Beiträge von Iulia Severa

    Iulia hatte schon darauf gewartet, dass Meridius noch vorbeischauen würde. Sie entfernte gerade die Kämme und Haarnadeln die ihre Hochsteckfrisur zusammengehalten hatten, welches bedeutend schneller ging als das frisieren zuvor und wandte den Kopf zur Tür als klopfte.


    "Ja, komm ruhig rein. Ich habe gerade noch kurz nach Optatus in seinem Zimmer gesehen, er schläft ruhig."


    Während Meridius vermutlich eintrat, hatte sie die letzten beiden Haarnadeln gefunden und legte sie auf ihre Kommode.


    "Ich bin gleich fertig und bei dir"

    Ein wenig überrascht hatte Iulia sicher geschaut als ihr Mann sie vor der gesammten anwesenden Familie Schatz nannte, aber hoffentlich nicht solange, dass es jemanden aufgefallen war, kurz darauf lächelte sie ohnehin.
    Allerdings tat Iulia ihrem Mann nicht den Gefallen auf seinen Versuch mit der Traube einzugehen. Sie kannte ihn lange genug um zu wissen welche Spielchen er gerne spielte und reagierte auf solche Vorstöße von seiner Seite nun lieber abwartend. Stattdessen antwortete sie leicht grinsend...


    "Bärenhunger? Dann solltest du es aber mit etwas anderem als einer Weintraube versuchen."


    Mattiacus wie auch ihr Mann schienen sich vorgenommen zu haben heute Abend so wenig wehmütige Stimmung wie möglich aufkommen zu lassen. Trotzdem stellte Iulia nun eine etwas ernstere Frage.


    "Wurden eure Opfer denn angenommen?"

    Wieso sollten sie oder er entscheiden ob jemand anderes nach Livianus suchen sollte. Ab dem Zeitpunkt als der Senat ihn damit beauftragt hatte, war klar gewesen dass er gehen würde. Allein wegen seiner Verbundenheit mit Livianus und vermutlich auch weil es als feige oder als Zeichen mangelnden Familienzusammenhalts ausgelegt worden wäre, hatte er im Grunde nur annehmen können. Sie ließ sich ein wenig Zeit bis sie antwortete.


    "Ich sage doch gar nicht, dass du jemand anderes schicken solltest. Jetzt nachdem du den Auftrag vom Senat bekommen hast, nach Livianus zu suchen würde das sowieso nicht gehen. Ich frage mich nur wie es dazu kommen konnte. Warum hat keiner von Livianus Leuten nach ihm gesucht? Warum riskiert der Senat das ein weiterer Senator in die Gefangenschaft der Parther gerät? Ich meine du kennst dich nicht mal in der Gegend besonders gut aus, du hast keine Kontakte dort, dass einzige was für dich spricht, ist dass du sein Verwandter bist. Und du bist gewillt alles Mögliche zu tun, um Livianus zu befreien, du bist vielleicht nicht wirklich objektiv und geht aus diesem Grund vielleicht ein zu großes Risiko ein? Würdest du dir an meiner Stelle nicht auch Sorgen machen?"


    Sie schüttelte kurz den Kopf als sie über das so eben Gesagte noch einmal nachdachte.


    " Vielleicht hälst du mich ja für egoistisch oder kaltherzig. Ich will genauso wie du, dass Livianus wieder nach Rom zurückkehrt, aber ich habe Angst, dass später mehr als nur ein Mitglied der Familie in Parthien verschollen ist."


    Leider hatte er nichts mehr dazu gesagt, warum er es ihr nicht früher mitgeteilt hatte, dass er gehen würde. Sie überlegte ob sie es nochmal ansprechen sollte, aber vermutlich würde er nichts anderes als vorher sagen und ihr blieb nur es zu glauben oder nicht.

    Als sie seinen liebevollen Blick sahr, rang sie einen Moment mit sich ob sie wirklich dass sagen sollte was sie dachte. Aber sie wollte das alles nicht für sich bewahren nur damit es für ihn leichter war. Sonst würde es in den nächsten Wochen nur um so mehr an ihr nagen.


    "Und was ist mit den Monaten in denen ich allein in Rom bin, nichts von dir höre und mir Sorgen mache? Meinst das bisschen Zeit das du mir erspart hast indem du es mir erst jetzt sagst, macht da einen Unterschied? Willst du dir nicht selber einfach nur meinen Anblick ersparen? Die Schuldgefühle die es möglicherweise in dir auslösen könnte, wenn du siehst das ich deinem Abschied nicht leichten Herzens entgegen sehe?"


    Sie holte einmal kurz Luft um neu anzusetzen.


