Beiträge von Tiberia Stella

    Stella kämpfte ihren eigenen Kampf. Nicht nur mit der Welt, sondern auch mit sich selbst. In ihrem Kopf wollten die Gedanken nicht weichen, die schreckliche Erinnerungen waren so real für sie. Gewalt erzeugte eine unangenehme und unruhige Stille. Es fehlten die Worte und so nahmen Gefühle deren Platz ein. Beständig aber langsam wurde ihr Herz von jener Gewalt übernommen, die sie erlebt hatte. Machte sie dem Soldaten einen Vorwurf? Nein, aber dennoch konnte sie diesen Mann nicht aufrichtig achten und sein Verhalten hatte sich als das gezeigt, was Stella nur zu gut, von diesen Soldaten kannte. "Danke", brachte sie höflich aber kalt hervor, während sie sich mit einem Blick zurück aus dem Geschäft zurückzog. "Rom, ich verfluche dich," spuckte sie leise in den staubigen Wind zwischen den Häusern. In diesem Augenblick wollte sie Rom, diesem Symbol und diesem Namen, alles entgegenwerfen, was sie fühlte. - Und das tat sie auch.

    Befehle. Wie sie dieses Wort hasste. Ihr Vater war stets diesen Befehlen gefolgt und sie hatten ihn von seiner Familie getrennt. Befehle verdarben ein jedes Herz, so sah es Stella. Wenn es keine freie Wahl etwas zutun gab, war kein Platz für Freiheit und Freiheit war doch etwas, was das Herz brauchte. Es musste frei schlagen können. Stella wollte frei sein, und doch folgte auch sie Befehlen, die sich als Tradition und Gesellschaft tarnten. "Diese Befehle haben ihn zerstört," meinte sie erbost und wollte diese Rechtfertigung des Claudius nicht hören. Befehle waren keine Entschuldigung und keine Sühne, sie war schlicht Ursache aber nicht Verantwortung. Viele versteckten sich hinter Position, Funktionen und diesen Befehlen, obwohl sie selbst Verantwortung trugen. "Zu uns war er der beste Vater und doch kann ich nicht leugnen, dass ich vieles nicht verstand. Doch habe ich die Sorge, dass ihm seine Arbeit gefallen haben könnte. Wir müssen uns keine Illusionen machen, dass er mit Sicherheit nicht unschuldig war. Ich selbst habe gesehen, wie er Varia und viele weitere hingerichtet hatte. Er hat Menschen ans Kreuz gebracht. Menschen am lebendigen Leibe verbrennen lassen, auch auf dein Urteil hin. Du hast es doch gesprochen," fügte sie Sätze zusammen, um diese Ausflucht des Claudius zu unterbrechen. "Ich verurteile dich nicht dafür aber bitte verstecke dich nicht." Stella hatte genug gesehen und ihr eigentlich weiches Herz war daran zerbrochen. Die Grausamkeit ihres Vaters, seine Heimtücke, aber auch sein Heldenmut und seine Tapferkeit, hatten ihn letztlich vernichtet. Vom guten Verus, ihrem Papa, war nicht viel geblieben. Nicht nach den Christianern und Varia. Dieser Konflikt hatte ihn endgültig verändert. Sie fürchtete darum, dass auch Claudius Menecrates unheilvolle Veränderungen an sich feststellen konnte. Keine Person blieb von Gewalt unberührt. Der Ausführende, wie auch der Erleidende, wurden durch Gewalt verändert und dies oft zum Schlechteren.


    "Du hast doch auch ihre Schreie gehört als sie an den Kreuzen verbrannten? Ich habe meinen Vater, obwohl er es mir verboten hatte, dabei beobachtet, wie er Varia höchstselbst hinrichtete. Du standest auf deinem Podium, blicktest herab und riefst laut - lege age! - und auch du hast es gesehen. Es sogar gerochen, wie das Fleisch der Feinde verbrannte. Du hast dabei nichts gefühlt?" Stella blickte den Claudius klug an. "Mein Vater war stets loyal gegenüber seinen Befehlen und seinen Herren und doch war dort etwas, was er verloren hatte. Ich glaube, dass er selbst ein Gefangener seiner Befehle war und niemals wirklich frei war," versuchte sie selbst eine Erklärung zu finden. Auch als geheime Tochter einer Sklavin, die germanische Seherin gewesen war, die ihr Vater sehr geliebt hatte, und somit wahrscheinlich nie ganz Römerin, konnte die Welt wahrscheinlich mit anderen Augen sehen. "Ich bin dankbar für seine Freunde, denn eines ist sicher, dass er für jeden Vertrauten genauso kämpfte, wie für seine Sache, welche das auch immer sein mochte," meinte sie und rang sich ein trauriges Lächeln ab. "Wären diese bösartigen Christianer und diese Varia nicht gewesen, wäre er wahrscheinlich nicht in diese Dunkelheit gefallen," äußerte sie ihren groben Verdacht, den sie bereits ihr ganzes Leben mit sich herumtrug. Sie gab den Christianern die Schuld für diese Entwicklung der Gewalt, die alles erfasst hatte.


