Stella hatte sehr viel Zeit damit verbracht, die passende Kleidung und Aufmachung für diesen Anlass zu finden. Sie war halbwegs mit ihrer Erscheinung zufrieden. Die sanft fliederfarbene Tunika und die ebenfalls in Flieder gehaltene Palla passten harmonisch zu ihrem Make-Up, welches sie nicht dezent aber auch nicht übermäßig gewählt hatte. Typisch für sie war dieser dicke Lidstrich eines öligen Kohlestifts. Etwas nervös stand sie neben ihrem Ziehvater, denn als Tutor hatte Claudius Menecrates jene Verantwortung eines Vaters im Rechtssinne zeitweise übernommen. Stella folgte ihrem Tutor und ging zu Fuß. In der Regel hatte sie kein Problem damit aber die wunderschöne Fliedertunika brachte ihre eigenen Schwierigkeiten mit sich, so dass Stella bei jedem Schritt auf die lange Tunika (mehr ein langes Kleid) Acht geben musste. Immerhin wollte sie nicht auf deren Saum treten, der nur knapp über dem Boden schwebte. "Ich hoffe, dass sie das sein kann ...," versuchte Stella nicht allzu missmutig zu wirken. Sie war einfach noch nicht vollends bereit für die obere Gesellschaft mit ihren Höflichkeiten. Der kleine Scherz des Claudius ließ sie schmunzeln. "Das dürfte ich schaffen," meinte sie und streckte dabei leicht die Zunge hervor; nicht frech aber auch nicht ganz ernst. Alsbald wurden sie hereingebeten. Stella hatte nicht einmal mitbekommen, dass Claudius einen Sklaven geschickt hatte, denn sie hatte für einen Moment ihre Augen geschlossen, um ihre innere Ruhe zu finden.
Beiträge von Tiberia Stella
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Ja, sie hatten einen Pakt. Nur wusste Claudius Menecrates nicht, welchen Fluch er damit übernahm. Tiberia Stella war, wie so viele einsame und vertriebene Seelen, umgeben von Ungemach. Eifrig nickte die relativ junge Frau. "Ich war nach meiner Ankunft kurz dort. Habe dort diesen furchtbaren kaiserlichen Beamten empfangen und ein paar Leute auftreiben können, die Aufräumarbeiten erledigt haben. Dennoch ist die Villa recht verwahrlost, die Wände müssen saniert werden und im Allgemeinen müssen viele kleinere Instandsetzungen gemacht werden," fasste sie ihren Eindruck zusammen. Immerhin ging dies schnell. Es würde nicht Jahre dauern, bis ihr einstiges Zuhause wieder bewohnbar war. Auch Stella entschied sich für das Potpourri, da auch sie sehr gerne Gemüse verspeiste und dies sogar am liebsten mit einer kräftigen Sauce. Als Claudius das Karottenstück in seiner Hand zeigte und dazu sagte, dass er genießen würde, lachte Stella fast überfreundlich auf und hielt sich die Hand vor den Mund, da sie sich fast verschluckt hatte. Mit einer geringen Anstrengung würkte sie das Gegessene herunter, um den Reiz zu unterbrechen, bevor sie breit grinste. "Ich möchte in die schönste Therme der Stadt... und ich möchte Lesen... etwas Tolles lesen... ehm... und ich möchte diese Wagenrennen sehen, davon habe ich gehört... und ich möchte Freunde finden, die auch diesen Namen verdienen ... und ich möchte ...," sagte sie hektisch und schnell, um dann mit einem breiten Schmunzeln abzubrechen. "Ich möchte einfach leben," sagte sie zusammenfassend, während ihre Augen zuversichtlich strahlten. Doch ihren Vater und Bruder hatte sie nicht vergessen. All diese Wünsche wären ohne diese leer und bedeutungslos. Besonders ihren Bruder vermisste sie, wenn sie daran dachte, wie sie früher immer mit ihm gespielt hatte. Er hatte ihr mühsam Geschichten vorgelesen. Doch er hätte nicht gewollt, dass sich Stella versteckte. Sie nahm sich vor, für ihre Familie das Leben wieder zu entdecken.
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War es wirklich so einfach? Stella war über sich selbst erstaunt, dass sie Hass in anderen wecken konnte. Jener Hass gegen die Christianer war einem Fluch gleich beschworen worden und mit wenigen Worten konnte sie eine derartige Reaktion in einem Gegenüber hervorrufen. Auch sie spürte jenen Zorn, der sich aber viel mehr aus Verlust und Schmerz gebar, als aus Eitelkeit oder Selbstgerechtigkeit. Flavius wagte es nur diesen Schrecken zu benennen. Er fand Worte für ihre Gefühle, die sie vorher nicht benennen konnte. Es lag eine Ironie darin, dass Flavius den Christianern vorwarf, Menschen zu verhexen, doch dabei hatte Stella längst Flavius verhext und aufgewiegelt. Freilich spielten auch die Taten der Christianer eine entscheidende Rolle für seine Emotionen und seine Wut aber viel mehr hatte Stella das Portal dafür geöffnet. Stella fürchtete sich vor sich selbst und erkannte, dass es jenes Portal war, durch das ihr Vater gegangen war. Es hatte ihn zerstört. Hass zerstörte Seelen und doch wollte sie Flavius nicht bremsen, ließ ihn gewähren und seine Worte wählen. Sie unterbrach keinen Satz, kein einziges Wort und untermauerte seine Sätze sogar noch mit wütenden Tränen und abermaligem Nicken. Erst als der Flavius seine Wutrede beendet hatte, fand Stella Antworten und eigene Worte.
"Was auch immer meinem Vater geschehen ist, ich bin der vollen Überzeugung, dass es diese Christianer waren. Sie waren es immer und sie haben mir alles genommen...," verband sie Emotionen mit Worten und tätigte damit aus ihrer eine folgliche Annahme, die aber in der Gesamtschau falsch war. Doch Stella hatte nicht das gesamte Bild und würde es wahrscheinlich auch nie haben, denn die Intrigen und Spiele, in denen ihr Vater verstrickt war, waren größer als jedes Verständnis, welches sie aufbringen konnte. Es musste insofern immer die Christianer sein, die Rom zerstörten. Es war so brauchbar einfach, auch wenn Stella selten einfach dachte, doch in diesem Fall, war es eine simple Versuchung, der sie genügsam nachgab. Die Christianer waren es. Sie waren es immer gewesen, die Überzeugung war so klar, wie auch die Gewissheit, dass ihr Vater gegen sie gekämpft hatte. Es war auch nicht wichtig, was Flavius nun glaubte, was ihrem Vater geschehen war und es war auch nicht wichtig, was die Tatsache war, denn es ging um Emotionen und Stella hatte sich mit Hass verzaubern lassen. "Fakt ist, Flavius, mein Vater ist nicht hier und er wird wahrscheinlich nicht mehr zu uns zurückfinden. Ich gehe davon aus, dass er tot ist und mit aller Wahrscheinlichkeit heimtückisch von den Christianern ermordet wurde, wie so viele in dieser Stadt," stellte sie kalt fest und zündelte damit an ihrem eigenen dunklen Gefühlen. Sie war hier eine böse Hexe, die Flüche verbreitete, und auch Flavius mit einem Fluch belegte, ohne es selbst zu wissen. Das Schicksal hatte ihr die Möglichkeit gegeben, Frieden zu schließen, doch hatte sie sich für Krieg und Kampf entschieden. Sie wollte keinen Frieden mit sich und anderen, denn sie wollte diese Leere und diesen Verlust endlich begreifen und mit etwas Sinn füllen. Vorerst war der irrige Hass eine (un)geeignete Möglichkeit für den jungen Geist, der Stella nun einmal noch immer war. "Wenn auch du alles für deine Kinder tun willst, müssen wir handeln. Was muss noch geschehen? Muss Rom erneut brennen? Müssen wir alles verlieren?" Es waren nur Fragen, die aus Verzweifelung geboren waren aber nicht weniger giftig waren. Sie infizierten einen Geist mit einer Angst und einer albtraumhaften Idee der Furcht und des bekannten Horrors. Stella spürte, wie ihr Herz raste, und sich der Zorn ihrer Trauer bemächtigte. Ihre Wangen beten, während sie sprach. "Wir müssen handeln. Wir sind der Zorn," verfestigte sie auch ihre Haltung und gab sich damit jenen Irrwegen hin, die nur noch mehr Leid bringen würden. "Was gedenkst du zu tun, Flavius?" Eine weitere Frage, die Stella insgeheim auch gegen sich selbst richtete. Was hatte sie bisher getan? Hatte sie die Umstände inzwischen aufgeklärt? Viel hatte sie noch nicht bewegt. "Wir müssen uns gegenseitig abstimmen und gegenseitig schützen. Es ist unerlässlich, dass wir als Wissende um die Gefahr einen Kreis bilden, um Rom und unsere Familien zu schützen," sagte sie und wollte sich damit auch selbst schützen, denn noch immer fühlte sie sich nicht nur von den Christianern bedroht, sondern auch von Rom selbst. Sie brauchte unabdingbar Verbündete, um die einsamen Überbleibsel ihrer Familie zu retten.
