Beiträge von Sisenna Iunius Scato

    "Ditschen ist ein komisches Wort", fand Scato, während er eine abgerissene Ecke Brot in die Puls tunkte. "Klingt germanisch." Mit skeptischem Gesicht kaute er. Nach einigen Augenblicken erhellte sich seine Miene, als würde er eine göttliche Offenbarung erleben. Voll Genuss kaute und schluckte er das aufgeweichte Brot. "Deliziös! Leute, das müsst ihr probieren, AUFWACHEN JETZT, meine Güte!"


    Mit viel Murren und Stöhnen quälten sich die übrigen Kameraden nach und nach aus dem Bett. Einige zogen sich um, andere folgten Pullus auf die Latrine und der Rest quetschte sich mit seiner Ration zu ihnen an den winzigen Frühstückstisch.


    "Vielleicht wohnt auch die Familie von einem von uns hier in Roma und kann einen Topf entbehren?", sinnierte Asper, der sich wohl auf das Würfelspiel freute, so oft wie er Probe würfelte. "Was spielen wir überhaupt?"

    Oder vielleicht erstmal in der Mitte beginnen, mit dem Tepidarium? Scato konnte sich irgendwie nicht entscheiden. Roma war doch etwas komplexer als Mantua, dort war alles kleiner und die Entscheidungen waren Routine gewesen. Hier war alles neu ...


    ... bis auf den Sklaven, der da in aller Ruhe vorbeigepaddelt kam.


    Scato zog eine Braue hoch. Das war doch Tiberios! Nass wirkte sein Haar dunkler, aber der Bursche war markant genug, als dass sich sein Erscheinungsbild in Scatos Gedächtnis eingeprägt hatte. Als ihre Wege sich getrennt hatten, war das im Schlechten gewesen und der erste Reflex war, sich abzuwenden und woanders zu baden. Doch wenn er das jetzt tat, dann war die Chance, dieses Ende in ein Gutes zu verwandeln, vertan. Eine Ecke in Scatos krähte, dass der Sklave ja selber Schuld sei und seine, Scatos, eines aufrechten römischen Soldaten, Gegenwart überhaupt nicht verdiente, doch eine sanftere Ecke wünschte das nicht. Sie wünschte, dass sie wieder miteinander redeten wie vor dem Blinden Esel. Tiberios war es aufgrund seines Standes nicht möglich, ihn anzusprechen. Scato war es, der den ersten Schritt tun musste.


    "Na, auch hier?", fragte er freundlich, aber zurückhaltend, da er nicht wusste, ob der Sklave ihm eine Abfuhr verpassen würde.


    Auch Sklaven konnten bisweilen stur sein, in Mantua hatten sie da auch so ein Exemplar männlichen Geschlechts in seiner Familie gehabt, dass um seine Unersetzbarkeit gewusst und diese doch recht schamlos ausgenutzt hatte, ohne dabei aber so weit zu gehen, sich unbeliebt zu machen. Elegant war er um mögliche Fallstricke herummanövriert und war niemals offen frech gewesen. Es war seine Gerissenheit, mit der er sich seine ihm nicht zustehenden Privilegien ermogelt hatte. Eine Gerissenheit, der Tiberios in nichts nachstand. Noch war er jung und unbedarft, aber Scato war sicher, dass in dem Griechen weitaus mehr schlummerte, als er momentan ahnte.


    Scato beobachtete genau die Mimik des nassen Tiberios, während er auf die Antwort wartete.

    Da tagsüber die Ausbildung stattfand, konnte Scato erst mit Einbruch der Abenddämmerung aufbrechen. Über seine Tunika hatte er heute außer dem bei jedem Schritt klimpernden Cingulum, das er wie die meisten Soldaten in der Öffentlichkeit niemals ablegte, auch die warme Paenula auf dem Leib, denn es war doch recht frisch. Auf seinem Rücken trug er ein Bündel mit Wechselkleidung, sein Handtuch und etwas Proviant. Ob Lurco später nachkommen wollte, wusste Scato nicht, aber er hatte ihm Bescheid gegeben, wo er war. So oder so würde der heutige Abend ohne Alkohol stattfinden, das hatte Scato sich vorgenommen. Wenn er nur an das letzte Besäufnis dachte, wurde ihm schlecht. Inzwischen lag das allerdings schon einige Tage zurück.


