Beiträge von Artoria Medeia

    Die Tür öffnete sich und Olympia betrat den Raum. Sie sah zu der nicht gerade freundlich schauenden Medeia, die immer noch auf der Kline saß und sich ein Stück Stoff gegen die Verletzung an der Fußsohle gepresst hatte. Olympia blinzelte. „Domina?“ Ungnädig musterte Medeia Olympia. „Was ist das?“ Anklagend hob Medeia eine Scherbe in die Höhe. Olympia schwieg verwirrt. „Eine Scherbe, Domina?“ sagte sie schließlich zögerlich. Medeias linke Augenbraue wanderte nach oben. „Willst Du mir was gestehen? Was ist dieses Mal herunter gefallen, Olympia?“ Erschrocken sah Olympia auf die Scherbe und ihre Gedanken schienen zu rasen. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß es nicht, Domina. Eigentlich ist ...mir nichts hier...in...den letzten Tagen herunter gefallen. Aber ich weiß es nicht mehr...tut mir leid!“ Angst stand in ihren Augen. Medeia stand auf und legte das blutige Stück Stoff zur Seite. Olympia wich einen Schritt zurück als Medeia auf sie zutrat. Kalt sah Medeia die junge Sklavin vor sich an. Diese senkte verlegen den Blick und sah auf den Boden.


    „Nun, es geschieht ja nicht aus Bösartigkeit. Trotzdem bist Du ein tölpelhaftes Mädchen. Du kannst froh sein, dass ich nicht die Peitsche hervor hole. Also, bemüh Dich in Zukunft mehr.“ Olympia schloss die Augen und nickte langsam. Medeia wandte sich um. „Ich werde gleich wieder in den Magna Mater Tempel zurückkehren. Packe alles, damit wir morgen oder übermorgen nach Mantua aufbrechen können. Und überlass Pumilus die Planung. Hektor und Herkules kommen mit! Du kannst gehen.“ Schnell verschwand Olympia wieder, flüchtete aus dem Zimmer ihrer Herrin. Seufzend wandte sich Medeia um und griff nach ihrer Palla. Die feinen Schühchen wieder angezogen, trat sie auf die Tür zu und verließ wieder ihr Cubiculum. Ein anstrengender Tag erwartete sie wieder im Magna Mater Tempel.

    Eine lichtumflutete Gestalt beugte sich über Medeia. Ihre Augen waren offen. Bin ich wach? Medeias sah auf die Gestalt über sich. Magna Mater? Medeia wusste es nicht und sie sah der Gestalt nur stumm entgegen. „Du bist wach? Gut!“ Langsam klärte sich die verschwommene Gestalt vor Medeias Augen und die alte Frau aus der Cella erschien vor Medeia. Leise stöhnend sah sich Medeia um. Sie lag auf einer der Bastmatten im Nebenraum der Cella. Durch einen schmalen Fensterspalt fielen Sonnenstrahlen in den kleinen Raum hinein. Als sich Medeia bewegte, zuckte Schmerz durch ihre Arme. Verwundert betrachtete sie die Leinenverbände an ihren Armen. Die Erinnerungen an das Opfer waren nur noch verschwommen. Was ist...? Sie sah auf und formulierte die Frage aus ihrem Geist. „Was ist passiert?“ Die alte Frau sah sie ernst an. „Du hast das Sühneopfer begangen und Dein Blut ist vergossen worden. Sobald Du aufstehen kannst, wird Dich ein Eunuch nach Hause geleiten. Eine Sänfte wartet schon vor der Tür.“ Matt nickte Medeia und sah der alten Frau hinter her, als sie den Raum verließ.


    Medeia schloss ihre Augen. Doch hinter ihren Augenliedern sah sie immer noch das gleißende Licht der Sonne. Ist das Sühneopfer angenommen worden? Medeia erinnerte sich an eine Lichtgestalt. Teuer erkaufen? Neugeburt? Was meint sie damit? Ein leichtes Pochen zog durch Medeias Schläfen und als sie Schritte hörte, öffnete sie wieder ihre Augen und richtete sich langsam auf. Ein dicklicher Mann, grell geschminkt, trat auf sie zu. Er beugte sich vor und half Medeia aufzustehen. Für einen Moment drehte sich noch alles um sie herum. Sie trug ein anderes Gewand, das Blutige hatten sie ihr wohl ausgezogen. Immer wieder schwarze Punkte vor Augen sehend, geleitete sie der Eunuch durch einen Seitenausgang und zu einer Sänfte. Erschöpft ließ sich Medeia dort hinein sinken. Die Sänfte wurde hochgehoben und unter dem sanften Schaukeln verließ Medeia den Bereich des Magna Mater Tempel.