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Die Situation war vorerst bereinigt aber Stella fühlte sich noch immer unwohl. Etwas passte noch immer nicht. Irgendwie konnte sie nicht ganz in diesem Moment, in diesem Augenblick, ankommen. Etwas hielt sie in einem Gefühl der Ferne fest, fast so, als ob ständig etwas fehlte und nicht an seinem Platz war. Pluto, in seiner kriechenden Kälte, war stets um Stella herum anwesend, denn sie spürte seinen kalten Hauch beständig, wie dieser ungut über den Boden unter ihren Füßen glitt. Es war nicht einfach für Stella, denn ihr Verstand spielte ihr oft genug Streiche, machte Momente seltsam undurchdringlich und unklar aber zauberte auch augenblicklich Heilung und Wunder herbei, denn jene Erscheinungen waren auch ein wichtiger Teil von ihr. Pluto, mitunter nur Einbildung, war jener Schutz gewesen, den sie immer gebraucht hatte, um mit allen Sorgen und Nöten nicht allein zu sein. Für Stella war dieser Gott so real, wie für andere, ein Stein in ihren Händen. Er war ein unsichtbarer Freund und Beschützer, der Stellas Gedanken aufnahm und bewahrte. Doch die Realität brauchte die Tiberia zurück, so dass sie nicht lange in jenen (alb)traumhaften Visionen verweilen konnte. Es gab immer noch etwas zu tun und Stella wollte sich jetzt nicht aufgeben. Das konnte sie später in ihrem Bett tun, wenn sie allein mit ihren Träumen, Erinnerungen und dunklen Wundern war. "Machen wir es so," versicherte sie dem Claudius und machte dazu eine römische Geste mit ihrer Hand, die so viel bedeutete, wie volle Zusicherung. Die Geste bestand darin, dass sie beide Hände ineinander legte und dann andächtig mit beiden Hände kreiste, dann öffnete sie ihre Hände und zeigte sie dem Claudius. Selbstverständlich waren sie leer. Nach einem altem Brauch in Italia sollte dies zeigen, dass man keine Hintergedanken hatte. In dieser Sache hatte Stella diese Gedanken tatsächlich nicht. "Wir können uns je nach Bedarf ja abstimmen, Claudius. Ich möchte mich um die Villa kümmern aber du kannst mir sicherlich helfen. Mich wollten schon viele Leute betrügen. Ich stimme dir zu, dass wir es besser so machen. Solange ich mit meiner freundlichen Art zum Ziel gelange, werde ich dies versuchen aber wenn ich betrogen werde oder nicht weiterkomme, werde ich dich fragen," fasste sie zusammen und nickte dann. "Die finanziellen Regelungen?" Stella legte ihr linke Hand unter ihr Kinn. "Ich besitze..." Sie brach ab, denn sie verstand, dass Claudius einer Frau diese Aufgabe abnehmen wollte. Dies würde zum einen das Vermögen des Hauses Tiberius schonen und zum anderen wohl die Tradition bewahren, die Claudius Menecrates so sehr schätzte. Stella wollte sich nicht gegen ihren baldig neuen Tutor stellen. "Ich verstehe. Also besprechen wir die Planungen für den Wiederaufbau bald?" Stella sprang bereits in die größere Aufgabe, die Wiederherstellung des Stammsitzes ihres einstig großen Hauses. "Aber lass uns nicht weiter über diese Aufgaben sprechen, sondern lieber diesen Abend genießen. Ich freue mich, dich im Namen meines Vaters, als Tutor gewonnen zu haben," sagte und lächelte honigsüß und griff sich ein kleines Tablett mit verschiedenen gewickelten Häppchen. Sie wollte jetzt nicht mehr über unschöne Aufgaben sprechen, oder ihre Pflichten, sondern wollte einfach gutes Essen genießen und vielleicht etwas mehr von ihrem neuen Vormund in Rom erfahren. Immerhin würde er nach Gesetzt, wie ihr Vater oder Großvater, sein. Dann war es gut mehr zu erfahren aber dies wollte sie behutsam angehen. "Danke," sagte sie noch, bevor sie sich ein Häppchen in den Mund legte. Das mit der guten römischen Frau blendete sie vorerst aus. Denn in der Tat war sie noch keine mustergültige Römerin, auch wenn sie wohl ein wenig durch ihre Kleidung und Aufmachung so aussah.
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Stella ärgerte sich über sich selbst. Sie war einfach nicht gut in solchen Dingen. "Mulsum, ist wirklich sehr gut," antwortete sie und nickte gespielt lange, um sich selbst eine Gedankenpause zu gönnen. Doch die Gedankenpause wurde sofort unterbrochen, da Stella das Angesicht von Faustina erblickte. Das Lächeln war nicht mehr so stark und sie verlor etwas an jener Aufgeschlossenheit, die Stella glaubte, ausgemacht zu haben. Es folgte der verbale Faustschlag. Stella konnte mit diesen Worten nur schwerlich umgehen, da sie selbst Verluste und Trauer sehr wohl kannte. Ihr Leben war gezeichnet von Trauer. Auch noch ein Gefallener. Wohl Soldat. Stella verlor jedwede Ratlosigkeit und zeigte echtes Mitgefühl. Mit einer vorsichtig sanften Bewegung legte sie ihre Hand auf den Oberarm von Faustina. In den glasig schönen Augen von Stella fand sich ein wenig Zauber, dass sie Faustina verstand. Dass Stella die Einladung annehmen würde, war für Stella nicht nur selbstverständlich, sondern unter diesen Umständen, auch obligatorisch. Sie wusste darum, allein mit diesen Gefühlen und Gedanken zu sein und wusste auch darum, dass man manchmal einfach jemanden brauchte, der einem zuhörte. Stella konnte zuhören, wahrscheinlich mehr als andere, denn auch ihr Herz hörte zu. "Ich werde kommen. Selbstverständlich," versicherte Stella an Faustina und blickte dann mit einem ernstlichen Nicken zu Claudius Menecrates. Erst in diesem Augenblick, als Claudius ansprach, was sie jetzt machen sollten und er vorschlug, dass sie sich umkleiden sollte, wurde ihr klar, dass sie immer noch einen desolate Erscheinung abgab. "Öhm," machte sie und lächelte dann halbherzig. "Ich werde mich umkleiden und dann wieder zurück kommen," meinte sie und war sich sicher, dass sie dies schnell erledigen wollte. Sie konnte und wollte Faustina jetzt nicht, nicht nach dieser Offenbarung, lange allein lassen.
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Warum war es nur so schwierig, so zu sprechen, wie man sprechen wollte? Diese ganzen Regeln, diese ganzen Spiele, und Lügen. Stella wollte frei sprechen, alles sagen, was sie dachte und fühlte aber spürte instinktiv, dass bei Claudius Menecrates eine Grenze erreicht hatte. Farben schwebten sanft vor ihren Augen vorbei, zuckten im Licht aus der Ferne und bildeten neue Formen. Die Tiberia betrachtete die Formen, welche sich in sich spiegelten. Farben umspielten nun auch Claudius Menecrates. Strahlend wirkte das Weiß seiner Aufmachung. Stella wusste nicht, was sie sagen sollte. Was sollte sie auch sagen? Sie erneut verstellen und in diese falsche Höflichkeit flüchten, die ihr zuwider war? Ein Schauspiel aufführen und jene Bühne betreten, die sich so falsch anfühlte? Wahrheit. Sie suchte nach Wahrheit und Menecrates suchte nach Bestätigung. Das nahm sie nun an. Der alte Mann wollte bestätigt werden, umgeben von Menschen, die er beschützen konnte aber gleichzeitig wollte er diese Menschen formen. Respektvolles Reden verwechselte er mit verbaler Unterwerfung. Stella war sich keiner Respektlosigkeit bewusst. Stella betrachtete für einen langen Augenblick wortlos ihr Essen. Oft war sie verurteilt worden, vertrieben worden und die Menschen sahen, je nach Lage und Aufmachung, etwas anderes in ihr. Mal war sie kluge und hübsche Tochter aus einem höhergestellten Haus und wenige Augenblicke später war sie die vorlaute Göre, die ihren Platz nicht kannte. Sie war überfordert und wollte Claudius Menecrates alles sagen, was sie fühlte aber dies schien ihn nur in seinen eigenen Kreisen zu kümmern. Seine Kreise waren schön, fast fürsorglich, und doch war dort etwas, was Stella nicht ertragen konnte.
Die Hoffnung, dass sie ein Zuhause gefunden hatte, wich der Erkenntnis, dass es auch ein schöner Käfig sein konnte. Vielleicht hatte ihr Vater sie deswegen stets vor den großen Häusern gewarnt. Was sollte sie Claudius sagen? Was hatte sie jetzt wieder falsch gemacht? Diese Welt war ihr zu kompliziert, zu unfrei und zu sehr gebunden an eitle und selbstgerechte Regeln, die viel mehr der eigenen Position dienten und weniger der Allgemeinheit. Es kümmerte sie nicht mehr, was sie werden sollte und werden musste, denn ihr Herz ließ sie sich nicht in Ketten legen. Was Claudius Menecrates erwartete, konnte sie nur als Schauspiel erfüllen, als ständiges Theater aber hatte sie eine echte Wahl? Die Hoffnung, ein Zuhause zu finden, war größer als jener Freiheitsdrang. Stella war zerrissen. In Gedanken, fast teilnahmslos, fiel ihr ein Stück Brot aus der Hand, unmittelbar auf den Boden. Pluto war wieder hier.
