Beiträge von Sisenna Iunius Scato

    Scato glotzte betreten. Er teilte Lurcos Ansicht, nur hätte er sie nicht so schön verpacken können. Und wenn er sie nicht geteilt hätte, so hätte er nach außen hin so getan, um seinem Kameraden beizustehen. So war dem jedenfalls nur wenig hinzuzufügen, außer eine weitere Vermutung.


    "Vielleicht will sie uns loswerden? Ich meine, schau sie dir an und vor allem höre sie dir an. Was hast sie einem klugen und kultivierten Mann wie Tiberios zu bieten, außer Händchenstreicheln und Unfug murmeln? So gebrochen, wie sie tut, ist sie jedenfalls offenbar nicht bei dem Mundwerk. Ja, da wäre ich auch eifersüchtig an ihrer Stelle auf zwei schmucke Urbaner im vollen Saft. Und das Tiberios ein hübsches Kerlchen ist, an dem sicher nicht nur eine Person Gefallen finden würde, ist ja kein Geheimnis."


    Mit unverändert freundlichem Gesicht wandte er sich hernach Tiberios zu.


    "Nein, Tiberios. Dein Einwand ist gut, aber die andere Frau hat nicht ihre Herren geschmäht, sondern die Götter und den Staat. Das ist ein Unterschied. Sie wollte verletzen und vielleicht steht dahinter noch ein größeres Übel. Es tut mir leid, dass diese Runde so enden muss, ich mag dich und würde gern noch einmal in Ruhe mit dir sprechen, wie vor dem Blinden Esel. Gibt es nicht die Möglichkeit, dich einmal ohne die Gegenwart von Klotz-am-Bein zu treffen?"


    Während Lurco packte, erhob Scato sich.

    Scato bezweifelte, dass es irgendjemandem heute noch gelingen konnte, seine Manneskraft zu wecken. Lust hatte er auch keine und Tiberios ließ ihn genau so hängen wie Lurco. Einen Dreier hätte er sich vorstellen können, um zu lernen. Aber ganz allein mit einer fremden Person? Völlig ohne Vorkenntnisse?


    Scato kramte seinen Geldbeutel hervor, während ein fremder weicher Arm über seinen Schultern lag. Mit dem zitternden Zeigefinger rührte er in den Münzen herum. "21 Sesterze und irgenwas an As, das ich gerade zu dumm zum Ausrechnen bin. Was kriegt man überhaupt für 6 Sesterze, wenn 15 schon für den Wein draufgehen?"

    Die Geschichte, die Tiberios vorgetragen hatte, war wundervoll im Inhalt und der Ausführung. Von Scato erhielt er dafür einen Beifall.


    "Doch." Scato nickte, als Tiberios sich nach einem möglichen Diebstahl erkundigte. "Sie versuchte auf dem Markt, Schmuck zu entwenden, da bin ich mir sicher. Darum sprach ich sie ja ursprünglich an, damit sie merkt, dass sie von einem Urbaner beobachtet wird. Dass es sich um die Gesegnete handelte, war Zufall. So hätte sie jedenfalls noch so tun können, als hätte sie die Silberohrringe nur anprobieren wollen. Das tat sie auch, wenig überzeugend und wäre es nach mir gegangen, hätte ich es dabei bewenden lassen.


    Aber anstatt ihren Kopf nun aus der Schlinge zu ziehen, zog sie durch ihre Worte selbst den Strick fester und als sie mich auch noch verfolgte, kickte sie den Schemel unter ihren Füßen fort. Sie ist nun sicher verwahrt im Carcer. Den von dir gemeldeten Diebstahl werden wir weiterleiten. Äh ... Lurco, hast du schon eine Ahnung, wie man Berichte über so was verfasst? Für den, der die Alte verhören muss? Wer weiß, was sie noch alles auf dem Kerbholz hat.


