Beiträge von Vibius Valerius Victor

    Ihre Worte sorgen nicht dafür, dass Vic nun weiß, was er tun soll. Er ist ziemlich ratlos. Auf soetwas bereitet einen das Leben nicht vor, auch nicht die Ala und der Cultus Deorum erst recht nicht. Sowas passiert und plötzlich steht man vor einem Scherbenhaufen. Er hätte nicht auf Flaccus hören sollen. Er hätte sie nicht in die Casa einladen sollen. Er hätte sie nicht fragen sollen. Er hätte sie gehen lassen sollen nachdem er mehr von ihr bekommen hat, als er verdient hat. Hat er aber nicht. Genauso wenig wie sie hatte, was sie hätte tun sollen. Auf einmal scheint sie ihm so klein und verletzlich und der Beschützerinstinkt in ihm erwacht. Aber wie soll er sie berühren, wo sie längst einem anderen gehört? Was soll er machen? Sie aus dem Haus schmeißen? Sie bitten zu bleiben? Sie vergessen? Sie an sich drücken?


    Nichts von alldem tut er. Er bleibt einfach sitzen. "Dann ... meinen Glückwunsch ... dir und ... wem auch immer." Er würde es gern aufrichtig sagen können, doch er kann es nicht. Niemandem würde er diese Frau gönnen, niemand soll mit ihr glücklich sein, niemand soll das haben, was er nicht haben kann. Vic hat plötzlich das Verlangen nach Wein, nach einer großen Kanne Wein, oder vielleicht auch zwei oder mehr. Mehr auf jeden Fall, als dass er noch irgendetwas wissen könnte, was er sowieso nicht weiß.

    Vic verkneift sich ein Grinsen. Natürlich würde Gracchus die Meditrinalia nur wegen der Tradition und der guten Beziehung zu Iupiter ausrichten. Mit dem vielen Wein, der dabei fließt hat das ganz sicher nichts zu tun - weder um sich selbst im Namen der Götter ein paar Amphoren zu gönnen, noch um die Bevölkerung damit zu ködern. "Soso, hmm, das ist natürlich löblich. Die Meditrinalia sind eine kostspielige Sache musst du wissen, es soll schließlich nicht aussehen, als wäre der Staat knausrig. Tja, aber die Kassen sind knapp. Eigentlich dachten wir ja alle, dass durch die Lex Octavia Solidaritatis Patriciarum mal ein bisschen was zum Cultus Deorum fließt, immerhin sollten fünfzig Prozent der dadurch gesammelten patrizischen Spenden an uns abgeführt werden. Aber es schien wohl in der kaiserlichen Finanzabteilung zu hängen und nachdem der Senat entschieden hat, dass das Gesetz nicht anwendbar ist besteht wohl wenig Hoffnung, dass überhaupt nochmal etwas kommt." Eigentlich steht es um die Finanzes des Cultus Deorum nicht schlecht. Aber das muss der Flavier ja nicht direkt wissen, wer seinen Beitrag zu Festtagen leisten will, dem sollte man das nicht verwehren.


    "Die Fontinalia sind nicht ganz so wild, die Bürger sorgen da schon selbst für die Blumen. Aber das öffentliche Opfer für Fons steht natürlich auch noch im Raum, wenn du dich darum kümmern willst, werde ich dir auch das sicher nicht verweigern."

    Das Zögern der zwei Flavier entgeht Vic vollkommen. Wobei er es andernfalls sicher verstehen könnte, denn er ist auch immer ziemlich überrascht, wenn er seinen Bruder Sev irgendwo auf der Straße trifft, was immerhin häufiger passiert, als ihn in der Casa Valeria anzutreffen. So aber verabschiedet er Aquilius mit einem "Vale Flavius." und grüßt Gracchus mit einem "Und salve Flavius." Dass Gracchus die Laufbahn im Cultus Deorum so einfach aufgegeben hat, stimmt Vic immer noch etwas missmutig, immerhin hat er ihn selbst ausgebildet und gehofft, ihn etwas länger im Götterdienst halten zu können. Aber jeder muss selbst seinen Weg finden und es kann schließlich nicht jeder als Septemvir enden.


