Beiträge von Sisenna Iunius Scato

    Scato starrte sie einen Moment angewidert an. Er trug das cingulum militare der Soldaten, sie wusste, wen sie vor sich hatte. Offenbar gab es in dieser Stadt keine normalen Frauen, sondern nur vollkommene Idiotinnen, die ihren Herren und Männern absichtlich Schande bereiten wollten. Kein Wunder, dass das Militär immer guten Zulauf hatte und die Männer sich in den Lupanaren abreagierten, anstatt sich so was wie das hier anzutun. Wozu Zeit und Geld, am Ende noch Liebe vergeuden, um das zurückzubekommen? Das waren Perlen vor die Säue und eine wahre Sau hatte er hier vor sich.


    Die Lästerung der Götter war kein Bagatelldelikt oder gar nur eine Unverschämtheit. Sie war ein Verbrechen. Zum Glück dieser Sklavin war er außerdienstlich hier und zudem als Tiro noch nicht befugt, irgendetwas in Eigenmacht zu unternehmen. Sonst hätte die Sache freilich anders ausgesehen. So aber begnügte er sich damit, der Sklavin vor die Füße zu spucken und sich angeekelt abzuwenden, um anderswo nach einem Geschenk für seinen Kumpel zu suchen.


    Feriae Annae Perennae - Frühlingserwachen >>

    Scato hätte sich ernste Sorgen gemacht, wenn Maro nicht in wenigstens einem Satz auf irgendwen geschimpft hätte. Interessant wäre zu erleben, wie der Centurio reagierte, wenn er es mit kriminellen Halunken zu tun bekam. Entweder er potenzierte seine Schimpftiraden in so einem Fall noch, oder das Gegenteil geschah und er schimpfte überhaupt nicht mehr. Beides eine unheimliche Vorstellung.


    Der Schild war extrem schwer und der Gladius kaum angenehmer zu halten aufgrund der Hebelwirkung auf das Handgelenk. Die notwendigen Muskelgruppen wurden im Alltag in der Regel nicht weiter beansprucht. Die Übungsschilde und Übungswaffen wogen vermutlich auch noch deutlich mehr als die Echten. Scato drängelte sich an den Pfahl neben Lurco. Er schaute kurz, wie es die anderen machten und stach in das Holz. Autsch, die Erschütterung für die Knochen und Gelenke war nicht ohne. Dann hob er den Schild so hoch, dass er Deckung bot, was ein Kraftakt war. Er ließ ihn wieder sinken und stach ein weiteres Mal zu, diesmal nicht ganz so tief ins Holz, so dass der Schlag nicht dermaßen durch Mark und Bein ging. Die im ersten Moment recht banal erscheinende Übung hatte es in sich. Nach einigen Wiederholungen merkte Scato, wie die Trageriemen tief in seinen Arm schnitten, woran man sich auch erstmal gewöhnen musste.


    Die Ausbildung bestand vor allem daraus, auch unter Schmerzen und Erschöpfung zuverlässig zu funktionieren, das begann Scato zu begreifen. Es ging nicht nur um die Kampftechniken und das Wissen, sondern auch um pure Zähigkeit und eisernen Willen. Darum, trotzdem weiterzumachen, ganz gleich, wie dieses Trotzdem aussah. Die Ausbildung musste weh tun und vielleicht war das auch der Grund, warum Maro die Rekruten verbal so rund machte. Das mussten ihre künftigen Gegner erstmal toppen, ihre Beschimpfungsversuche würden an den angehenden Urbanern abperlen wie das Wasser von einer geölten Rüstung. Zumindest motivierte Scato sich mit dieser Annahme und biss sich weiter durch die Wiederholungen.

    << Die Taverne zum Blinden Esel


    Scato marschierte strammen Schrittes los in Richtung Südwesten. "Mann, mich bin echt auf das angeblich so gute Angebot da gespannt. Für die angedrohten Preise sollte sich das echt sehen lassen können."