    Empfindet eigentlich irgenwer auch für mich Mitleid, den sie beleidigte oder für den Händler, den sie bestehlen wollte?", murrte Scato etwas gekränkt. Er fragte sich, wie man für ein solches Subjekt positive Gefühle hegen konnte und das sorgte dafür, dass seine eigene Abneigung ihr gegenüber noch stieg. "Hoffentlich kommt sie ans Kreuz", urteilte er.

    Etwas erleichtert war Scato schon, als er wieder freigegeben wurde. Lurco konnte einschüchternd wirken und musste dafür nicht mal laut werden oder grob. Eigentlich war er sogar freundlich geblieben, freundlicher, als Scato zugestanden hätte. Allerdings hatte Lurco nicht verstanden, was Scato ihm eigentlich hatte sagen wollen. Wie auch, er war undeutlich gewesen in seinem ersten Schock, den es zu verdauen galt. Außerdem war er gerade angetrunken und hysterisch. So konnte das nichts werden bei so einem ernsten Thema.


    "Es geht nicht darum, dass ich dich jetzt eklig finde. Oder dass ich dir irgendwas verbieten will. Es ist nur ... ach. Egal."


    So schlenderte Scato murrend hinter Lurco her und setzte sich vor dem Lupanar auf die Türstufe, grübelnd und in sich gekehrt in die Nacht blickend.


    "Nur Wein", bat er die erstbeste Frau, die wieder in seine Nähe kam.

    Eine ganze Weile musste Lurco rütteln, ehe ein Schnaufen verriet, dass Scato erwachte. Verschlafen öffnete er die Augen. In den Betten herrschte noch Frieden, aber in der Stube duftete es nach Frühstück. Scato blinzelte mehrmals kräftig und zog die Brauen hoch, um die Augen ordentlich aufzubekommen.


    "Oh, du hast für uns Frühstück gemacht", stellte er verwundert fest, als sein Blick auf den Tisch fiel, der sich im Schein einer Öllampe in der Dunkelheit abzeichnete. Er setzte sich auf, stellte abnorme Muskelschmerzen fest und kletterte so leise wie möglich aus dem Bett. Er nahm mit Lurco am gedeckten Tisch platz. "Was für ein Luxus. Danke, Lurco!"


    Jetzt fühlte sich Baracke VII noch mehr wie ein zu Hause an als vorher. So war das Aufwachen gar nicht mal so qualvoll. Zufrieden grinste er Lurco zu und nahm einen riesigen Löffel mit einem tropfenden Berg voller heißem Puls.

    Lurcos Mienenspiel war göttlich. Und Scato grinste wieder. "Das war ja wohl nichts", johlte er. Er selber war weit weniger zögerlich, zuzustechen. Er fand diese Übung sehr unterhaltsam und ging vielleicht ein Stück weit zu begeistert an die Sache heran. Für eine Zeitlang war der Schmerz in seinen Armen wie weggeblasen. Nachdem sein Übungsgladius donnernd auf Lurcos Schild geprallt war, ging er rasch zur Hälfte hinter seinem eigenen Schild in Deckung. "Mach jetzt, Mann", feuerte er Lurco an, bereit, vollständige Deckung einzunehmen, wenn er das Schwert auf sich zusausen sah. "Stich zu!"

    Scato wurde von Lurco durch die Gegend befördert, ohne dass er irgendetwas dagegen unternehmen konnte, und in der Gasse um die Ecke gegen die Wand gedrückt. Noch immer zitternd und nun höchst misstrauisch starrte Scato seinem ... Kumpel? ... ins Gesicht. Um sie herum herrschte Finsternis, in der Ferne hörten sie die Karren rollen, die am Tage Fahrverbot hatten. Lurcos Augen schienen in der Nacht zu glühen. Scato drehte eingeschüchtert das Gesicht weg. Lurco verlangte, dass Scato die Wahrheit sagte oder schwieg. Scato hatte sein Leben lang gelogen, er log zu jeder Gelegenheit, in der ihm das nützlich erschien, aber noch nie war er damit dermaßen konfrontiert worden. Das war unangenehm, peinlich, so als ob Lurco seinen Schädel aufklappte und seine unausgesprochenen Gedanken las.