    Der geplante Badeabend war ein längerer Ausflug, denn um in die Thermae Agrippe zu gelangen, musste Scato etwa römische 4 Meilen zu Fuß zurücklegen (und natürlich wieder die widerliche Subura durchqueren). Nach dem anstrengenden und wie immer sehr lauten Training genoss er den Spaziergang in seinem eigenen Tempo, während die Wintersonne hinter den Hausdächern versank und die Schatten sich streckten. Die Castra besaß eigene Thermen, aber Scato fand, wenn man in eine neue Stadt zog, dann sollte man sich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten ansehen, um die neue Heimat in all ihren Facetten kennenzulernen. Quietus hatte genau beschrieben, wie er dahin gelangen würde und hatte ihm auch ein wenig über die Thermen erzählt. Die Bäder von Agrippa waren die erste der großen Thermen der Stadt und auch das erste öffentliche Bad. Zunächst als Dampfbad genutzt, wurden die Becken später mithilfe eines eigens dafür dienenden Aquädukts mit Wasser aufgefüllt.


    Schon von außen sahen die Thermae Agrippae sehr schön aus:
    Thermae Aggrippae


    Für Scato besonders interessant war der künstliche See im Außengelände, genannt stagnum, der ebenfalls jüngeren Datums war. Der rechteckige See war größer als der gesamte Innenbereich der Anlage zusammen. Vielleicht würde er darin eine Runde drehen, auch wenn das Wasser um diese Jahreszeit noch eisig war. Ihm war danach.


    Im Unterschied zu manch anderen Thermen, waren diese hier kostenlos für die Gäste. Scato schloss sich der Schlange wartender Männer an, die ins Innere drängten. Frauen hatten um diese Zeit keinen Zutritt. Es ging recht zügig vorwärts, nur in der Umkleide gab es einen kleinen Stau. Eine markante Statue fiel dem wartenden Scato ins Auge. Ah ja, von der hatte ihm Quietus, das wandelnde Lexikon, auch erzählt. Apoxymenos von Lysippus war es, der die Gäste aus einem steinernen Antlitz nie weichender Jugend begrüßte, während er sich in vorbildlicher Manier mit einem strigil Staub und Schweiß vom Körper kratzte. Allerdings tat er es erst wieder, denn Kaiser Tiberios hatte einst die Statue des griechischen Athleten aus lauter Verzückung in seine privaten Gemächer verbringen lassen, sehr zum Ärger der Bevölkerung, doch nun war Apoxymenos wieder da.


    Und Scato überlegte, nunmehr in sein Handtuch gehüllt und in Badesandalen, welches der vielen Becken er als erstes aufsuchen sollte. Natürlich gab es eine vorgeschriebene korrekte Reihenfolge, aber an die hielt er sich selten. Eigentlich nie. Sollte er gleich mit dem Außengelände beginnen? Nachdenklich schlenderte er herum und sah sich alles an.

    << [Lupanar] Magnum Momentum


    Die wachhabenden Soldaten an der Porta Praetoria hörten Scato schon, bevor sie sahen, dass er quer über die Schultern seines Kameraden Lurco liegend nahte.


    "Roooooooooooma o Rooooooooooooooooma!"


    Den Text bekam er noch erstaunlich gut hin, selbst im volltrunkenen Zustand. Es war davon auszugehen, dass er das Lied schon ziemlich oft gesungen hatte:


    "Sit italica sua vis,
    nostrum munus patri Marti!
    Legio aeterna victrix!"


    Er klopfte auf Lurcos Rücken. "Mann, sing doch mal mit! Du singst Legio aeterna victrix und ich sing Roma, ja?"
    Ohne auf eine Antwort zu warte, grölte er weiter:


    "Roooooooooooma o Rooooooooooooooooma!


    Supra terram Britannorum
    volat aquila legionum!
    Legio aeterna victrix!