    "Ich verstehe ja das du Livianus befreien willst, schon allein weil er ein Familienmitglied ist... Aber ich glaub dir nicht ganz dass du eigentlich hierbleiben willst...Freust du dich insgeheim nicht auch ein wenig? Rom, all deine alltäglichen Verpflichtungen hier zurücklassen können...Eine Befreiungsaktion zu planen, im Grunde nochmal, dass zu tun was du all die Jahre davor gemacht hast..."

    Sie merkte wie sich in ihr alles zusammenzog, während sie realisierte was seine Worte genau bedeuteten und welche Folgen sie haben würden. Sie schaffte es gegen den Klos in ihrem Hals anzukämpfen und ihre Stimme normal allenfalls ein wenig tonlos klingen zu lassen, als sie fragte:


    "Du gehst also auch nach Parthien?"


    Hatte es bis gerade eine kleine, heile Familie gegegeben so stand diese jetzt kurz davor auseinander gerissen zu werden. Warum mussten ihr nun gerade wieder die Worte ihrer eigenen Mutter in den Ohren klingen... "Wenn du diesen Mann heiratest, wirst du über die Hälfte deines damit zubringen auf ihn zu warten und dich zu sorgen." Und in diesem einen Punkt behielt sie Recht.


    "Wann hättest du es mir gesagt, wenn ich nicht gefragt hätte? Und wie viele seid ihr? Ihr sucht Livianus, aber wer sagt dass am Ende nicht viel mehr verschwunden sind als zu Beginn. Ihr könntet genauso gut, verschleppt, entführt, ermordet werden..."


    Inzwischen war hatte Iulia ihre Hand gelöst und war aufgestanden, die Aufregung in die sie ihre Überlegungen versetzt hatten zusammen mit der Mischung aus Sorge und Schmerz bezüglich der bevorstehenden Trennung hatten sie nicht ruhig sitzen lassen. Jetzt sah sie Meridius an . Es stand fest das er gehen würde, aber er sollte zumindest wissen was sie darüber dachte.

    Sie merkte das er ihre Nähe suchte, die sie in letzter Zeit eigentlich viel zu selten geteilt hatten und erwiderte es in dem sie leicht seine Hand drückte und mit den Fingerspitzen über seinen Handrücken strich. Dabei beantwortete sie seine zuvor gestellten Fragen.


    "Ich hatte ihn das letze Mal vor zwei Tagen auf. Außerhalb des Hauses kann ich ihn nicht verloren haben, ich muss ihn irgendwann abgenommen haben, vermutlich in meinem Zimmer und seitdem finde ich ihn nicht mehr. Gesucht habe ich natürlich schon nach ihm, leider bis jetzt ohne Erfolg."


    Ihr Blick viel auf die Papiere die neben ihm lagen und beugte sich mit dem Oberkörper neugierig an ihm vorbei. Einige sahen nach Karten aus und Kartenmaterial bedeutete immer, dass er entweder dass er einen Feldzug oder eine Reise plante. Da er zur Zeit aber keinen solchen Posten innehatte, war ein Feldzug eher unwahrscheinlich...


    "An was arbeitest du da eigentlich?"

    Eigentlich bedurfte es keiner besonderen Überzeugungsarbeit von Seiten Meridius, damit Iulia in der Laube platz nahm. Zumindest war ein Sitzplatz dort angenehmer als in der Sonne zu stehen. Bald hatte sie eine bequeme Position auf dem Kissen für sich gefunden.


    " Je nachdem geht es um eine banale oder eher weniger banale Angelegenheit." begann sie und sah kurz auf ihre Hände hinab.
    "Einer meiner Ringe ist verschwunden und ich konnte ihn bis jetzt nicht wiederfinden. Der nächste logische Schritt wäre nun vermutlich die Sklavenunterkunft durchsuchen zu lassen. Aber zum einen kann oder will ich mir nicht vorstellen, dass ihn einer der Sklaven gestohlen hat, wobei sicher kann man sich vermutlich nie sein, zum anderen ist das Problem dass ich nicht sicher weiß ob ich ihn wirklich an seinen Platz in meinem Schmuckkasten zurückgelegt habe...Ich meine es aber ich weiß es nicht sicher."

    Auf ihrem Weg zur Küche passierte Iulia den Säulengang der den Garten umgab. Die Küche war ein Ort, zu dem es sie bei diesem Wetter eigentlich nur recht ungern zog, war es dort doch meist noch wärmer als in den übrigen Räumen. Ihr Blick streifte kurz ihren Mann, der es zur Zeit offenbar vorzog im Garten zu arbeiten. Obwohl...gerade waren seine Gedanken wohl etwas abgeschweift, richtete sich sein Blick doch nicht auf seine Papiere und Unterlagen. Im Grunde ein guter Augenblick um endlich einen Punkt anzusprechen, der sie nun schon seit ein paar Tagen beschäftigte.
    Kurz entschlossen, verschob sie ihren Besuch in der Küche und bog stattdessen in einen der Kieswege im Garten ein. Leider verscheuchte sie dabei den kleinen Vogel am Brunnen.


