Beiträge von Sisenna Seius Stilo

    "Vale bene, Vigintivir." Stilo schaute Ravilla kurz nach. Da ging er, der kleine Bruder, in Toga und den Sklaven mit dem Schreibzeug gleich einem Schatten hinter sich her streifend. Vermutlich begab er sich nun zur wartenden Sänfte, denn ein Mann in Amt und Würden reiste eher selten zu Fuß, zumindest, wenn er Ravilla hieß. Der hatte nicht einmal irgendwelcher Ämter und Würden bedurft, um seine edlen Sohlen in Roma ausschließlich hoch über dem unwürdigen Grund tragen zu lassen, gebettet auf Seidenkissen.


    Schmunzelnd wandte Stilo sich ab und begab sich zu seinen Soldaten.

    "Nah, kein Vergleich mit großen Namen. Ich weiß, du liebst den Verweis auf dein edles Blut, aber ich persönlich schätze es, wenn die Erwartungshaltung nicht zu hoch geschraubt wird und ich meine Ruhe habe."


    Die Runde durch den Carcer war schnell erledigt. Bei den Prätorianern funktionierte so weit alles und der Vigintivir fand bestenfalls Kleinigkeiten zu beanstanden. Vor dem Abschied hatte Stilo noch eine Frage.


    "Wie sieht es eigentlich aus mit deinem Anaxis mit der Sauklaue. Hat er inzwischen gelernt, lesbar zu schreiben, oder soll man ihm die Hände abhacken?"


    Letzteres war natürlich ein Scherz. Anaxis war als Sohn eines besiegten Feindes eine Trophäe, die nicht mit Geld aufgewogen werden konnte. Allerdings war er als hausgeborener Sklave sanftmütiger und fähiger als sein Vater, den der alte Seius Victor mit sich herumschleppte.

    "Das ist sicher kein Problem. Moment." Stilo verschwand kurz, um Rücksprache mit dem Optio carceris zu halten. Wenig später kehrte er zurück. "Jau. Danke einstweilen, Cornicularius." Damit war der arme Lurco herausgeworfen. Ohne triftigen Grund hatte niemand zum Militärgefängnis der Prätorianer Zutritt. "Wir müssen mal eine Cervisia miteinander zischen", raunte Stilo dem Urbaner zum Abschied noch leise zu, ehe er sich seinem noblen Bruder zuwandte.


    "Vigintivir, darf ich bitten." Es war merkwürdig, den eigenen Bruder so anzusprechen und Stilo musste sich arg zusammennehmen, ob dieses Umstands nicht zu fröhlich zu wirken. Er gab den Weg vor und zeigte Ravilla alles, was es hier an interessanten Dingen zu sehen gab. So weit möglich, beantwortete er ihm auch Fragen, musste jedoch den Umständen dieser Örtlichkeit entsprechend Zurückhaltung walten lassen.

    Aus dem Eingang drang der Geruch von frisch gelöschtem Feuer. So war klar, dass dort unten jemand lauerte.


    Als niemand sich rührte, trat einer der Prätorianer mit einem brennenden Öllämpchen vor die Tür, gesichert von einem Kameraden an seiner Seite. Er leuchtete ins Dunkel. Der Feurschein schälte vier ängstliche Gesichter aus der Dunkelheit. Die Gestalten zeigten keine Anzeichen, eine aktive Gegenwehr vorzubereiten. Da Stilo bereits dazu aufgefordert hatte, herauszukommen, tat er es kein zweites Mal. Die Hälfte seiner Truppe quoll in den Keller, einschließlich ihm selbst, doch wie stets blieb er im Hintergrund. Den Zugriff übernahmen seine Männer. Unbewaffnete Zivilisten gegen Elitesoldaten, wie das ausging, konnte man sich leicht ausrechnen.