    Vor allem war er gespannt, wen Lurco der Entjungferer wählen würde. Er hatte von einem ausgefallenen Geschmack gesprochen. Vielleicht mochte er dunkelhäutige Schönheiten? Oder im Gegenteil, weißblonde Germaninnen? Frauen mit dicken Hintern? Wobei, das wäre nichts Besonderes ... Grübelnd und torkelnd folgte er dem müllbedeckten Gehsteig neben der finsteren Straße, auf der um diese Zeit die Karren entlangpolterten. Da die Leute hier keine Scheiben in ihren Fenstern hatten, war der Schlaf sicher nicht sonderlich erholsam. Er hörte mindestens drei Babys weinen und zwei Streits durch die Fenster, irgendwer hämmerte. Die Subura stank nicht nur, sie war auch laut und hässlich. Glücklicherweise würden sie dieses Viertel bald durchquert haben, so riesig war es nun auch wieder nicht.

    "Deine Anwesenheit", witzelte Scato und klimperte mit den Wimpern. Lurco war ihm eindeutig zu neugierig. Im nächsten Moment schlug Scato ihm mit der Faust gegen den Oberarm. Es fühlte sich an wie der Schlag gegen eine Hauswand, so dass er sich selber nach hinten weg katapultierte und ein paar Meter durch die Gegend taumelte. "Alles gut", rief er noch immer fuchtelnd, während die Häuser sich um ihn drehten. "Das wird gleich wieder!" Und tatsächlich gelang es ihm, sich wieder zu fangen. "So! Alles bestens! Wir müssen durch die Subura, durch dieses Drecksloch. Wenigstens kann man dort gegen die Hauswände pinkeln, ohne dass es irgendwem auffällt. Oder einen Karren voller Latrinen-Aushub abladen, das macht keinen Unterschied! DA geht es lang!"


    Nächtliche Straßen >>

    Scato war erleichtert, dass er nun nicht für zusätzlichen Zwist zwischen Tiberios und Eireann gesorgt hatte, denn das Gegenteil wünschte er sich. Er wollte, dass sie vernünftig miteinander sprachen, anstatt die zermürbenden Spielchen zu spielen, denen er selbst ausgesetzt gewesen war. Er musste aber zugeben, dass Tiberios, was die Frauen betraf, zum Teil recht hatte. Wie sollten sie einem Mann klar und deutlich ihre Meinung sagen, wenn ihnen genau das nicht gestattet war? Hm, vielleicht, indem er es ihnen befahl? Aber genau in einem festgelegten Moment über den eigenen Schatten zu springen war sicher auch nicht so einfach.


    "Ich muss dir auch danken. Im Prinzip habe ich mir wohl gewünscht, dass Tucca und die anderen sich wie meine jetzigen Kameraden verhalten. Dass ich sie damit vielleicht überfordere, war mir nicht in den Sinn gekommen. Ja, das wird es sein, ich habe mir so was wie eine Kameradin erhofft und stattdessen ... so was bekommen.


    Auf der anderen Seite muss man auch bedenken, dass Tucca an meiner Seite ein gutes Leben gehabt hätte. Ich hätte für ihren Unterhalt gesorgt und für ihre Sicherheit. Sie wäre für den Hausstand verantwortlich gewesen und für die Kinder, ohne den Stress und die Gefahren, die überall da lauern, wo es Menschen gibt. All dem wäre nur ich ausgesetzt gewesen. Die übrige Zeit hätte sie sich ihrer Freizeit widmen und mit ihren Freundinnen in die Thermen oder auf den Markt gehen oder sonst was machen können. Ganz so schlecht haben unsere Frauen es auch nicht getroffen. Sie mit Sklaven zu vergleichen, finde ich etwas drastisch, Kinder sind ja auch nicht die Sklaven ihrer Eltern, nur weil sie unmündig sind. Das hat eher was mit Schutz zu tun. Aber der Grundgedanke ist eine Überlegung wert. Trotzdem weiß ich auch mit diesem Wissen nicht, ob ich mir das Theater nochmal antun will. Wobei, doch, ich weiß es. Die Antwort lautet Nein."


