Lurco hörte Stilo aufmerksam zu und trank dabei in Ruhe seinen Wein. Seinem Groll Worte verleihen zu können und seinen Unmut darlegen zu dürfen, war Balsam für die Seele. Zumal Stilo sich nicht in desinteressierten Beschwichtigungen verlor, sondern interessiert zuhörte und die Situation aus seiner Sicht erläuterte. Mehr noch, er zeigte Lurco den Weg auf, der vor ihm lag und welcher Weg noch vor ihm liegen konnte und sicher auch würde.
"Mit diesem Mann habe ich keine Fehde, was natürlich nicht heißt, dass er mir keine ausgesprochen hat. Weshalb auch immer. Möglicherweise nur, weil er seinen Vorzimmermitarbeiter befördert wissen möchte. Kurzum, er lobt überschwänglich wo Mittelmaß herrscht und zerredet Fleiß. In seinen Augen habe ich mich so betrachtet sehr wohl eines Vergehens schuldig gemacht. Ich habe den Schnitt zerstört. Sind 18 Berichte von mir und 2 von Frugi, so muss man sich doch fragen, was hat Frugi den ganzen lieben langen Tag während des Dienstes getan? Berichte geschrieben? Sicher nicht. Ermittlungen geführt und noch nicht verschriftlicht? Davon wüsste ich.
Also was macht dieser Mann außer die Topfpflanzen von unserem Praefectus die Blätter zu halten, während der Dienstzeit?
Es interessiert uns nicht Stilo. Nur soll die Beurteilung gerecht ausfallen. Wird sie aber nicht, denn wäre die Beurteilung gerecht, gibt es keine Beförderung für Frugi, aber für mich schon.
Möchte sich der Praefectus nachsagen lassen, jemanden zu befördern, der den lieben langen Tag die Arbeitszeit absitzt? Nein.
Es könnte jemanden geben der über ihm sitzt und sich dann fragt, weshalb ein Praefectus derartigen Müßiggang nicht nur duldet, sondern auch deckt. Weshalb dieser Mann nicht dafür sorgt, dass die Cohortes Urbanae funktioniert und reibungslos läuft. Weshalb er nicht motiviert, sondern ausbremst.
Und bedenke bitte eines, jemand der Dir nach dem Mund redet, ist sehr bequem. Deine Welt ist rund. Aber sie ist auch eine Illusion.
Personen wie ich sind unbequem, jeder der Dich aus Deiner Komfortzone zieht, ist unbequem. Aber Stilo nur jenseits der Komfortzone findest Du Wissen und wirst wachsen.
Das dort ist ein abgekartertes Spiel. Und nebenbei bemerkt, es gibt Dinge die sich auch ein Praefectus besser nicht leisten sollte. Natürlich kann er mich auf einen Einsatz schicken, der mich das Leben kostet. Benenne ich es doch mal beim Namen Stilo. Es gab 25 Krähen die übrig geblieben sind. Krähen die versucht haben unsere Kameraden zu töten. Und zum Teil haben sie es auch geschafft. Ich habe sie im Namen von Ultor geholt Stilo. Ich. An meiner Seite? Ein Peregrinus, der mehr Sorge und Anstand im Leib hatte, als so mancher Urbaner. Und mehr Kampfgeist.
Wo waren da die Ziele und die hochtrabenden Worte? Weißt Du ein Mann hat mich dafür ausgezeichnet, wohlwissend um die Tat auch ohne Worte.
Der andere hat mich dafür bestraft. Degradiert.
Ich sollte nicht weiter in diese Richtung denken als Ermittler oder?
Besser nicht, denn die Gedanken nehmen keine gute Wendung.
Die Sache wurde besprochen und aufgearbeitet. Zuerst war es hochinteressant für unseren Praefectus. Schlagartig war es dann auf einmal uninteressant. Eine Sache von gestern, man muss loslassen können. Die Vergangenheit abstreifen.
Stimmt, Du hast Recht... abstreifen, Schlangen häuten sich ja bekannterweise.
Nun Du hörst ich bin enttäuscht, aber wer wäre das nicht? Ihm liegt nichts an mir Stilo, nicht mal als Werkzeug. Denn schau, mein Schwert ist mein Werkzeug und schau es Dir an. Es ist gepflegt, denn nur so kann es mir dienen. Wertschätzung bringe ich ihm entgegen, dafür dient es mir mit seiner Schärfe. Ein gutes Schwert, geradlinig, treu, rechtschaffen und vor allem gerecht. Es ist Ultor geweiht.
Die Vorgaben zur möglichen Beförderung waren nur vorgeschoben. Es hat niemals eine Möglichkeit für mich gegeben, befördert zu werden. Denn klare Daten an denen die Beförderung hätte fest gemacht werden können, hatte er bewusst verschwiegen. Er wollte sie mir nicht geben. Er sagte, wäre mir dies unbekannt, dann wäre ich des Centurios nicht würdig. Kurzum, wer nicht hellsehen kann, bekommt keine Beförderung.
Männer wie er werden der Untergang Roms sein Stilo. Alte Männer die keine Herausforderung mehr haben und keine Zukunft. Aber muss er mir deshalb meine rauben? Ich bin einfach nur müde Stilo", antwortete Lurco leise, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken um die kühle Abendluft zu genießen.