    Scheinbar hatten diese Menschen vor, sich wie ein Gerstesack zu verhalten. Nun gab es aber schmerzhafte Grifftechniken, um jemanden reflexartig zum Aufstehen zu zwingen. Eine davon war ein Griff von oben mit beiden Händen um den Unterkiefer. Und dann zog man nach oben, wobei sich alle Fingerspitzen in das weiche, knochenlose Fleisch gruben. Auch wenn man sich die Wirkung nicht gut vorstellen konnte, wenn man den Griff bei sich selbst testete, relativierte sich das, sobald man einen Übungsspartner darum bat. Man stand binen eines Wimpernschlags auf den Füßen, auch wenn man sich zuvor entschlossen hatte, wie ein nasser Sack sitzen zu bleiben, um den Übungspartner zu ärgern.


    Mit diesem und ähnlichen Griffen - Stilo war es egal, was seine Soldaten taten, so lange es wirkte - zwang man nun die unglücklichen Zivilisten auf die Füße, um sie hernach in den Sicherungsgriff zu nehmen. Dieser verbot aufgrund starker Schmerzeinwirkung das erneute Hinlegen, wollte man sich nicht selbst die Schultern auskugeln und ein paar Sehnen zerreißen. Falls jemand meinte, sich mit einem Tritt nach hinten zwischen die Beine retten zu können, musste derjenige erfahren, dass er dabei nur gegen einen Oberschenkel treten würde, denn selbstverständlich stellte niemand mit Verstand sich breitbeinig in Reichweite möglicherweise auskeilender Füße.


    Stilo beobachtete ruhig das Geschehen.

    Zufällig kam Stilo gerade aus dem Carcer und traf seinen Bruder in Begleitung vor der Tür. Einfach hineingehen konnten die beiden nicht, da dieser Trakt scharf bewacht wurde. Er musste grinsen, als er seinen aufgetakelten Bruder sah, der etwas fehl am Platz wirkte. Aber die Vigintivir liefen nun mal in Toga herum, auch in der Castra Praetoria.


    "Salve, Vigintivir und Cornicularius." Der Gruß fiel ein wenig laxer aus als üblich, da hier Familie vor ihm stand. "Wie kann ich euch helfen?"

    Pansa verstand es so, dass der Besitzer des Sklaven einen Schlüssel bei sich trug. Da der sich allerdings in der Castra Praetoria befand und im Carcer vermoderte, würde der Schlüssel in der Asservatenkammer sein oder der Mann hatte ihn vorher entsorgt. Hocherfreut ob des Ergebnisses polterte Pansa zurück zu seiner Gruppe.


    "Kein Schlüssel!"


    "Dann einmal Türöffnung durchführen, Miles."


    Die Prätorianer traten zurück. Spezialwerkzeug hatten sie keins dabei, doch das brauchte man auch nur bei wirklich stabilen Türen. Pansa trat mit der Wucht eines auskeilenden Ochsen gegen das Holz, genau neben dem Schloss. Schon beim ersten Tritt zeigte die Tür eine deutliche Deformation, nach dem Zweiten hatte sich der Winkel des Schlosses derart verändert, dass es nicht mehr hielt. Wäre das ein Kopf gewesen, würde der Betreffende nach zwei solchen Tritten mit einem Schädelbruch darniederliegen.


    Stilo pfiff anerkennend durch die Zähne. "Deckung", mahnte er und wich hinter seine Männer zurück.


    Die Prätorianer hoben die Schilde, schlossen die Reihen und hielten die Speere bereit. Pansa aber öffnete die Tür von der Seite, indem er hinter dem Rahmen stand, so, dass jemand, der einen Angriff starrten wollte, erstmal nur einen leeren Bereich vor sich hätte und dahinter einen waffenstarrenden Schildwall.


    Die Prätorianer starrten über die Kanten ihrer Schilde hinweg ins Dunkel.


    "Cohortes Praetoriae", röhrte Stilo. "Tretet einzeln und mit erhobenen Händen aus dem Keller heraus!"