    "Kann ich kurz mit dir reden?"


    fragte sie ihren Mann als sie schließlich vor ihm stand.

    Sim-Off:

    Geht es hier wirklich um eine Amme oder nicht doch eher um ein Kindermädchen?


    Der Ianitor hatte Iulia freundlicher Weise einen Wink gegeben, dass sich offenbar eine potentielle Amme vorstellte. Natürlich wollte sie genau wissen, wer ihren Sohn da möglicherweise betreuen sollte und so betrat sie das Atrium ein wenig später als ihr Mann.
    Um die Unterhaltung der beiden nicht direkt zu unterbrechen, nickte sie ihnen nur kurz zu und hielt sich erst einmal im Hintergrund. Die Bewerberin schien noch ziemlich jung zu sein. Ehrlich gesagt hätte sich Iulia eine etwas ältere und erfahrenere Amme gewünscht.

    Bezüglich des Beginns der Antike gibt es ja zwei Jahreszahlen die genannt werden, einmal schon 1200 v. Chr. und zum anderen 800 v. Chr. Was ist denn in der Geschichtswissenschft die eher verbreitete Version?

    Iulia las gerade ein paar Zeilen, als es an die Tür klopfte. Vermutlich war es Orsabaris, die ihr mitteilen wollte, dass Optatus jetzt endlich eingeschlafen war. Umso überraschter war sie, als sie die Tür öffnete und nicht Orsabaris sondern Menas vor ihr stand.


    "Was gibt es?"


    fragte sie, während sie zu Optatus und der Kinderbetreuerin herübersah, die ihn glücklich anstrahlte.

    Nachdem die Amme sie geweckt und ihr von dem Mal berichtet hatte, war Iulia für einen Moment wie erstarrt gewesen. Was wäre wenn sie Optatus auch noch verlieren würde. Dazu war das Geschwätz der dummen Sklavinnen auch nicht hilfreich gewesen, die natürlich nichts besseres zu tun hatten, als sich in diesem Moment darüber zu unterhalten, dass erst neulich, dass Kind einer anderen Familie gestorben war, bei dem ebenfalls so ein Mal plötzlich aufgetaucht war.Erst das Weinen von Optatus riss Iulia aus diesen Gedanken und Ängsten, die über sie hereingebrochen waren. Auch wenn sein Weinen erbärmlich klang, war die Tatsache, dass er dafür kräftig genug war für Iulia zumindest ein wenig beruhigend. So ging sie zu seiner Wiege hinüber und nahm ihn behutsam auf den Arm, in der Hoffnung das ihre Anwesenheit, ihr Geruch ihn ein bisschen beruhigen würden.

    Iulia war ganz froh darüber, dass ihr Mann keine Antwort abwartete sondern sich stattdessen an die anderen Familienmitglieder wandte.Der Anlass seiner Frage war sicher nur Überraschung oder Sorge gewesen, aber Iulia hatte das Gefühl, dass sie sich so für ihre Anwesenheit hier rechtfertigen musste. Dabei wäre es ihr schwer gefallen an diesem Tag als Einzige aus der Familie hier im Haus zurückzubleiben, eigentlich sollte er das verstehen. Auch wenn sie unter anderen Gegebenheiten, dass Haus jetzt noch nicht verlassen hätte, aber in diesem Fall wäre sie auch nicht so früh nach Rom zurückgereist. Es würde also schon gehen. Allerdings hoffte sie das Mattiacus als Arzt nicht auch noch Einwände erhob, denn dann würde man vermutlich dafür sorgen, dass sie hier blieb.


    Ansonsten war Iulia dankbar, dass so viele Verwandte gekommen waren, auch wenn sie nicht alle kannte bzw. einige wie Seiana erst vor Kurzem nach langer Zeit wieder getroffen hatte. Als Pulchra ihnen jedoch ihr Beileid aussprach wusste sie nicht so recht was sie antworten sollte, vorallem als sie sah das Pulchra selbst mit den Tränen kämpfte, schnürte sich bei ihr die Kehle zu und sie musste ebenfalls ein paar Tränen wegwischen.