Er kauerte in der dunklen Ecke, in den Schatten, und wartete nur darauf, dass sich Stella ihm wieder zuwandte. Dieser ewige Schatten war wieder dort. Die Kälte kroch über den Boden. Die Zeit schien sich zu verlieren. Stella legte ihren Kopf zur Seite und betrachtete den Schatten, der die Form eines Mannes mit einer Kapuze über seinem Haupt angenommen hatte. Es war Pluto. Er ließ sie einfach nicht los. Beschützte er sie erneut? Die Farben, die noch immer getanzt hatten, zogen sich dezent zurück und wurden durch jenen Schleier ersetzt, welcher die Welt in ein milchiges Grau legte. Dieser Zustand hielt einige Atemzüge an, bis sich der Schleier auflöste und mit ihm auch Pluto verschwand. Es gab kein Entkommen von jenem Fluch. Niemals würden sie jener tiefsitzenden Furcht entkommen. "Es tut mir leid," sagte sie leise, fast tonlos mit inzwischen fest verschlossenen Augen, da sie dem Blick ihres Gegenübers nicht mehr standhalten konnte. Es tat ihr weh, seine Ausdrücke und Emotionen anzusehen, denn sie wusste, dass sie wieder etwas falsch gemacht hatte. Egal, wo sie war, sie war irgendwie fehl am Platz. Sie war nicht kaltherzig, konnte dies nicht einfach übergehen und war inzwischen gefangen auf diesem Stuhl, denn nicht einmal eine Flucht war möglich. Nein, Claudius Menecrates war nicht der Hafen, den sie erwartet hatte und wie er sich zwischenzeitig präsentiert hatte aber er war wahrscheinlich der Hafen, den sie brauchte. Auch er war ein Mann seiner Zeit, seiner Umstände und gleichzeitig unfähig sich auf Stellas Welt wirklich einzulassen. Der jungen Frau war sehr wohl klar, was passieren würde und doch konnte sie dies nicht vollens akzeptieren. Die Freiheit der Straße kam mit einem zu großen Preis. Ein Zuhause, egal, mit welchen Ketten es versehen war, war besser als hungrig und allein durch die Zeit zu treiben. Mit einer eleganten Bewegung ihrer Augenlider öffnete sie ihre Augen.
"Ich bin bereit, mich den Regeln dieses Hauses zu beugen," kapitulierte sie mit leisen Worten, die etwas machtlos über ihre Lippen brachen. Der Wandel kostete sie Kraft, denn die Ketten, die Claudius Menecrates ausgebreitet hatte, wogen schwer für Stella. Er sah sie wahrscheinlich nicht einmal, da für ihn die Ausübung jener familiären Macht normal war. Doch Stella war bis zu diesem Tag frei und selbstbestimmt gewesen. Sie ordnete sich jenem Regime unter, welches Claudius Menecrates zwar benevolent, sicherlich auch nicht feindlich, ausübte. Sein Gedankenanstöße waren nur die ersten Hiebe des Hammers, die jene Kettenglieder verbanden. "Mit der Hilfe einer guten Römerin mag ich es erlernen," unterwarf sie sich jenem Stand, dem sie vom Status angehörte aber für den sie nie gelebt hatte. Sie brauchte einen Tutor, denn ansonsten konnten sie in Rom nichts bewegen, nichts erwerben und ihr Haus nicht schützen. So einfach war es. Egal, was dies aussenden mochte, so faktisch war es auch, dass sie als Frau in ihrem Alter und ohne Kinder eines Mannes von Stand nicht frei agieren konnte. Für ihre weiteren Pläne war es wichtig, dass sie Geschäfte tätigen konnte. "Die Götter wissen sehr wohl, was wir tun und fühlen, Claudius. Du wärest ja nur solange Tutor bis mein Pater familias wieder zur Verfügung steht. Das Tutoriat wäre ja nur von begrenzter Dauer aber ich darf mich in Rom nicht so einfach bewegen, wenn ich keinen Tutor vorweisen kann. Ich kann meinen Stammsitz nicht herrichten lassen, weil ich keine Verträge schließen kann und ich kann auch keine anderen Stellen um Hilfe bitten, da das römische Recht mich dazu zwingt, einen Tutor zu wählen. Sobald mein Vater aufgefunden werden sollte, würde deine Verantwortung mit diesem Augenblick enden," erklärte sie mit vorsichtig aneinander gereihten Worten. Er wollte Nachforschungen anstellen, doch das tat Stella auch bereits, doch in dieser Sache brauchte sie wahrlich seine Hilfe. Sie brauchte einen Tutor, so einfach war es. Und Claudius Menecrates war der einzige Mann, der aus Sicht ihres Vaters, dazu in der Lage sein würde. "Ich bin bereit zu lernen, auf dich zu hören und mich zu einer guten römischen Frau zu entwickeln," ergänzte sie die bittere Wahrheit, dass dies eine langsame aber beständige Veränderung ihres Selbst bedeuten würde. Sie musste sich anpassen.
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Als neutrale Beobachtung: bitte achtet auch auf eure Zwischentöne. Der Thread hier hat schlechte Vibes bekommen.
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Ein kurzer Blog Artikel, der gerade ganz gut passt: https://blogs.faz.net/antike/2…-artefakte-und-klischees/
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Und?
Nur ein Hinweis, um nicht in kleinteilige Diskussionen zu verfallen. Es ist für euer Rollenspiel ohnehin unerheblich, da Stadtpräfekt einen rigorosen Kurs fährt und somit jedwedes Delikt ermittelt haben möchte. Das ist zwar neu aber nicht ungewöhnlich, da die Urbaner befehlsgebunden sind.
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Hinweis: der Amtsermittlungsgrundsatz ist eine moderne Idee. In der Antike war die Strafermittlung in der Regel privat. Die Urbaner waren nur zuständig, wenn sie unmittelbar angerufen wurden oder sie selbst ein Interesse daran hatten. Zudem war das römische Recht ein Klassenrecht. Bürger genossen in aller Regel mehr Schutz und konnten leichter staatliche Stellen für sich gewinnen, die dann jene Ermittlungen durchführten; neben den eigenen privaten. Wenn jedoch offensichtlich kein Römer betroffen war, niemand nachfragte oder es keinen anderen staatlichen/öffentlichen Grund gab, wurden Straftaten nahezu nicht ermittelt. Armutsbezogene Personen oder das prekäre Milieu wurden eher niedergehalten, als unterstützt. Die Urbaner sind keine moderne Polizei. Sie sind eine von öffentlichen Interessen gesteuerte Militäreinheint, welche aber auch Interessen von Eliten diente.
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Obdach kann Stella gewähren aber sooooo sittenstreng ist sie nicht. Zumindest ist sie nicht sittenfern ... xD xD
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Unsicher strich sich Stella über ihren Nacken. Die Situation löste sich nicht auf und sie war wahrlich nicht gut in diesen höflichen Gesprächen. Sie konnte es einfach nicht, da sie immer das aussprach, was sie eigentlich dachte und diese Zurückhaltung machte ihr zu schaffen. Gerne würde sie jetzt irgendetwas berichten oder erzählen, was sie wirklich beschäftigte aber hielt sich zurück, da diese Faustina sicherlich zur Oberschicht zählte und sich nicht für ihre doch andere Lebenswirklichkeit interessierte. Vielleicht konnte Gossip helfen? Stella mochte gelegentlich Tratsch. Doch Tratsch unter Anwesendheit eines mitunter sachfremden Mannes, konnte nicht gut enden und vielleicht war Faustina garnicht interessiert an den Personen und dem Leben in Rom. "Die Mutterschaft ist ja auch das Geschenk der Göttin an uns Frauen," sagte sie einen schlichten Allgemeinplatz, den sie irgendwo in irgendeiner Schrift aufgeschnappt hatte. Unangenehm war in diesem Augenblick der Gedanke an ihre eigene Rolle und eine baldige Heirat. "Ja, ich ... ," wollte sie einen Satz bauen aber scheiterte gänzlich. Dieser Gedanke bald selbst Mutter zu sein, obwohl sie noch so viele andere Ziele hatte, machte ihr zu schaffen. Eine mögliche Ehe konnte sie irgendwie ertragen, da diese ohnehin in ihren Kreisen nur politisch war aber eine Mutterrolle verlangte mehr als sie derzeit geben konnte, da so viele Fragen in ihrem Leben ungeklärt waren. Irgendwann wollte sie sie selbst Mutter sein, und war dem Gedanken nicht gänzlich fremd, aber jetzt noch nicht. Sie hatte Aufgaben. "Was ist dein Lieblingswein? Ich mag Wein mit einem Schuss warmem Honig. Sehr lecker...," lenkte sie ungeschickt ab und lächelte über diese deplatzierte Frage hinweg. Innerlich patschte sich Stella für diese blöde Ablenkung an die Stirn. "Worüber habt ihr eigentlich gesprochen?" Vielleicht war es eine gute Idee, das alte Gespräch zwischen Claudius und Faustina wieder aufleben zu lassen, denn Stella wusste nichts von der traurigen Natur des vorherigen Gespräches, da sie nichts davon gehört hatte und selbst mit anderen Problemen zutun hatte (jenem himmlischen Sturz ins Atrium).