    Er grinste Tiberios ein wenig zu. "Danke für dein offenes Ohr und deine aufrechten Worte. Bist ein kluges Kerlchen und offenbar nicht nur, was dein Wissen um Sprachen betrifft. Komm, wir gehen mal schauen, ob Lurco schon aufgegessen hat, damit wir loskönnen." Damit bahnte er ihnen beiden einen Weg zurück.


    "LURCO", krähte er in der üblichen Raubeinmanier, damit niemand auf die Idee kam, dass das Gespräch dermaßen persönlich gewesen sein könnte, wie es gewesen war. "Wie steht`s?" Er grinste anzüglich bei dem Wortwitz. "Können wir?" Ihm war ein wenig schwindlig vom Schädelbrecher und die Konturen wirkten verwaschen. Der schien zu der Sorte zu gehören, dessen Wirkung nach und nach einsetzte. Nicht gut. Scato wünschte, er hätte doch nur Posca getrunken. Vermutlich würde er sich morgen zu Tode schämen für das Gespräch mit Tiberios.

    Die Nacht war kalt, aber der Alkohol in seiner Blutbahn verhinderte, dass Scato die Kälte spürte, obwohl er noch immer nur seinen Lendenschurz aus der abgezogenen Ziegenhaut trug. Scato hörte Tiberios zu, ohne ihn zu unterbrechen. Als dieser eine kurze Pause machte und ihn unsicher ansah, nickte der Urbaner, um ihm zu zeigen, dass er aufmerksam bei der Sache war und er ruhig fortfahren sollte.


    "Ich verstehe die Frauen nicht", korrigierte Scato am Ende Tiberios' Sicht. "Aber ich verstehe dich. Weil ich ganz ähnliches erlebt habe.


    Decria Tucca ist der Name des letzten Mädchens, das ich heiraten sollte. Ihr gingen zich andere voraus und immer lief es gleich. Das erste Kennenlernen im Kreise der Familie war in Ordnung. Als dann ein Treffen zu zweit arrangiert wurden, kippte die Stimmung. Tucca sagte das Eine und wünschte das Andere. Sie marschierte nach einem Streit mit erhobener Nase in ihr Gästequartier, knallte die Tür hinter sich zu und warf mir am nächsten Morgen vor, dass ich ihr nicht gefolgt war. Sie sagte mir, ich könne machen was ich will, ich sei ja künftig der Mann im Haus - und tat ich es, war sie mir böse. Warum, konnte sie mir aber auch nicht sagen, da sie nur weinte und wirres Zeug redete. Sie erwartete, dass ich hellsehen könne und nannte das Einfühlsamkeit. Da ich des Hellsehens aber nicht mächtig bin, meinte sie, ich würde mich nicht für sie interessieren. Womit sie auch recht hatte, da ich mich nur über sie ärgerte und sie mich langweilte.


    Ganz anders ist das mit den Kameraden bei den Cohortes Urbanae. Ihr Wort ist Gesetz, sie reden sehr präzise, besonders die alten Hasen und die Vorgesetzten. Den größten Fehler, den man da machen kann, ist zu versuchen, irgendeine zweite Bedeutungsebene in ihre Aussagen hinein zu interpretieren. Und weißt du, wie angenehm das ist? Wie herrlich effektiv Probleme gelöst oder verhindert werden können?


    Ein Beispiel. Ich frage Lurco, weil er komisch guckt: Ist alles in Ordnung? Er antwortet: Ja, ich bin nur müde. Und ich kann mich darauf verlassen, dass er wirklich müde ist. Aber frage ich Tucca das Gleiche und sie antwortet: Ja, ich bin nur müde. Dann kann sie entweder beleidigt sein oder sie ist tatsächlich müde. Was davon zutrifft, soll ich bitte erraten. Das war ein ewiges Ratespiel, das uns beide stresste, darum habe ich sie bei den Treffen irgendwann nur noch versetzt und bin lieber wandern gegangen. Da ich langsam an mir verzweifelte, wollte ich zum Militär, wegen des Heiratsverbots. Das war tatsächlich mein erster Beweggrund, inzwischen gehört da natürlich etwas mehr dazu. Ich dachte, ich sei einfach nicht fähig, Menschen zu verstehen. Aber die Kameraden verstehe ich komischerweise sehr gut. Dich auch. Nur die Frauen, die verstehe ich so wenig wie du, Tiberios. Und offen gestanden habe ich auch keine Lust mehr, es zu versuchen."