    "Setzt dich doch. Was führt dich hierher?" Natürlich hat Vic eine Vermutung. Wahrscheinlich würde der Flavier nun wo er im Cursus Honorum sitzt dafür sorgen wollen, dass einer der anderen Flavier ein bisschen schneller seinen Weg nach oben findet. Die Verbindung der Familie zum Imperator soll immerhin auch nicht mehr ganz so gut sein und ein Septemvir könnte da schon was ausrichten. Zugegeben, Vic wäre dafür der schlechteste Septemvir, den man sich aussuchen könnte, aber wer weiß das schon.

    Wenn es an seiner Arbeit etwas gibt, das Vic fast so gut leiden kann wie den ganzen Schriftkram, dann sind das Feiertage, die schon mitten in der Nacht beginnen. Manche davon verschiebt er für sich ganz einfach auf die Mittagstunden. Opfer ist schließlich Opfer und wenn ganz Rom schon früh am Morgen seine Pflicht tut, dann wird es schon nicht auffallen, wenn Vic die seine etwas verspätet antritt. Beim Tag der Victoria ist das allerdings nicht so einfach. Immerhin hat diese dafür gesorgt, dass sein Vater seinen Namen bekommen hat, den Victor schließlich von ihm geerbt hat. Wenn man also nicht sein Leben lang mit dem Namen Nonus oder Decimus rumlaufen muss, dann ist es das schon wert, sich mitten in der Nacht aus dem Bett zu quälen. Immerhin muss sich Vic nichtmal um die Toga kümmern, Saeva ist dabei auch in der Dämmerung recht geschickt, und die kühle morgendliche Luft, die ihm beim Verlassen der Casa entgegen schlägt sorgt dafür, dass Vic nach einiger Zeit wach ist. Auf dem Weg zum Palatin kauft er noch ein paar besonders gute Opferkekse.


    Zufrieden begutachtet er auf dem Hügel die fast abgeschlossenen Vorbereitungen. An Gaben für Victoria mangelt es nicht, wohl aber an ein paar Teilnehmern. Natürlich ist das nicht verwunderlich, viele Bürger Roms schaffen es nichteinmal am Nachmittag zum Opfer, was soll man da schon am Morgen erwarten? Vic nickt den anwesenden Sacerdotes zu, grüßt den ein oder anderen mit einem "Salve." und legt seine Opferkekse zu den Gaben dazu.

    Wie üblich hängt die kleine patera an Vics Gürtel und weist ihn als Septemvir aus. Allerdings hat er noch den Beutel mit den Wachstafeln in der Hand, wohinter die kleine Opferschale meist verschwindet und nicht unbedingt auf den ersten Blick zu sehen ist. Er schaut sich kurz um. Rom ist ihm schon immer ein Rätsel gewesen und wird es wohl auch immer bleiben. Alle Wege führen nach Rom, kein Zweifel, aber welcher Weg führt in Rom wohin? Ein Stück voraus weist ein Schild die Taverne 'Zum fliegenden Germanen' aus, aber dort gibt es hauptsächlich Bier und Honigwein. Von beidem ist Vic nicht wirklich begeistert. Allerdings kann man seinen Weg durch Rom sehr gut an Tavernen ausrichten und nach dem fliegenden Germanen linkerhand kommt bald rechterhand die Taverne 'Zum sumpfigen Tiber', in der man nicht wirklich gut essen, dafür um so besseren Wein trinken kann. Vic deutet in die entsprechende Richtung. "Ein Stück die Straße weiter ist eine ganz ordentliche Taverne." Schon übernimmt Vic die Führung. "Du bist also gerade erst nach Rom gekommen? Was treibt dich in diese Stadt?"

    "Hmm." erwidert Vic einsilbig auf ihre Ausführung über die Curia. Seine Art ist es schon immer gewesen, über sowas nicht allzu viel nachzudenken, aber Helenas Vorbehalte sind natürlich nicht von der Hand zu weisen und erklären auch ihr Verhalten. Wenn man genauer darüber nachdenkt, dann ist es tatsächlich gut, dass es so und nicht anders gewesen ist.