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Was war schon wirklich gut oder was war wirklich schlecht? Stella hatte keine Angst davor, Gedanken zu erkunden, die andere niemals fanden. Oft genug hatte sie über viele Dinge nachdenken müssen, denn viel hatte sie im Leben nicht besessen, was sie hätte ablenken können. Die Tiberia war eine Renegatin, die gegen jeden Widerstand überlebte und es irgendwie schaffte weiter zu machen. Eine Eigenschaft, die auch ihr Vater besaß. So schlecht ein Schicksal auch sein mochte, man erkämpfte sich immer eine Möglichkeit, um einen Platz in der Welt zu finden. "Wenn die Urteile gerecht und objektiv waren, ist es nicht falsch, Christianer brennen zu lassen..." Doch waren sie es nicht, hatte auch Menecrates Schuld auf sich geladen. Genau auf diesen Punkt wollte Stella hinaus. Nicht, dass sie jene Hinrichtungen verurteilte oder seine Urteile in Gänze in Frage stellte. Stella wollte wissen, ob dieser Claudius eine Bereitschaft zeigte, im Zweifel auch Schuld für andere auf sich selbst zu laden. Manchmal mussten Dinge getan werden, so falsch sie auch erscheinen mochten, weil sie unabdingbar waren oder durch die eigene Position vorgegeben. Wenn er diese Bereitschaft zeigte, würde sie mit Vorsicht in seinem Haus leben und sich vorsichtig in seinem Umfeld bewegen, denn sie kannte diese Bereitschaft von ihrem Vater. Es war keine gute Eigenschaft. Dennoch würde auch diese Eigenschaft Stella nicht vertreiben. Sie regte nur dazu an, bedächtiger zu agieren.
"Mein Vater muss nicht verteidigt werden," stellte sie kalt fast. Er hatte nie darum gebeten und hatte nie auch nur eine Rechtfertigung verlangt. Er hat es einfach getan, weil er es tun musste. Andere mochten nach Rechtfertigungen und Gründen suchen, doch so war ihr Vater in ihren Augen nicht, denn er tat es einfach, wie Pluto höchstselbst. Ein Befehl erging an ihn und er führte ihn aus. Manchmal verschwand er einfach und kehrte mit Blut an den Händen zurück, welches er einsam im Balneum von sich wusch. Stella hatte ihn als Mädchen heimlich dabei beoachtet und sich insgeheim davor gefürchtet, was ihr Vater als Beruf ausübte. Seine Fürsorge, seine Hingabe zur Familie, mochte dieses ungute Gefühl nicht völlig erlöschen lassen, aber sie wusste, dass er seine Familie vor dem Dunklen beschützen würde, welchem er wohl er diente. - Und nun diente sie selbst Pluto. Eine gewisse Ironie lag darin, dass sie selbst jenem Gott huldigte, dem ihr Vater so viele Menschen geschickt hatte.
Stella war sehr wohl klar, was für ein Mann ihr Vater war und wusste auch um seine kalte Berechnung außerhalb seiner familiären Strukturen. Es schien ihr fast so, als ob es zwei Personen gab: ihren Vater, der liebte und lebte, und jenen Dunkelmann, welcher alles tat, was man ihm auftrug. Bis heute konnte sie nicht zusammenbringen, welche Person ihr Vater wirklich war. Verachtung empfand sie keine mehr; eher Mitgefühl. Aus diesem Aspekt betrachtete sie nun auch Claudius Menecrates. Auch dieser versuchte etwas zu verteidigen, was keiner Verteidigung bedurfte. Manche Fakten und auch Taten standen für sich selbst. Der Claudius hatte eine Hinrichtung befohlen, und Männer, wie ihr Vater, führten sie aus. Stella sah keinen Grund etwas zu verteidigen, was für sich absolut war und bereits abgeschlossen. Man verteidigte die Lebenden und nicht die Toten. Die Toten waren wortlos, längst verschwunden, und brauchten keine Rechtfertigung mehr. Jedoch die Lebenden brauchten etwas, woran sie glauben konnten. Etwas, was die Herzen wärmte, auch im Anbetracht jener Handlungen. Lebende brauchten Rechtfertigungen und Gründe. Ihr Vater war mit aller Wahrscheinlichkeit tot und wenn er lebte, diente er dem Pluto, und hatte selbst nie nach diesen Rechtfertigungen gesucht. Stella nahm an, dass er diese Rechtfertigungen auf seinem langen Weg ins Dunkle einfach aufgegeben hatte. Irgendwann funktionierten Rechtfertigungen einfach nicht mehr, dass wusste auch Stella. Sie hatte auch nach Rechtfertigungen für ihr Leben gesucht. Doch jeder Grund war seltsam leer gewesen. Es war, so sah es Stella, einfach besser, weiter zu machen.
Doch eines wollte sie unbedingt, dass ihre Familie für ihre Opfer geehrt wurde. Sie wollte keine Gründe, kein Mitleid, sondern schlicht, dass man den Namen wahrnahm und auch ihren Vater nicht vergaß. Er hatte zumindest partiell ein gutes Leben geführt. Dieses Leben wollte sie zeigen, nicht seinen mutmaßlichen Tod hervorheben. An jenen glaubte sie selbst nicht mehr wirklich, so dass die Suche sich gewandelt hatte. Und mit etwas Glück konnte sie noch erfahren, was wirklich geschehen war aber diese Wahrheit brauchte sie nicht als Rechtfertigung, sondern schlicht als Abschluss.
"Er hat uns immer beschützt," sagte sie nachdenklich. "Doch hat er nie verlangt, dass ihn jemand verteidigt. Ich glaube sogar, dass er zufrieden wäre, wenn seine Kinder in Sicherheit sind. Für sich selbst hat er nie nach Sicherheit gesucht," erklärte sich Stella. "Es ehrt dich, dass du ihn als Freund siehst. Er sah dich ebenso als Freund," offenbarte sie und ließ ihren kleinen Finger an der rechten Hand kreisen. Ihr Vater hat diesem Claudius vertraut. Aus diesem Grund war sie hier und glaubte sich sicher. Sie konnte offen sprechen, weil ihr Vater durch seine Loyalität, auch zu Claudius Menecrates, ein Fundament für das Überleben seiner Kinder gelegt hatte; egal, was passieren mochte. Stella hatte in Rom, trotz aller Widrigkeiten, einen Hafen gefunden, von dem sie endlich in ein gutes Leben starten konnte. "Es schmerzt, dass er nicht hier sein kann. Ich glaube, dass er dir sehr dankbar sein würde, dass du zumindest eines seiner Kinder in größter Not aufgenommen hast," sagte sie mit einbrechender Stimme, als erneut jene Gefühle von Trauer über sie kamen. Es fühlte sich seltsam fremd an. Es passte nicht mehr in ihr Weltbild, welches von Konversationen mit einer imaginären Gestalt, namens Pluto, geprägt war. Endlich konnte konnte sie ihr Schicksal wieder beeinflussen und mit ihrem Herzen sprechen, ohne Maske und Theater. Sein Lächeln hatte ihr versichert, dass ihr Vater und der Claudius wirklich Freunde waren aber hatte auch ihr gleichzeitig versichert, dass Claudius Menecrates wirklich auch für sie da war. "Wenn du nichts gegen Gespräche hast, wird die Suchende, dich gerne häufiger aufsuchen, um ein paar Gedanken zu teilen. Ich glaube, dass wir gemeinsam einer Wahrheit näher kommen können, egal, was uns in dieser Stadt erwartet," fragte sie mit einem traurig-süßen Lächeln, während drei kleinere Träne auf ihren Wangen verharrten.
"Da fällt mir ein...," erinnerte sie sich an den Grund, warum sie eigentlich zum Claudius gekommen war. Es war unpassend, dennoch wollte Stella die Frage einschieben, bevor sie das Gespräch, getrieben auch durch ihre eigenen Emotionen und Ungeduld, in die Aufklärung des Verrates an ihrem Vater treiben würde. "Möchtest du mein Tutor sein? Ich kann mir keinen besseren Mann vorstellen, der diese Rolle erfüllen kann." Das war ehrlich gemeint und mit ihren großen Augen blickte sie Claudius Menecrates an. Hoffentlich sagte er ja, denn nur so würde sie sich wirklich in Rom bewegen können und auch rechtlich ein Zuhause gefunden haben. Die Frage war nur, ob Menecrates bereit war, diese Ersatz-Vater-Rolle einzunehmen. Es bedeutete auch, dass er für jedwede Entscheidung von Stella, zumindest finanziell, gerade stehen musste. Denn rein rechtlich vertrat er Stella von diesem Tag an, in allen großen Dingen aber auch Stella war von diesem Moment an Claudius Menecrates als Vaterfigur gebunden, so dass die Beziehung auf Gegenseitigkeit beruhte. Stella erschien es nicht einmal schlimm, einen Mann, wie Claudius Menecrates, als Ersatz-Vater, viel mehr Ersatz-Großvater, zu wissen. Es machte einen großen Unterschied, ein echtes Zuhause zu haben.