    "Mein Vater wollte uns immer beschützen und hat es auch irgendwie geschafft, selbst aus der... toten Ferne ... etwas zu hinterlassen. Mein Bruder wollte immer genauso stark sein." Sie lächelte sanftmütig, die dunklen Gedanken vertreibend, die mit der Erinnerung an die Hinrichtung aufkamen. Diese Brutalität ihres Vater hatte sie zwar erahnt, denn ein Mann in seiner Position war und musste hart sein, doch sie real vor sich zu sehen, wie er kalt in seiner Prunkrüstung einen Menschen tötete und hunderte weitere verbrennen ließ, veränderte auch ihre Sichtweise. Es zu sehen, hatte es ihr begreifbar gemacht, warum ihr Vater sie ausgebildet hatte, denn wer ein solches Leben führte, konnte auch alles dadurch verlieren. Seine Kinder wollte er davor schützen. Genauso, wie er den römischen Staat betrogen hatte, um seine beiden Kinder als Bürger eintragen zu lassen. Er hatte Unterlagen fälschen lassen, nur damit sie eine Römerin sein konnte, ansonsten wäre sie einfach eine Sklavengeborene gewesen und somit eine Sklavin. Verus war nicht einfach zu verstehen und was ihn letztlich wirklich antrieb, mochte selbst seine Tochter nicht sagen. "Du erinnerst mich ein wenig an...," sagte sie mit einem lieblichen Hauch an Andenken. "... an meinen Großpapa, der leider viel zu früh von uns ging. Auch er hatte diesen Ausdruck von Stärke und gleichzeitigem Mitgefühl. Dein Herz hat Mitgefühl. Es lebt und ich bin dankbar, dass dich meine Familie einen Freund nennen darf. Du errettest nicht nur mich, sondern auch unser ganzes Haus," bedankte sie sich und nickte dann auf seinen Ausspruch hin, dass alles gut werden würde.


    "Das wird es." Für einen Moment ließ sich Stella in die Illusion fallen, dass dies hier ein Zuhause sein konnte und ihr Gesicht verlor jene Härte und erstrahlte in weichem Sanftmut. Sie war einfach erleichtert und für einen Moment frei von allen dunklen Erinnerungen und Sorgen, jenem Vermächtnis des Hauses Tiberius, welches Flüche und Verdammung an sich zog, wie andere Häuser Schätze. Die Umarmung fand ihr Ende und Stella blickte den Claudius mit einem fast fürsorglich-vertrauten Lächeln an. "Wir sehen uns gleich...", warf sie ihm freundlich entgegen und hob ihre Hand zu einem freundlichen Winken, wobei sie nur sanft ihre Finger bewegte. Stella stellte sich neben den Sklaven. "Kannst du mich herumführen?" Sie wirkte dabei etwas perplex.

    So einfach war es dann doch nicht. Sie hatte die Hoffnung gehabt, dass eine einfache Geschichte ausreichen würde. Jetzt wurde es also spannend. Stella musste sich anstrengen und dies lies ihr Herz schneller schlagen. Diesen Ton, den der Soldat anschlug, kannte sie. Zum Glück war sie von ihrem Vater ausgebildet worden, auch unter Stress nichts zu verraten und einfach mit der Lüge fortzufahren. Lügen konnten auf Lügen aufbauen; und irgendwann war es schlicht egal, was wirklich geschehen war. Man wählte schlicht eine passende Lüge aus und machte diese zur akzeptierten Wahrheit, weil sie alle Beteiligten irgendwie gefiel. Diese Erfahrung hatte Stella leider zur Genüge machen müssen. Stella legte ihren Kopf schief zur Seite und betrachtete Canutius fast so als ob sie etwas bestaunte. Weiterhin war ihr Gesicht jedoch von Tränen umspielt, die nur langsam verstarben. Eine merkwürdige Aura umgab Stella. Langsam und in einer eleganten Bewegung, fast einer Tänzerin gleich, erhob sie sich vom Stuhl. Sie stand nun vor Canutius, schob den Stuhl leicht zur Seite, so dass sie diesen im Zweifel - in einem Versuch - in seine Beine schieben konnte, sofern sie flüchten wollte. "Es ist unbedeutend, wer ich bin. Es ist nicht wichtig, weil ich keine Bürgerin bin. Ich habe nichts verbrochen, außer zu überleben," stellte sie fest und urplötzlich gab ihr Pluto jenen Mut zurück, der sie bis jetzt durch das Leben geführt hatte. "Ich wohne in der subura, schlage mich so durch aber habe nie etwas Unrechtes getan. Ich bin gelernte Farbmischerin," erfand sie schnell eine neue Geschichte, um ihre eigene Identität zu verbergen. "Ich bin 19 Jahre alt," sagte sie mit einem Nicken und dies war nicht einmal gelogen. "Ich bin doch sowieso nichts wert für euch. Ich habe überlebt. Es ist mir gleich, was ihr glaubt oder nicht glaubt. Im Zweifel trete ich auch vor einen Richter aber ich vergaß, für uns gibt es ja nicht zwingend einen Richter?" Stella übersah nur ein wichtiges Detail ihrer Darbietung: Sie drückte sich für ein Mädchen aus der subura zu gewählt aus. Und sie sprach mit Sicherheit kein Gossenlatein mit einem starken Akzent.

    In gewisser Hinsicht hatte man ihr etwas angetan. Aber nicht hier. Nicht an diesem Ort. An diesem Ort hatte sie Stärke bewiesen und das eingefordert, was ihr - nach ihrer Ansicht - rechtmäßig zustand. Stella atmete langsam aber beständig, wobei sich ein regelmäßiger aber fokussierter Luftzog ergab. "Dort Draußen," log sie und deutete zur Tür. "Ja, es ist Blut," gab sie das Offensichtliche zu. Es gab hier auch nichts mehr zu leugnen, also galt es mit der neuen Requisite zu arbeiten und die Geschichte auszubessern. Stella fand gerade eine mögliche Lösung, um aus dieser Lage zu entkommen. "Mich hat ein Mann gepackt und wollte..." Sie brach ab, da sie es nicht aussprechen wollte und es auch nicht mochte. Die Tiberia wusste darum, dass Menschen gerne Sätze im Kopf beendeten und sich schon das passende Bild für ihre Geschichte ergeben würde. Eigentlich wollte sie von einer versuchten Entführung sprechen oder eines Raubüberfalls, tat dies aber wohlwissend nicht. Manchmal war es besser, nicht alles zu sagen und eine Lüge durch sich selbst wirken zu lassen. "Zwei Männer haben mich gerettet und mich hierher gebracht," erklärte sie, um Plato zu schützen. "Ich habe den Mann verletzt, schlimm verletzt, und sie brachten ihn auch hierher. Die beiden anderen Männer wollten sich kümmern. Sie versicherten mir, dass er mir nie wieder etwas antun würde...," stammelte sie mühsam Worte zusammen, die aber doch eine zusammenhängende Logik hatten und somit verständlich waren. Stella drückte sich tatsächlich ehrliche und gefühlte Tränen aus ihren Augenwinkeln. Doch galten sie nicht dieser Lüge, sondern der gesamten Situation und dem, was sie selbst getan hatte.