    "Du KANNST keine Männer begehren", zischte Scato. "Das passt überhaupt nicht zu dir, das muss ein Irrtum sein. Hast du es mit einer Frau überhaupt schon mal versucht? Und was ist mit Lustknaben? Das ist ja noch mal was anderes."


    Scato bekam Angst, so an die Wand gedrückt. Lurco hatte er nichts entgegenzusetzen, wenn der Ernst machte, das war ihm nur zu gut bewusst. Und Lurcos Nähe war auf einmal ... komisch. So als würde man, wenn man einen Hund streichelte, mitten drin feststellen, dass es ein Wolf war. Ein Wolf mit gebleckten Zähnen, schöner, als je ein Hund sein könnte und mörderischer.


    "Meine Güte, wir waren zusammen baden und haben auf der Latrine über diese Kackschwämme gewitzelt. Und ich hab auch noch solche bescheuerten Witze gemacht und dich angeblinzelt! Jetzt halten mich am Ende alle für einen Lustknaben, wenn ich mit dir rumhänge. Die machen mich fertig!"


    Er versuchte, sich an Lurco vorbei zurück ins Freie zu schieben. Mehr denn je wusste er, dass er keine Wahl hatte, dass er dieses verdammte Lupanar in Anspruch nehmen MUSSTE. Wenn er bei den Urbanern erst einmal unter die Räder kam, war er verloren. Und als schlank gebauter und körperlich mäßig wehrhafter Soldat, würde das sein Untergang sein. Nein, er musste beweisen, dass er so gut war, wie die anderen, in jeder Hinsicht! Dass es keinen Anlass gab, an ihm als respektablen Kameraden zu zweifeln!


    "Tiberios könnte jeden Moment aufkreuzen. Oder dein Lupo."

    Es war doch schön, wenn jemand sich dermaßen freute, einen zu sehen. So müsste man jeden Tag begrüßt werden. Das Strahlen von Tiberios erwiderte Scato nun erstmals mit einem offenen Lächeln. Scato pflückte den Weinschlauch aus der Hand der Sklavin, trank einen Schluck und reichte ihn dann Lurco weiter. In der anderen Hand hielt er zwar auch Wein, aber egal, es ging um die Geste des Teilens. Heute war ein Zuviel an Wein zudem kaum möglich, galt das Trinken doch als Teil des Fests.


    Nur dass der ältere Herr sich gestresst verdrückte, tat Scato leid. Er hatte sich auf das Gespräch mit ihm gefreut, aber leider hatte es nicht sollen sein. "Vale bene", rief er ihm nach. Es war leider unwahrscheinlich, dass sie sich noch einmal begegneten und falls doch, dass der Mann sich dann auch noch an einen Urbaner ohne Rang und Namen erinnerte. Scato kam nicht umhin, dass zu bedauern, aber so war das nun einmal in seinem Beruf. Vermutlich war das erst ein Vorgeschmack dessen, was ihn an sozialen Schwierigkeiten erwartete, wenn er erst fertig war mit der Ausbildung und sich Miles nennen durfte.


    "Ich würde die Geschichte gern hören", sprach Scato zu Tiberios. Nach dem ganzen Trubel war das eine willkommene Abwechslung. Er spürte, wie er langsam wieder zur Ruhe kam und gähnte. Abgesehen davon war Scato wirklich neugierig, was das Bürschlein als gebildeter Scriba so drauf hatte.

    Scato quollen die Augen aus den Höhlen. Dass ihm sofort wer in den Schritt packen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Auf der Straße wäre die passende Reaktion, der Person ins Gesicht zu schlagen, aber was gehörte in einem Lupanar an diese Stelle?! Er stand da wie eine Salzsäule. Mit der Nacktheit der Damen hatte er kein Problem, im Gegenteil, er selber liebte es ja selbst, nackt zu baden oder sich zu sonnen oder nackt Ball zu spielen, aber hinzu kam, dass ihn noch nie jemand dort unten angefasst hatte, außer er sich selbst. Vor lauter Überforderung begann Scato zu zittern.