    Täglich merkte Iulia, dass das Fieber zwar vorbei war, ihr Körper aber immer noch nicht über die Kraft verfügte, die er davor gehabt hatte. Der Arzt hatte ihr geraten sich zu schonen und sicher hätte er ihr auch von der Teilnahme am Leichenzug abgeraten, dennoch wollte Iulia ihrem Sohn die letzte Ehre erweisen.
    Die Grüppchen die sich im Atrium gebildet hatten waren noch überschaubar,die meisten Familienmitglieder standen bei Meridius. Vermutlich war er ihr in ihrer Trauer am nächsten und so suchte sie auch seine Nähe, als sie sich zu ihnen gesellte. Den aufgebahrten Leichnam ihres Sohnes zu sehen, ließ ihren Schmerz noch größer werden. Vor der Geburt von Optatus war sie voller Hoffnung auf eine größere Familie gewesen und diese Hoffnungen hatten nun hier geendet.

    Iulia schaute auf, der kleine Tiberius verlangte nach ihr. So löste sie sich aus der Erinnerung an Maximian und ging hinüber zur Wiege. Vorsichtig schob sie eine Hand unter seinen Nacken um seinen Kopf abzustützen bevor sie ihn hoch hob und auf den Arm nahm.


    "Ich bin ja bei dir"


    murmelte sie beruhigend und wiegte ihn sanft hin und her. Vielleicht half das ja, falls nicht würde sie weiter nach einem Grund suchen. Sollte er jedoch Hunger haben, würde sie ihn seiner Amme übergeben müssen. Nicht nur das eine Amme in der römischen Oberschicht üblich war, durch ihr Fieber hätte Iulia ihren Sohn ohnehin nicht stillen können.

    Von ihrem Bett aus, sah Iulia hinüber zur Wiege in der ihr jüngster Sohn friedlich schlief, gerade dieser eigentlich so idyllische Anblick sorgte dafür, dass ihr wieder die Tränen kamen. Warum nur gaben die Götter einem einen Sohn, wenn sie einem den anderen dafür gleich wieder nahmen? Nachdem sie von Maximians Tod erfahren hatte, war sie immer wieder in Tränen ausgebrochen, nur von kurzen Pausen unterbrochen. Kurzzeitige Erlösung fand sie nur, wenn sie durch das vorausgegangene Fieber noch immer geschwächt vor Erschöpfung einschlief, nur damit ihr kurz nach dem Aufwachen von neuem bewußt wurde, dass sie ihren Sohn, sein verschmitztes Lächeln, dass alles nie wieder sehen würde. Vielleicht wäre er noch am Leben, wenn sie in Spanien geblieben wären. Diese Frage tauchte immer wieder in Iulias Kopf, auch wenn sie sich selbst noch so oft sagte, dass es sinnlos sei darüber nachzudenken. Aber hier in ihrem Zimmer entkam sie solchen Gedanken nur schwer.

    Nachdenklich schaute Iulia Meridius nach, während sie darauf wartete, dass Menas ins Zimmer kam. Manchmal verstand sie ihre Beziehung einfach nciht, zum einen konnten sie Wochenlang nur den nötigsten Kontakt haben ohne besondere Zärtlichkeiten auszutauschen und dann konnte er in Momenten wie jetzt so aufmerksam sein. Vielleicht hing es auch nur damit zusammen, dass er sich so auf die Reise freute. Fast hätte sie ja auch noch dafür gesorgt, dass sie nicht gefahren wären. Dann wandte sie sich gedanklich aber doch den Reisevorbereitungen zu.

    Gut, sie hatte ja sowieso eine ungefähre Vorstellung davon, wo es hingehen würde, auf ein Landgut, nicht allzu weit von Rom entfernt. Zumindest wenn Meridius sie in diesen Punkten nicht angelogen hatte. Machte es da wirklich einen so großen Unterschied ob sie den genauen Ortsnamen kannte? Und wenn, was hätte es ihr gebracht? Sie war ja ohnehin vorher nie dort gewesen...Da brauchte sie die Sklaven nun wirklich nicht in Verlegenheit zu bringen, indem sie sie mit Fragen löcherte. Folglich nickte sie nur und antwortete.


    "Ich werde sie also nicht ausfragen."


    Zum Rest sagte sie lieber nichts, sie wollte das Thema nicht schon wieder hochkochen lassen.

    Auf einmal musste Iulia lachen. Meridius dachte hoffentlich nicht, sie wollte sich über ihn lustig machen.


    " Erst soll ich mich schonen und hier in der Casa nur nicht anstrengen. Und jetzt wird auf einmal Improvisationsvermögen und Spontanität von mir verlangt um auf einem halbfertigen Landgut zu wohnen?"


    Brachte sie schließlich hervor, nachdem sie sich beruhigt hatte. Streiten wollte sie jetzt nicht mehr, vorallem wollte sie auch nicht die nächsten Wochen in Rom verbringen, nur weil sie jetzt nicht nachgeben konnte. Wer wusste schon wie lange es noch so warm bleiben würde.


    "Ja, ich will ja eigentlich auch aufs Land."


    Fügte sie dann versöhnlicher hinzu.