    Er wusste nicht, ob tatsächlich jemand darin war, aber sicherheitshalber ging er davon aus.

    "Verschlossen", stellte Pansa fest und blickte erwartungsvoll zum Optio. Seine Augen glitzerten vor lauter Vorfreude. Von allen Aufgaben der Prätorianer war das Aufbrechen von Türen eine der beliebtesten.

    "Ein Jammer", antwortete Stilo und wies mit dem Kopf in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. "Frag den Ianitor nach dem Schlüssel."


    Pansas Mundwinkel sackten hinab. Dann polterte der große schwere Kerl zurück zur Porta. Es klang, als würde ein Stier durch die Casa Didia toben. In wenigen Augenblicken war er wieder beim Eingang, durch den sie gekommen waren, wo noch immer der Ianitor an der Wand stehen musste. Auf ein Nein hoffend fuhr Pansa den alten Sklaven an: "Wo ist der Schlüssel für den Keller? NA?!" Dem Tonfall nach zu urteilen legte er es darauf an, dass es dem armen Mann vor Angst die Sprache verschlug.


    Derweil betrachteten die zurückgebliebenen Kameraden die Kellertür, untersuchten die Bauart von Türblatt, Zarge und Schloss im Hinblick auf Stabilität und Schwachstellen. Stilos Hand glitt prüfend über das Holz.


    Vom Keller aus waren die Schritte, Bewegungen und Stimmen der Soldaten zu vernehmen.

    Die Prätorianer quollen durch die Tür wie eine schwarze Springflut. Der Ianitor (Stilo hielt ihn aufgrund seines Verhaltens für einen) wurde einfach zur Seite geschoben. Jemand packte den harmlos aussehenden alten Mann und drückte ihn frontal an eine freie Wand.


    "Hände an die Wand, Beine auseinander und dann keine Regung", brüllte der Prätorianer ihm aus nächster Nähe ins Genick.


    So viel zum Thema Höflichkeit. Allerdings musste man dem Soldaten zugute halten, dass er dem Ianitor nicht an der Wand die Nase gebrochen hatte, sondern ihn tatsächlich nur plattdrückte. Auch Sklaven waren Wertgegenstände, die es nach Möglichkeit zu erhalten galt. Immerhin war dies das Haus einer angesehenen römischen Familie. Und so war das Einzige, was diesem Sklaven womöglich wehtat, sein gebrochener Stolz. Ein zweiter Prätorianer stellte sich als Wächter mit dazu. Das bedurfte keines Befehls, Einsätze wie diese wurden minutiös trainiert und jeder kannte seine Rolle.


    Die übrigen Männer schwärmten aus und kontrollierten die Vorhänge, Schränke und Ecken, ob sich irgendwo jemand verbarg. Auch unter den Möbeln und selbst oben wurde nachgeschaut und gar in den Latrinen. Man ließ keinen toten Winkel, ohne ihn vorher geprüft zu haben. Ein lebendes Netz, das sich von vorn nach hinten durchzog.


    Als Vorletzter trat mit der Ruhe eines Löwen Stilo in die Casa. Sein Rücken wurde durch Iullus Canutius Pinus und zwei weitere Kameraden gesichert, die nun zurückblieben, um die Tür zu bewachen. Zufrieden beobachtete Stilo, wie seine Männer sich systematisch durch die Casa arbeiteten, zügig und professionell. Der Ausbildungsstand seiner Truppe und auch der sie unterstützenden Urbaner war hervorragend, jemand hatte grandiose Vorarbeit geleistet. Sie kontrollierten die Casa Windeseile und stellte es auf den Kopf, jedoch verursachte man keine Sachschäden, es sei denn, man würde auf eine verschlossene Tür stoßen. Dann würde Stilo zunächst den Ianitor nach dem Schlüssel fragen lassen und erst, wenn dieser keinen besaß, würde man das Hindernis mit Gewalt aus dem Weg räumen.