    "Ich weiß nicht, ob ich bezahlen kann", quiekte er leise. "Ich hab keine Ahnung, was das hier alles kostet! Und was habt ihr überhaupt für ein Angebot?"


    Er suchte die Wandmalereien, die eine Art Speisekarte bildeten, nach irgendetwas ab, das ihm zusagen könnte. Dass er keine Ahnung hatte und nichts davon einschätzen konnte, machte es zu einer Tortur, besonders, da die Hand in seinem Schritt ihm das Denken erschwerte.


    Und wieso zum Geier hatte Lurco ...!


    Scato schloss die Augen, schüttelte den Kopf und machte sie wieder auf. Wieso hatte Lurco einen verdammten MANN bestellt?! Nicht mal einen Lustknaben, wie es jeder anständige Römer mit entsprechenden Neigungen tat, sondern ein fettes Haarmonster! Während die Dame Scatos Schritt massierte, musterte der immer heftiger schlotternde Scato seinen Kumpel von Kopf bis Fuß. Das musste ein Scherz sein. Lurco war nicht so, das hätte er doch merken müssen. Hier gab es nicht einmal Männer. Sanft löste er die Finger der Frau, bevor sein Zustand unerträglich wurde.


    "Wir warten noch auf einen Bekannten", verkündete er nervös. "So einen kleinen Griechen, der aussieht, als könnte er hier arbeiten. Derweil kannst du mich über das Angebot informieren und über die Preise. Ach ja und ich nehme die ganze Amphore für meinen Kumpel und mich." Er musste Lurco davon abhalten, sich ins Unglück zu stürzen! Der georderte Mann würde eh noch eine Weile auf sich warten lassen, derweil konnte Scato seinen Kumpel abfüllen.

    Trotz der extremen Anstrengung musste Scato kurz grinsen, als Maro lamentierend durch die Reihen schritt. Natürlich in einem Moment, da dieser ganz weit weg war. Im Blickfeld des Centurios zu grinsen, wagte schon längst niemand mehr, selbst Grinsebacke Scato war es vergangen. In ihm formte sich die Auffassung, dass das notorische Gemecker tatsächlich Maros Art war, den Tirones seine Fürsorge angedeihen zu lassen. Letztlich war es die Aufgabe des Centurios, sie zu Elitesoldaten heranzuziehen und nicht, einen Ersatzvater oder Freund vorzuspielen. Er sollte sie für den Ernstfall stählen. Abgesehen davon, benötigten auch Söhne und Freunde manchmal auf den Deckel.


    Als sie sich paarweise zusammenfinden sollten, wandte Scato sich Lurco zu. "Wie sieht's aus mit uns zwei Hübschen?" Im nächsten Moment fiel ihm auf, dass er sich das Rumblödeln für die Zeit auf dem Exerzierplatz vielleicht auch langsam abgewöhnen sollte, selbst wenn er dabei nicht grinste. Sich vollkommen anders zu verhalten, als er es im Alltag gewohnt war, bildete für Scato eine Herausforerung für sich. Er stellte sich gegenüber von Lurco in ausreichender Entfernung zu den Nebenmännern und den Pfählen hin und nahm Deckungspose ein, so dass Lurco als erster angreifen konnte.

    "Ich wollte dir etwas schenken zum Dank für den Anhänger. Da der mir echt viel bedeutet. Das heißt, ich wollte dir dein Geschenk auch so charmant unterjubeln, aber nun ist die Überraschung verdorben."Scato trank etwas von dem Wein, den Lurco ihm gegeben hatte. Er war froh, dass sein Kamerad hier war. Endlich war Ruhe. Die Ungläubige war weg und die Gebärende auch. ORDNUNG. Alles war gut.