    Noch einmal musste sie sich aufraffen. Gerade jetzt, war ihre Aufführung noch nicht vorbei. Eigentlich war diese nie vorbei, denn sobald man sich in Lügen verstrickt hatte, musste man immer wieder lügen. Vergebung gab es für Lügen selten und doch taten es alle Menschen täglich; und selbst eine Theateraufführung war eine Verwandlung der Lüge. Stella hatte inzwischen Erfahrung darin, Menschen zu entkommen. Insbesondere Männern, konnte sie im Regelfall gut entkommen, da diese selten annahmen, dass eine Frau, wie sie, mit diesem Gesicht, etwas getan haben konnte, was außerhalb des Üblichen lag. Mit glasig-traurigen Augen blickte Stella auf, um der Wache mit ihrem Angesicht zu begegnen. Sie wollte fliehen aber etwas hielt sie hier. In diesem furchtbaren Theaterstück, welches eine weitere Bühne ihres Lebens war. "Ja," versuchte sie zu antworten aber brach direkt nach diesem Wort ab und versuchte ihre blutbeschmierten Hände zu verbergen, was nur mäßig gelang, da bereits ihre Kleidung mit kleinen Blutspritzern vom Gerangel benetzt war. Sie setzten sich zwar nicht deutlich ab aber der sanfte Braunton ihrer Tunika verhinderte wohl eine direkte Erkenntnis der Wachen. "Ich... Ich...," musste sie überlegen. "Ich bin entkommen...", log sie halbwahr. Immerhin war sie ja irgendwie der Situation entkommen und versuchte jetzt, nervös und unsicher, eine neue Geschichte zu entwickeln, damit diese Wachen nicht auf eine irgendeine Idee kamen, die schädlich für Stella sein konnte. Oder schädlich für Plato, den sie noch brauchte und eigentlich wollte sie einem Menschen auch nicht unnötig Leid zu fügen. Ihre Arme zitterten und ihre Wangen wirkten eingefallen vor Angst. Ihre Geschichte war nicht gut, da sie aufgrund ihrer emotionalen Lage nur sehr zögerlich aus ihrem Verstand sprudelte.

    Es hatte gedauert. Lange gedauert. Es waren Briefe entziffert worden, Schlüssel gefunden und Hinweise gedeutet werden, um an diesen Ort zu gelangen. Nicht nur der verlockende Duft eines hervorragendes Eintopfes verweilte in der Luft, sondern auch die fadenscheinige Atmosphäre. Etwas stimmte hier nicht. Diese taberna war gemütlich, florierte aber hatte diesen einen Tisch, an dem zwei finstere Gestalten saßen. Beide wirkten recht alt aber noch nicht zu alt für ihre Geschäfte, die sie augenscheinlich hier abwickelten. War es Glücksspiel? Möglich. Aber ihr Vater hatte ihr keinen Hinweis hinterlassen, dass sie ein Glücksspiel finden sollte, sondern die letzten Getreuen ihres Vaters, die nicht nur unter ihm gedient, sondern auch erheblich profitiert hatten. Diese Getreuen sollten sich an diesem Ort aufhalten. Unsicher aber sicher spielend, trat Stella durch das Geschäft auf diesen einen Tisch zu, der nicht ganz ins Bild der freudigen und schwätzenden Leute passte. Die beiden Gestalten blickten auf.


    "Haha," sagte einer der beiden vom Salz des Lebens entstellten Gesichter. "Eine schöne Blume verirrt sich an unseren Tisch. Ich könnte etwas Spaß gebrauchen. Aus welchem Lupanar bist du entflohen?" Er lachte schäbig, während sein Tischpartner fast geräuschlos murrte. Er sagte nichts. Stella spürte ihr Herz schlagen. Denn die Gefahr war deutlich wahrzunehmen. An diesem Ort war ein schnelles Ende möglich. Und nicht einmal die Stadtwachen würden sie womöglich finden, wenn diese beiden Halunken sie packten und fortschleppten. Die Tiberia besann sich auf ihre Ausbildung. "Ich bin keine Lupa," sagte sie mit ernster Stimme.


    "Ich kann dich zu einer machen...," sagte der schäbige Mann und machte eine anstößige Geste mit seiner Hand. Stella wich nicht zurück. "Das würdest du nicht überleben," drohte sie und verwandelte ihre Augen in jenes kaltes Eis, welches selbstwusst frostig strahlte. Inzwischen kannte sie dieses Milieu. Diese Umgebung wurde ihr vertrauter. Zu lange war sie auf der Flucht gewesen. Ein einfältiger Gauner würde sie nicht einschüchtern. Sie wusste, was sie konnte und wer sie war. Dies würde er ihr nicht mehr nehmen. Lieber starb sie, als diesem Mann Macht einzuräumen. Der Halunke stand erbost auf und schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch.