"Ja," antwortete sie auf die Absicht ihren Vater ausfindig zu machen. Sie nickte ernst, sich ein wenig Zuversicht in ihr Angesicht mischte. "Wir werden uns darauf konzentrieren, aber wir dürfen auch nicht meinen Bruder vergessen. Auch er will gefunden werden. Ich werde nicht als Furie durch Rom ziehen," erklärte sie eine halbgelogene Absicht, denn sie war nicht bereit, stillschweigend zu warten. Auch musste sie ihren Bruder finden, den sie ebenso vermisste. Doch mit einer noch größeren Wahrscheinlichkeit lebte dieser und zwar immer noch in jenem Versteck, welches die Getreuen geschaffen hatten. "Themiskyra*," überlegte sie und ließ dieses Wort fallen aber war sich nicht sicher. "Themiskyra. Dieses Wort fiel gelegentlich unter den Männern meines Vaters," sagte sie und legte ihre linke Hand nachdenklich an ihr Kinn.
Doch urplötzlich rumorte es in ihrem Magen. Der Hunger kehrte zurück. Und zwar erheblich. Stella wurde dezent unleidlich, und auch die Gedanken flossen nicht mehr so schnell, so dass sie beherzt zu einem großen Stück Brot griff und sich kauend in den Mund schob. Wieder rumorte es so laut, dass auch Claudius Menecrates vernehmen konnte, dass die Tiberia sehr hungrig war.
Sim-Off: *ein Ingame-Platzhalter, der im Verlauf auch als Trugschluss deklariert werden kann, da noch nicht geklärt ist, was wirklich geschehen ist.
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Stella tat sich schwer damit, die Situation zu verstehen. Eine ihr fremde Person half ihr auf, was sie einerseits sehr höflich fand aber auch andererseits dezent übergriff, da er nicht wirklich gefragt hatte. Die Tiberia war sehr wohl in der Lage von selbst aufzustehen. Sein Lächeln entschuldigte zwar sein wortloses Handeln, dennoch hätte sich Stella über eine verbale Einleitung der Hilfsmaßnahme gefreut. Immerhin gab es auch Männer in dieser Welt, die eine solche Situation auszunutzen wussten. Wenigstens stellte er sich vor. Er versuchte sich an einem Witz, scheiterte aber aus Stellas Sicht damit, da sie offensichtlich wusste, dass es ein Balneum gab. Es war einfach nicht lustig in ihrer Situation. Sie rang sich das Lächeln einer Venus-Fliegenfalle ab und klappte danach ihren Lippen streng übereinander, da die Nässe doch recht unangenehm war und das Leinen bereits mit den verschiedenen Lagen an anderen Stoffen zusammenklebte. Ehe sie sich versah, war bereits eine Sklavin an ihrem Saum und versuchte das Wasser herauszupressen, damit Stella in der Tat keinen Bach unter sich glaubte, durch den sie schreiten musste. Ihre goldenen Sandalen waren wahrscheinlich ruiniert, da sich das Gold vom Leder zu lösen begann, da das Leder aufquoll. Dabei hatte der Verkäufer diese Schuhe als resistent gegerbt beschrieben. Mit einem Blick hinab betrachtete sie den teuren Schaden. Sie grummelte.
Schließlich gab dieser Vic ihr zu verstehen, dass etwas mit ihren Augen nicht stimmte. Sie blickte zu ihm auf und fand seine seltsame Art irgendwie süß. Nicht süß genug, um unmittelbar ein Gespräch anzustreben aber ausreichend süß, um ihn nicht hässlich zu finden. Es war kompliziert. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass er wohl den Kohlestift meinte, den sie aufgetragen hatte. Mit einer eleganten Bewegung nahm sie das Tuch entgegen. Bei allen Göttern, sie musste jetzt furchtbar aussehen. Mit ihrem linken Zeigefinger strich über ihr linkes Augenlid. Danach betrachtete sie den Finger und - zu aller Schande - war die Fingerspitze schwarz. Die Kohle hatte sich gelöst und ließ sie jetzt seltsam okkult erscheinen. In gewisser Hinsicht stimmte dies wohl sogar, da Stella mit Pluto einem okkulten Glauben anhing. Stella schmunzelte über diese Blamage, denn etwas anderes konnte sie nun auch wirklich nicht mehr tun. Mit einer langsamen Tupfbewegung tupfte sie die waschbärhaften Augenringe ab, was jedoch wenig brachte. Die Kohle schien nun zu haften. "Danke", sagte sie mit einem breiten Schmunzeln und Vics Richtung und wollte nun tatsächlich zwei Sätze mit ihm wechseln aber der seltsame Vogel war schon wieder entschwunden. Aufgetaucht, um eine Holde in Not zu retten und dann wieder zu verschwinden. Stella breitete perplex ihre Arme aus und verstand diesen Kerl wirklich nicht. Es wäre seine Gelegenheit gewesen und verschenkte sie. Stella, die auch manchmal ein wenig eitel war, wollte vielleicht auch etwas hofiert werden, gerade in einer solchen Situation, wo sie Ablenkung von ihrer eigenen Blamage brauchte. Nein, Vic entschied sich, sie einfach stehen zu lassen. Sie schenkte ihm einen grimmig-nervösen Blick, der seltsam durch den Waschbäreneffekt verstärkt wurde.
Schließlich wandte sich Claudius Menecrates an sie. Sie seufzte erleichtert. "Nicht wirklich," antwortete sie. "Mir geht es soweit gut. Vielleicht meiner Erscheinung nicht. Ich bitte um Verzeihung," sagte sie und blickte mit einem entschuldigenden Lächeln zur weiblichen Person. Ihr Knie schmerzte etwas und mit Sicherheit würde sie einen großen blauen Fleck davon tragen. Doch Stella war deutlich robuster als manch andere, so dass sie dies nicht als wichtig erachtete. Zu ihrem Glück war die Kleidung römischer Frauen meist bodenlang und somit war die unschöne Ästhetik des blauen Fleckes vorerst verborgen. Sie würde sicherlich ein paar Tage nicht in die Therme können aber das war kein Verlust. "Wir kennen uns noch nicht...," antwortete Stella, sich dezent schüttelnd, während sich ihre Steckfrisur auflöste und sich ihre langen Haare, durch die Schwerkraft gezogen, in voller Länge nass ausstreckten. Dies verstärkte nur das Patschnass-Gefühl. Jetzt bemerkte Stella auch das anwesende Kind. Stella hatte wohl vor Unterhaltung gesorgt, weil das Kind sie zusätzlich mit Wasser aus dem Becken bespritzte.
"Danke, Kleine. Aber ich denke, dass ich nicht noch nasser werden kann," sagte sie mit einem freundlichen Lächeln und zwinkerte der Kleinen zu. "Keine Sorge! Ich bin keine mysthische Figur," scherzte sie und trat ein paar Schritte vor, wobei ihre Sandalen fast jeden Goldbeschlag verloren und mit jedem Tritt ein lautes Flap-Flap ertönte. Es war eine lustige Angewohnheit von Stella, wenn sie nervös war, dass sie ein übermäßig gezwungenes Grinsen aufsetzte, was sich nicht ganz an ihre Augen anschloss. Sie wirkte dadurch noch unsicherer und etwas krude.
"Salve, Faustina," grüßte sie und nickte, wobei ihre Haare, einem Vorhang gleich, vor ihr Gesicht fielen. Es tropfte heftig in Faustinas Richtung. Ein Disaster. Mit beiden Händen schob sie die Haare zur Seite. "Verzeihung," versuchte sie die Situation aufzulösen aber scheiterte. Das entschuldigende Lächeln tauchte wieder auf. Peinlich. Es war so peinlich für Stella. Entkommen konnte sie auch nicht mehr. Nicht, wie dieser Vic. "Herzlichen Glückwunsch zur Mutterschaft," sagte Stella, etwas unsicher, wie sie sich verhalten sollte. Römische Höflichkeit war ihr nicht vollens fremd aber immer noch war ihre Gesprächsschule nicht der Oberschicht angemessen. Die Sklavin fummelte immer noch an ihrem Saum herum, war ihr wohl die paar Schritte gefolgt.
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Warum war diese Welt so verwirrend und grausam? Immer wieder taten sich neue Verirrungen auf, denen Stella folgen konnte. Es schien fast so, als die Welt einem Labyrinth gleich war und jeder Weg nur weiter in den eigenen Untergang führte, ohne jemals entkommen zu können. Senator Flavius wirkte nachdenklich auf sie. Die mutmaßlich seherisch begabte Stella deutete ein paar flüchtige Gesichtszüge des Senators und spürte, dass sich einige Gedanken, und womöglich auch unangenehme Erinnerungen, zeigten. Dieser Mann war belastet, so viel konnte Stella erspüren aber diese Fähigkeit basierte viel mehr auf Empathie, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Stella war achtsam gegenüber ihrer Umwelt, denn nur so hatte sie bisher überlebt.