    Mit genauso großem Staunen hatte Olympia den Geschichten des Germanen gelauscht. Zwischendrin griff sie, gespannt lauschend bei seinen Erzählungen, tatsächlich nach dem Essen und nahm den einen oder anderen Bissen zu sich. „Warst Du schon mal auf diesem Nord...meer?“ Und ähnliche Fragen stellte sie. Den Auftritten maß sie nur wenig Beachtung. Sie kannte die meisten der Darstellungen schon von den tagelangen Proben, die im Innenhof statt gefunden hatte. Stattdessen musterte sie immer wieder neugierig den Barbaren vor sich. Hörte man doch viel in Rom über diese Menschen aus dem Norden und wie gerne sie doch Römerkinder fraßen. Wie ein Menschenfresser sah Rutger ihr jedoch nicht aus. Trotzdem achtete sie genau auf seine Bewegungen und lächelte hin und wieder. Die Zeit verging, der Innenhof immer leerer und die Nacht ging langsam ihrem Ende zu. Doch noch waren die Sterne am Himmel zu sehen. Nur wenige Wolken hatten sich davor geschoben. Und dann kam die Frage! In den Garten gehen und die Sterne anschauen? Auch Olympia hatte zu viele Geschichten gehört und mit einem Mal bekam sie doch etwas Angst vor dem Mann. Alleine, sie und er im Garten. Vielleicht war er doch ein Römerfresser?


    Olympia schluckte und fuhr sich mit einem Mal etwas nervös durch ihre hellblonden Haare. Fast hätte sie sich sogar nach Pumilus umgeschaut. „In den Garten?“ Olympia lachte leise, nervös. „Ja, das klingt...nett!“ Sie musterte ihn noch mal genau. Er hatte ja gerade gegessen. „Ich kenne die Sterne jedoch schon.“ Sie nickte bekräftigend. Fiel ihr eine weitere Ausrede ein? „Und der Garten, ja, der ist ja jetzt dunkel. Da sieht man noch nicht mal die Hand vor Augen. Außerdem sollte ich mal beim Aufräumen helfen. Schau, die ganzen Gäste sind schon weg...“ Sie lächelte etwas hilflos und deutete auf den sich immer weiter leerenden Innenhof. Es waren jedoch durchaus noch Gäste da. Einige tranken und lachten noch, ein paar Andere waren von den Klinen gerutscht und gaben sich den Folgen von dem vielen Wein hin. In dem Moment trat einer der beiden Sklaven von der Tür und der Ringerdarbietung heran. War es Hektor oder Herkules? Man konnte es nicht wirklich unterscheiden. „Derr Herr Flavius Aquilius nach Hause gebracht sollen werden, werrrter Herr! Und Du mit da Flavier gekommen sein...Du wissen, wie am Besten wir verfahren?“ Ein rauher und etwas guturaler Akzent war in seiner tiefen Stimme zu hören.