    Er schloss kurz die Augen und überlegte in seinem angetrunkenen Hirn, was er dem jungen Sklaven raten sollte, wo er selber doch vor diesen Problemen geflohen war. Wie hätte er sie anders lösen können? Sie waren unlösbar. Also versuchte er sein Bestes, um Tiberios vor dem gleichen seelischen Abgrund zu bewahren, in dem er sich befunden hatte, auch wenn man ihm davon heute nicht mehr viel anmerkte.


    "Eireann wünschte dir viel Spaß. Sie sagte, du solltest dich amüsieren. Dann tu das ohne schlechtes Gewissen. Mach nicht den gleichen Fehler wie ich und lass dich von einer Frau manipulieren. Sonst verlierst du dich eines Tages selbst, dann bleibt von dir ist nichts mehr übrig als ihr kuschender Diener, der sich müht, ihre unausgesprochenen Wünsche zu erraten. Das ist keine Liebe, Tiberios. Wenn sie nicht möchte, dass du ins Freudenhaus gehst, sollte sie genau das sagen und nicht das Gegenteil. Dieser andere Mann hat damit nichts zu tun, er ist für eine funktionierende Freundschaft oder auch Beziehung keine Gefahr. Niemand ist das. Alles andere zeigt nur, das etwas falsch läuft. Lass dich auf dieses Spiel nicht ein."


    Er legte kurz die Hand auf Tiberios' Schulter. Für Tiberios, der Eireann sehr zu mögen schien, war Scatos Sicht bestimmt keine leichte Kost. Scato wollte Tiberios nichts kaputt machen, aber auch nichts schönreden, da er nun einmal nach seiner ehrlichen Meinung gefragt worden war. Er hatte das Gefühl, dass der junge Grieche aufgrund seines freundlichen Wesens einen Weg einschlug, der Finsternis verhieß. Und für einen Lupercus, der das Leben und Lebensfreude bringen sollte, war das schmerzhaft.


    "Wenn ihr euch das nächste Mal trefft, dann rede mit ihr genau darüber. Aber nicht heute. Heute solltest du Spaß haben und deine Sorgen vergessen." Scato würde mitkommen. Seinen Plan, unterwegs zufällig umzufallen, verwarf er. Es würde sich schon eine andere Möglichkeit ergeben, den Ernstfall abzuwenden.

    Maro begrüßte die Rekruten am nächsten Morgen mit der ihm eigenen Art von Fürsorge. Sein Geschrei mochte für manch einen schwer zu ertragen sein, aber es sorgte auch dafür, dass sie alle nun munter und bei der Sache waren. Wer sich noch halb im Reich der Träume befunden hatte, hörte ihm nun aufmerksam zu. Wie befohlen buckelten sie Schild und Übungswaffe und gingen zu den Übungspfählen. Einige blickte dabei etwas nervös auf den drohenden Weinstock in Maros Hand, als er seine erste Frage stellte und waren dann erleichtert, dass es nicht sie erwischte.


    Scato aber freute sich über die an ihn gerichtete Frage. In der Praxis hatte er leider in vielen Disziplinen noch das Nachsehen gegenüber den besser trainierten Kameraden, doch da sein Vater bei der Legio I Trajana gedient hatte, war ihm über die Theorie einiges bekannt. Vielleicht hielt ihn Maro danach zumindest nicht mehr für einen völlig hoffnungslosen Fall.