    Schließlich erreichten die Prätorianer auch die Kellertür und der faule Pansa, angsteckt vom Tatendrang seiner Kameraden, prüfte, ob diese sich öffnen ließ.

    Stilo, noch immer tiefenentspannt, nickte dem Miles Canutios Pinus wohlwollend zu. Dann wandte er sich an alle.


    "Ich definiere nach Sichtung, wer mitgenommen wird."


    Stilo hatte keineswegs vor, nur störrische Schreihälse oder Leute mit Fischanhängern mitzunehmen ... bewusst würde er Willkür walten lassen und die Christianer nach für sie nicht nachvollziehbaren Kriterien festnehmen. Nichts machte eine Einheit so ineffektiv wie Berechenbarkeit. Zufrieden betrachtete er seine Männer: die dunkle, tödliche Seite von Rom. Heute würden sie das Imperium von einem weiteren lästigen Geschwür freischneiden.


    "Wir bleiben zunächst ruhig und höflich. Droht die Situation sich zuzuspitzen, schlagen wir ohne Warnung sofort zu. Ich wiederhole: Wir warnen im Ernstfall nicht vor." So weit kam es noch. Am besten, man sagte auch gleich dazu, was genau man vorhatte und machte die Beine breit für einen Tritt in die Nüsse.


    Seine Männer waren nichtsdestoweniger heute nicht mit Schwertern ausgerüstet, sondern mit Lanzen, die sie auf Rücksicht auf das Pomerium in Stoff eingewickelt hatten und jetzt auswickelten. Einen Schild trugen sie auch nicht mit sich. Bei einer Konfrontation mit einer kleinen Gruppe von wahrscheinlich unbewaffneten Zivilisten hielt er die bloße Lanze für die bessere Lösung. Man konnte störische Leute, wenn man beide Hände am Schaft hatte, nach Herzenslust damit zurückstoßen oder versemmeln, ohne sie gleich umzubringen, wohigegen ein einzelner Schwertstoß den sicheren Tod bedeutete. Für den Notfall hatte die Lanze noch das andere Ende.


    "Unsere Autorität ist unangreifbar. Wir sind der in Blut und Eisen manifestierte Wille des Kaisers. Niemand wiedersetzt sich Rom, ohne dafür zu bezahlen. Was uns in diesem Nest auch erwartet: Setzt euch durch. Das sind Mörder und Tempelschänder. Canutius! Deine Aufgabe ist es, zu verhindern, dass jemand hinter mir durch die Tür entwischt. Nimm dir zwei Kameraden dazu. Und nun geben wir dem Ungeziefer, was es verdient. Abmarsch!"


    Sie marschierten entschlossen noch vorn und Pansa donnerte mit der Faust an die einzige noch nicht verbarrikadierte Tür. Stilo brüllte: "Aufmachen! GARDE!"

    Stilo stellte sich bequemer hin, wobei er jedoch den Rahmen einhielt, den eine militärische Körperhaltung im Dienst vorsah. Er war sich bewusst, dass er als Neuling hier unter besonderer Beobachtung stand. Fehler sollte er sich nur im kleinen Rahmen erlauben und gegenüber dem Tribun am besten gar keine. So ließ er sich nicht anmerken, wie er gedanklich abkotzte bei der Aussicht, in Zukunft für den Drill verantwortlich zu sein. Der Wachdienst war da schon eher sein Geschmack - gemütlich auf der Mauer herumschlendern, plaudern, die Aussicht genießen, Leute beobachten.


    "Die Christianer sind in aller Munde", bestätigte er. "Ich habe noch nie jemanden verhört, Tribun."


    Paeonius Durus ... den kannte er nicht. Stilo grübelte, welcher der Zenturionen, die er schon gesehen hatte, das sein könnte. Hoffentlich nicht dieser fies aussehende Dürre.