    "Du wagst es, Weib?" Sein Tischpartner hob die Hand und forderte ihn mit einer wortlosen Handbewegung, sich wieder hinzu setzen. "Mutige Worte," sagte dieser einstig stille Teilhaber mit einem salzigen Lächeln. Trotz ihrer Todesangst, begann sich Stella hier wohl zu fühlen. Mit Pluto in der Nähe, so unmittelbar vor dem Tod stehend, fühlte sie sich wohler. Stella fühlte sich im Auge des gewalttätigen Schicksals wohler, denn es war mehr als ein ständiger Abgesang und Abstieg, eine heimliche Akzeptanz des Untergangs. Sie wählte ihren Untergang selbst. Dieses Leben gehörte ihr. Und mit Sicherheit nicht irgendeinem dahergelaufenen Mann.


    "Du hast Arbeit?" Eine Frage, die wohl angemessen war, wenn sich an einen Unterweltanführer wendete, der hier residieren sollte. Zumindest hatte sie die Hinweise so gedeutet. "Das weiß ich nicht, " sagte der wohl Mächtigere von beiden mit einem gespielten Kopfschütteln. "Nennt man dich nicht Plato?" Er lachte auf. "Ich habe viele Namen aber an diesem Tisch bin ich Plato, ja," antwortete er. "Ich habe keine Arbeit für dich..." ergänzte er und deutete dann mit einer Handbewegung vom Tisch weg. "Du hast immer Arbeit," behauptete sie einfach, da sie nicht wollte, dass das Gespräch abriss. Er schmunzelte und ließ seine Hand zurücksinken. "Du bist in der Tat mutig und wohl verzweifelt, wenn du mich ansprichst. Das tun normalerweise nicht viele ohne Grund. Meistens brauchen sie dringend Geld oder etwas anderes." Stella nickte nüchtern. "Irgendetwas sagt mir, dass du kein Geld willst, sondern etwas anderes?" Stella sog Luft durch ihre Nase ein, bevor sie antwortete.


    "Ich brauche Informationen über ein paar Personen. Ich möchte etwas über folgende Personen wissen," erklärte sie und legte eine tabula auf den Tisch, der wohl diesem sogenannten Plato gehörte. Plato nahm die tabula auf und es weiteten sich seine Augen. Es handelte sich um Namen, die Prätorianer verwendenten. Explizit sogar Speculatores. Sie waren nicht echt; selbstverständlich waren sie es nicht aber wie kam eine wildfremde Frau an diese Namen? Plato ließ sich nichts anmerken und legte die tabula überzogen langsam zurück. "Und du möchtest für diese Informationen arbeiten?" Plato stand auf und deutete zu einem Vorgang, der ein Hinterzimmer abgrenzte. Er hob die Tafel wieder auf und verstaute sie in seiner Gürteltasche. "Folge mir," mehr ein Befehl, denn als ein Wunsch. Stella nickte und beide gingen hinter den Vorhang. Platos Partner stand ebenso auf und stellte sich vor den Vorhang, damit niemand das Hinterzimmer betrat. Im Zimmer lag ein wenig Schutt, ein paar Amphoren standen in Halterungen und ansonsten war hier nur ein zerbrochenes Regal aus einem morschen Holz. Plato lehnte sich an die Wand, während ihren Abstand bewahrte. "Diese Namensliste kannst du nicht so einfach zusammengestellt haben. Nicht einfach so, mutige Blüte," sagte er und machte eine abweisende Geste mit seiner rechten Hand. "Ich kann dir keine Arbeit anbieten. Auch kann ich dir keine Informationen dazu geben."


    Stella trat an ihn heran und packte ihn an der Schulter, um ihm einen kräftigen Tritt ins Gemächte zu verpassen. Plato stöhnte auf, während der Schmerz seinen Körper lähmte. "Ich habe keine Zeit, Plato," erboste sich Stella, ihre Rolle als Halunkin spielend. Der Partner blickte durch den Vorhang hinein und zog einen Holzknüppel, um Stella damit eine zu verpassen. Dies bemerkte Stella und zog eine spitze Haarnadel aus ihrem Haar, welches daraufhin auseinander fiel. Stella konnte dem tumben Knüppelhieb ausweichen und rammte dem widerwertigen Gauner die scharfe Nadel zwischen Schlüsselbein und Armansatz. Ein wenig Blut quoll hervor, als der Gauner den Knüppel fallen ließ und Stella ihm mit beiden Händen einen Doppelschlag auf die Ohren verpasste. Der Mann torkelte benommen zurück und lehnte sich seinen Arm haltend, an eine Amphore, die bedrohlich wackelte. Plato hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt und zog einen Dolch. "Du wirst sterben," schimpfte er. Stella wollte dies vielleicht sogar.


    "Das ist mir egal," antwortete sie. "Ich brauche Antworten." Ihre Augen fielen auf den Dolch. Sie kannte diese Dolche. Ein schwarzer Griff und eine Klinge speziell bearbeitet, um besonders spitz und scharf zu sein. Diese Klingen drangen mühelos in jeden Körper ein. Es waren prätorianische Waffen. Zumindest Waffen der speculatores. Entweder Plato hatte diese Waffe einem Prätorianer abgenommen oder er war selbst einer, der mutmaßlich nun auf eigene Rechnung ohne ihren Vater weitermachte. "Tiberius Verus," sagte sie fast andächtig, als sie den Knüppel vom Boden aufhob. Stella war eine Überlebende und sie würde auch weiter überleben, da sie mit jeder Verzweifelung und Todesverachtung agierte. Plato stockte und setzte noch nicht zum Angriff an. "Dieser Name...," flüsterte Plato hörbar. "... wird hier nicht genannt. Er wurde hier noch nie genannt." Beide überlegten. Plato versuchte zu verstehen, wer dort vor ihm war und warum dieser Name von ihr genannt wurde und Stella dachte sich, dass ein normaler Gauner, da war sich Stella sicher, diesen Namen nicht kennen würde aber ein speculatores schon.