    "Der Gladius ist ein kurzes Schwert und die Standardwaffe unserer Infanterie. Weil er so kurz ist, ist er ausgesprochen stabil und zudem bestens für den Kampf in engen Formationen geeignet. Weniger allerdings im Einzelkampf außerhalb geschlossener Formationen. Im Kampf wird der Gladius als Hieb- und Stichwaffe eingesetzt und zielt vor allem auf den Kopf und den Unterleib. Er schlägt schreckliche Wunden, er ist den Waffen der Barbaren weit überlegen." Er überlegte kurz. "Zu beachten ist, dass der Schutz am Griff des Gladius nicht als Parierstange gedacht ist, sondern nur verhindert, dass die Hand beim Stoß auf die Klinge rutscht. Für die Deckung dient der Schild. Getragen wird der Gladius an der rechten Seite, so dass das Ziehen nicht ganz einfach ist. Dafür kommt er sich aber nicht mit dem von der linken Hand gehaltenen Schild ins Gehege."

    Scato wechselte einen kurzen Blick mit Lurco, beziehungsweise versuchte es - der schaute gerade auf seine Pfannkuchen. So ergriff er die Gelegenheit beim Schopfe, das griechische Bürschchen einmal in anderer Atmosphäre kennenzulernen. Wirklich kannte man sich natürlich erst nach sehr langer Zeit, manchmal erst nach Jahren. Aber ein erster Schritt war nie verkehrt. Tiberios war jemand, bei dem Scato gern unter die Oberfläche schauen wollte, die man der Allgemeinheit im Alltag präsentierte. Er wollte gern den wirklichen Tiberios kennenlernen, der ein menschliches Juwel zu sein schien, genau wie Lurco. Es gab zu wenige gute Menschen, aber wenn er sie traf, dann wollte Scato gern seine Zeit mit ihnen verbringen und nicht mit den Idioten.


    Scato erhob sich, strauchelte und stützte sich rasch auf dem Tisch ab. "PUH, was für ein Gesöff! Kein Wunder dass Lurco auch was haben wollte, das ist echt gut. Komm mit vor die Tür, dann reden wir. Sind gleich wieder da, Lurci."


    Er tippte seinem Kumpel zum vorübergehenden Abschied auf die Schulter und geriet darob aus dem Gleichgewicht. Nach einigen Schritten des Herumeierns hatte er sich wieder gefangen. Er wartete, dass Tiberios zu ihm aufschloss, ehe er ihnen beiden einen Weg durch die in vielen Fällen sehr muskelbepackte und entsprechend für den kleinen Sklaven wohl einschüchternde Menschenmenge nach draußen bahnte. Scato hingegen fühlte sich nirgends so sicher wie umgeben von möglichst vielen Urbanici. Sie mochten bisweilen aussehen wie Schläger und nicht immer freundlich sein, aber sie waren diejenigen, die in der Stadt für Ordnung sorgten und nicht jene, die das Chaos verursachten. Ein Kamerad bat um seinen Segen, den Scato ihm mit einem kurzen Hieb schenkte, seinem Nebenmann ungefragt auch gleich mit. Rom brauchte mehr von diesen Männern.


    Nach einigen Minuten hatte Scato einen Weg nach draußen gebahnt, wo sie frische und kühle Nachtluft empfing. Er führte Tiberios in eine ruhige, dunkle Ecke, wo er sich rücklings an die Wand lehnte, damit er nicht wankte. Zudem war es immer gut, den Rücken gedeckt zu haben. Ohne dass Tiberios es vermutlich merkte, spähte Scato an diesem vorbei in die nächtliche Stadt und deckte so auch dessen Rücken.


    "Was liegt dir auf dem Herzen?", fragte Scato freundlich und leiser als sonst. "Du guckst irgendwie komisch. Wegen dem Geld, da mach dir mal keine Sorgen. Du bist natürlich eingeladen."

    Scato konnte wohl von Glück reden, dass seine Frisur noch nach vorn zeigte, nachdem er so angefaucht worden war. Gedanklich verteilte er einen weiteren Pluspunkt auf der Liste, die für einen gebildeten und kultivierten Scriba hinter dem Schanktresen der Taberna sprach, die er mit Lurco irgendwann zu eröffnen gedachte. Er beäugte die Dame, während sie sprach. Wartend, skeptisch. Andererseits sollte er von einer Sklavin, die von sonstwoher stammen konnte und im ungünstigsten Fall frisch irgendwo gefangen worden war, wohl auch kein Verständnis für die einheimische Kultur erwarten oder irgendwelchen Benimm.