    Als auch noch Tiberios aufkreuzte, schien es, als war nun endgültig alles perfekt. Was für ein schöner Tag. Aber wie sah das Bürschelchen denn aus? Nur im Lendenschurz eierte es durch die Gegend. Scato grinste und stieß einen anzüglichen Pfiff durch die Zähne. "Wie aufmerksam von dir. Das wäre doch nicht nötig gewesen, wir mögen dich auch angezogen. Komm her, Kleiner, Lurco hat was zu Essen." ... doch da hatte der Sklave sich schon wieder angezogen.

    << Carcer der Cohortes Urbanae


    Etwas erschöpft kehrten Lurco und Scato zum Fest zurück. Scato nahm wieder neben dem älteren Herrn Platz. "Gib mir mal bitte einen Schluck Wein, Lurco", bat er. Der Mann neben ihm hatte noch welchen in der Hand, so dass er darauf verzichtete, ihm etwas anzubieten. "So werden künftig wohl die meisten unserer Feste aussehen, wenn wir da für die Sicherheit sorgen", murrte er. "Unglaublich. Ich hoffe, dass das Fest nun ungestört weitergehen kann. Hat sich hier inzwischen der Rest beruhigt?" Suchend schaute er sich um. Dass ein Kind oder eine werdende Mutter zu Schaden kam, wollte er nicht. Er hoffte, dass der Segen des Faunus nun stärker wirkte. Sicherheitshalber betete er ein zweites Mal, diesmal dringlicher.

    "Hast du unseren Centurio irgendwo gesehen? Wobei, den können wir heute abend zu seinen Officium-Zeiten abfangen. Er hat bestimmt gerade zu tun. Gönnen wir uns einen entspannten Nachmittag."


    Scato war ziemlich fertig nach diesen Ereignissen. Seelisch fertig vor allem. Daran würde er sich noch gewöhnen müssen, Gewalt gegen Menschen anzuwenden, und wenn sie noch so verdient war, war doch recht belastend. Er wischte sich über das Gesicht.


    "Ich wollte dir ein Geschenk kaufen. Ich hatte die Sklavin im Plauderton angesprochen, weil sie da am Schmuckstand rumfummelte wie eine Diebin, um sie davon abzubringen, indem ich einfach zeige, dass ich sie gerade beobachte. Sie quasi mit dem Schrecken davonkommen lassen. Sie sah ja meinen Gürtel und hat sich denken können, wen sie vor sich hat. Dachte ich. Da erkannte ich, dass sie eine von den Frauen war, die ich gesegnet habe und wollte ein wenig mit ihr reden. Sie meinte daraufhin, ich sei einer von den Verrückten, den Luperci." Er musste durchatmen, um sich zu beruhigen. Diese Kränkung ging ihm ziemlich nahe. "Ich dachte, sie weiß es vielleicht nicht besser und habe ihr ruhig erklärt, was uns der Kult bedeutet. Um ihr Gelegenheit zu geben, die Worte zurückzunehmen. Daraufhin nannte sie das Ritual zu den Lupercalia einen Scheiß. Ich habe ihr vor die Füße gespuckt und bin gegangen. Aber sie kam mir hinterher!"


    Sich unterhaltend kehrten die beiden Urbanici zum Fest zurück.

    << Feriae Annae Perennae - Frühlingserwachen


    Scato und Lurco brachten die Sklavin auf direktem Wege in den Carcer der Cohortes Urbanae. Sie warfen sie unsanft in eine leere Zelle. Vorerst verzichteten sie darauf, sie anzuketten, es genügte erst einmal, dass sie nicht davon konnte. Was jetzt geschah, lag nicht mehr in ihrer Hand. Schwer schloss sich die massive Tür. Ohne ein abschließendes Wort verschwanden die beiden Urbaner wieder.

