Beiträge von Sisenna Iunius Scato

    Das Gehör war also in Ordnung. Scato wartete, bis Carus so weit war. Hätte er gewusst, wie unwohl sich dieser fühlte, hätte er empfohlen, dass dieser sich solchen Situationen in Zukunft absichtlich auszusetzen hatte, mit einer leckeren Lukanerwurst in der Hand, bis er dagegen abgestumpft sei. So aber würde dessen Ausbilder die Macken allein herausfinden und abschleifen müssen. Er hob die Hand und zeigte nacheinander fünf, drei und vier Finger.

    Scato lag tatenlos im Bett und ruhte. Als Lurco dazukam, öffnete er vorwurfsvoll dreinblickend die Augen. "Was sitzt du da in weiter Ferne? Ist unser Ofen schon aus? Leg dich gefälligst zu mir." Er zog Lurco an der Tunika an seine Seite, baute aus dessen Armen eine Umarmung und kuschelte sich bei ihm ein.


    "Also die Zwiebel ist der vorbildliche große Bruder, der gern liest, nie Ärger macht und einfach ein netter Kerl ist. Das Problemkind war ich und mein Lieblingsopfer unser Jüngster. Der Große ist lieb. Mach dir um Caepio keine Sorgen. Sei einfach nett zu ihm und quatsche ihn nicht voll, wenn er gerade liest, dann ist er glücklich."

    Scato fiel auf, dass er im Arbeitseifer versunken vergessen hatte, die Frage nach dem Masseur zu beantworten. Das tat er nun , während Merula seine Kniebeuge absolvierte.


    "Masseure gibt es in den öffentlichen Thermen. Die sind für dich als Tiro tabu, da du deine Einheit am Anfang nicht verlassen darfst. Es gibt also folgende Möglichkeiten: Erstens, du fragst einen deiner neuen Kameraden und bietest ihm dafür irgendeine Gefälligkeit zum Tausch. Für Geld macht man das untereinander eher weniger, putz dafür nach dem Dienst seine Rüstung oder so. Später hat dann jede Einheit einen eigenen Capsarius, der wäre dann zuständig, aber noch muss es anders gehen. Oft kristallisiert sich allerdings schon recht früh jemand heraus, der sich dafür interessiert und der wird dir dann helfen. Sag dazu, dass ich es so verordnet habe, da sollte sich schon wer finden, der sich in der Richtung beweisen möchte. Zweitens, falls du wider Erwarten niemanden findest, weil du in ein Contubernium kleingeistiger Faulpelze geraten bist, kommst du ins Valetudinarium und wirst hier von fachkundigen Händen zurechtgeknetet. Das notwendige Rezept bekommst du von mir. Melde dich einfach noch mal, falls niemand dich tatsächlich massieren will. Manche haben sich da albern."


    Verächtlich rümpfte er die Nase. Er registrierte die gleichmäßigen Kniebeugen des Probanten, die ihn wieder mit der Welt versöhnten. "Stopp, hör auf." Scato fuchtelte einmal. "Jetzt stell dich da hinten an die Wand."


    Scato schloss die Fensterläden und löschte die Öllampen, so dass nur das Kohlebecken glomm. Die Lichtverhältnisse waren nun ziemlich schlecht. Außerdem stank es nach dem Qualm der gelöschten Flammen. Miasma, stellte er entsetzt fest und wünschte sich, zu lüften, doch das musste noch warten. Er stellte sich an das andere Ende des Raumes in den Schatten. Dann flüsterte er so leise, dass es nur für gute Ohren verständlich sein würde:


    "Ich werde dir jetzt einige Finger zeigen und du sagst mir jeweils, wie viele es sind. Verstanden?"

    Scato freute sich über das breite Kreuz und die generell gute Bemuskelung von Carus. Trotz der leichten Assymetrie machte er einen tüchtigen Eindruck und Scato wünschte, es würde weniger Hänflinge und mehr Leute mit so vortrefflicher körperlicher Eignung hier aufkreuzen.