    "Der Kult der Luperci ist sehr alt und sehr ehrwürdig", sagte er für ihn untypisch ruhig. "Er bedeutet uns viel und ohne unsere zahlreichen und effektiven Götterkulte wäre Rom heute nicht da, wo es ist. Der Lauf mag verrückt erscheinen, aber er bringt den Menschen Freude und den Segen des Faunus unter das Volk. Ich glaube, auch dich hat er zumindest gut unterhalten." Er schenkte ihr ein kaum wahrnehmbares Schmunzeln, als sie ihn um seine Hilfe bat. Na da war sie an der richtigen Adresse. Er hatte von so was überhaupt keine Ahnung. "Na dann, auf eigene Verantwortung. Zieh die Glitzerdinger an und ich schaue! Dafür hilfst du mir danach bei der Auswahl eines Geschenks, ja?"

    "Eben, du wirst noch krank. Gestaute Säfte und so, besonders nach so einer Segnung. Da gab es doch diese Lehre von den Säften im Körper, ich glaube das waren sogar die Griechen, die das erkannt haben! Wenn Eireann dich mag, wird sie nicht wollen, dass du krank wirst."


    Scato nahm sich mit den Fingern einen Pfannkuchen von Lurcos Teller, rollte ihn zusammen und aß ihn mit drei Bissen. Danach machte er sich über den Schädelbrecher her, der vielversprechend scharf roch und in den Augen brannte wie Zwiebeln. "Na dann! Auf die Fruchbarkeit!" Er berührte seinen unzüchtigen Anhänger, rühte mit den selben Fingern einmal um und schüttete dann die Hälfte auf einmal herunter. Danach musste er absetzen. Sein Kopf war rot, seine Augen trännten und er keuchte. "Was für ein Getränk", lobte er. Gleich würde er selig schlafen und sehr komfortabel sein Gesicht wahren. Gewusst wie! Er griff erneut nach dem Glas.

    In Gesellschaft war Scato ein bisweilen schwer zu ertragender Schreihals. Mancher vermutete, als sei er gar nicht in der Lage, still und leise aufzutreten, doch der Eindruck täuschte. War er allein, bemerkte man ihn kaum und seine nachdenkliche Seite kam zum Vorschein. Etwas verloren wirkend in der Menschenmenge stand er grübelnd vor der Auslage eines Händlers, der Schmuck feilbot. Gedankenverloren spielte er an dem unzüchtigen Anhänger um seinen Hals. Über das Geschenk hatte er sich gefreut, solche freundlichen Gesten waren selten. Er wollte Lurco das Geschenk gern erwidern. Nur wie? Der meiste Schmuck wirkte zu weibisch, so konnte er keinen Kameraden herumlaufen lassen. Irgendein Ring mit eingravierter Glücksformel vielleicht? Der ihn schützte im Einsatz? Stören durfte das Schmuckstück keinesfalls, also nicht zu klobig sein und ganz eng anliegen musste es ...


    Während seine Augen über die Schmuckstücke streiften, schob sich flink eine Hand in sein Blickfeld. Scatos markante Brauen hoben sich ein wenig, als er sich dem zu der Hand gehörigen Menschen zuwandte. Ihr Unterarm versperrte die Sicht auf den Ring, den er gerade anschauen wollte. Sie sah der Kleidung nach auch nicht aus, als würde sie sich Silberschmuck leisten können. Nicht, dass das zwangsläufig etwas heißen musste, die huschende Bewegung der Hand war es gewesen, die seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Der angehende Urbaner in ihm verteilte flugs das Prädikat verdächtig. Irgendwie kam ihm das Gesicht der Frau bekannt vor. Sah aus wie eine Sklavin ... das Mädchen von Tiberios war es nicht ... da fiel es ihm ein.


    "ACH, wir kennen uns doch! Von den Lupercalia. Da war ich allerdings etwas blutverschmierter als heute. Die Ohrringe sind für deine Herrin, nicht wahr? Sehen gut aus, so weit ich das beurteilen kann. Kennst du dich mit Schmuck aus? Ich nicht. Ich bräuchte dringend eine Beratung. Ich bin übrigens Scato", quasselte er los, als sei ein Stöpsel gezogen worden.

