Tariq lauschte mit leuchtenden Augen den Erzählungen des Viridomarus, als er die Ewige Stadt beschrieb. Tariq würde sie gern einmal sehen, mit all ihren Facetten. Vor allem ihre Größe faszinierte ihn. Rom sollte viel größer sein als Caesarea … und auch, wenn Tariq letztere sehr gut kannte und sie ihn allein deshalb nicht mehr mit unerforschten Straßenzügen überraschen konnte, fand er doch, dass Caesarea bereits eine große Stadt war. „Das alles klingt wunderbar und faszinierend. Außer der Bürokratie.“ Tariq grinste kurz. Er hatte die Römer hier auch schon mit Tafeln hantieren sehen – und die Frage, was sie wohl darauf herumkritzelten, hatte kurz seine Gedanken gestreift. Genauso wie die, warum sie überhaupt Dinge aufschrieben und sie sich nicht einfach merkten. „Ich hoffe wirklich, dass ich dort eines Tages mal hinkomme – und dann werde ich dich auf jeden Fall in deinem Laden besuchen und hoffen, dass du dann dort bist und nicht irgendwo anders in der Welt.“ Wer wusste schon, ob und wann es ihn nach Rom verschlagen würde und wo Viridomarus dann sein würde. Er hatte so geklungen, als sei er noch lange nicht fertig mit seinen Reisen in verschiedenste Länder. Aber wie er selbst gesagt hatte: Vielleicht traf man sich andernorts … oder, was wahrscheinlicher war, hier. Tariq ahnte zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ihn das Schicksal, die Götter oder in dem konkreten Fall vielleicht doch schlicht und ergreifend Hadamar demnächst weit weg bringen würde von Kappadokien.
Tariq lächelte, als Viridomarus sagte, dass guter Geschmack ein Schatz war, den man sich für kein Geld der Welt kaufen konnte. Auch das war schön gesagt, und löste ein warmes Gefühl stiller Freude in ihm aus – vielleicht, weil seine Vergangenheit nicht mit Komplimenten und netten Worten garniert gewesen war. Er hatte auch nicht das Gefühl, dass es nur eine Schmeichelei war, um etwas zu bekommen, wie das viele Händler auf dem Basar taten. Die hätten ihn vermutlich längst rausgeschmissen, spätestens, als er sagte, er könne das, was er ausgewählt hatte, nicht zahlen. Nein, Viridomarus schien wirklich einfach gern das zu tun, was er tat. Vermutlich war das nicht der einzige Faktor seines Erfolges, aber mit Sicherheit einer davon. „Danke für den guten Ratschlag, das werde ich mir merken. Ich hoffe, dass ich eines Tages auch etwas tun werde, an dem ich so viel Freude habe, wie du an den Gesprächen mit deinen Kunden.“ Noch wusste er nicht, was das sein würde, aber Hadamar hatte ihm zumindest eine Option aufgezeigt.
„Oh ja, die Feuer musst du dir anschauen! Einige kannst du von der Stadtmauer aus sehen … das ist sicherer als rauszugehen nachts. Wegen der Gesetzlosen, die sich da draußen rumtreiben.“ Er traute Viridomarus eine Menge zu, aber dass er sich gegen Bewaffnete zur Wehr setzen konnte, gehörte nicht dazu. Andererseits hatte er dafür ja auch den Mann, der in der Ecke stand und den Tariq während des Gesprächs völlig vergessen hatte. „Einige der Römer hier behaupten, dass die Feuer zur Schmiede des Vulcanus gehören. Aber das stimmt nicht“, bemerkte Tariq im Brustton der Überzeugung. So groß konnte doch selbst die Schmiede eines Gottes nicht sein! „Wie jeder weiß, werden sie von den djinni entfacht, die jenseits der Siedlungen in unterirdischen Höhlen und Felsspalten hausen. Am besten bringt man ihnen hübsche Steine oder was zu essen mit, dann freuen sie sich“, ergänzte er noch hilfreich. Viridomarus war noch nicht so lange hier, da wusste er das vielleicht noch nicht. „Und die Basare hier werden dir bestimmt auch gefallen. Die sind vielleicht nicht so groß wie die Märkte in Rom, aber die Handelskarawanen aus und in den Osten kommen hier hin und wieder durch.“
Als der Händler schließlich den Preis für die Bronzespangen nannte, nickte Tariq. Für ihn war es immer noch viel Geld, aber Hadamars Geldbeutel würde das hergeben. Und die Spangen waren auszunehmend schöne Arbeit. Normalerweise hätte er trotzdem gehandelt, denn der erste genannte Preis war nie derjenige, den man letztendlich zahlte. Aber in dem Fall ließ er es bleiben und zählte einfach die Münzen aus. Das war im Grunde der Dank für das Gespräch und die vielen Lebensweisheiten, die ihm Viridomarus mit auf den Weg gegeben hatte. „Dann nehme ich die mit. Danke für das Gespräch und die vielen Einblicke in die Welt, die du mir gegeben hast. Mögen die Geister deinen Unternehmungen stets hold bleiben.“