"Was?" Ihre Stimme erhob sich kristallklar und ihre Augen weiteten sich aus Sorge. War sie bereits zu spät? Zumindest hatte der Senator überlebt, wie er sarkatisch selbst feststellte. Seine weiteren Erzählungen schockierten Stella. Die Lage in Rom war noch gefährlicher als sie angenommen hatte. Ganze Familien waren in Gefahr. Er hatte wohl Vorsorge für die Sicherheit getroffen aber dennoch war die Tiberia skeptisch. Sie hatte keine Veteranen gesehen und auch keine Sklaven, die besonders aufmerksam waren. Gerade zu einfach, war Stella hineingekommen. Möglicherweise hatte der Senator andere Methoden der Sicherheit und nutzte andere Mittel, um seine Familie und sich selbst schützen. Stella kannte nur die Methodiken ihres Vaters und die setzten meistens auf Veteranen, Soldaten oder eine massive Abschreckung. Stella überlegte schnell, da der Senator im Gespräch fortfuhr, wie dieser Senator bisher überlebt hatte, wenn er offensichtlich ein Ziel war.
Stella nickte langsam, da sie versuchte zu folgen aber es fiel ihr schwer zu glauben, dass sie selbst dafür verantwortlich war, dass er nun das Problem besser verstand. Es waren ja nur wenige Worte gewesen und vorallem eine sehr kleine Perspektive aus ihrer Sicht. Umso besser war es, dass der Senator aus diesen Worten wohl Wissen oder Erkenntnis gezogen hatte. Er schien sehr klug zu sein, auch wenn sein kleiner Sprachfehler, den sie sehr wohl wahrnahm, ihm die Kälte des objektiv Rationalen nahm. Er wirkte menschlich, eben weil er dieser Fehler besaß. Fehler faszinierten Stella. Unvollständigkeiten machten Dinge und Menschen erst einzigartig. Gleichheit war etwas, was sie langweilig und eher abstoßend fand. In diesem Augenblick fiel ihr auf, dass ihr nicht perfektes und vom Schicksal gestraftes Leben viele Menschen berührt hatte, die neue Wege beschritten. Wie konnte ein Moment für immer halten? Indem Menschen ihre Wege kreuzten und die Erinnerungen teilten. So schmerzlich ihre Erinnerungen auch waren, sie verbanden sie mit anderen Menschen. Auch hier fand sie jemanden vor sich, der durch diese negativen Erfahrungen und gar Lebensgefahr zu etwas gefunden hatte, was ihn mit ihr verband. Dieses Band schien derartig stark, dass der Senator Stella blind zu vertrauen schien. Vertrauen war etwas Wertvolles und Stella war sehr dankbar dafür. "Ich glaube, dass die Christianer entscheidende Personen unserer Gesellschaft ausschalten wollen, um Rom ins Chaos zu stürzen," dachte sie laut nach und wollte damit auch auf den Flavier antworten. Auch sie nickte abermals. "Claudius und du habt euch hervorgetan, um Rom zu schützen und dies scheint diesen verirrten Geistern genug Anlass zu geben, euch beide töten zu wollen." Stella strich sich berührt über ihr Haupt, während die Tränen sich mühsam in ihren Augen versteckten. Sie hielt sie mit allem gerechten Zorn zurück, den sie verwahrt hatte. Die Gefahr war so real, dass sie kaum atmen konnte. Angst wollte seinen Platz in ihrem Herzen haben aber Stella verwehrte den Zugang mit jener Macht, die sie besaß. Stella war keine Fremde für die Dunkelheit und somit fürchtete sie jene Ängste nicht mehr. Pluto war mit ihr.
Der Flavier blickte auf die Holzmaserung der Tischplatte, während er sich - so mutmaßte Stella - eine Reminiszenz der Erinnerungen oder Schrecken erleben musste. Immerhin war dies kein leichtes Gespräch, welches viele Schrecken benannte. Schließlich sprach Flavius ihren Vater an. Stella musste schlucken, da sich jetzt wenige Tränen nicht mehr halten konnten. Der Wunsch ihren Vater wiederzusehen, oder auch ihre Mutter, ihren Bruden hatte sich in Millionen Träumen gezeigt. Wenn sie eine Welt schaffen konnte, wäre sie ohne Verlust aber sie war derzeit allein, ... oder vielleicht nicht mehr. Irgendwas hatte sich verändert. Rom veränderte sich. Ihr Bild änderte sich.
"Mein Vater hat stets für ...," wollte sie einen klugen Satz formulieren aber brach ab, da die Erinnerung an jenen Verlust sie zu sehr belastete. Sie entschied sich, dass sie es einfach und direkt formulieren musste. "Ich habe von einem Getreuen einen Brief meines Vaters erhalten. Und seinen Siegelring. Er war mit Blut benetzt," erklärte sie aber etwas hinderte sich daran, ihre Worte für absolut zu halten. Selbst der Flavius hatte jenen Zweifel geäußert, dass ihr Vater wirklich tot war. "Indem Brief stand, dass dieser übermittelt werden würde, wenn er tot wäre," sagte sie mit brüchiger Stimme, während ihre Augen an Eisfeuer verloren, getragen von Tränen. "Der Brief wurde mir letztes Jahr zugestellt. Ich lebte viele Jahre mit meiner..." Sie brach erneut ab, um ihr eigenes Geheimnis nicht aufzudecken. Immerhin hatte ihr Vater sehr viel für dieses Geheimnis gegeben, um sie und ihren Bruder zu schützen. "Ich lebte viele Jahre, nachdem mein Vater aufgebrochen war, auf einem fernen Landgut. Die Getreuen haben mich dort versteckt, um mich vor den Gefahren zu schützen, die uns allen nach dem Leben trachteten. Ich lebte dort, um meine Identität zu schützen, wie eine Sklavin," wiederholte sie ihre Geschichte und tat sich dabei sehr schwer. Doch die Geschichte, auch in ihrer Wiederholung in diesem Gespräch, gab ihr Sicherheit. Sie war eine geeignete Flucht, um sich nicht direkt der ernsten Sache zu stellen. Ihre Worte traten nicht flüssig hervor, sondern langsam und bedächtig. "Der Brief veranlasste mich nach Rom zu reisen und nach meinem Vater zu suchen. Ich wollte wissen, was geschehen ist, dass unsere gesamte Familie zusammenbrach." Ihre Augen fielen direkt auf den Flavius. "Ich weiß auch nichts von meinem Bruder, der wahrscheinlich ähnlich versteckt wurde, wie meine Person. Der Kaiser äußerte sich dazu auch nicht," fügte sie nachdenklich an und holte dann tief Luft, wobei ihr Sitz sichtbar unangenehm wurde. Sie wechselte die Position ihrer überschlagenen Beine.
"Mir ist klar, dass die Prätorianer ein Leben in den Schatten führen und vieles mehr Lüge als Wahrheit ist, Flavius," versuchte sie ihre Gedanken mitzuteilen. "... es erklärt zumindest, warum der Augustus so zurückhaltend war und auch die Bestattung, die er unterstützen will, eher mäßig durch die Administration verfolgt wird. Sie scheinen auf etwas zu warten. Der Augustus muss etwas wissen, was wir nicht wissen. Ich weiß nur, dass mein Vater unmittelbar ihm verantwortlich war, da mein Vater häufig das domus augusti aufgesucht hatte. Auch erklärt es, dass der Augustus nichts über meinen Bruder sagte, da er wahrscheinlich mehr über seinen Verbleib weiß." Schlagartig wurde es ihr klar. Nun tat der Flavius das, was sie für ihn getan hatte. Seine Worte weckten die Erkenntnis in ihrem Geiste. "Ich bin... Ich bin ... es ihm aber schuldig, dass ich zumindest eine Ehrung vollziehe," fügte sie einen renegaten Satz an, um die Idee nicht vollens zu bestatten. Immerhin hatte sie sich darauf eingerichtet und wollte ihrer aufgelösten Familie wenigstens einen Moment schenken. Auch hatte sie gegen den fiesen Bürokraten des Kaisershofes antreten müssen. Doch Flavius Worte hatten den Zweifel geweckt und gleichsam die Erkenntnis, dass die Prätorianer und vorallem der Imperator ihr etwas Entscheidendes verschwiegen.
"Ich habe mit Senator Claudius gesprochen und er erlaubte mir in seinem Haus zu leben. Er möchte mich schützen," sagte sie und atmete erleichtert aus, wobei sich einige Haarsträhnen aus ihrer Frisur lösten und in ihr Gesicht fielen. Mit einer hektischen Bewegung schob sie diese Strähnen zur Seite, um den Flavius, zwar traurig, aber auch ehrlich anzublicken. Ihre traurigen Augen verweilten für ein paar Augenblicke in seinem Angesicht. "Senator Claudius ist ein guter Mann und ein aufrichtiger Römer," sagte sie und wollte damit klarstellen, dass sie nicht undankbar war. "Ich schlage vor, dass wir uns als Opfer der Christianer zusammenfinden und unsere Bemühungen zu unserem Schutz abstimmen. Meine Gens ist bereits gefallen. Es soll die Flavii und Claudii nicht ebenso ereilen," schlug sie wieder ernst vor. Sie wollte kämpfen. Nicht einfach aufgeben. Wieder mischte sich jenes eisige Feuer in ihre Augen, was im Zusammenspiel mit jener kristallbehafteten Tränen einen wundersamen Anschein über Stella legte. Ihr Pluto, den sie erneut in jener dunklen Ecke des Raumes sah, schien zu nicken.