    "Wer bist du?" Eine Frage, die Plato selten stellte. "Eine Person, die gesandt wurde, um jene ausfindig zu machen, die für unser aller Schicksal verantwortlich sind. Auch du wurdest wohl hintergangen, wenn du noch immer in dieser Absteige hier verweilen musst," formulierte Stella und sagte in Wahrheit nichts über ihre eigene Person und ebenso wenig über ihren Namen. Plato erinnerte sich. Damals. In der vergangenen Zeit war etwas geschehen, was alles verändert hatte. "Ich kann dir nur helfen, wenn du auch mir hilfst, kleine Blüte." Plato überlegte. "Es sind keine echten Namen aber ich kann herausfinden, wer sie verwendete. Mehr kann ich nicht tun. Jedoch wirst du für diese Informationen mit einer Gegenleistung bezahlen, die ich einiges Tages einfordern werde. Du wirst nicht ablehnen können. Es ist ein Handel. Eines Tages werde ich dich, um eine Information bitten. Mehr nicht," erklärte Plato und verstaute den Dolch wieder in seinem Gürtelversteck, hinter der breiten Ledertasche. Stella nickte.


    "So sei es," versicherte die Tiberia. Plato ging zu seinem Partner und zog die Nadel aus der Wunde. "Ich frage garnicht erst, was oder wer du wirklich bist, kleine Blüte. Es ist mir eigentlich auch egal. Ich mache hier nur meine Geschäfte und diesem genannten Namen bin ich etwas schuldig. Was ihm widerfahren ist, ist wirklich eine Schande," offenbarte sich die Person, die man gelegentlich Plato nannte. "Besuche mich in drei Wochen in dieser taberna und ich gebe dir, was du willst." Plato stützte seinen Partner und verließ das Hinterzimmer durch den Vorhang. Stella selbst verweilte noch einen Augenblick und verschwand dann ebenfalls durch Vorhang in den Innenraum. Den Knüppel warf sie hinter sich zurück in den Raum, bevor der Vorgang zurückfiel. Sie musste das Erlebte verarbeiten. Stella war der Aufklärung etwas näher gekommen. Doch geschah etwas Unerwartetes. Einer der Gäste war hinausgerannt, als er das Getöse aus dem Hinterzimmer vernommen hatte und lief wild panisch durch die Straßen auf der Suche nach den Stadtwachen, um diesen Vorfall zu melden. Immerhin war das Gerangel nicht leise gewesen. Plato und sein Handlanger waren längst durch geheime Wege entflohen, während Stella schlicht überfordert in der taberna verweilte. Etwas übernahm sie. Ein kalter Hauch durchfuhr sie, nachdem der Stress und jene Angst von ihr gegangen waren. Was hatte sie getan? Hatte sie wirklich eine Unterweltgröße herausgefordert? Ihre Rolle hatte sie zu gut eingeübt und nun wurde der eigentlich sanften Stella klar, was sie getan hatte und was sie tatsächlich überlebt hatte. Auch wenn es ihr eigentlich egal war, ob sie lebte oder starb, so denn war das Leben doch etwas, was sie auch nicht einfach so wegwerfen konnte. Immerhin hatte sie noch Arbeit vor sich. Ihre Hände zitterten, während ihr Schweiß von der Stirn lief. Ihre Augenlider begannen ebenfalls zu zittern, während sie sich auf einen Stuhl fallen ließ. Sie blickte ängstlich in ihre Hände und versuchte das Blut mit ihren Daumen von ihrer Haut zu schieben. Dabei verteilte sie es nur. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Stadtwachen eintreffen würden und Stella tat einfach nichts.

    Durch Zufall. Aus ihrer Sicht gelenkt durch Pluto, fand sie diesen Ort und diese Zeit. Es hatte etwas Schicksalhaftes. Dort stand er. Der Verräter. Der Dieb. Jener Mann, der sie hintergangen hatte, und ihr jenes Artefakt entwendet hatte, was ihr Andenken und Schutz gewesen war. Der Fluch gehörte allein ihr und Pluto präsentierte ihn jetzt erneut vor ihren Augen, diesen Dieb, der ihren Ritualdolch entwendet hatte. Eine heimtückische Waffe, oft getränkt in Gift und Blut, war ihr entzogen und nun stand er dort. In einfacher Gewandung schlich sie sich durch die Zuschauer, versuchte einen besseren Blick zu erhaschen. Sie hatte bereits Pluto Blut versprochen, entweder das ihre oder das ihrer Feinde. Und ohne diese Waffe wäre ihr Eid vor einem Gott nicht zu erfüllen. Sie war sich so sicher, dass er der Dieb war. Ihre kleine Freundin hätte dies nie getan. Sie hatte Angst vor Waffen. Wie sehr sie diese kleine Frau vermisste, die ihr einst in Rom geholfen hatte. Doch auch ihr Verrat sollte nicht ungesühnt bleiben. Versteift, fast fanatisch, arbeitete sie durch die Menge. Hoffentlich wusste dieser miese Schuft mehr über das ganze Geschehen und besaß noch ihren Dolch. "Gloria fortis miles," murmelte sie einen Ausspruch ihres Vaters, während sie sich an das Treppchen herangearbeitet hatte. Schnell kauerte sie sich hinter eine Säule, unweit der rostra, und sie würde warten, bis der Dieb herabstieg und dann würde sie ihn verfolgen, wie sie es gelernt hatte. Solange verfolgen, bis sich eine günstige Gelegenheit ergab, ihn zu packen und zur Rede zu stellen. Geduld, Stella, nur noch ein wenig Geduld, und du wirst ihn sprechen. Er wird sehen, was es bedeutet einer Dienerin des Pluto, ihre Waffe zu nehmen.

