Vor der Captio
Als der Brief ankam, war es seltsamerweise so, dass sich Maximilla nicht wunderte, obwohl sie keinesfalls zu den Mädchen gehörte, die schon immer vom Dienst an der Göttin geträumt hatten. Sie hingegen hatte immer geglaubt, sie würde später einmal einen Gatten und eine Kinderschar haben.
Schon als kleines Kind hatte sie sich ja um alles gekümmert, was klein war und ihre Hilfe brauchte: Daher besaß sie Wölfchen, den großen Hund und Graius, den Raben und nun eben Kersas, den gefleckten Kater.
Als Maximilla nun erfuhr, dass sie eine Priesterin werden sollte, war es ihr so, als verschwänden die trüben Wolken, die Furcht vor der Zukunft und die Düsterkeit , die sie seit Iulia Phoebes Tod umgeben hatte, auf einen Schlag und machten einem hellen Licht Platz, auf das sie zuschreiten konnte.
DAS war also ihre Bestimmung, vielleicht schon die ganze Zeit gewesen. Nicht für Kinder aus Fleisch und Blut; Roma selbst sollte sie eine Mutter sein und Jungfrau zugleich. Nicht den Sohn oder die Tochter hüten, sondern das Heilige Feuer der Vesta und damit den Bestand der Urbs Aeterna selbst.
Ob Adalheidis das vorhergewusst hatte? Deshalb die vielen Vorträge über Pflichterfüllung, die sie sich als Kind hatte anhören müssen?
Valeria Maximilla nahm von dem Geld, was sie besaß und rief Remigius, ihren treuen Sklaven zu sich.
"Wo ich hingehe, kannst du mich nicht begleiten.", sagte sie: "Es sei denn, du würdest ein Eunuch werden. Aber es gibt so viele Jungen , die an der Operation sterben, und ich will, dass Du lebst, Remigius. Du musst für Wölfchen sorgen. Kersas und Graius kann ich mitnehmen; der Hund ist, fürchte ich zu groß.
Gibt es noch einen Wunsch, den ich dir erfüllen kann? Alles außer deiner Freiheit, denn du gehörst mir ja nicht."
Sie gab ihm hundert Sesterzen.
Remigius brach in Tränen aus.
Valeria Maximilla hatte durch ihre Abenteuer und ihre unkonventionelle Art sein Leben bunt gemacht. Jetzt aber würde er wieder Haushaltspflichten aufgetragen bekommen und aus war es mit dem Draußenherumstromern in den Gärten und in den Gassen.
Maximilla war betroffen: "O weine nicht, bitte!", rief sie aus: "Dann weine ich auch, und du weißt es schon, wie ich es hasse, verquollene Augen und eine rote Nase zu haben! Was soll der Kaiser von mir denken, wenn ich so vor ihm erscheinen muss?"
Remigius rieb sich die Augen und hörte auf zu schluchzen.
"Ach Domina, es war lustiger mit dir.", jammerte er.
Valeria Maximilla lächelte. Remigius würde sie also vermissen.
Als der jugendliche Sklave gegangen war, packte sie ihre Sachen zusammen, denn bei den Vestalinnen würde sie auch ihren eigenen Platz haben. Nur der Webstuhl kam nicht mit, der war zu groß.
Dann setzte sie sich auf ihr Bett. Sie bat Vesta, wenn sie sie wirklich haben wollte, ihre Schritte zu leiten und sie zu beschützen.