    "Stopp! Aufstehen, das Gleiche noch mal mit Kniebeugen." Scato wartete, bis der Probant so weit war und griff nach einer zweiten Sanduhr, damit er die erste nicht erst zurück rieseln lassen musste. Er drehte sie um. "Los!"


    Er hatte keine Zweifel daran, dass auch die Kniebeuge solide erfolgen würden. Was ihm Sorgen bereitete, war das leichte Schielen ...

    "Na, dann kennst du dich ja hier schon aus, das kann ganz praktisch sein Dienst. Ich musste mich umgewöhnen von Mantua, was ein kleines Kaff ist gegen Roma. Sie haben mich hier ausgelacht, als ich sagte, Mantua sei eine Stadt." Er machte es sich hinter dem Schreibtisch bequem, wartete, während der Mensch sich umzog, und griff dann nach der Sanduhr. "Begib dich in Liegestützposition. Sobald ich das Signal gebe, machst du so viele Liegestütze, wie du schaffst, bis ich Stopp sage. Ordentliche, das Kinn auf den Boden tippen, sonst zähle ich nicht." Er wartete, bis Carus sich in Position begeben hatte, drehte die Sanduhr um und sagte: "Los."

    "Du bist entsetzlich verspannt", stellte Scato klar. "Völlig steif, da muss mal einer mit viel Kraft ran. Lass dich künftig in den Thermen regelmäßig kneten und such dir dafür bitte keine zarten Griechen als Masseure aus, sondern irgendeine wandelnde Schrankwand. So einen richtigen Brecher. Das muss wehtun, damit es hilft. Wenn dir vor Schmerzen der Schweiß läuft, ist alles richtig. Wenn du dabei einschläfst, läuft was falsch."


    Er nutzte die Gelegenheit, auch die Wirbelsäule und die Ausrichtung des Beckenknochens zu befühlen. Alle Gelenke, jedes Einzelne, vom Kopf über die Beine bis in die Fingerspitzen, wurde auf Funktionsfähigkeit überprüft und die Art des Knackens darin belauscht, sofern es irgendwo knackte. Doch das war alles zu Scatos Zufriedenheit. Scato schaute sich danach die Zunge und die Zähne an - passabel - und blickte in den Rachen, die Ohren und die Augen. Bei der Gelegenheit tastete er noch nach Verdickungen unter den Ohren oder Achseln, ebenso befühlte er den Kehlkopf.


    "Woher kommst du? Aus Roma?"


    Auch eine kritische Untersuchung zwischen seinen Beinen musste der Bewerber sich gefallen lassen. Dann war Scato mit dem, was die meisten Bewerber fürchteten, fertig.


    "So. Kannst dich wieder anziehen." Scato ging sich derweil die Hände waschen.

    Scato verschaffte sich erst einmal einen visuellen Gesamteindruck. Erfreut registrierte er die stattliche Körpergröße und gute Bemuskelung. Wer so aussah, konnte sich oft schon allein durch sein Auftreten Respekt verschaffen. Kleinere und zartere Gestalten hatten es da schwerer. Den leichten Silberblick bemerkte er, dem würde er sich später widmen. Zunächst galt es andere Dinge zu untersuchen.


    "Gerade stehen", bat er und griff in Carus´ Hände. Er zog an beiden gleichermaßen und schaute sich dann noch einmal die Fingerspitzen an. Er umrundete den Probanten, achtete darauf, dass dessen Füße parallel standen und drückte ihm die Schultern und den Rücken zurecht und ging dann wieder nach vorn, um ihm die Hände erneut auszurichten. Ein Arm war deutlich kürzer als der andere. Das allein war kein Problem. Die damit zusammenhängenden Beschwerden konnten jedoch eins werden. Vielleicht eine Entwicklungsverzögerung des einen Armes aufgrund der Narbe am Nacken? Aufgrund einer Mangelversorgung? Das musste er in jedem Fall genauer untersuchen.


