„Rom,“ begann der legatus iuridicius seine Rede mit jenem Wort um das es hier eigentlich ging. „ist Größe, Rom ist Ordnung, Rom ist Friede. Bevor Rom mit seinen Legionen und seiner Verwaltung auf diese Seite der Alpen kamen waren Kriege zwischen den Stämmen auf dieser, wie auch auf jener Seite des Rhenus die Regel und nicht die Ausnahme. Manche der Stämme erkannten die Vorteile, die ihnen Roms Freundschaft brachten.
Ihre Wirtschaft konnte aufblühen, ihre Feinde wurden gestraft ihre Bevölkerung gewann Reichtum.Andere Stämme stellten sich gegen Rom, aber keiner von Ihnen konnte gegen die zivilisatorische Idee und den Beistand der Götter bestehen.
Die Überheblichen wurden niedergerungen, die Unterworfen jedoch geschont, ganz so, wie es Anchises in der Unterwelt den Auftrag an die Nachkommen seines Sohnes formulierte.
Und nach langem Kampf erfüllte Rom seine Pflicht und setzte Regeln, die den Frieden bedeuteten.“ – hier wich der Redner ein wenig von den Formulierungen der Aeneis, die als Grundlage für diese Gerichtsrede herhalten musste ab.
„Doch immer wieder gab es Stämme an den Grenzen des Imperiums, die diesen Frieden bedrohten. Geleitet von Neid auf den Reichtum ihrer Nachbarn, versuchen sie diesen zu rauben anstatt ihn durch ihrer eigenen Hände Arbeit zu erwirtschaften.“ Real hatten die Stämme dazu natürlich wenig Chancen, ebenso wie real die Sklavenhände den Reichtum erwirtschafteten und nicht die der Herren. Aber heute war kein Platz für Realitäten.
„Diese Bedrohung für den Frieden und für jeden einzelnen Bewohner dieses von den Göttern gesegneten Reiches ist die Aufgabe und die Pflicht der ruhmreichen Legionen, der Schwerter und Schilde des Imperiums. Sie bewachen die Grenzen und schützen das Reich, wie sie Besitz und Leib eines jeden einzelnen seiner Bewohner schützen.“
Nun, endlich kam man zu Sache, so schien es, denn der Blick des Redners streifte ein letztes Mal über die Menge und verharrte bei den Männern. Einen Moment herrschte theatralisches Schweigen, dann erging sich der Richter in der Anklagerede.
„Die Bewohner jenes unglückseligen Dorfes, die heute hier vor ihrem Richter stehen, haben sich des Bruches gegen diesen von den Göttern geheiligten Frieden Roms schuldig gemacht. Einige von Ihnen haben ein praesidio entlang des limes angegriffen und als der centurio mit einer Patrouille den Grund für diesen ungerechtfertigten und frevlerischen Angriff zu erkunden suchte, legten sie ihm einen Hinterhalt.“
Die unrühmliche Rolle, die der centurio womöglich dabei gespielt hatte war für diesen Prozess nicht von Belang und nicht der Erwähnung wert. Dies war Sache der Disziplinierungsmaßnahmen der legio.
„Sie töten den größten Teil der Legionäre, der Rest überlebte nur dank der Tapferkeit des centurios, der selbst dem Tode geweiht gewesen wäre, hätte nicht der Ratschluss der Götter seinen Tod verhindert. Daher verurteile ich alle Bewohner des Dorfes zum Tode durch das Kreuz.“
Eine winzige Pause entstand, gerade lang genug, dass die Anwesenden ihren leichten Schock bekamen, dann hob der Mann die Hand wie zum Segen.
„Allein: Rom ist gnädig. Nicht die Frauen und Kinder und Alten sollen Leiden für die Dummheit und Überheblichkeit der Männer und ihrer Häuptlinge. Im letzten Moment, als die ruhmreichen Legionäre der zweiten Legion und die tapferen Reiter der zweiten Ala das Dorf erreichten kam Einsicht über die Männer und Frauen und sie gaben sich in die Hand des römischen Rechts. Dieser Schritt soll belohnt werden. Wir begnadigen die Frauen, die Kinder und die Alten zur Sklaverei. Mit Ausnahme der Seherin, die ihr eben gesehen habt, die ihren Einfluss nicht nutzte den Angriff zu unterbinden. Sollen ihnen keine Körperstrafen auferlegt werden.“ So die offizielle Version, über den Aberglaube der Soldaten schwieg man besser um ihn nicht zu befördern. Und das nahm selbstverständlich nicht die Brandmarkung aus. Diese war ja keine Strafe.
„Wenn noch jemand für besondere Gnade für einen der Gefangenen sprechen möchte, so möge er in den nächsten drei Tagen vor diesen Stuhl treten und er wird gehört werden. Am vierten Tage werden die Urteile vollstreckt.“