    Roooooooooooma o Rooooooooooooooooma!


    A ferventi aestuosa Libya
    volat aquila legionum
    supra terram Britannorum!"


    Als sie die Porta erreichten, sang er immer noch:


    "Roooooooooooma o Rooooooooooooooooma!"


    Sim-Off:

    Fiktives Marschlied der Römer: https://youtu.be/oHFAkn1GSDw

    Lurco war gezwungen, den volltrunkenen Scato zurück zur Castra Praetoria zu schleppen. Zu Lurcos Unglück funktionierten zwar die sonst so zuverlässigen Beine seines Kameraden nicht mehr, dafür sein Mundwerk umso besser, als Scato begann, aus voller Kehle von seiner erhobenen Position aus Lieder der Legio in die Nacht hinaus zu grölen. Die Kakophonie währte den ganzen Weg durch die Subura und am Blinden Esel vorbei. Als er den Alkoholgeruch aus der Taberna wahrnahm, musste Scato seinen Gesang unterbrechen, um zu kotzen, ehe er mit ungebrochenem Enthusiasmus weiter grölte. So ging es unter beträchtlichter Lärmbelästigung an der neuen Station vorbei, bis sie die Porta ihres Militärlagers erreichten.


    Porta Praetoria >>

    Scatos Mund wurde schmal. Lurco degradierte Scatos zuvor mühsam gegebene Erklärung zum Gladius, auf die er stolz gewesen war, zu einer Randnotiz, indem er einen nahezu perfekt ausformulierten Vortrag über das Pilum hielt, einschließlich korrekter Entfernungsangaben und Materialeigenschaften, die sonst wohl nur Gelehrte kannten. Lurco konnte einfach nicht anders, er musste am Ende immer der Beste sein und Scato zeigen, was für eine Niete er war!


    Streber, formten Scatos Lippen lautlos.

    So viel Fürsorge war Scato nun überhaupt nicht gewohnt. Aber es gefiel ihm, betüdelt zu werden, vor allem deutlich besser, als so brüsk daran zu erinnert werden, dass das alles nur ein Geschäft war. Das wollte er gern ausblenden. Er legte sich wieder etwas gemütlicher hin und schloss die Augen.


    "Schöner Plan", raunte er zufrieden, ohne die Augen zu öffnete. "Sssso 'nen Mini-Bacchus. Und Maro isn guter Mann. Sssu gut für die Welt." Das wollte er noch gesagt haben, bevor ihm der Kopf zur Seite sank und er einschlief. Zum Glück der beiden war Scato kein Schnarcher, nicht mal sturzbetrunken.

    "Als ob ich mich über dich ärgern könnte." Scato blinzelte Lurco freundlich zu, dann erhob er in einer Aufmerksamkeit heischenen Geste die Hand, um pathetisch zu sprechen: "Mag die ganze Welt auch unser Feind sein, in der Castra haben wir unsere Insel der Glückseligkeit. Hierher kehren die müden und verletzten Kameraden, um zu ruhen und zu genesen. Hier schwitzen wir, um draußen zu bluten. Wir leiden für andere, um Roma vor denen zu schützen, die seine Größe nicht erkennen und seine Güte nicht zu würdigen wissen, auch wenn es uns niemand dankt."


    Er senkte die Hand wieder und sprach normal weiter.


    "Jetzt mal ehrlich, Maro und Lepta werden auch nicht umsonst andauernd so eine Laune haben. Sie halten täglich ihren Kopf hin für andere und alles, was sie ernten, ist Gejammer und Beschwerden von trotteligen Bürgern und Peregrini und von Sklaven, die ihren Platz nicht kennen. Vielleicht sogar von Tirones, die nicht begriffen haben, worum es hier geht. Aber nicht von unserem Contubernium, nicht in dieser Baracke! Was interessiert es den Adler in seinem Horst, wenn draußen die Schafe blöken?"


    Ihn interessierte allerdings etwas anderes. Gebannt beobachtete er den Vorgang des Ditschens. "Was machst du da mit dem Brot?", fragte er interessiert. "Warum tunkst du es in die Puls?"