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Etwas unbeholfen versuchte sich Stella in ihrem neuen Zuhause recht zu finden. Es fiel ihr nicht ganz leicht, denn trotz allgegenwärtiger Hilfe von Sklaven, einen schnellen und geordneten Weg zu finden. Aus diesem Grund kreuzte sie mehrfach das Atrium, auf der Suche nach der Bibliothek und der Küche. Immerhin konnte sie schon die Wege benennen, die vom Atrium abgingen und kannte die groben Richtungen. Ihre Verwirrung mochte auch dem geschuldet sein, dass sie viele Gedanken sortierte und ihr eigenes Leben neu-ordnen musste. Besessen davon, ihrem neuen "Großpapa" keine Schande zu bereiten, wollte sie sich in das römische Stadtleben eingewöhnen aber natürlich gelang es ihr nicht vollens. Wie auch? Stella war keine typische Römerin, viel mehr sogar entrückt und entfremdet von dieser Stadt. Insgeheim konnte sie ihre Abscheu gegenüber alldem nie ganz ablegen. Aus ihrer Perspektive spielte sie eine Rolle zum Wohlgefallen ihres "Großpapas" und wollte ihren Dank damit ausdrücken, dass er ihr in großer Not geholfen hatte. Manchmal war eine Maske ein besseres Freund als das wahre Angesicht. Dezent als Römerin aufgehübscht, trat sie schließlich etwas überrascht auf. Peinlich berührt versuchte sie den Weg zu verlassen, um Claudius Menecrates und die Gäste nicht zu stören. "Verzeihung," huschte sie vorbei aber stürzte dann über die Bodenkante des Atriumbeckens, in das sie schließlich rutschend hineinfiel. Wasser spritzte minimal hoch, während Stella auf ihre Knie gestürzt war. "Bei allen Göttern...," fluchte sie halblaut und merkte, wie das Wasser ihre Kleidung durchnässte. Unangenehm. Dies war sehr unangenehm für sie. Inzwischen verlief auch der dick aufgetragene Kohlefarbton um ihre Augen. Wenn sie gewusst hätte, dass die für sie fremde Frau eine traurige und ernste Nachricht überbracht hatte, wäre sie am liebsten vor Scham gestorben.
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Die Begrüßungshäppchen, die sie bereits mit spitzen Fingern genommen hatte, schmeckten gar himmlisch. Besser als die billigen Eintöpfe, zu sehr gewürzt mit Garum, aus den Straßenläden in der Nähe der Subura. Stella nahm schnell weitere Häppchen, immer hektischer, bis ihr gesamter Mund voll war, und sie kaum noch kauen konnte. Ein paar Reste bahnten sich ihren Weg über ihre inzwischen öligen Lippen. Diese wurden mit einem Streich ihrer Handfläche beseitigt. "Lecker," sagte sie zufrieden, während ihr Magen lautstark nach mehr verlangte. "Es schmeckt mir bereits. Ich bin gespannt auf die anderen Speisen!" Stella nickte eifrig, wobei ihre zugehamsterten Bäckchen leicht zu erkennen waren. Noch immer kaute sie aus diesem Reservoir, bis dieses leer war. Gerade wollte sie die letzten Häppchen greifen aber sie bremste sich, damit Claudius auch noch ein paar erhalten konnte. Es war keine Höflichkeit, denn die besaß sie nur grob, sondern einfach eine Nettigkeit und Rücksichtnahme, die Stella sehr wohl verstand. Er hatte sich fast zeitgleich mit ihrem hungrigen Hamsterangriff ein Ei gegriffen. Langweilig, befand sie in Gedanken, aber auch sie mochte Eier. Gerade verschiedene Eierspeisen waren ihre Favoriten. Stella blickte Claudius an. Jetzt begann wohl das Gespräch. Die Tiberia war nicht vorbereitet, da ihr Fokus gerade auf dem wundertollen Essen lag aber dennoch wusste sie darum, dass gerade aristokratische Römer gerne beim Essen sprachen. Bei diesen Essen wurden ganze Kriege entschieden, Politiken beschlossen oder auch nur über Gossip gesprochen. Stella sprach selten aktiv beim Essen, da es primär der Nahrungsaufnahme gedient hatte und sie ohnehin oft allein aß. Claudius sprang gleich in das schwerste Thema. Von einem leichten Einstieg verstand er wohl nichts, dachte sie sich Stella und griff nach einem Becher mit verdünntem Wein, der jedoch nicht so süß war, wie sie erwartet hatte. Mist. Dabei mochte sie süßen Wein sehr gerne. Scheinbar tranken alte Herren eher anders. Andächtig nippte sie am Becher, während ihre intelligenten Augen Claudius beobachteten, während dieser sprach. Wirklich. Er konnte nicht einfach ein paar Stunden damit warten? Jetzt musste sie mit ihm, trotz des wunderbaren Essens, nachdenkliche Themen bereden. Stella hatte Prioritäten. In diesem Fall Essen. Viel Essen, da sie selten so gutes Essen gehabt hatte.
Stella konnte dennoch die Situation antizipieren, sich anpassen und verstand, dass Claudius gerne die wichtigen Fragen, vorallem die von emotionaler und persönlicher Natur, gleich klären wollte. Die Tiberia suchte seinen Augenkontakt, um seine Emotionen deuten zu können. Er schien zu stocken. Stella wurde unruhig, denn sie wollte ihm nicht dieses Gefühl geben, etwas notwendig anzusprechen. Es waren nur Fragen gewesen, die sie aus rein philosophischer Neugier gestellt hatte.
Befehle. Die billigste Begründung, die auch immer ihr Vater verwendet hatte. Jetzt hatte Claudius Stella wirklich abgeholt und so verschob sich ihre Priorität vom Essen hin zu diesem Gespräch. Es war schwer zu erklären, warum sie so ambivalent handelte, vielleicht war es der frühe Verlust der Mutter, der Verlust ihres Vater oder ihres Bruders; möglicherweise alle Verluste in ihrem Leben, die sie grundsätzlich an allem zweifeln ließen. Zweifel war ein heimtückischer Begleiter, der Stella, fast wie Pluto, nicht losließ. Claudius konnte sich vor anderen verstecken, möglicherweise sogar vor sich selbst, aber nicht vor Stella, die einfache Begründungen niemals zuließ; nicht, wenn es um menschliche Fragen ging. Denn genau diese einfachen Lösungen hatten ihren Papa geraubt, ihren Bruder und auch jede Hilfe wertlos gemacht, da selbst die Getreuen, die sie versteckt hatten, immer noch einfache Antworten gaben, meistens sogar garkeine Antworten. Stella wollte Claudius nicht einfach so davonkommen lassen. Ihre Augen weiteten sich, während sie jede Regung in seinem Gesicht wahrnahm. Er wollte ehrlich sein? Aber versteckte sich hinter Befehlen. Natürlich waren Soldaten niemals frei. Das war gerade ihr Schicksal. Ihr Vater war es wahrscheinlich niemals gewesen und lebte aus ihrer Sicht ein schlimmeres Leben als ein Sklave. Oft war er von der Familie getrennt gewesen, kehrte verstört oder zerstört nach Hause zurück, und in stillen Momenten blickte ihr Vater so seltsam traurig. Stella verstand jedes Wort aber konnte es nicht so stehen lassen.
"Ich finde dich nicht abstoßend. Ich fälle keine schnellen und einfachen Urteile. Jeder Mensch ist doch auch abhängig von seinem Schicksal, Umfeld und jener Zeit, in der er lebt," stellte sie klar und nickte ihm ernst zu, während sie eine kreisende Geste mit ihrer Hand machte. "Claudius, ich bin die Tochter des Trecenarius. Ich bin eine Tochter, die auf der Flucht zur Frau gereift ist, in bin ein Mensch, der nichts beständig in seinem Leben besessen hatte. Ich urteile nicht über dich. Ich bin keine Richterin. Glaube mir, ich habe genug gesehen auf meiner Reise. Wirklich genug und du bist kein Mann, der grundlos schlecht agiert," erklärte sie, während sie den Becher aus ihrer linken Hand auf dem kleinen Tisch neben sich abstellte. "Dennoch ist nichts zu empfinden, auch ein Zustand. Du wirst deine Gründe dafür haben aber ich finde, dass man sich auch seinen Entscheidungen stellen sollte, sie nicht übergehen darf. Mein Vater zog von Schlachtfeld zu Schlachtfeld, tat, was er eben tat, aber sprach niemals darüber. Nicht mal mit uns, seiner Familie. Er trug alle Entscheidungen alleine und ich möchte nicht, dass Menschen in dieser einsamen Hölle vergehen," teilte sie ihre Sorge mit. "Auch ist es immer wichtig, zu wissen, wer man selbst ist. Ich selbst weiß meinen Namen, kenne meine Geschichte aber weiß nicht, wer ich wirklich bin. Ich stelle mir solche Fragen oft, Claudius. Ich suche nach etwas und möchte mich nicht davor verstecken. Viele verstecken sich hinter Befehlen, einem Ziel oder auch einer Vision. Es sind nur Rechtfertigungen. Du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen. Wie gesagt, ich bin keine Richterin. Ich bin nur eine Suchende, die gerne bei dir im Hause bleiben möchte." Stella seufzte leise, während sie sich über ihren nach germanischer Sitte geflochtenen Zopf fuhr und diesen nach vorne legte.