    "Kannst die Arme wieder sinken lassen." Er trat erneut hinter den Mann und betastete gründlich die Muskulatur des Halses, des Nackens und der Schultern, auch die des Rückens. "Wie und wann hast du dir die Narbe zugezogen? Macht sie dir Beschwerden?", fragte er, während er prüfend mit den Fingern abwechselnd hier und da sein Fleisch eindrückte. Es fühlte sich fast an wie eine Massage, ein Eindruck, der nicht von ungefähr kam, denn auch bei einer Massage prüfte der Masseur unentwegt die Beschaffenheit des Gewebes, das er da gerade bearbeitete.

    Ich hoffe auch, bald wieder von euch beiden zu lesen! Wäre schade, wenn die Villa Duccia wieder verwaisen würde.


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    Morgen und übermorgen bin ich dienstlich sehr lange unterwegs. Fest ist erst ab Sonntag wieder mit mir zu rechnen.

    Langweilig wurde es in seinem Officium nie. Scato sah auf, legte die Unterlagen beiseite, an denen er gerade gearbeitet hatte und griff nach der gereichten Tabula.


    Grässliche Tabellen mit vielen Zahlen auf seinem Schreibtisch deuteten darauf hin, dass er gerade schaute, wo sich ohne Schaden Geld einsparen ließ, um es anderweitig verwenden zu können. Allerdings hatten sich an dieser Optimierung schon etliche Generationen von Vorgängern versucht und viel war nicht herauszuholen. Es wurde ja prinzipiell an allem gegeizt und jeder Nagel musste genehmigt werden. Wobei es den Milites im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen wirklich gut ging. Trotzdem ging immer noch mehr und Scato hätte für die Patienten und Personal gern einen abwechslungsreicheren Grundspeiseplan im Sinne der Säftelehre, nicht erst dann, wenn jemand schon erkrankt war und eine angepasste Diät verschrieben bekommen musste.


    "Salve, Sempronius Carus. Bitte einmal vollständig ausziehen und eventuellen Schmuck ablegen. Die Schuhe auch. Die Kleider kannst du dort auf den Stuhl legen."


    Er legte nach einem kurzen Blick auch diese Tabula hin, stand auf und wusch sich die Hände an einer Waschschüssel.

    Scato war nicht dazu gekommen, etwas zum Besten zu geben, worüber er nicht böse war. Es konnte angenehm sein, nur zuzuhören, was andere sagten.


    Er und die Männer aus dem Valetudinarium hatten ihre eigene Art von Stolz , der sich in einigen Nuancen von dem der kämpfenden Truppe unterschied. Zwar gab es zwischen den Bereichen Überschneidungen, wie die Capsarii der Contubernia, doch viele Capsarii und Milites medici identifizierten sich stärker mit dem medizinischen Dienst als dem Dienst an der Waffe. Auch er selbst bildete keine Ausnahme. Das Valetudinarium zu verwalten, mit allem, was darin lebte, gab ihm das befriedigende Gefühl, den Menschen darin etwas Gutes zu tun. Diese Verpflichtung traf zwar auch auf die Urbaner an der Waffe zu, doch erfolgte das Gute in deren Fall über den Weg des Blutes. Es kam darauf an, wofür man gemacht war. Scatos Weg war jener der Heilung. Sein Wort galt, wenn die Schwerter schwiegen.


    Mitsamt des übrigen medizinischen Personals verließ er geordnet den Campus. Ein Gefühl von Frieden überkam ihn, während der Winterwind seinen weißen Helmbusch zerzauste und ein paar Flocken sich auf den Panzern der Männer niederließen, als wollten die Götter sie sacht grüßen.

    Schön, dass das Amphitheater noch beschrieben werden konnte, bevor der Bau fortgesetzt wurde. Aber irgendwie tut es mir trotzdem ein bisschen leid, dass man es wieder zugeschüttet hat. Hier im Elbsandsteingebirge haben wir haufenweise offenliegende Ruinen und die Reste davon, auf denen jeder herumklettert, viele davon Anlagen von Raubrittern.


    <- Mag in der Gegend herumstehende alte Steine.