Nachdem auch der letzte Marsch von 40 Meilen, Tivoli und zurück geschafft worden war, ging es an einen neuen Abschnitt. Sie waren marschiert und sie hatten trainiert, heute traten sie in eine neue Phase der Ausbildung ein. Purgitius überblickte seine Tirones auf dem Exerzierplatz.
"Tirones antreten! Heute treten wir in eine neue Phase Eurer Grundausbildung ein und zwar beginnen wir mit dem Kampftraining. Anhand Eurer langen Gesichter während des Marschierens habe ich gesehen, dass Ihr vermutlich froh sein werdet, die Märsche hinter Euch zu haben. Ich enttäusche Euch hier gerne, sie gehören weiterhin zum Training, genau wie sie später zu Eurem Dienst gehören werden.
Wem das zu viel ist, wem das zu langweilig ist, wem das zu schwer oder zu mühselig ist, ist im falschen Beruf und sollte sich einen neuen suchen.
Wer sich bis hierher durchgebissen hat und der Auffassung ist, dass sein "Traumberuf" nicht sehr viel mit einem Traum zu tun hat, ihm die Realität dennoch gefällt - wunderbar. Bis hier habt Ihr gelernt, dass Befehle befolgt und nicht hinterfragt werden. Ihr habt gelernt, dass ein Beruf keinen Spaß machen muss, aber durchaus kann. Und Ihr habt gelernt, was es heißt den eigenen Schweinehund zu besiegen und für einander einzustehen.
Damit Letzteres zukünftig noch besser funktioniert, folgt nun Phase zwei.
Der Lehrplan für alle Sparten in der Legion ist gleich, also folglich auch für Euch. Erst in der letzten Phase werdet Ihr Berufsspezifisches lernen, also alles was für einen Urbaner wichtig ist.
Nach dem Marschieren beginnt erst das Kampftraining, und zwar am Pfahl mit hölzernen Übungswaffen und Schilden aus Weiden, welche allesamt ein Vielfaches des Gewichtes der Originalwaffen hatten, um die Muskulatur und Ausdauer entsprechend zu trainieren.
Auf dem Übungsplan stehen Schwert, Dolch, Schild. Rüstet Euch Tirones und sucht Euch einen Kameraden als Gegner", befahl Purgitius.
Lurco nahm ebenfalls ein Übungsschwert zur Hand und befahl Tettius mit einem Wink zu sich.
"Zuhören und aufgepasst.
Das Gladius - das Schwert. Die eiserne Klinge unseres Galadius ist ungefähr 50 bis 60 cm lang und lang8 cm breit. Das Gladius ist an beiden Seiten geschliffen, also beidseitig. Die Stabilität der Klinge ist enorm hoch, was auch durch ihre Kürze gewährleistet wird. Aus diesem Grund handelt es sich bei dem Gladius um eine Stoss- und Stichwaffe.
Natürlich könnt Ihr auch mit dem Schwert schneiden, sollte aber dann dem Könner überlassen werden. Zugestochen ist schnell auf direktem Weg, geschnitten ist aufwendiger. Ein Stich mit dem Gladius sieht erfolgt von unten nach oben oder geradeaus. Nicht von oben herab. Ein Schnitt erfolgt wenn möglich geschwungen, um eine größtmögliche Wundfläche also Verletzung beim Gegner zu erzeugen", erklärte Lurco und führte beides ganz langsam bei Tettius vor.
"Ihr stecht zu und setzt einen Gegner schnellstmöglich außer Gefecht. Keine Schau, kein Theater, Ihr seid nicht im Colloseum oder auf Freiersfüßen um irgendwen zu beeindrucken. Ihr habt einen Job zu erledigen. Und je schneller Ihr Eure Feinde ausschaltet, umso sicherer sind Eure Kameraden. Die Waffe wird nur dann gezogen, wenn Ihr bereit seid die Waffe einzusetzen! Das wir uns da verstanden haben!
Nächster Punkt, der Pugio - der Dolch.
Der kleine Bruder Eures Gladium. Er ist ungefähr 30 cm lang, ebenso beidseitig geschliffen und sehr stabil. Auch er ist eine Stoß- und Stichwaffe. Mit ihm kann ebenso geschnitten werden, aber auch hier gilt das Gleiche wie für das Gladium, keine Faxen, schnellstmögliche Brechung von Widerstand des Feindes. Der kurze Weg ist der beste Weg", erklärte Lurco und führte an Tettius vor, wie man einen Dolch einsetzte.
Der Stichweg von unten nach oben, war mit der Waffe wesentlich schneller und kürzer, so dass Tettius kurz zusammenzucke, auch wenn Lurco ihm nichts tat. Geradeaus war der Stich nicht weniger kurz, aber ein klein wenig, weniger wuchtig. Nach der Demonstration, die Waffen hatten Tettius nie berührt, legte Lurco ihm kurz die Hand auf die Schulter.
"Ihr seht, was man sonst im Theater sieht, wie jemand theatralisch von oben mit dem Dolch auf jemanden einsticht, ist genau das - Theater. Stich jemand so auf Euch ein, fangt Ihr die Hand samt Dolch ab. Wer geschickt ist, rammt dem Besitzer Sekunden später die eigene Klinge in den Wanst.
Dazu beim Thema Abwehr von Waffen mehr", sagte Lurco und nahm das Schild auf.
"Der Schild. Der Schild wird genutzt um uns vor Schaden zu bewahren, aber er ist noch viel mehr. Wer schon einmal einem wütenden Mob gegenüber gestanden hat, weiß eines, weichen ist keine Alternative.
Hier wird der Schild nicht nur vor sich gehalten, sondern bei Not auch im Boden versenkt, Ausfallschritt nach hinten, bei Schub von vorne. Ich möchte keinen stürzen sehen, denn wer stürzt, reißt eine Lücke und gibt dem Gegner die Möglichkeit Kameraden zu töten. Habt Ihr das verstanden?
Übrigens ein Schild ist auch eine wunderbare Waffe.
Man kann damit Gegner von sich stoßen, man kann den unteren Schildrand auf Füße hämmern und man kann die obere Kante vor Hälse und unter Kiefer schlagen. Zudem kann man sogar mit dem Schild seitlich einen Längsthieb austeilen, der es in sich hat", erläuterte Lurco und führte das Gesagte vor.
"Ihr seht also, ein Schild ist nicht nur ein Schutz, er kann wesentlich mehr. Jeder nimmt sich einen Partner. Zuerst fünf Runden Schwert, dann folgen fünf Runden Pugio und dann fünf Runden Schild. Danach Wechsel von Angreifer und Angegriffenem. Umsetzen. Tiro Tettius Danke für die Demonstration, zurück zur Gruppe und ab zu Übung", befahl Lurco.
Das Übungspensum wiederholte sich von Stunde zu Stunde und von Tag zu Tag, bis ihre Ausdauer entsprechend gestärkt war. Die Arme wurden nicht mehr so schnell müde und auch die Bewegungen der Tirones wurden flüssiger und fester. Und schon bald hatten sie ihre ersten Holzwaffen und den Schild im Griff.