    Danke, Norius Carbo! :dafuer:


    Die Belohnungen für die Aufträge orientieren sich scheinbar am Standardpreis. Wenn der Warenpreis darüber liegt, ist das für Neulinge in der WiSim mit ihren Miniaufträgen allerdings leider ein Nullgeschäft oder sogar Negativgeschäft, ich hab die Malerfarben aber trotzdem gekauft, da ich deine schnelle Reaktion freundlich fand. ;)

    << Im Warmwasserbecken


    Sauber, aufgewärmt, entspannt und nach einem zweiten Klogang nunmehr frei von Bauchschmerzen, trudelte Scato kurz nach Lurco in ihrem zu Hause ein. Ein Bild der Gemütlichkeit ergab sich. Es duftete nach essen und die Kameraden machten sich gerade bettfertig, zwei hatten sich schon zur Wand gedreht und schienen zu schlafen. Beim Herd klimperte leise Tarpa mit dem Geschirr. Maro schonte niemanden und alle waren sehr erschöpft. Bald würden sie Muskeln aus Stahl haben oder tot sein.


    "Meine Liegestütze!" Scato schlug sich an die Stirn. "Das muss noch sein. Wie muss ich das üben? Jeden Tag einen mehr?"


    Rasch wusch er noch seine dreckige Tunika in einer Wasserschale und hängte sie draußen zum Trocknen auf, genau wie die Caligae, ehe er unter dem Vordach noch ein paar windschiefe Liegestütze versuchte. Drinnen wollte er die Kameraden nicht stören und der Platz auf dem Fußboden war sehr begrenzt.

    "Vernünftige Argumente. Dann also ein Luxussklave, aber nur einer. Wir fragen einfach mal, ob er zu verkaufen ist und fangen schon mal an zu sparen", gähnte Scato. "So ein kluges Köpfchen wäre auf jeden Fall ein interessanterer Gesprächspartner als eine Hohlbirne. Falls man mal mit seinem Sklaven mal reden will. Soll ja vorkommen." Damit spielte er auf ihre Begegnung im Blinden Esel an, bei der die beiden angehenden Urbanici mit den Sklaven geplaudert hatten. Tiberios war ein unterhaltsamer kleiner Kerl gewesen, während seine Begleiterin, wie es sich für eine Frau ziemte, die Männer hatte reden lassen, außer, wenn man sie direkt ansprach.


    Scato und Lurco kehrten zurück zur Umkleide. In weiser Voraussicht hatte Scato sich eine frische Tunika mitgenommen. Sie besaßen ja nur zwei und er zog sich nach der Reinigung die saubere zum Schlafen an, die er morgen zur Ausbildung gleich anlassen würde, während die andere dann noch eingeweicht werden würde und tagsüber trocknen konnte. So trug er beide immer im Wechsel. Den Klogang hatte Lurco nicht vergessen, unerbittlich schickte er ihn noch einmal auf die eiskalte Latrine, ehe sie in der Baracke VII zur Ruhe kamen.

    Scato glotzte die Münze an. Er hätte die Einladung im Gegensatz zu Lurco nicht angenommen. Es schien Tiberios zwar wichtig zu sein, aber er war nun mal nur ein Sklave, wenn auch ein teurer, wie oft kam der an Silber? Allerdings würde Scato seinem Kumpel nicht in der Öffentlichkeit widersprechen. Da erhellte sich auf einmal seine Miene. Er würde sich schlicht und ergreifend bei Tiberios revanchieren für die Einladung.


    "Sagt mal, habt ihr zwei Hübschen nicht Lust, uns ins Lupanar zu begleiten? Um anzutesten, ob der Segen schon wirkt?" Er ließ die Augenbrauen vielsagend hüpfen. Je mehr sie waren, umso langsamer kamen sie voran. Und letztlich zählte ja vor allem die Geste, dass er ihnen die Ausgabe hatte vergelten wollen. "Der nette Wirt versprach Rabatt und es wäre doch ein Jammer, wenn nur Lurco und ich etwas davon hätten. Je mehr wir sind, umso mehr sparen wir. In deinem Alter sollte man nicht mehr wie eine Vestalin leben müssen." Tiberios war noch jünger als er selbst und Scato konnte keine drei Frauen aus seiner Jugendzeit vorweisen, aber das ließ er gekonnt unter den Tisch fallen.