    "Wenn er mürrisch wirkt, zeigt er vielleicht zur Abwechslung sein wahres Ich. Da fällt mir ein, ich habe meinen Sklaven in Cappadocia vergessen." Zusammen mit Madara. "Hoffentlich denkt Zmertorix daran ihn mitzubringen."


    Stilo fuhr in seine hölzernen Badeschlappen, nahm sein Handtuch, warf es sich über die Schulter und schlurfte an den Tirones vorbei in Richtung Umkleide.

    "Japp, will ich. Das letzte Mal ist schon eine Weile her." Und Umbrena Madara hatte ihn nicht rangelassen, sehr zu Stilos Unverständnis und Missfallen. "Treffen wir uns danach in dieser neuen Taberna? Terpander ist alles Mögliche, aber kein guter Geist! Außerdem wird er alt. Ich würde den verkaufen, so lange er noch was einbringt."


    Stilo kletterte gemächlich aus dem Becken und streckte sich. Sein bestes Stück bewies, dass er mit der Dringlichkeit des Lupanarbesuchs nicht übertrieb.


    "Also dann! Bis später."

    Stilo lachte rau, als Lurco den ältesten Iunier-Spross beschrieb. "Rom wird noch erzittern, wenn es heißt: Der Antrag liegt Iunius Caepio zur Bearbeitung vor. Dann kann man sich auf die sehr langen Wartezeiten einstellen, die man von einem guten Verwaltungs-Mitarbeiter erwartet.


    Terpander hat für die drei kleinen Iunier schon immer eine besondere Rolle gespielt. Er hat das Alter, das man sich von einem weisen Mentor wünscht und eine Ausstrahlung, die einen dazu bringt, dass man von ihm gemocht werden will. Man fühlt sich schlecht, wenn er seinem Missfallen Ausdruck verleiht. Ich hätte diesen Sklaven nie gekauft. Seinem Auftreten nach zu urteilen, war er die wahre Macht hinter Seia Sanga.


    Vorsicht, was Caepio betrifft: Die Griechen haben ihre eigenen Vorstellungen davon, wie eine gute Erziehung auszusehen hat, die nicht immer mit den römischen Idealen kompatibel sind." Wahrscheinlich hatte Terpander auch Scato verdorben, das traute Stilo dem alten Schlitzohr zu. "Man darf die Zügel bei diesem Sklaven nicht zu locker lassen", schloss er. "Caepio sollte sich einen anderen Sklaven suchen, wenn er einen Gesellschafter sucht.


    Eine Bratwurst? Vor dem Lupanar? Das halte ich für keine gute Idee. Aber wir können uns später zum Essen treffen. An welchen Ort hast du gedacht?"

    Einen Wachhund schien es hier nicht zu geben, Stille umfing das Anwesen. Der Erkundungstrupp machte keinen Hehl aus seiner Anwesenheit, schaute durch die Fenster und inspizierte das nähere Umfeld. Warmes Kerzenlicht flackerte hinter den Fenstern, das einzige Licht in der Dunkelheit. Es war schon erstaunlich, dass ein Nest von Kriminellen so viel Frieden und Behaglichkeit ausströmen konnte. Das war natürlich Maskerade, sonst wären die Prätorianer nicht hierher beordert worden.


    Die beiden Männer, die Stilo zur Erkundung vorgeschickt hatte, kehrten zur Einheit zurück. Sie beschrieben ihm das Gebäude und das Gelände. Es folgte die Befehlsausgabe. Stilo nahm sich die Zeit, die Befehle von den Männern, die ihren kleinen Trupp anführten, jeweils wiederholen zu lassen, um sicherzugehen, dass sie diese verstanden hatten. Man verlor dadurch nur wenige Augenblicke und gewann an Zuverlässigkeit. Es gab keinen Anlass zur Hektik.


