, dort wo er jetzt war.


    Auf dem Weg zum Forum unterbrach Dominus Casca wieder einmal die Stille mit seiner Frage nach dem Proviant. Bei dem Gedanken an Essen knurrte mir sofort der Magen, denn ich hatte in der Frühe noch gar keine Zeit gefunden, etwas zu essen. „Äh Proviant…? Nö… Aber vielleicht hat ja Muckel…“ Erwartungsvoll schaute ich zu Nepomuk. Auf ihm lasteten nun all unsere Erwartungen. Und um das noch einmal genauer zu unterstreichen, knurrte in diesem Moment auch noch mein Magen ganz laut dazu. Tja, das war Körperbeherrschung in ihrer reinsten Form!

    Er wollte mich sowieso fragen, ob ich mitkommen wollte? „Ach echt?“ Da war ich ganz baff! Hätte ich das mal früher gewusst! Das war ja schon ein feiner Zug, dass er mich überhaupt fragte und nicht einfach so über mich bestimmte. Andererseits hätte ich mich sicher nicht so weit aus dem Fenster gelehnt, hätte ich geahnt, dass ich ihn begleiten sollte. Trotz allem war ich sehr froh und strahlte noch mehr, so dass ich beinahe der Ölfunzel Konkurrenzgemacht hätte. „Vielen Dank, Dominus!“, rief ich und küsste seine Hand.
    Vor Freude sprang ich auf. Mein Dominus hatte Recht, ich musste mich beeilen, wobei es da nicht viel zusammenpacken gab, da ich nicht viel besaß. Zwei oder drei Arbeitstuniken als Ersatz würde ich einpacken. Andere hatte ich ja nicht. Aber Dominus Casca winkte schon mit seiner letzten Bemerkung heftig mit dem Zaunpfahl. Ja, ja, die wunderbaren Märkte in Piräus und Athen! Ich konnte es kaum erwarten!
    „Dann werde ich am besten sofort packen, Dominus.“, rief ich aufgekratzt und wollte schon gehen. Doch dann wandte ich mich doch noch einmal zu ihm um. „Gute Nacht, Dominus!“ Dann ging ich.

    Dominus Casca schien erst gar nicht zu begreifen, worauf ich hinaus wollte. Das verwirrte mich natürlich noch mehr. Erinnerte sich denn nicht an diesen exotischen Händler, der ihn am Nachmittag besucht hatte? Doch so langsam fing es bei ihm zu rattern, so dass es ihm schließlich wie Schuppen aus den Haaren fiel.


    „Willst du nicht? Du willst mich gar nicht verkaufen, Dominus?“ Als er dies verneinte, verirrte sich endlich wieder ein zartes Lächeln auf meinem Gesicht und strahlte ihn an. Auch er begann zu lachen und wirkte auf einmal wesentlich entspannter, als zuvor. Doch schnell runzelte sich wieder seine Stirn zusammen und auch mein Lächeln verdünnisierte sich wieder.
    ,„Nein, er hat mich nicht angesprochen, Dominus. Das konnte er auch gar nicht, denn ich habe mich sofort versteckt als ich ihn gesehen hatte. Erst jetzt habe ich mich wieder herausgetraut. Weil…“ Ich stockte wieder, denn auch wenn er mich nicht an den Orientalen verhökern wollte, musste das noch lange nicht bedeuten, dass er mich auch nach Piräus mitnahm. „Äh, eigentlich wollte ich dich schon heute Nachmittag fragen, Dominus. Aber äh… es kam immer wieder was dazwischen.“ Meine Wangen begannen sich leicht zu röten, weil ich mir nicht sicher war, ob es nicht doch sehr unverschämt war, weshalb er mir noch nicht gesagt hatte, dass ich mit nach Piräus kommen sollte. Doch meine Neugier obsiegte schließlich.


    „Willst du mich denn nicht mit nach Piräus nehmen, Dominus?“, fragte ich ihn verlegen. „Ich könnte dir dort bestimmt von Nutzen sein, Dominus. Ich könnte deine Wäsche waschen und deine Toga in Falten legen. Oder deine Schuhe putzen.“ Also alles, was ich bisher nur mit einem gewissen Widerwillen gemacht hatte.

    Ja, genau! Bona Dea, seufzte er. Mir war ja klar, dass er es mit mir bisher nicht leicht gehabt hatte. Und ich wusste auch nur zu gut, dass ein anderer Herr mich schon längst wieder davongejagt hätte. Dominus Casca war die Gutmütigkeit in Person! Ich hatte diese Gutmütigkeit manchmal ganz schön strapaziert. Wenn also nun noch jemand helfen konnte, dann war es Bona Dea! Vielleicht tat sie das ja auch mit ein wenig Glück. Doch stattdessen trafen mich seine Worte, die zwar nicht vorwurfsvoll gesprochen worden waren, aber dennoch im Nachhall einen gewissen Anklage beinhalteten. Dabei war ich mir einer aktuellen Schuld doch gar nicht bewusst! Ich hatte nichts kaputt gemacht. Ich war nicht faul gewesen (jedenfalls nicht fauler als sonst). Und ich hatte auch nichts mitgehen lassen. Außerdem hatte ich es mir abgewöhnt, in fremden Cubicula einzudringen und herumzuschnüffeln.


    Da ich immer noch am Boden kauerte und laut schniefte und jammerte, beugte er sich zu mir herab. Was er dann sagte, verunsicherte mich etwas. Anscheinend war es ihm gar nicht bewusst, wie sehr ich darunter litt, fortgeschickt zu werden. An einen wildfremden Kerl verkauft zu werden, der mich dann ins entfernteste Eck des Imperiums verschacherte. Noch mehr verwirrte es mich, als er dann meinen Kopf zu tätscheln begann. Äh, Moment. Wie auf Kommando hörte ich auf zu jammern und wischte mir die Tränen ab, dann sah ich zu ihm auf. Mein Gesicht mit den verheulten Augen sah wahrscheinlich schlimm aus.
    „Bitte verkaufe mich nicht. Nicht an diesen schmierigen Kerl von heute Nachmittag. Ich verspreche, ich werde von jetzt an keine Dummheiten mehr machen und mir dreimal vorher überlegen, was ich so daher plappere.“ Gut, für letzteres wollte ich nicht meine Hand ins Feuer legen, aber für den Teil mit dem Dummheiten machen, hatte ich gute Chancen, mein Vorhaben erfolgreich umzusetzen.