    Sie wollte, musste unbedingt, eine Botschaft für alle Verräter hinterlassen. Etwas sichtbar machen, was ansonsten unsichtbar. Verhüllt bei Einbruch der Dunkelheit schlich Stella durch die Straßen und bemalte diverse Wände mit einem hektischen Graffito. Es fiel ihr nicht schwer, da ihr Hass auf die Verräter an ihrem Vater und ihrer Familie mit wildem Feuer brannte. Es war ihre Angelegenheit, ihr ureigene Motivation, Rache zu üben und sei es vorerst nur durch eine Drohung. Eine kalte Drohung gegen jeden Prätorianer und vorallem den Kaiser.


    Die dunklen Skorpione haben ihre Macht verloren. Die falschen Skorpione haben sich verraten. Und ihr Meister wird fallen. Blutig und allein, wird er fallen, mitsamt seiner verteufelten Stadt. Es wird eine neue Stadt entstehen. Eine prächtige Stadt, ohne verräterische Skorpione und falsche Meister. Verrat wird bestraft. Pluto sieht alles.


    Die Farbe hatte sie selbst angemischt und mit ausreichend Asche vermengt, so dass sie lange haften würde. Zumindest lange genug, dass die Botschaft für viele lesbar war.


    Schnell entschwand nach jeder Tat im Nichts. Ihre benutzte Kleidung mit den Farbresten verbrannte sie am Ende ihrer Agitation und entsorgte die Asche im Tiber, nachdem sie eine standesgemäße Kleidung angelegt hatte, um ihren Weg zu verschleiern.

    Die Welt blieb stehen, wie von einer wundersamen Macht angehalten. Eine innere Gewissheit schien sich zu erheben und Stella wachsam zu halten. Seine Worte waren eine hoffnungsvollen Beschwörung gleich und trafen durch das feurige Eis ihres Panzers. Jede Mauer, die Stella erbaut hatte, um sich von der Welt zu trenne, damit diese sie nicht mehr verletzte, wurde von Claudius mühelos überwunden. Er wollte nicht hören, dass ihr Vater tot war. Doch er war es! Er musste es sein, denn nur so war ihr Leid erklärbar. Ihr Vater hätte es niemals zugelassen. Tiberius Verus musste tot sein, denn diese unmögliche Schonungslosigkeit hatte ihr in den verzweifelten Stunden, allein mit Pluto, Sicherheit gegeben. Claudius wollte es nicht hören. Vielleicht wollte sie es selbst nicht mehr hören? Eine kleine Hoffnung flammte auf. Etwas erblühte in Stella, dass sie längst verloren geglaubt hatte. Wollte es dieser Claudius nicht sehen und nicht wissen? Er strickte eine für Stella unverständliche Logik. "Seine Getreuen haben für uns gesorgt. Er hatte viele Menschen, die ihm einen Gefallen geschuldet haben," erklärte sie und versuchte damit der Logik zu folgen und etwas preiszugeben, warum sie bis jetzt überlebt hatte. "Ich glaube, bei allem, was er Schlechtes getan hat, hat er auch vielen Menschen geholfen," dachte sie laut nach. Sie wollte die ganze Geschichte berichten aber dafür war jetzt keine Zeit mehr, denn Claudius hatte bereits Pläne für den Abend geäußert. "Mein Vater schätzte dich sehr und das Vertrauen in dich war so groß, dass er uns ...," sie brach ab, als ihr bewusst wurde, dass sie auch für ihren Bruder sprach, der schmerzlich nicht hier war. "... mich zu dir schickte, wenn ich in Gefahr wäre." Stella atmete schwer aus, während sie eine Sekunde lang nervös auf ihre Unterlippe biss, um sich zu vergewissern, dass dieser Moment echt war. Zu oft waren Träume in Albträume verschwommen; und diese Albträume in Realität.


    Baden. Einkleiden. Essen. Das klang gut. Fast so, als ob ihr Vater vom Dienst nach Hause kam, und sich eine schnelle Familienzusammenkunft gewünscht hatte. Ja, fast, wirkte der Claudius, wie ihr Vater. Möglicherweise wünschte sich das Stella auch nur. "Gerne," sagte sie sehr leise als Antwort für den Claudius, während sich stille Sterne aus ihren Augen lösten und über ihre Wange hinabfielen. Die Hoffnung lebte wieder. Stella lächelte tragisch. Er wiegte sein Haupt. Stella beobachtete ihn genau mit ihren eisklugen Augen. "Das ist mehr als ich jemals erwartet habe," schmetterte sie fast und streckte ihre Arme aus, um Claudius Menecrates spontan aus Dankbarkeit zu umarmen. Alle weiteren Pläne waren erstmal dahin. Jene Pläne mit denen sie hierher gekommen war und die sie sich klug überlegt hatte. Ja, das alles war ab jetzt bedeutungslos, da sie einfach nur einen Ort gesucht hatte, wo sie einmal ohne Angst schlafen konnte. Claudius Menecrates strahlte diese geheime Wärme aus, die ihr jene Hoffnung gab, dass dies ein echter Ort der Zuflucht war. "Danke!"