    Die Fenster des Erdgeschosses und eventuelle Wirtschaftseingänge wurden nun von außen mit mitgeführten Querstangen und Seilen verbarrikadiert. Da ging schnell, machte wenig Lärm und verursachte keine Sachschäden. Einen Schuppen mit Gerätschaften sperrten sie ebenfalls ab, damit niemand sich hineinflüchten oder an den Geräten bedienen konnte.


    Offen blieb nur der Haupteingang, vor dem Stilo in einiger Entfernung stand und die Arbeit seiner Männer koordinierte.

    "Brieftauben sind schneller, zuverlässiger und billiger als ein menschlicher Bote. Zudem sehen sie in den meisten Fällen besser aus. Macht vier zu null für meine Täubchen. Dem entgegen steht lediglich die notwendige Logistik. Die Genehmigung für die Taubenhäuser und deren Bau und Wartung muss aller Wahrscheinlichkeit nach über die Stadtverwaltung laufen und nicht über das Militär. Darum kannst du wohl nur der Initiator sein, aber nicht der ausführende Arm.


    Setz doch den faulen Caepio darauf an, damit er sich nicht noch länger seinen untrainierten Bürokraten-Arsch plattsitzt. Gib dem Jungen was zu tun! Er hat lange genug in irgendwelchen kleinen muffigen Hinterhofs-Officia herumgedümpelt und für unaussprechliche Leute gearbeitet und dafür einen Hungerlohn kassiert. Bei den Göttern, er ist ein Iunier und sollte sich seines Namens erinnern! Es wird Zeit, dass er aus den Schatten tritt und Großes tut.


    Und dir selbst könnte ein wenig Freizeit auch nicht schaden, wenn ich mir das so anhöre. Die Lösung für deine Sorgen ist ganz einfach: Wer behandelt dich wie der letzte Dreck? Lege eine Liste mit Namen an und stampfe alle, die darauf stehen, in Grund und Boden." Er zog eine seiner ausdrucksvollen schwarzen Brauen hoch. "Verfügen die CU über keinen inoffiziellen Schlägertrupp, der sich über ein paar Sesterzen freut?"

    Die Angst der Delinquenten, die im Laufe der Jahrzehnte in die Wände gesickert war, dampfte nun wieder daraus hervor. Sie kroch über Stilos Arme und kräuselten ihm eine Gänsehaut, als er durch die Tür schritt. Eine Gestalt wartete in der Dunkelheit, vom Fackellicht nur dürftig erhellt. Der Gardetribun war vor ihm eingetroffen und stand nun mit einigen Unterlagen am Tisch. Er war etwa so groß wie Stilo, aber schlanker. Finstere Gerüchte rankten sich um diesen Mann, doch wäre das anders, hätte er den falschen Posten.


    Stilo nahm nach dem Eintreten Haltung an, setzte seinen dienstlichen Blick auf, drosch sich die Faust auf die muskulöse Brust und sprach: "Tribun Decimus Serapio! Optio Seius Stilo, Cohortes Praetoriae." * Seine Stimme klang unangenehm hohl in diesen Mauern.


    Er war noch nicht instruiert worden, was genau heute passieren sollte. Er nahm an, beim Verhör als Schreiber zu assistieren, Gerätschaften zu reichen und zu gegebener Zeit ein Glas Wasser für den Delinquenten zu holen, das der Tribun dann vor dessen Augen gehässig selber trank.


    Sim-Off:

    * Ich weiß noch nicht, in welcher Zenturie oder Kohorte ich dienen werde, weshalb ich das hier offen ließ.

    Stilo drehte sich ein wenig. Ein paar Tirones samt Ausbilder hatte es hierher verschlagen und er wollte beobachten, was die so trieben, während er sich mit Lurco unterhielt.


    "Ich vermute zumindest, dass es ein Talisman ist, aber in jedem Fall trägt niemand, der kein Christ ist, sonst einen Fisch um den Hals. Bei den Christen gibt es naturgemäß solche und solche, wie überall. Aber warum willst du die Kriminellen retten? Lass hören, da bin ich jetzt gespannt."