    Das Taurobolium, Pars Secunda


    Ein bunt bemalter und eunuchenhafter Tänzer wirbelte im Kreis um die Grube herum. Seine Glieder verzerrten und verrenkten sich in akrobatischen Bewegungen. Trommeln untermalten jeden seiner Schritte, mal langsam, dann wieder schnell. Der Galli, der Priester der Magna Mater, hob seine Stimme zu einem Gebet mit uralten Worten an. Anrufungen, die fast keiner mehr verstehen konnte und die schon vor Jahrhunderten weit weg von Rom zu der Göttin Kybele gewispert wurden. Immer mehr Weihrauch wurde verbrannt und hüllte die kniende Medeia ein. Die Augen geschlossen raunte sie leise und unhörbar griechische Silben und Gebete. Langsam fing sie an, sich hin und her zu wiegen. Der Trank nahm ihr immer mehr die Sinne und berauschte sie. Suchend griff ihre Hand neben sich. Kaltes Eisen schmiegte sich in ihre Hand und diese umschloss den Griff des scharfen Messers. „Megale...Magna Mater...Megale!“ Stoßweise presste sich ihr Atem aus ihrem Mund und die Worte sprudelten leise aus ihr hervor. „Sühnen...sühnen will ich! Das Blut, was ich einst...bei Mondenschein...“ Vom Rausch befallen fing sie an einige unsinnige Worte zu raunen. „...das Blut, was ich vergossen hatte. Menschen...gestorben...durch mich...Magna...“


    In dem Moment zog sich Medeia das Messer über ihren Unterarm. Blut quoll aus dieser haarfeinen Wunde hervor, wie rote Perlen. Langsam sickerte es um ihren Arm und tropfte auf den Boden der Grube. Doch Medeia spürte das Ganze nicht. „...gelogen...getötet...Megale, sühnen will ich heute!“ Wieder zog sie das Messer über ihren Arm und das neue Blut vereinte sich mit den anderen roten Tropfen. Das Messer blitzte im Schein der Fackeln auf und wieder schnitt sich Medeia über ihren Arm. Das Trommeln wurde immer ekstatischer, die Flöte immer schriller, das Raunen des Priesters lauter. Mit fest zusammengepressten Augen schnitt sich Medeia immer wieder über die Arme. „Sühnen will ich und den Preis bezahlen...Megale...bezahlen!“ Die Flöte spielte laut und langgezogen. „Kybele!“ Das Wort peitschte laut durch den Raum, gesprochen von dem Galli. Im dem Moment fiel der Widder über der Grube zusammen. Der Dolch des Galli hatte den Hals durchschnitten und das Tier war noch tot ehe es auf dem Boden aufkam. Der Lebensodem des Widders floss durch die Lücken in die Grube hinein und tränkte Medeias feines Gewand, umfloss sie und vereinte sich mit ihrem eigenen Blut.


    „Megale...!“ Immer noch war Medeia weit entfernt. Ihr Messer glitt über der roten Blutmasse aus, schnitt dann jedoch tief in ihr eigenes Fleisch. Diesmal erreichte der Schmerz sie und sie stöhnte gepeinigt auf und ließ das Messer fallen, was im Blut versank. Stöhnend griff sie sich an die Schläfen und beugte sich langsam vor, krümmte sich zusammen. „Megale...Magna Mater...!“ Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen. Und dann schien es vor ihren Augen in einem hellen Lichtblitz zu explodieren. Der Schmerz raste durch ihren Kopf hindurch. Mit einem leisen Aufschrei krümmte sie sich noch weiter zusammen, merkte gar nicht, wie viel tiefer sie in das Blut des Widders tauchte. „Der Preis! Du wirst ihn bezahlen müssen!“ Es war als ob ein Schemen vor Medeia stehen würde. Langsam hob sie ihren Blick, weiße Punkte, schwarze Schatten vermischten sich und eine Frau schien vor ihr zu stehen und über dem Blut zu schweben. „Deine Sühne wird hart und teuer erkauft sein!“ Medeias Lippen wollten Worte formulieren, ihre Hände wollten sich nach der Frau ausstrecken. Doch sie war erstarrt. „Für Dich wird eine neue Zeit beginnen. Du wirst anders sein, eine Neugeburt. Doch die Sühne wird folgen...!“ Medeias Gedanken rasten und schienen dann wieder auf den Schmerz konzentriert zu sein. Wer war die Frau? Medeia wusste es nicht. Doch dann sah sie vor ihren Augen die Schwärze herannahen. Ein Mann schien sich über sie zu beugen. Quintus? Gabriel? Camillus? Namen raunten durch ihren Geist und dann fiel sie in die Schwärze hinein.