    "Ach so, wir haben uns ja noch gar nicht vorgestellt. Der Muskelprotz hier ist Manius Purgitius Lurco und ich bin Sisenna Iunius Scato. Wie mein Freund und Kamerad schon sagte, wir sind Tirones bei den Cohortes Urbanae und Sodalis bei den Luperci, aber keine Priester. Netterweise hat uns unser Centurio Ausgang für diesen Tag gewährt. Mit dem haben wir echt Glück."

    Scato grinste schadenfroh, als sein Kamerad den Anschiss kassierte. Der perfekte Lurco hatte etwas verpatzt! Das zu sehen, tat einer niederträchtigen Ecke seines Geistes gut, auch wenn er Lurco ansonsten mochte. Das Grinsen verging Scato jäh, als Maro sie in der Konsequenz für Lurcos Fehler weitere Liegestütze machen ließ, und zwar samt und sonders. Keine Kniebeuge, keine Rumpfbeuge, nein, weitere Liegestütze. Nur Lurco durfte rennen. Während Lurco frohen Mutes und selbst nach dem Anschiss noch zufrieden dreinblickend seine Runden trabte, schwitzte Scato Blut und Wasser. Wie lang konnten eigentlich fünf Runden sein? Die Liegestütze waren kaum als solche zu identifizieren und Scato kam nicht ohne weitere Bauchlandungen aus. Wenigstens war der Kontrast zu den übrigen Kameraden nicht mehr so ausgeprägt, von denen inzwischen einige Mühe hatten, die Übungen noch sauber auszuführen. Wie sollte Scato diesen Tag nur überleben?! Er würde sterben, einfach tot umfallen!


    Als Lurco sich endlich wieder einfand, zwar etwas wackelig auf den Beinen, aber immer noch mit diesem unverschämt zufriedenen Gesicht, sah Scato aus, als hätte man versucht, ihn hinter einem Pferd zu Tode zu schleifen. Er war nicht mehr nur schweißnass und rot, sondern auch von oben bis unten mit Exerzierplatzdreck beschmutzt und blickte ausgesprochen biestig drein.

    "Von meiner Seite aus ist das alles. Magnum Momentum? Also so eine Rabattaktion würde mich schon reizen, ich bin ziemlich abgebrannt, der erste Sold steht noch aus. Und wenn du das so empfehlen kannst, wird das seinen Grund haben. Ich hoffe, deine Freundinnen sind gut darin, die Bedürfnisse ihrer Kunden quasi von den Lippen abzulesen und dann das Entsprechende zu empfehlen. Nicht jeder gibt sich mit Durchschnittsangeboten zufrieden. Manch einer schätzt das Besondere", laberte er so großkotzig, als würde er mit Gold zahlen. "Probieren wir es einfach aus!" Hoffentlich lag das Lupanar am anderen Ende der Stadt. "Wie kommen wir von hier aus da hin?", fragte er unschuldig.


    "Und Scriba ist der Tiberios!" Scato pfiff anerkennend. "Und dann sitzt du hier so rum?" Er klatschte mit der Hand auf den Tisch. "Na, wo auch sonst, du bist ja hier in hervorragender Gesellschaft!" Er grinste so breit, dass jeder ahnen konnte, dass er damit sich meinte, was allerdings nicht Ernst gemeint war. An manchen Tagen konnte Scato sich ja nicht einmal selbst ertragen und ging sich selber auf den Keks. Heute allerdings war er guter Dinge und die Sache mit dem Lupanar kriegten sie schon auch irgendwie über die Bühne, wenn der Schädelbrecher erst einmal auf dem Tisch stand. Danach würde er selig schlummern und Lurco durfte ihn zurück in die Castra buckeln.