    Für einen Moment glaubt Vic, dass ihre Augen feucht werden, aber wahrscheinlich ist es nur der Lichteinfall. Dann folgt der Augenblick, in dem sie genau das sagt, was er hofft, dass sie darauf gewartet hat, dass sie von ihm geträumt hat, dass nur eine Familie dagegen spricht, die womöglich längst keine Familie mehr ist, vielleicht nie eine war. Bei den Überlegungen, seine Ehe zu lösen ist Vic der Gedanke gekommen, dass er womöglich nichteinmal eine rechtskräftige römische Ehe führt. Er hatte Vio auf traditionelle iberische Weise geheiratet, mehr brauchte es damals und in einer Stadt wie Malaca nicht. Möglicherweise hat die Bürgerwerdung längst einiges durcheinander gebracht, was er versäumt hatte zu korrigieren. Selbst wenn nicht, seine Familie ist in Rom und wenn sie da nicht ist, ist sie nirgends, ein Lösen der Bindung wäre nur noch der kleinste Schritt.


    Doch bevor Vic ihr das alles eröffnen kann, spricht Helena die Worte aus, die all die Träume wie eine Seifenblase zerplatzen lassen. Ihre Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht. Nein, schlimmer noch. Es kommt Vic vor, als hätte ihm jemand mit einer wuchtigen Faust in die Magengegend geschlagen und gerade als er sich vor Schmerz zusammenkrümmt, holt derjenige nochmal aus und donnert seine Faust von unten gegen Vics Kinn, so dass er nur noch rückwärts an die Wand fliegt und regungslos liegen bleibt. Der Unterschied besteht darin, dass sich Vic nach so einem Schlag in die tiefe Schwärze der Benommenheit flüchten könnte, Helenas Worte das aber nicht zulassen. Er lässt langsam seine Hand sinken, samt ihrer darin und als sie die Wasseroberfläche berühren, lässt er sie los. Dass ihn eine Frau zurückgewiesen hat, ist ihm selten passiert, und noch nie ging es um so viel. Er hat keine Ahnung, was er sagen oder tun soll. Sie hat vor, einen anderen zu heiraten, auf 'iulische' Weise und trotzdem ist sie zu ihm gekommen. Wieso? Um aus ihrem Leben auszubrechen, ein kleines Stück valerische Freiheit zu genießen? Was sollen dann ihre Worte über Träume und Hoffnungen? Es passt überhaupt nichts mehr zusammen und langsam macht sich ein mulmiges Gefühl in Vic breit, das Gefühl, dass er in dieser Sache die Oberhand verloren hat und Helena längt ihr eigenes Spiel mit ihm treibt. "Warum bist du hier, Iulia Helena?" Eine einfache Frage, alles andere würde Vic im Moment überfordern.

    Auch Vic steht grinsend wieder auf und winkt ab. "Nicht der Rede wert. Allerdings solltest du besser drauf aufpassen, Rom ist nicht umsonst die Stadt mit den reichsten Gauner des ganzen Imperiums." Dass sich der Spruch normal auf ganz andere Gauner als die kleinen Straßenräuber bezieht, ist in diesem Fall unwichtig.


    Als Tacitus anbietet, sich erkenntlich zu zeigen, denkt Vic nicht lange nach. Das ist geradezu eine perfekte Gelegenheit, sich von der ungeliebten Arbeit abhalten zu lassen und immerhin gehört die Öffentlichkeitsarbeit auch zu den Aufgaben eines Septemvir. "Hmm, wenn du sonst nichts vorhast, dann würde ich mich auf einen Becher Wein einladen lassen, hrhr. Falls du es aber eilig hast, dann muss es auch nicht sein." Er zuckt unschlüssig mit den Schultern. Im Fall des Falles könnte er auch beim Tempel des Mars Ultor vorbeigehen und bei Sacerdos Flavius nachfragen was die Renovierung macht und dabei schauen, ob zufällig ein Opfer auf seine Vernichtung wartet. Genau genommen fallen ihm auch so recht viele Dinge ein, die er noch in der Stadt erledigen müsste, oder zumindest könnte. Für das Officium ist der sonnige Tag sowieso viel zu heiß.