    Asper ließ sich nicht lange von Lurco bitten, er schlüpfte noch voller Schlaffalten im Gesicht und mit wirrem Haar zu ihnen an den Tisch. Wenigstens sahen sie alle drei gleich unmöglich aus. Er griff nach den Würfeln, probierte sie genau so aus wie Scato und schaute sich die Muster an. "Die sind schön gemacht, rollen ganz gleichmäßig. Ich bin einverstanden mit dem Plan, zu kochen. Das Ganze hat nur einen Haken. Wir haben einen Haufen kleine Töpfe, jeder besitzt einen, aber uns fehlt ein riesengroßer."

    Die Nennung kalter Zahlen holte Scato unsanft in die Realität zurück.


    Er wurde wieder etwas munterer und setzte sich noch etwas aufrechter hin. Lurco kehrte gerade zurück und machte einen zufriedenen Eindruck, während er selbst nun verunsichert dreinblickte. Die Preise galten nicht ihm, doch der Kontrast zwischen dem, was er fühlte und der Tatsache, dass das Ganze nur ein kaltes Geschäft war, war geradezu absurd. So als könnte man die Lupercalia in Geld aufwiegen.


    Zwischen den Beinen fühlte er sich leer, feucht und klebrig, irgendwie matschig. Noch leerer war sein Kopf. Das Gefühl war angenehm, aber es wurde gerade empfindlich gestört. Er wollte schlafen, er wollte es warm haben und nicht mehr aufstehen bis zum nächsten Morgen, stattdessen musste er sich Zahlen anhören und dann noch irgendwie den ganzen Weg durch die Subura nach Hause kommen. Der erholsame Effekt litt empfindlich darunter. Er schaute, ob noch Wein in seinem Kelch war, entdeckte einen großen Schluck und trank ihn aus.

    Scato war Wachs. Seine Wahrnehmung war noch ausreichend, um sich ein wenig darüber zu ärgern, dass er so betrunken war und er gleichzeitig verspürte er Dankbarkeit darüber, weil ein sanfter Schleier alle Wahrnehmung in die Gestalt eines Traumgespinst hüllte und die Intensität auf ein gnädiges Maß dämpfte. Anfangs noch auf Velia gerichtet, zog sein Empfinden sich zusehends in ihn selbst zurück, zwischen seine Beine vor allem, so dass er die Augen schloss, um es ganz zu spüren. Scato war nicht mehr hier. Als er ihre Lippen spürte, kehrte er noch einmal zurück, um keuchend einen Arm über seine Augen zu legen, da er fürchtete, seine Mimik würde gleich entgleisen, ehe er wieder hinabsank in die Tiefen seiner Seele. Er verließ diese Sphären, um sich zu transformieren. Als das Finale kam, leerte sich sein Körper genau so wie sein Kopf. Von Scato war nichts mehr übrig, er war ein Faun am Höhepunkt seiner Göttlichkeit.


    Eine Weile spürte er nichts mehr, war nur allein mit sich und der Großen Leere, ehe er wieder erwachte. Lange konnte er nicht weggetreten gewesen sein, da Velia noch immer neben ihm lag. Sehr langsam und mit einem müdem Lächeln drehte er sich ihr etwas entgegen. Ja, Scato konnte nicht nur grinsen, er konnte sogar lächeln, auch wenn das nicht sehr viele zu sehen bekamen.


    "War sehr gut", murmelte er.

    Es war nicht so, dass Scato noch in der Lage gewesen wäre, Gegenwehr zu leisten. Er lag ja ohnehin schon mehr, als dass er noch saß und dass er all die Zeit über trank, machte es nicht besser. Das Zittern hatte aufgehört, er bekam die Augen nur noch halb auf. Irgendwo am Rande seines Blickfeldes wurden Vorhänge angebracht, so dass es gemütlicher wurde.