    Er schmunzelte, als Lurco ihm ausführlich erklärte, warum Scato so viele Glücksbringer um den Hals benötigte. Stilo kannte Scato lange genug, um zu ahnen, woher der Wind wehte. Die zwei wohnten sicher nicht umsonst ohne jeden Anhang im selben Haus. Irgendwann würden sie schon alt und vernünftig werden und einsehen, dass man trotzdem Kinder in die Welt setzen und der Welt den Mittelfinger zeigen konnte. Was man hinter verschlossenen Türen sonst so trieb, ging ja keinen was an.


    "Wenn Dankbarkeit dir wichtig ist, musst du nach Ablauf deiner Dienstzeit den Beruf wechseln. Vielleicht kannst du mit Scato eine Taberna Medica eröffnen oder wirst Winzer. Das ist etwas, das ich mir für den Ruhestand vorstellen kann, ein Weinberg. Als Urbaner wirst du mit allen möglichen Gefühlen bedacht, aber Dankbarkeit gehört eher selten dazu. Habt ihr eine Agenda zur Außenwirkung? Wie sollt ihr der Bevölkerung gegenübertreten?


    Was die Tauben betrifft: Wenn du helle dazupackst, hast du bald keine schwarzen mehr oder musst gnadenlos selektieren. Das musst du letztlich selbst wissen. Als Kriegskuriere wurden meine Tauben bereits erfolgreich in Niedergermanien und Kappadokien eingesetzt, mit einer Zuverlässigkeit von über 90% und einer Geschwindigkeit, die jeden Boten zu Pferd um ein Vielfaches in den Schatten stellt. Natürlich funktioniert das auch in Rom. Es ist nur eine Frage des Willens und der Logistik. Wollte Caepio nicht in die Verwaltung? Kann der das nicht anleiern?"

    << Einsatzbefehl: Spezialeinsatz


    Das "Christianernest", so wurde das Anwesen von den Prätorianern genannt. Die beiden Contubernia unter Stilos Kommando erreichten die Casa Didia in der Dunkelheit. Das gleichmäßige Schlagen ihrer genagelten Sohlen auf die Straße war nicht zu überhören. Stilo gab das Signal zum Halten. Je zwei Mann schickte er zum Absichern in entgegengesetzte Richtung an die jeweils nächste Kreuzung. Zwei weitere Mann schickte er vor zum Erkunden des Geländes. Die übrigen Zehn warteten mit ihm, den Blick auf das Anwesen gerichtet.

    << Der Einsatzbefehl kam am späten Abend. Zugriff in der Casa Didia, Einsatzleiter Optio Seius Stilo. Einen Voralarm hatte es nicht gegeben.


    Abendessen und Getränke stehen lassen, Töpfe und Pfannen vom Herd wuchten, damit hier nichts anbrannte, und rein in die Rüstung! Kommandos gab er keine, vom Marschbefehl abgesehen. Stilos Erfahrungen als Optio der Legio XV Apollinaris im Kriegsgebiet von Cappadocia kamen ihm auch hier zugute. So wusste er auch, dass weniger manchmal mehr war und man einer gut eingearbeiteten Truppe nicht am laufenden Band Kommandos erteilen musste. Die Männer waren zwar zum Teil neu in den Cohortes Praetoriae, doch nicht neu in der Armee und machten das schon. Am hilfreichsten waren hier die schon länger mit dem Gardedienst erfahrenen Kameraden, unabhängig vom Platz in der Hierarchie, die bei Bedarf beiläufig Hinweise gaben. Alles flutschte.


    Vor der Baracke ließ er die beiden Contuberniae antreten, inspizierte die Mannschaft und Ausrüstung auf Vollzähligkeit und gab den Befehl zum Abmarsch. Das Ganze hatte nur wenige Minuten gedauert.


    RE: Christliche Gemeinschaft in der Casa Didia | Brüder und Schwestern, von Gott geliebt >>