    Mit einigen Wachstafeln in einem Beutel verpackt ist Vic auf dem Rückweg von der Schola Atheniensis in die Regia des Cultus Deorum. Er hat es nicht eilig, denn an seinem Ziel wartet nur sein Officium und die Wachstafeln warten darauf, korrigiert zu werden - eine Arbeit, die er überhaupt nicht gerne tut. Im Prinzip tut er nichts gern, was mit Wachstafeln oder sonstigen Schriftstücken zu tun hat, weder sie beschreiben, noch sie lesen, noch sie korrigieren. Aber viel Auswahl bleibt ihm nicht, denn seine Arbeit gibt das Collegium Pontificium vor und das schert sich wenig darum, was die Septemviri gerne tun. Er grübelt darüber nach, wann die nächste Kulthandlung für ihn anstehen würde, doch eher als das Epulum Iovis bei den Ludi Plebii gibt es nichts. Bis dahin bleibt ihm wohl nur der Schriftkram und das Begutachten von Prüfungen und sonstigen Feiertagsopfern.


    Er wird aus seinen Gedanken gerissen, als vor ihm das Klingen von Münzen zu hören ist. Er hebt eine Augenbraue, als der Mann, dem die Münzen anscheinend gehören, anfängt, diese wieder einzusammeln. Vic geht in die Hocke, sammelt ein paar Sesterzen auf und hält sie dem Mann grinsend hin. "Wenn du eine Möglichkeit suchst, dein Geld los zu werden, dann bist du in dieser Ecke Roms genau richtig. Ein paar Straßen weiter gibts ein ziemlich gutes Lupanar und Tavernen gibts an jeder Ecke. Du brauchst die Münzen also nicht gleich auf die Straße zu kippen."

    Vic schaut böse zur Tür, die es wagt ein dumpfes Klopfen von sich hören zu lassen. Wenn sie kommen, dann kommen sie immer einer nach dem anderen. Das ist auch der Grund, warum Vic die Zeit im Officium hasst, viel lieber wäre er jetzt irgendwo vor einem Tempel und würde einem Opfer beiwohnen.


    "War das alles? Dann kannst du den nächsten direkt reinschicken." wendet er sich wieder an Aquilius.

    Die Nacht war wieder mal viel zu kurz und Vic eilt völlig überhastet von seinem Officium in der Regia zur Schola Atheniensis. Erst kurz vor dem Prüfungsraum schlägt er die Wachstafel mit den heutigen Prüflingen auf und öffnet schon die Tür, als er den einzigen Namen im weichen Wachs liest. "Tiberia Claudia?" murmelt er irritiert vor sich hin, hebt den Blick und da steht sie auch tatsächlich. Vic hebt einen Mundwinkel. "Salve Fla... Pon... öhm, Tiberia." Er kratzt sich am Hinterkopf.


    "Ich hoffe, es geht dir wieder gut? Nuja, sonst wärst du wohl nicht hier. Wenn du keine Fragen mehr hast, kannst du gleich beginnen." Er legt die Tafeln mit den Prüfungsfragen auf einen Tisch.


    Sim-Off:

    PN.

    Vic riecht an der kleinen Flasche und nickt leicht. "Kann man bei vielen Gelegenheiten räuchern, Sandelholz ist ziemlich vielseitig." Dass sie dann auf einmal anfängt, so offen zu reden, bringt ihn wieder aus dem Konzept. Er betrachtet ihr Gesicht, ihre tiefen blauen Augen und weiß am Ende selbst nicht mehr, was möglich ist und was nicht.


    "So war das? Ich mein, in der Curia da warst du immer so abweisend. Ehrlich gesagt, ich hätte nich gedacht, dass du überhaupt noch daran denkst." Dann aufeinmal hört Vic ganz genau hin. 'Ich habe mir lange gewünscht, es gäbe einen Weg, der uns beide vereinen könnte.' - bezieht sich das nun auf die körperliche Vereinigung oder hat sie noch mehr im Sinn? Warum können Frauen nicht einfach klar und deutlich sagen, was sie denken, anstatt aus allem immer eine zweideutige Sache zu machen?