    "... jungfräulich", bestätigte er leise, was er nüchtern niemals ausgesprochen hätte, nicht einmal in einer Situation wie dieser. Velia war nun nicht mehr so aufdringlich, sondern nahm sich seiner in einer Weise an, die ihm eher zusagte. Er versuchte, Velia zu betrachten, was nicht ganz einfach war, da er begann, alles dreifach zu sehen. Eine halbtransparente Kopie ihrer selbst schwebte je rechts und links neben der Lupa, vermischte sich mit der Originalen und löste sich wieder, während die Raumdecke sich langsam über ihnen drehte.

    Scato aß recht schnell die halbe Schüssel leer, dann schob er sie vorerst zur Seite.


    "Mein Liegestütztraining findest du nur so lange witzig, bis ich dich überhole. Wie viele schaffst du denn am Stück? Ja, so geweckt zu werden hat was. Ich glaube, so wurde ich noch nie geweckt. Dickes Danke an dich, du hast was gut bei mir. Ob ich gut geschlafen habe?", fragte er leise. "Erst nicht, dann ja. War wohl die Aufregung, die mich eine Weile wach gehalten hat. Die Nacht müsste später anfangen und später enden, damit man irgendwie noch zur Ruhe kommen kann." Er gönnte sich am frühen Morgen Wein, wenn auch nur wenig, schließlich wollte er auf dem Exerzierplatz einen klaren Kopf haben und nicht trunken herumwanken, das wäre lebensgefährlich für alle. Er nahm die Würfel zur Hand, die Lurco unterwegs gekauft hatte und warf sie zur Probe. "Rollen gut und sehen schick aus. Um was spielen wir?"


    Asper schnaufte und drehte sich mit dem Gesicht zu ihnen, als er das leise Poltern der rollenden Würfel hörte. "Morgen", grunzte er. Er legte sich bequemer hin, um sie zu beobachten, während Pullus aufstand, um als erster auf der Latrine zu verschwinden. Nach und nach wurden die meisten wach, noch bevor der offizielle Weckruf erklang. Die Aufregung überwog noch die Erschöpfung. Mit zunehmender Alltäglichkeit des Trainings würde sich das wohl relativieren.

    PPP - So lautete die neue Inschrift, die Scato beim gemütlichen Sitzen auf der gegenüberliegenden Wand entdeckte. Sie stand da schon eine ganze Weile und niemand hatte sich dafür interessiert, bis eine vertraute Handschrift sie entdeckte und kommentierte.


    Sie fragte: "Partizip Perfekt Passiv?"


    "Du schon wieder, Quietus?", rügte jemand vorwurfsvoll. "Irgendwann haben wir hier ein Latrinen-Lexikon wegen dir."


    "In tausend Jahren ist das vielleicht alles, was von uns noch übrig ist."


    "ROMA AETERNA!" Das hatte Scato selber ergänzt. Dass irgendwann nur noch die Latrinen übrig bleiben sollten, in denen irgendein Gelehrter herumwühlte, um ihre Inschriften zu entziffern, fand er keine motivierende Vorstellung und so hatte er versucht, die Moral wieder ein wenig zu heben.


    "Nix Partizip-Arschlecken. Das heißt Potitus Paccius Proximus", ereiferte sich ein anderer.


    "Ach ja? Und wer soll das sein?"


    "Na ICH! Ich habe mich da verewigt!"


    "Dann wissen wir, wer das nächste Mal die Wände streicht."


    "Ich war das nicht! Der echte PPP."

    Velia rettete den Rest von Scatos Würde, indem sie ihn auf eine Sitzgelegenheit zog. Artig ließ er sich mitschleifen, wobei es genau das ganz gut traf, da er aufgrund des mittlerweile nicht mehr ganz geringen Alkoholpegels die Füße schlurfen ließ, ehe er endlich saß. Unsicher angelte er nach der Amphore und schenkte sich selber nach.