"Die Christianer tun es auch. Sie verstecken sich hinter einer Nachwelt, einem Gott und opfern alles in ihrem Leben, für einen Gewinn im Jenseitigen. Sie lehnen unseren Augustus ab, sie lehnen Rom und unsere Götter ab, aber im Kern verstecken sie sich auch vor ihren Entscheidungen. Sie greifen Menschen an, zünden Tempel an, und wollen unsere Welt wirklich brennen sehen. Sie suchen im Untergang ein Heil, was sie im Leben wohl nicht fanden. Mein Vater fürchtete sie sehr und nahm jedes Risiko auf sich, um die Christianer als das zu entlarven, was sie sind. Du hast deine guten Gründe, sie zu hassen aber man darf vor Hass nicht blind werden. Mein Vater hat sich in seinem Eifer verloren, wollte immer mehr Macht gegen die Christianer richten und was brachte es?" Stella schloss für wenige Sekunden ihre Augen, um die schmerzliche Erinnerung an ihren Vater zu verdrängen, bevor sie diese wieder öffnete. Sie blickte Claudius klug aber auch leicht traurig an. "Sie wüten immer noch in Rom. Ich hörte, dass sie einen Tempel schändeten. Alles, was mein Vater versuchte, war umsonst, genauso bedeutungslos, wie jede Rechtfertigung. Wir treffen Entscheidungen, Claudius. Darauf kommt es an." Es schmerzte die Tiberia sehr, so dass ihre Fingerspitzen leicht eingekrümmt waren. Sie machte eine längere Pause, bevor sie weiter sprach, immer wieder den Blick mit Claudius Menecrates suchend.
"Es war mir immer klar gewesen, dass Rom voller Intrigen ist. Aber das Rom seinen Beschützer mit einer Intrige stürzen wollte, ist an Grausamkeit nicht zu überbieten," nahm sie Menecrates Gedanken auf und dieser passte ihr sehr gut. Es schloss ein Bild des bösen Roms ab, welches Stella ohnehin hatte. Ihr Vater war verraten worden. Nein, er musste verraten worden sein. Das passte sogar so gut, dass diese Antwort eine kleinere Erleichterung brachte, denn ihr Zorn war nun nicht mehr ungerichtet. Es gab Verräter in Rom, vielleicht sogar den Kaiser selbst. Stella würde ihre Namen erfahren. Sie musste sie erfahren. "Mein Vater hat stets still und verborgen gedient. Er hat wirklich nie einen Dank erwartet aber dieser Verrat ... " Stella wischte sich zwei Tränen aus ihrem Gesicht. "Wie ist seine Person demontiert worden? Was ist passiert? Ist er verraten worden? Haben sie ihn umgebracht? Was hat dieses Rom, welches er immer beschützt, ihm angetan?" Die Fragen brodelten aus ihrer heraus. Ihre Stimme war ernst aber immer noch zielgerichtet, fast schon beruhigend kalt.
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Willkommen zurück!
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Stella weilte in einfacher Aufmachung vor der Rostra, lauschte den wohlgelobten Worten, machte sich ihre eigenen Gedanken und schmunzelte dann. In ihrer Aufmachung mochte so mancher sie für eine einfache Peregrina und Handwerkerin halten: die großen Farbblecken in Rot und Grün auf ihrer Tunika deuteten auf eine Farbmischerin hin. Stella mochte es in den Straßen, je nach Belieben, eine Rolle zu spielen. Die neueste Errungenschaft war die Farbmischerin. Die Tiberia ließ ihre Augen umherwandern. Wie gewohnt wohnten den Reden sehr wenige Frauen bei, was Stella, wohlwissend um die römische Tradition, nicht mal verwunderte. Die Männer, die sich hier versammelt hatten, gaben leider oft auch nur ein politisches Interesse vor. Es war eine Art Elitenbingo, wer zuerst etwas Kluges anmerkte oder ganz bedeutungschwer Nicken konnte. Nicht, dass sie es nicht belustigend fand, aber in Rom bewegte sich eigentlich nicht viel, außer viele Menschen in den täglich ähnlichen Abläufen. Die politischen Reden war den täglichen Kreisen nicht unähnlich. Dennoch kam sie nicht umhin, dass dieser Annaeus einen neuen Anstrich probierte. Etwas war anders als bei den anderen, wenn auch nicht bedeutsam anders. Seine Wirkmacht mit einem Autokraten auf dem Thron war auch eher begrenzt. "Fast revolutionär," rief Stella mit ihrer starken aber melodischen Stimme, fast so, als ob eine Demigöttin vom Himmel herab rief. Nicht, dass sie sich selbst als Demigöttin sah aber sie hatte schon immer eine sehr durchsetzungsstarke Stimme gehabt, die zwar nicht laut aber doch schon recht herausbrechend war. Stella bemerkte, dass sie wohl zu sehr aus der Menge herausgestochen war. Man sollte in Rom nicht zu sehr auffallen. Nicht nur die Christianer waren eine Gefahr. Trotzdessen mochte sie den Ansatz des Annaeus etwas Macht in die Hände des Volkes zurückzulegen. Dies war zwar mal wieder mit einer Lobhymne auf die Augusti begleitet aber im Kern wollte er tatsächlich etwas wagen. Vielleicht sollte man die Sache noch etwas anwürzen. Immerhin wollte er ja Volkstribun werden. "Republik, Republik!"* - rief sie und stuppste einen Nebenmann an, der ähnlich ärmlich gekleidet war. Dieser war etwas erstaunt aber stimmte dann aus Reflex in den Ruf ein. Stella hoffte, dass sich weitere anschlossen, damit der Annaeus nicht vergaß, dass er ja das gemeine Volk vertreten wollte. Da sie aber darum wusste, was dies bedeutete, und sicherlich bald irgendeiner dieser spaßverderbenen Speculatores oder Statores weitere Kräfte anfordern würde, um den Ausrufenden ausfindig zu machen, verdrückte sie sich schnell aber bemerkte im Gehen diesen Seius Ravilla. Schon wieder. Er war auch überall. Sie wollte ihn aber diesmal nicht ansprechen, obwohl er für sie irgendwie süß aussah, wie er so klug tat und sich bemerkbar machen wollte. Sein Ehrgeiz hatte etwas tragisch-komisches. Irgendwie fand sie ihn wirklich süß aber schüttelte diesen Gedanken ab, als sie mit eilig entspannten Schritten aus der Menge verschwand.
Sim-Off: Wohlwissend, dass der Begriff in diesem Fall übertragen für eine Staatsform gemeint ist und nicht mit "res publica" gleich gesetzt ist. Sorry Florus, wenn du keine größeren Ausrufe haben willst, einfach ignorieren. Stella ist manchmal etwas frech. xD
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Stella trat auf, zurecht gemacht und anders, als sie erschienen war. Sie wirkte natürlicher, freier und ihre Kleidung war angemessen aber schlicht. Die aufgeplusterte Eitelkeit, die sie als Maske aufgelegt hatte, war verschwunden. All die Schminke, die Seide, und modischen Farben, waren fort und ersetzt durch eine Auswahl an erdfarbenen Kleidern. Ihr Augen waren befreit von jenem schwarzen Lidstrich und ergaben sich in einem klugen Angesicht, welches ehrlich und offen auf Claudius Menecrates schien. Sie war hier, nicht als Kämpferin vergangener Hoffnungen, sondern als die Person, die sie schon immer war. Stella brauchte keinen Lorbeer, kein Gold und kein wertvolles Geschmeide, um einen Raum in Besitz zu nehmen. Wenn sie etwas einnahm, nahm sie dies mit Sinnen, Wissen und Ausstrahlung ein. Die kalte Maske war zerbrochen, fiel mit jenem Lächeln, welches bis in die Wangen reichte, hinab. Es tat gut, an einem Ort, zu sein, wo sie einfach sein konnte, ohne eine Flucht vorzubereiten. Stella trat durch das schmale Portal ins Triclinium. Sie verweilte einen Moment mit ihrem Lächeln und nickte Menecrates mit diesem sonnigen Strahlen zu. Er wusste nicht, dass er sie gerettet hatte. Nicht allein vor Hunger oder Gefahren, sondern vor jeder vergangenen Absicht und der wütenden Trauer, geboren aus Flucht, Tod und Gewalt. "Ich habe lange nicht mehr so gegessen," meinte sie und deutete auf die Kline und setzte sich lieber auf einen Sedes unweit der Kline des Hausherren. Sich - trotz eines neuen Zuhauses - unwohl und unsicher mit jener Tischsitte fühlend, schlug sie die Beine übereinander und legte beide Hände auf das obere Knie. "Oft aßen wir auf dem Boden oder ich aß mit einem Holzlöffel von einer Holzkiste aus," erklärte sie, um sich ein wenig rechtzufertigen. Ihre Flucht war auch mit Armut verbunden gewesen. Natürlich kannte sie die römischen Tischsitten aber wusste auch, dass unter Umständen auch ein Sedes akzeptiert wurde; insbesondere bei Frauen. "Danke," versuchte sie sich erneut zu bedanken und blickte sich etwas verloren um. "Es ist so ungewohnt." Stella lächelte unsicher.