    Vic fasst ihre Hand und hält sie fest. Er beugt sich etwas weiter zu ihr. "Du machst mich wahnsinnig, Iulia Helena. Das ist es, was ich denke. Du gehst nicht mehr aus meinem Kopf und während ich an dich denke, überleg ich, wie ich dich dauerhaft in meine Nähe bringen kann. Bei den Göttern, Helena, meine Frau sitzt am anderen Ende der Welt, ich hab sie nicht mehr gesehen, seit ich zur Ala bin und ich musste sie heiraten weil ich ein schwanzgesteuerter junger Kerl gewesen bin und in ihr ein Kind gezeugt habe." Einen kurzen Moment kommt Vic der Gedanke, dass er auch heute noch nicht anders ist - was, wenn er da drüben im Atrium wieder ein Kind gezeugt hat? Er schiebt den Gedanken beiseite und schaut sie eindringlich an. "Was ich mir immer wieder überlege ist, was wäre wenn diese Ehe nicht wäre? Würdest du ... ich mein ... könntest du dir vorstellen ... wir beide ...?"

    "Das hört sich gut an, Flavius. Beschäftigung für einen Architekten, falls du denn einen findest, haben wir sicher auch über den Tempel des Mars Ultor hinaus. Ich wünsche dir viel Glück bei deiner Suche, Mars wird dir den Weg schon weisen." Möglicherweise auch an allen Architekten vorbei, denn die Wege des Mars sind unergründlich. Vic hat selbst immer noch oft daran zu knabbern, dass er keine Ahnung hat, wo es hingehen soll. Aber er möchte den Enthusiasmus des Sacerdos auf keinen Fall irgendwie bremsen, denn wenn überhaupt, dann ist ein Architekt nur auf diese Weise zu finden.

    Dass Vic bei der Ala gewesen ist, das sieht man auch den Kratzern welche die Kämpfe, vor allem die Schlacht um Septimanca, auf seinem Körper hinterlassen haben und die er natürlich wie jeder einstige Soldat stolz herumträgt. Ein Grinsen zieht sich über sein Gesicht, als er sich Helena vorstellt, wie sie jedem Mann die Tunika über dem Rückken stramm zieht, das kann er sich tatsächlich ziemlich gut vorstellen. Doch das Grinsen vergeht mit dem Gedanken an Vio. "Es is ja nicht so, dass ich ihr verbieten würde, herzukommen." Merkwürdigerweise ist das immer die Annahme, die sein Gegenüber trifft. Als würde Vic aussehen wie ein tyrannischer Ehemann. "Sie will einfach nich und ich zwing sie nicht." Helenas Reaktion lässt ihn wieder einmal überlegen, ob es dafür nicht längst einen anderen Grund als die Abneigung gegenüber der Großstadt gibt. Doch wahrscheinlich ist es der gleiche Grund, wie bei ihm auch, es gibt einfach keine Notwendigkeit dafür.


    Helenas letzten Worte klingen endgültig und vermutlich sind sie es auch. "Ja." ist alles, was er dazu sagen kann. In der letzten Zeit ist ihm ein Gedanke gekommen, der ihn weit weniger erschreckt, als die Tatsache, dass er überhaupt über so etwas nachdenkt. Doch was würde er schon an ihrem Leben ändern können? Nichts. Diese Frau ist einfach ein Stück zu hoch für ihn, sie stammt aus einer völlig anderen Welt und dass er mit ihr Kline und Wanne teilt, das ist mehr, als ihm überhaupt zustehen kann. Trotzdem passt es ihm nicht.

    "Hrhr, Septemfemina? Das hört sich nich gut an. Außerdem kann es nur einen geben, der die ungeliebte Fußarbeit macht und der bin ich schon. Wie wärs mit Pontifex? Die ham nich viel zu tun, wenn du mich fragst und die wenigsten von denen haben ein Officium." Er schaut unschlüssig in das verlockende Wasser, in dem der noch verlockendere Körper von Helena liegt. Die Haare waschen - das zählt nicht zur Standardhandlung nach einer kurzen Bettgeschichte, ebenso wenig wie ein Bad. Aber was solls, irgendwie ist sowieso schon längst alles außer Kontrolle. Er richtet sich auf, zieht sich die Tunika über den Kopf und lässt dann seine Füße ins Wasser baumeln. Eigentlich ist es viel zu warm, ihm ist sowieso schon heiß, aber - was solls. Langsam rutscht er die Stufe hinab zu Helena ins Wasser.