    Bereits mit geschlossenen Augen spürte Stella, dass sie allein war. Ihr traumloser Schlaf war voller Schuld. Kein Gott, außer Pluto, schien über sie zu wachen. Seine Dunkelheit lag in ihren Augen und versperrte noch jede Sicht auf die Welt; eine okkulte Gnade, die er Stella schenkte, damit sie noch nicht sah, was geschehen war. Doch der dunkle Schatten zog sich zurück und die junge Tiberia öffnete ihre Augen mit einem langsamen Lidschlag. Es dauerte einen Moment, bis sie sich an das diesige Zwielicht des geheimen Tempels gewöhnt hatte. Sie war wirklich allein. Ihre Freundin, die kleine Sklavin, war verschwunden, und auch dieser Seius Ravilla war entschwunden; im Nichts des Unwissens. Es fühlte sich nach Verrat an, doch dabei war sie es, die ihr Leben verraten wollte. Mit den Händen suchte sie nach dem Ritualdolch, der ihr so gut in ihren Händen gefallen hatte. Er war nicht mehr dort. Auch dieser war ihr entrissen worden. Es war ein Dolch ihres Vaters oder einer seiner Diener, die sich Pluto gewidmet hatten. Stella brauchte diesen Dolch, da er ihr Schutz oder die Möglichkeit der Flucht aus diesem albtraumhaften Leben bot. Sie wusste genau, wie ein solcher Dolch zu nutzen war. Etwas für das sie ihrem Vater Dank schuldete aber ihm stets verwährte, weil die Kunst einen tödlichen Stoß und Schnitt zu setzen, nichts war, worauf sie stolz sein wollte. Dennoch war der Dolch bisher alles an Wert, was sie besaß. Diese Waffe war alles, was ihr geblieben war und somit kroch Stella auf allen vieren durch das Halbdunkel, auf der Suche nach der Waffe. Nein, sie war wirklich fort. Alles war ihr wieder entrissen worden. Dieser Verrat wog schwer und so erhob sich der unruhige Engel des Pluto aus dieser Gruft, trat die Stufen hinauf, mit einem finsteren Blick, voller Eifersucht auf das Leben und voller Missgunst für jene Verräter, die sie in dieser Gruft allein zurückgelassen hatten. "Pluto, ich diene dir," sagte sie leise, fast tonlos in den staubigen Wind, der durch die Straßen von Rom wehte. Die Sterne führten Stella abseits, fern von hier, als sie die dunklen Straßen durchstreifte. Vielleicht auch nur auf der Suche nach sich selbst. Doch sie würde diesen Dieb finden, der sich ihres Besitzes und ihres Fluches bemächtigt hatte. Der Fluch des Todes gehörte ihr allein.

    Wieder diese Melodie in der Ferne, eine Musik seltsam anziehend und doch fremd, fast entrissen und nicht greifbar. Etwas rief die junge Stella zu sich, wollte sie befreien von dieser Welt, während ihre Gefühle von ihr trieben. Hatten die Götter sie vergessen und verlassen? Die junge Frau stand einfach dort, wie eine Statue aus Fleisch und Knochen. Zerrüttete Träume und zerbrochene Hoffnungen wollte sie in einem Stoßgebet verdammen, um sich frei zu machen und doch gelang es ihr nicht. Es gelang ihr so vieles nicht mehr, was ihr einst gelungen war. Dieses Rom war ihr so fremd und etwas in dieser unhörbaren aber fühlbaren Melodie in der Ferne zog sie fort von hier. So sehr sie eine Römerin sein wollte, so wenig konnte sie es sein. Nicht nach alldem, was sie gesehen und erlebt hatte. Der grausame Kaiser, der sie verhöhnt hatte, und ihr einen kalten Beamten gesandt hatte, die frostige Einsamkeit in dem dunklen Keller des Pluto, jener Gruft unter den Trümmern des Stammhauses, und all jene Verluste, die sie durchlebt, angefangen bei ihrer Mutter, ihrem Vater und ihrem Bruder. Doch noch immer war sie hier, fast von göttlicher Strahlkraft im Leben gehalten: Pluto hatte sein Spiel noch nicht beendet. Sie gehörte nach dem Opfer und jenem Ritus ganz Pluto und sie würde jenem Fluch folgen, bis alles Unrecht an ihrer Familie gesühnt war. Fast meinte sie Pluto in der Melodie zu vernehmen, während die Farben vor ihren Augen wechselten und sich in einem Gleichklang von einem Weißton wiederfanden. Ein Flüstern durchbrach ihre Kreise, entriss sie der Melodie. Sie vermochte es nicht zu trennen, von der Realität und jener albtraumhaften Ferne, in der Pluto zu lauern schien, in seinem dunklen Gewand. Dort stand er, hinter dem Mann, der gerade eintrat. Pluto in seiner schwarzen Robe, die schwarze Kapuze dicht über sein Haupt gelegt, so dass kein Gesicht zu erkennen war. Der ewige Herrscher des Todes war hier und er war immer dort, wo Stella war. Mochte es Einbildung oder Wahnsinn sein, so gab es ihr eine Gewissheit, dass Pluto sie bisher noch nicht geholt hatte; nicht, wie jeden anderen.


    Der Mann, bei dem es sich wohl um Claudius Menecrates handeln musste, stand dort vor ihr. Kurz kniff sie ihre Augen zusammen, während das Flüstern verstarb und die Wirklichkeit wieder an fester Form gewann. Wollte sie sich ein Lächeln leisten? Etwas an menschlichem Ausdruck? Stella wollte lächeln, diesen Mann umarmen, der sie empfangen hatte und sie für einen Moment aus dem Dunkel der Abwandlungen der Zeiten um ihren Namen riss. Es war ein trauriger Schlummer, der sich ihres Glücks bemächtigt hatte und so konnte sie nicht lächeln, keine echte Regung zeigen, außer ihres wachen und klugen Blickes. "Ja, das ist mein Name," sprach Stella mit fast gebrochener Stimme, da es ihr schwer fiel, jetzt mit klarer Stimme zu sprechen. Ihre Augen wurden glasig, während ihr Verstand sich in diesem Augenblick verkrallte. Sie bemerkte seine Unsicherheit und seinen Zweifel, die in seiner Stimme mitschwangen. Zu gut verstand sie es. Auf diesen Moment hatte sie sich vorbereitet. Aus einer unscheinbaren Ledertasche zog sie einen Brief, den sie Claudius vorsichtig anbot.