    "Ihr seid wunderschön, allesamt. Ich binnnnur ..." Er sortierte seine zum Sprechen notwendige Muskulatur noch mal neu. "Ich bin nur neu. In dem Sektor." Er nickte. Diese Formulierung war in Ordnung. "Mein Freund da oben ist der Lurco. Netter Kerl, schwer anständig." Scato hatte vom Alkohol gerötete Wangen. Seine Worte waren noch recht deutlich, aber anhand der kürzer und plumper werdenden Sätze merkte man stark, dass er einen sitzen hatte. "Er wollte unbedingt ins Lupanar. Und ich musste mitkommen. Damit er's nicht merkt! Aber mirssssssssss ... Mir ist das su viel. Auf einmal." Ja, zu viel, er war überfordert. Was für eine nette Frau, sich so um ihn zu sorgen! "Ich guck mir das erstmal an und denk nach, ja?"

    "Sisenna Iunius Scato", gab er zu verstehen, erleichtert, dass sie endlich neben ihm saß. Das Herz schlug ihm bis zum Halse. Er war vollkommen überfordert und wischte sich den Angstschweiß von der Stirn. "Meine Wünsche sind gerade egal, weil heute eh nichts mehr bei mir läuft und ich will kein Geld verschwenden." Er schaute in die leere Weinschale. "Hör mal, ich will dir keinen Stress machen. Wenn es erlaubt ist, bleibe ich hier einfach auf der Schwelle sitzen, bis Lurco zurückkehrt. Und falls du gerade nichts zu tun hast und mir was Gutes tun möchtest, kannst du mir die Zeit mit einem Gespräch vertreiben. Wenn das nicht zu teuer ist. Mehr als 21 Sesterze darf es insgesamt nicht werden."


    Er war vermutlich der einzige Kunde, der je hierher kam, um zu reden.

    Die Dame hörte nicht auf, auf ihm herumzuklettern. Er drückte ihr die leere Weinschale nun schon fast ins Gesicht. "Meine Wünsche sind nicht ausgefallen, das war gelogen! Ich habe überhaupt keine Wünsche, ich will einfach hier sitzen und auf meinen Freund warten! Bitte, gib mir irgendein Gesöff, was mir die Birne wegpustet."

    "Nur Wein", wimmerte Scato verzweifelt, während Lurco sich mit dem angeblichen Manius verdrückte und Tiberios noch immer außer Sicht war.


    Stur blieb Scato auf der Türschwelle sitzen, die Schulter an den Rahmen gepresst, während die Dame auf ihm herumturnte und er es nicht über sich brachte, sie einfach herunter zu setzen. Er hatte keine Ahnung, was alles beinhaltete, er hatte von überhaupt nichts eine Ahnung! Er klammerte sich an seine Weinschale und trank sie in einem Zug aus, in der Hoffnung, dass ihn das zusammen mit dem halben Schädelbrecher von vorhin aus den Latschen haute.

    "Dir auch einen schönen Tag, Tiberios. Pass auf dich auf." Scato schenkte ihm einen letzten Blick, dann wurde er von dem freundschaftlichen Rempler von Lurco ins Stolpern gebracht. "Eh, du SACK!"


    Trotz des unschönen Verlaufs dieser Festlichkeit freute er sich auf die kommende Zeit. Der Abend mit Lurco und den Kameraden in der Baracke würde das Vergangene bald verblassen lassen, bis die heutigen Ereignisse nichts weiter waren als der Schatten einer Erinnerung, den man hervorholte, wenn man ihn benötigte und ansonsten tief in der letzten Rümpelhalde seines Geistes verstaute. Sie hatten sich heute nicht nur Freunde gemacht, das war Scato bewusst. Aber die Ordnung und die Sicherheit des Imperiums waren es wert gewesen. Opfer waren unumgänglich, auch persönliche. Und manch einer freute sich sicher insgeheim darüber, das endlich Ruhe herrschte, dessen war er sicher.


    Gemeinsam zogen sie von dannen, die Urbanici, die Luperci.

    Scato legte leicht den Kopf schräg. "Bedauerlich. Vielleicht wirst du dich in einigen Wochen an unsere Worte erinnern. Und auch daran, dass sie nie feindeslig waren, sondern wohlwollend und helfend, bis deine Freundin eine Feindschaft durch ihre Schmähung inszenierte. Ich denke, sie hat ihr Ziel erreicht. Der Keil wurde gesetzt." Er nickte Lurco zu. "Komm, Großer. Wir gehen zurück nach Hause."