    Der ein oder andere Interessent, das hört sich nicht so an, als wäre schon etwas ernstes dabei. Aber dann kommt doch wieder ihr Vater ins Spiel. Natürlich, sie ist trotz allem eine Iulia, würde immer eine sein, mit kaiserlichen Ahnen. Ebenso, wie er immer ein Valerier sein würde, mit Ahnen, die nicht seine sind und Vorfahren, die in Malaca noch immer Ställe verwalten oder ein paar Zimmer weiter beim Würfeln bescheißen. "Nuja, gefunden hab ich sie schon selbst, aber nich um sie zu heiraten. Das war dann nur nach ein paar Monaten die unausweichliche Konsequenz und letztendlich auch die Entscheidung unserer Eltern." Er zuckt mit den Schultern und starrt an die Wand des Balneums. "Es war damals sicher auch nicht die schlechteste Entscheidung. Soviel Unterschied zur feinen Gesellschaft hier in Rom ist da gar nicht. Sie kam aus ner guten Familie, hatte ein untadeliges Leben, nuja, zumindest bis sie mit mir ... öhm ... ja, und die Mitgift war auch passabel." Vic kratzt sich verlegen am Hinterkopf. "Ich hätte ja nich nach Rom müssen, wenn ich es nicht gewollt hätte. Und ... ich könnte längst wieder in Malaca sein, als Sacerdos oder sonstwas."

    Es hat sich kaum etwas geändert zwischen ihnen. Wie viele Lupae hat Vic schon verlassen und hinter keinen Gedanken mehr an sie gedacht? Sogar bei Ambrosiana ist es nur ein kurzer Moment gewesen, zwei verheiratete Menschen, die etwas Abwechslung suchten, die nicht weiter als bis zum Opfer danach dachten. Sogar beim ersten mal mit Vio hatte er nichtmal bis zum nächsten Tag gedacht. Doch an was denkt Helena? Wie weit denkt sie? Die Berührung ihrer Finger auf seiner Wange verwirrt Vic und er weiß nichtmal, wie weit er denkt oder wie weit es gut ist, zu denken. Er streicht ihr schwarzes Haar hinters Ohr zurück und grinst verlegen, froh, erstmal über alltägliche Dinge reden zu können.


    "Keine Sorge, ich glaub nicht, dass mich irgendwer zum Duumvir wählen würd. Es ist zwar wahr, den Septemviri gehts auch nicht viel besser, aber es gibt schon noch genug undankbare Aufgaben, die einen Epulonen aus der Regia heraustreiben und die darf alle ich machen, hrhr." Vic lauscht ihrer Stimme, als sie über ihren verstorbenen Mann spricht und merkwürdigerweise verspürt er ein Gefühl wie Eifersucht in sich aufsteigen. Eine gute Wahl ist es sicher immer, wenn Eltern ihren Kindern die Ehe aussuchen, meistens denken sie sich schließlich was dabei.


    Er bemerkt, dass sie sich noch immer davor scheut, ihn beim Cognomen zu nennen, selbst nachdem sie gerade im Atrium die Kline geteilt haben. Womöglich ist ihre Welt einfach doch eine ganz andere, von Ständen und Zwängen beherrscht und Vics einfacher Denkweise, die noch immer mehr der eines Peregrinus gleicht als der eines Eques, viel zu fern. "Och, das war nur so ein Gedanke. Nuja, ... da wirst du sicher keine Schwierigkeiten haben. Eine Iulia kann sich in Rom doch wohl kaum retten vor Angeboten ..." Das hört sich mehr an, als würden sie über Marktangebote reden, aber irgendwie muss er herausbekommen, was sie denkt, ob es mehr gibt zwischen ihnen als eine Kline und das Bad danach. Leider liegt darin, herauszubekommen, was eine Frau denkt nicht unbedingt Vic Stärke. Selbst mit Göttern ist es einfacher, als mit Frauen.