    Scato war wie vom Donner gerührt, als Lurco so sicher auftrat und im Gegensatz zu ihm offenbar genau wusste, was zu tun war. Egal was nun geschah - Scato konnte und durfte seinem Kameraden nicht widersprechen. Sie waren eine Einheit, sie mussten geschlossen auftreten und nicht zuletzt waren sie Freunde. Scato würde Lurco niemals bloßstellen. So stand er ohne zu zögern auf.


    "Entschuldige mich bitte, die Pflicht ruft." Er hoffte, dass er nachher noch die Zeit fand, zu dem Fest zurückzukehren. Aber erst musste er seinem Kameraden helfen und die Heiligkeit des Festes retten, indem sie die Frau, welche die Götter schmähte, vom Gelände entfernten.


    Er stand auf, packte sich die blonde Frau und drehte ihren Arm so auf den Rücken, dass ihre Hand zwischen den Schulterblättern ruhte. Dabei zog er den Arm in Richtung Nacken, so dass sie sich vor Schmerzen vornüberbeugen musste. Mit seiner freien Hand packte er ihr dichtes Haar und zog genau in die andere Richtung. In diesem Sicherungsgriff war sie nahezu bewegungsunfähig, wenn sie an intakten Sehnen und Gelenken interessiert war. Er und Lurco trugen das cingulum militare. Jeder hier konnte sehen, dass sie die Befugnis hatten, für Recht und Ordnung zu sorgen. Dass sie noch Tirones waren, war ihnen nicht anzusehen.

    Scato erwiderte hart den Blick der blonden Blasphemikerin. Was hatte er eigentlich getan, dass sie ihn bis hierher verfolgte, auf heiliges Gelände, wenn sie die Götter doch so sehr hasste? Als sie sich der anderen Frau in Not zuwandte, wendete er den Blick ab, um die Aufmerksamkeit erneut seinem Banknachbarn zu widmen. Der Mann in der edlen Gewandung blieb angenehm gelassen, während einige hier eine Hektik verbreiteten, die eine Gebärende vermutlich noch weniger gebrauchen konnte als einen Haufen Gaffer und Helfer, die bestenfalls nichts tun konnten und im ungünstigsten Fall Schaden verursachten.


    "Ein langes Leben ist wünschenswert", sinnierte Scato. "Und ich habe keinen Wein dabei, um darauf zu trinken! Wobei, das lässt sich ja beheben. Ich könnte welchen beim Markt kaufen. Ich kam hierher, um nach einem gewaltigen Ärgernis die Nähe zu den Göttern zu suchen und ein wenig den Kopf auszulüften. Mein Name ist übrigens Sisenna Iunius Scato von den Cohortes Urbanae." Er fand es immer angenehm, den Namen seines Gegenübers zu kennen, wobei der Mann Patrizier war. Ob dieser genau so offenherzig auf Menschen zuging, konnte Scato nicht wissen, aber er wollte es versuchen. Der Mann war nett und nette Menschen konnte Scato gut leiden. Einen Würdenträger einfach nach seinem Namen zu fragen, traute er sich dann aber doch nicht.


    Als er zurück zu der Traube um die Gebährende blickte, sah er ein wohlbekanntes Gesicht, dass sich aus der Masse schälte. "Ah, Lurco", rief er freudig. "Der Tag ist gerettet. Jetzt sind zwei Luperci vor Ort, um das Unheil abzuwenden." Er nickte in Richtung der blonden Frau, die er aufgrund ihrer Kleidung für eine Sklavin hielt. "Die Blonde da, ist eine Blasphemikerin. Hat uns Luperci Verrückte genannt und unseren Kult einen Scheiß. Keine guten Vorzeichen für eine Geburt, wenn sie da mit rumpfuscht. Ich bin mal gespannt, was stärker wirkt, unser Segen oder ihr schädliches Miasma. Setz dich doch zu uns." Er rutschte ein wenig, um Platz auf der Bank zu machen und äugte auf den kleinen Beutel, den Lurco trug. "Du hast nicht zufällig Wein dabei?"

    << Schön und Reich - Vun nix kütt nix!