    Ad Tiberia Stella


    Liebstes Kind, mein Licht,


    Stella, wenn du diese Zeilen liest, bin ich vermutlich tot. Nur noch ein leises Flüstern im Wind. Es tut mir leid, dass dich diese Botschaft so erreichen muss. Mein treuer Lucius wird dir diesen Brief und weitere Briefe gebracht haben. Sie sind durchnummeriert und zu gegebener Zeit wirst du weitere Briefe öffnen. Die Briefe enthalten Instruktionen, die dir helfen sollen, mit dem Opfer, welches ich beging, zu leben und dich darauf vorzubereiten, dein Leben weiter zu bestreiten. Dein Bruder erhält ebenso entsprechende Briefe mit für ihn bestimmten Instruktionen. Jeder Brief wird dir den Abschied erleichtern, auch wenn ich weiß, dass es schwer für dich sein wird. Ich liebe euch. Du bist tapfer und wirst ins Leben finden. Du bist doch die Tochter deiner Mutter. Die Sterne werden nur für dich erstrahlen und wenn du in den Himmel blicken wirst, werde ich einer dieser Sterne sein, der über dich wacht. Ich habe dich stets vermisst und selbst im Tode vermisse ich euch alle. Doch meine Zeit ist knapp, die Gefahren zu groß, so dass ich noch nicht alles sagen, was ich dir gerne sagen möchte, liebste Stella. Ich bin dir als Vater ein Leben schuldig.


    Ich möchte dich darüber in Kenntnis setzen, dass ich Vorkehrungen und Vorbereitungen für mein mögliches Ableben getroffen habe. Dir wird es an Nichts mangeln, wenn du exakt die Instruktionen befolgst. Höre mir gut zu, Stella. Ich war ein treuer Diener des Imperator Caesar Augustus und habe manche Tat in seinem Namen begangen. Seine Befehle führten mich in manche Hölle. Ich habe es nie genossen, nie geliebt, denn meine Liebe galt allein meiner Familie. Doch Treue und Ehre banden mich.


    Diese Treue gegenüber dem Imperator Caesar Augustus, die durch heiligen Eid besiegelt ist, verbindet mich auch nach dem Tode mit dem Imperator. Er gab mir einst ein Versprechen, dass er im Falle meines Ablebens für eine angemessene und würdige Bestattung sorgen würde. Darüber hinaus schließt die Tradition eine Versorgung meiner Angehörigen mit ein. Römische Sitte wird auch ihn binden, dich anzuhören und dir zu helfen.


    Er kann diese Bitte nicht ablehnen, da er so jedem Getreuen, die durch heiligen Eid an ihn gebunden sind, mittelbar vom Eid lösen würde. Unser Imperator Caesar Augustus ist ein gerechter Mann. Habe keine Angst vor ihm. Er wird dich mögen, wie viele dich mögen. Du bist klug, schön und tapfer. Alles Eigenschaften, die auch er in dir sehen wird. In aller Verbundenheit wird er sich um dich kümmern und sein Versprechen einhalten. Ansonsten mögen ihn die Götter strafen und jeder grausame Fluch des Pluto ihn treffen. Suche ihn in Rom auf dem Palatin auf. Sei aber vorsichtig, denn Rom ist voller Schlangen.


    Du hast ein Leben verdient.


    In Liebe,


    dein Vater


    Au. Tiberius Verus


    Wappen-Tiberiadunkelrosa.png



    Sie senkte ihr Haupt, atmete ebenso vorsichtig weiter, und sprach dann: "Mein Vater ist mit aller Wahrscheinlichkeit tot. Mein Bruder ist es wahrscheinlich ebenso. Du bist doch ein Freund meines Vaters?" Dann entnahm sie der Tasche einen einfachen aber gut gefertigten Siegelring, der einstmal wohl einem Soldaten des Hauses gehort haben musste. Blut klebte im Siegelstein und auch das Material war zerkratzt. Das Gold hatte gelitten aber funkelte noch immer strahlend gegen die eigenen Schäden an. "Dies ist der Ring meines Vaters," sagte sie andächtig und ihre Hand zitterte, als sie den Ring auf der Handfläche präsentierte. "Ich brauche deine Hilfe. Der Augustus hat mich mittelbar abgewiesen. Ich wollte meine Familie mit der zeremoniellen Bestattung meines Vaters ehren. Der Augustus schickte nur einen Beamten und dieser wies mich scharf in die Schranken. Darüber hinaus wollte ich das Erbe meines Hauses einfordern aber diese Bitte scheint mir verwehrt, da ein Großteil verschwunden ist. Ich halte mich mühsam über Wasser und ..." Sie wollte weiter sprechen aber die Tränen, echt und voller Strahlkraft, fielen aus ihren Augen, da sie es nicht aussprechen konnte. "... ich bin allein in dieser bösen Stadt, die mir alles genommen hat." Alle Pläne waren dahin. Sie konnte weder klar fordern, noch erbitten. Auch konnte sie nicht jene Schmach erklären, die sie beim Kaiser erlebt hatte. Ihr Vater hatte sich im Augustus getäuscht. Da war sie sich sicher. Der entsandte Beamte hatte ihre Position noch einmal klar gestellt: Eine Bestattung, ja aber nur im kleinen Rahmen und keine weiteren Forderungen. Sie solle ihren Platz kennen und nicht mehr über diese Angelegenheit sprechen. Es interessierte Rom einfach nicht, was geschehen war. Stella war sich in dieser Sache sicher, da es sich aus ihrem Blickfeld so darstellte.

    Vielen dank! Ich werde mich erstmal einlesen. Wenn jemand Schreibideen hat, kann sich gerne per PN bei mir melden. :]


    @Ravilla: Da können wir sicherlich einen Zufall bereit stellen. :D


    @Menecrates: Sehr gerne! Ich lese mich ein und dann geht es wieder los.^^ - Über diesen ominösen Ehemann reden wir noch!8o-.^

    Bitte einmal einen Rückfahrschein für die furchtbare Stella (und meine mega geheime Zweit-ID:S). Vielen Dank!^^


    Nebenbei möchte ich auf ein Ticket bei der SL aufmerksam machen! :/


    Viele Grüße :knuddeln: