Als Lurco begann, war nicht abzusehen, wie viel er anreißen würde. Genauso wenig konnte Menecrates dessen Haltung zu den Plänen erahnen und nachdem ihm von Stabseite erheblich Wind entgegengekommen war, rechnete er nicht in erster Linie mit Begeisterung. Umso mehr freute er sich, einen Befürworter seiner Pläne vor sich zu haben. Das erleichterte die Zusammenarbeit, wenngleich sich Menecrates von keinem Gegner hätte ausbremsen lassen. Einzig der Kaiser besaß dafür die Macht.
Lurcos Beteiligung sprengte jede Erwartung. Irgendwann lehnte sich Menecrates zurück, um sich eine bequemere Zuhörposition zu verschaffen. Befürworter zu sein, war das eine, tatkräftig anpacken das andere. In diesem Fall vereinten sich beide Voraussetzungen zu einem optimalen Mix. Es stand fest: Lurco war genau der richtige Mann für das Projekt. Sie würden es allerdings teilen müssen, um sich nicht zu verzetteln.
"Jah", erwiderte Menecrates, nachdem Lurco geendet hatte. Er musste sich zunächst vom Berg an Informationen freischaufeln und sortieren. Das Wichtigste stellte er voran. "Es freut mich, in dir einen Sympathisanten für das Suburaprojekt zu haben. Gleichzeitig ist mir nicht entgangen, dass du mit Dankesworten begonnen hast." Er hob in einer verwunderten Geste die Hände, ließ sie wieder sinken und fuhr fort. "Das macht auf mich den Eindruck, als gäbe es in der Angelegenheit Statio I Urbana mehr Rede- und Handlungsbedarf als ich es erwartet habe." Sein Brauen hoben sich, was seiner Mimik einen fragenden Ausdruck verlieh.
"Ich möchte dieses Thema separat erörtern, vielleicht gleich in Kombination mit der Wiederaufbauplanung, aber das kann ich erst beurteilen, wenn ich weiß, was für einen Umfang die Aufarbeitung haben wird. Notfalls splitten wir nochmals. Besprechungsort wird die Castra sein. Die Örtlichkeiten - Castra und Statio I - liegen nahe beieinander und Annaeus ist in diesem Bereich nicht eingebunden, mit Ausnahme der Gedenkfeier." Er dachte kurz nach, dann fuhr er fort. "Wenn du einige wenige Kameraden mit Insiderwissen hast, bring sie mit zum Termin, den ich noch benennen werde. Nicht jeder scheint sich mit der Statio I auszukennen." Ohne hier Tribunus Petronius namentlich nennen zu wollen, hatte ganz offensichtlich noch nicht einmal jeder die Statio zu Gesicht bekommen, geschweige denn von den Umständen etwas mitbekommen.
"Kommen wir zum eigentlichen Thema dieser Besprechung. Wenn es um die neue Statio geht, treffen wir uns hier in der Praefectura. Auch hier liegen die Örtlichkeiten nahe beieinander, auch wenn wir den genauen Bauplatz noch nicht kennen. Außerdem wirft es hier weniger Fragen für Außenstehende auf. Ach und noch was." Er hob den Zeigefinger, weil ihm fast etwas entfallen war. "Cornicularius Purgitius, fertige nachher ein Protokoll deiner eigenen Gedanken zur Bauphase an. Zwar habe ich bereits auch eine Wachmannschaft an den zünftigen Baustellen ins Auge gefasst, aber weiter habe ich mich mit der Thematik noch nicht befasst. Es soll auch nicht heute Thema sein, sondern in separaten Sitzungen. Wir können dann deine Aussage von heute als Diskussionsgrundlage nehmen. So, zurück zum Thema." Kein Wunder, dass Menecrates mehrmals abschweifte. Das Vorhaben war facettenreich und außerdem hatte Purgitius enorm vorgelegt.
"Heute geht es zum einen um den Bauplatz - vor allem das muss zeitnah abgearbeitet werden, weil wir ohne die Zustimmung des Kaisers gar nicht in eine Bauphase für die Statio II kommen - und um die Gedenktafel sowie die Organisation einer Gedenkfeier. Ihr fangt beide umgehend mit der Archivsuche an. Gibt es dazu Fragen?" Er wartete kurz und gab Raum. "Die Organisation der Gedenkfeier muss nicht in Zusammenarbeit mit mir erfolgen. Ich sehe es gerne, wenn ihr euch unterstützt. Wenn du, Annaeus, aber der Meinung bist, du schaffst das ganz alleine oder ziehst externe Hilfe hinzu, ist mir das auch recht. Das Konzept würde ich aber vor Ausführung gern sehen. Sollte es dazu Fragen geben, dann ist hier der Raum, wo sie gestellt werden können."
Wieder legte er eine Pause ein, die Zeit für Fragen bot. Im Geiste ging er bereits Purgitius' Vorschlag zu den Brieftauben durch. Aus diesem Gedanken heraus fragte er: "Wusstest du, dass Brieftauben nur deswegen fliegen, weil sie zu ihrem Partner streben? Sie teilen ihr gesamtes Leben mit nur einem Partner und nur wenn sie getrennt gehalten werden, fliegen sie überhaupt zielorientiert. Isoliert man ein Paar zu lange, begehen manche Tauben Selbstmord oder sterben aus Gram, weil sie glauben, sie hätten ihren Partner verloren. Und mache erirren sich auch. Sie fristen dann ein wildes Dasein in unseren Städten." Die meisten Menschen mochten sie nicht, dabei war es der Mensch, der sie diesem Leben ausgesetzt hatte.
"Die Befragung wegen der Brandsicherheit möchte ich der Bauplatzsuche nachordnen." Mit Blick zu Purgitius sprach er weiter. "Du kannst zum passenden Zeitpunkt gern diese Befragung übernehmen. Wann und wie besprechen wir nicht heute." Und noch etwas fiel ihm ein, sodass er sich nun selbst Notizen machte. "Ich wollte so oder so mit euch noch Geschütztraining machen, nun erst recht. Ich möchte später fähige Männer in der Kombistation haben."
Das Ende seiner Ausführungen bildete nochmals ein Lob. "Cornicularius, ich freue mich, dass du genauso viel Potential in einer Zusammenarbeit mit den Vigiles siehst wie ich. Alle deine Gedankengänge treffen sich mit meinen, da sie aber aus anderer Perspektive entstanden sind, besitzen sie eine besondere Bedeutung. Ich erwäge, dich als Begleitung zum Kaiser mitzunehmen." Die gleiche Chance besaß Annaeus, den Menecrates aktuell noch nicht einschätzen konnte. Das würden die Ergebnisse, dessen Vorgehensweise und Engagement zeigen.