    Nach einem ziemlich mies gelaufenen Marktausflug, hatte Scato sich auf einem Bänkchen im Schatten einer Baumgruppe niedergelassen. Ein Geschenk hatte er immer noch nicht, aber die Sonnenstrahlen taten gut. Die Knospen der Magnolien waren noch geschlossen, doch der Wind trug die ersten süßen Frühlingsdüfte mit sich. Da nahm ein älterer Herr neben ihm Platz, der elegant gekleidet war.


    "Natürlich ist hier noch frei, setz dich nur", lud Scato ein. Er freute sich über die kultiviert wirkende Gesellschaft, die ihn sicher von seinen finsteren Gedanken ablenken konnte. Doch das sich vielleicht anbahnende Gespräch wurde jäh unterbrochen von einer Frau, bei der die ersten Wehen offenbar einsetzten. Scato interessierte das nur mäßig, sie hatte noch genügend Zeit, nach Hause zu kommen. Er selbst hatte seine Mutter geschlagene 26 Stunden gequält, ehe er sich endlich dazu bequemt hatte, ihren Körper zu verlassen. Hier konnte niemand helfen, das musste die Natur erledigen. Erst recht kein Soldat und der Sklave des Mannes war schon bei ihr. So schickte Scato nur ein Gebet zu Faunus empor und wandte sich dann dem älteren Herrn zu.


    "Passendes Datum für eine Geburt, wird sicher gut verlaufen." Zudem war hier ein Lupercus anwesend, der den Segen des Faunus in alle Richtungen strahlte. Wenn das nicht genügte, dann half gar nichts. "Was verschlägt dich hierher, wenn die Frage gestattet ist? Die Festlichkeit oder das schöne Wetter?"

    Über die Bemerkung musste Scato grinsen. "Die Wette gilt!" Konnte ja nicht so schwer sein, in einem Jahr zu lernen, 300 perfekt ausgeführte Liegestütze zu schaffen, wenn die anderen schon am Anfang der Ausbildung weit über 50 hinbekamen. Zumindest hörte sich dieses Ziel für ihn nicht unrealistisch an. Über den Wetteinsatz konnten sie ja morgen diskutieren.


    Er zog die Decke bis unters Kinn und schloss die Augen. "Schlaf auch gut, Lurco", sagte er und dann noch einmal lauter: "Nacht allerseits!", womit er versehentlich Tarpa wieder aufweckte, der sich stöhnend das Kissen auf den Kopf presste und einen Moment später schon wieder leise schnarchte.


    Zufrieden mit sich und der Welt schloss Scato die Augen. Trotz der Ganzkörperschmerzen war er nach dem heutigen Drill innerhalb von wenigen Minuten eingeschlafen.

    Lurco konnte es sich nicht verkneifen, mit seinen Muskeln anzugeben, indem er sich nackt und nur halb zugedeckt im Bett positionierte, als würde er für einen Maler posieren. Scato konnte es durch die beiden offenen Türen sehen, da ihr Doppelstockbett sich gegenüber der beiden hintereinander liegenden Eingänge befand.


    "Ja, EINE Liegestütze", verkündete Scato gekränkt von draußen herein. "In einem Monat sind das schon dreißig und in einem Jahr über 300. Das soll mir dann erstmal einer nachmachen!" Trotzig nahm er Liegestützposition ein. Seine malträtierten Arme zollten es mit einem scharfen Schmerz. Doch diesmal ging es nur um eine einzige Ausführung. So atmete Scato durch, formte mit Beinen und Rücken eine gerade Linie und fabrizierte einen einzigen, aber durchweg perfekten Liegestütz, bei dem er mit dem Kinn auf den Boden tippte, ohne sich abzulegen, ehe er sich wieder hochdrückte."SO", posaunte er, als er wieder aufstand.


    Er klopfte Hände und Füße ab, schenkte Lurco ein triumphierendes Grinsen und kletterte hinauf in sein Bett, wo er sich einkuschelte.