    Erleichtert, dass sie noch da ist, tritt Vic ein und zieht einen Mundwinkel nach oben. Die Aussichten sind bestens. "Nein, ich hab nur ... nich so wichtig. Hulc is noch nich fertig." Vic ist noch nie aufgefallen, dass das Badebecken so groß ist, aber zwei Personen hätten darin locker Platz. Er setzt sich auf den Beckenrand, legt seine Hände an Helenas Nacken und beginnt sie etwas zu massieren. "Vielleicht hab ich doch keinen Hunger." Hunger schon, aber nicht auf die tote Taube.


    "Ziemlich verspannt. Du sitzt wohl wirklich viel in deinem Officium rum, hm? Irgendwann wirst du da drin verstauben." Er muss an den Tag denken, an dem sie verstaubt hinter ihm im Circus Maximus von der Quadriga gestiegen ist. Wer hätte damals gedacht, dass sie beide tatsächlich eine Zukunft haben? Und nun sitzen sie hier und es kommt Vic so vor, als gäbe es nichts natürlicheres auf der Welt, als dass Helena nackt in seinem Badezimmer sitzt. Er fährt mit dem Zeigefinger über ihr Rückgrat. "Dein erster Mann wurde dir von deiner Familie ausgewählt, nicht wahr?" Eine ziemlich dämliche Frage, nachdem, was gerade im Atrium passiert ist sie jetzt nach ihrem verstorbenen Ehemann zu fragen. Trotzdem scheint es Vic auf einmal wichtig, das zu wissen.

    Victor nickt zustimmend. "Tjaja, verwunderlich. Man sollte wirklich meinen, dass es ganz einfach ist." Er macht eilig eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. "Was nicht heißen soll, dass es nicht einfach ist. Egal, du wirst dich schon drum kümmern. Natürlich kannst du im Namen des Cultus Martialis agieren und du solltest natürlich von Anfang an klar machen, dass es um einen Tempel gehen wird. Das ist nicht jedermanns Sache und bevor sich ein Stümper an Mars Haus zu schaffen macht, sollte es besser so bleiben, wie es ist."

    Doch, Vic ist sich jetzt ganz sicher, diese aufbrausende Art ist Grundvoraussetzung, um bei den Prätorianern überhaupt genommen zu werden. In dem Fall hat sein Bruder Sev sicher noch ne große Zukunft bei den Schwarzen vor sich. "Klar wie ... klar ... total klar eben ... Mann, Mann, Mann." Er schaut bedauernd dem schönen Becher hinterher, der an der Wand zerdeppert. Da ist sicher noch was drin gewesen!


    Viel Gelegenheit darüber nachzudenken hat Vic nicht und wahrscheinlich ist es besser so. Zuviel Denken könnte an diesem Abend noch schmerzhaft werden. So folgt er Crassus Aufforderung, sich die beiden Deppen anzuschauen. "Aurataanhänger?" Vic spuckt neben sich auf den Boden. "Nichma den Namen kann man in den Mund nehmen, ohne, dass einem die Galle hochkommt. Die mit ihren Schmalspurquadrigen und den schwulen Pferden!" Er legt fragend die Stirn in Falten. "Oder warn dat die andren? Die Weißen? Ach, Wurscht, sowieso alles ein Verein! Ne, Junge, die sinds ja nichma wert, dass man sie anschaut!" Die Erklärung der beiden Hadriani ignoriert Vic völlig - möglicherweise bekommt er sie in seiner eingeschränkten Sicht auch schon gar nicht mehr mit. Das einzige, was er momentan noch wirklich realisiert ist, dass sein Kopf immer schwerer und sein Blick immer enger wird.

    Noch immer in Gedanken schaut Vic auf und nickt seinem Bruder zu, als der durchs Atrium latscht. "Hoi, Sev. Jo, mach ich." Die kurzen Besuche zwischen Arbeit und Castra oder umgekehrt bringen Vic schon lange nicht mehr dazu, irgendein Gespräch anfangen zu wollen. Meist ist Sev nur aufm Sprung, hats eilig, dürfte eigentlich gar nicht da sein und wenn Vic jemand fragen würde, dann wär er auch nicht vorbei gekommen. Wenns was wichtiges gibt, dann fängt Sev von selbst an, und wenn Vic was wichtiges zu besprechen hat, dann legt er Sev eine Nachricht zu den Briefen die der abholt und sein Bruder meldet sich dann schon irgendwann.


    Etwas später kommt Sev auf dem Rückweg nochmal vorbei. "Jo, bis denn." gibt ihm Vic mit auf den Weg und schaut dann irritiert zu den Weinbechern. Er kratzt sich am Hinterkopf und steht auf. Dann geht er zum Balneum. Was, wenn Helena gar nicht da drin ist? Vielleicht hat sie die Casa längst verlassen und erstattet in diesem Moment gegen Vic Anzeige wegen Verführung einer Witwe. Er klopft an die Tür, von der er hofft, dass Helena dahinter ist. "Alles in Ordnung?" Langsam öffent er die Tür und steckt seinen Kopf in den Raum.

    Ihm vorzuschreiben, wann er aufhören soll mit dem Weintrinken, das kann Vic überhaupt nicht ab. "Ich glaub, dir gehts zu gut, Junge! Du faselst doch von Bergen. Wat weiß ich, wat mit den Bergen is. Und wann ich aufhör mitm Wein, dat bestimmt immer noch ich!" Er greift nach der Kanne. "Un solang ich noch den Becher treff, is dat noch lang nich so weit!" Vic kneift angestrengt die Augen zusammen und beißt seine Kiefer aufeinander. Es gleicht einem Balanceakt, die Kanne wieder über den Becher zu bringen und sie schnell genug auf den Rand abzlegen, so dass nichts mehr daneben gehen kann. Dass der Becher noch halb voll ist, stört ihn dabei wenig. "Dat wär ja wohl gelacht!" Ein energischer Ruck und der Wein schießt aus der Kanne, die Hälfte über den Becher hinaus. "Für die Götter! Für die Götter!" ruft Vic triumphierend in den Schankraum und lässt die Kanne schwer zurück auf den Tisch knallen.


    Ein Stück weiter beobachtet der Wirt das Geschehen aus bangen Augen. Seinen besten Wein, seinen allerbesten Wein hat er ihnen serviert und diese zwei Saufbolde schütten ihn wild über den Tisch und den Boden als wär es Spülwasser! Er hoff nur, sie würden die Rechnung begleichen, ansonsten müsste er morgen auch noch zur Regia des Cultus Deorum laufen und den Priester suchen müssen. Von dem Praefectus Praetorio kann er schließlich schlecht die Schulden eintreiben, solange er noch in Rom bleiben will.


    Vic hebt seinen Becher vor sich in die Höhe und ignoriert den Wein, der an der Seite runterläuft. "Also, dat is so. Der Wein is Wein, ja? Kannste mir folgen? Der Becher oder die Schale, dat hat weder mitm Wein noch mitn Göttern wat zu tun, oder haste schonma den Becher mitgetrunken oder die Schale mitgeopfert? Siehste. Dat is ja so, im Moment der cons... conecra... conseka... ach egal, also in dem Moment, wo du den Wein den Göttern übereignen tust, da geht der Wein auf die Meta...dingens über, die Welt von den Göttern halt. Der Wein is dann noch da, also hier da, aber gleichzeitig isser in der Welt von den Göttern. Kommste noch mit? Gut, dat is auch der Grund, warum die Opfergaben am Abend immer noch im Tempel rumliegen, obwohl sie längst die Götter gegessen haben. Also die Götter die Gaben, nich die Gaben die Götter. Is ja klar. Ich hab dat neulich beim epulum iovis ma getestet, dat Zeuch schmeckt im Vergleich zu wat Frischem tatsächlich nen bisschen fad hinterher. Da fehlt einfach nen Teil von der Metadingens, dat, was die Götter eben rausgenommen haben. Dat siehste nich, aber das schmeckste. Glaubste vielleicht, die abgestandene Plörre aus den Weinopfern trinkt hinterher noch einer? Also schon, aber nur die Penner von der Straße, nichma die Tempelsklaven wolln dat..." Er schwenkt den Becher. "Wenn also nu der Wein aufm Boden ankommt, dann ham die Götter da längst ihrn Meta...dingens...wein...anteil...watauchimmer rausgezogen. Dat is ganz egal, wo der Hierwein drin oder drauf is. Jo, so is dat wohl." Lange Rede kurzer Sinn - Wein aus Becher in Kehle rinn.