    Strich um Strich, Zahl um Zahl wuchs der Plan für die Ludi Plebei. Munter und mit gestenreichen Formulierungen erläuterte Rufus seine Vorstellungen. Dabei stellte er Durus auch die möglichen Stargladiatoren vor. Sogar vorführen ließ er die Gladiatoren dem künftigen Aedilis Curulis und erläuterte ausführlich ihre Stärken und Schwächen. So verstrich der Nachmittag, die Planung dauerte mehrere Stunden und kam dann irgendwann zu einem Ende. Am Schluss klatschte sich Rufus gut gelaunt in die Hände. Schließlich hatte er gerade einen Haufen Sesterzen verdienen können. „Wunderbar, werter Tiberius. Die Spiele werden dann so ausgerichtet werden. Besonders die Naumarchia wird ein großer Reiz werden und die Römer in Scharen anlocken. Die Götter und das Volk werden sicherlich zufrieden sein.“ Und Rufus auch. Breit grinsend geleitete er sogar den Tiberier daraufhin bis zum Tor und verabschiedete ihn mit einer angedeuteten Verbeugung. „So wünsche ich Euch noch einen produktiven Wahlkampf und viel Erfolg. Mögen die Götter mit Euch sein!“ Schließlich sollte der Mann das Geld in den Ludus bringen und Rufus noch ein Stückchen wohlhabender machen. Der latente Sklavinnenverbrauch war schließlich recht teuer.


    „Hervorragend! Gut, dann werde ich in nächster Zeit Dein Schatten sein, dem Wind in Deinem Rücken folgen, dem Licht, was Deine Papyri erhellt und die So...ähm ja, also ich schaue mir Deine Arbeit dann mal an. Gut, vielleicht hast Du dann ein wenig Zeit für einige Fragen? Ja, gut, dann fangen wir doch gleich mal an. Kommen wir mal zu Deinem Amtsantritt...“ Wie ein Wasserfall plaberte Vulantus schon gleich mit seinen Fragen los. „Deine Rede auf der Rostra war provokant und aufwühlend für die meisten Deiner Zuhörer...“ Und schon war er mitten im Interview. Denn die Fragen sollten ja schon in der nächsten Ausgabe herauskommen und überall in Rom durch die Hände gehen und an die Wände angeschlagen werden. Gut gelaunt kam eine Frage nach der Anderen bis Vulantus dann zufrieden war oder eher seine Tabula vollgeschrieben.


    „Gut, dass wäre es dann. Ich komme dann später noch hier und auch bei Deinem Domus vorbei, um mal ein wenig Deine Arbeit zu begutachten. In den Senat werde ich wohl nicht mitgehen können...wohl eher nicht, oder? Nun ja, die Leser erfahren so oder so, was im Senat passiert. Aber ich danke Dir sehr, dass Du Dir Zeit für mich genommen hast. Vale und bis baldig!“ Gut gelaunt leerte Vulantus den Becher. Ein Verschwender war er noch nie gewesen, besonders nicht was den Wein anging. Wäre ja zu schade um den guten Tropfen. Mit einem breiten Grinsen stand er auf, steckte sich wieder die Feder dekorativ hinters Ohr, nickte dem Volkstribun noch mal zu und verließ das Officium wieder. Schließlich galt es noch, den Volkstribun zu durchleuchten und nach schmutziger Wäsche, metaphorisch gesprochen, zu suchen. ;)

    Fröhlich vor sich hinpfeifend kam der kleine Ianitor und Leibsklave von Medeia die Strasse auf die Villa der Aurelier zu. Die Nase kräuselnd blieb er am Tor stehen und sah sich um, ehe er entdecken konnte, wo er die Nachricht einwerfen konnte. "Ianitor...gut...Gesellschafter, ja natürlich, auch Schausteller und Possenreißer...das geht ja noch. Aber Botenträger...das ist wirklich unter meiner Würde. Schließlich bin ich Pumilus Maximus...also wirklich..." leise vor sich hinschimpfend verschwand Pumilus wieder und liess nur das Papyrus mit der Nachricht zurück.



    An T. Aurelius Cicero
    Villa Aurelia
    Roma



    Salve werter Aurelius,


    aber gerne bin ich bereit, mich mit Dir zu einer kleinen Disputatio oder einfach einem klärenden Gespräch zu treffen. Ich werde in den nächsten Tagen jedoch zu einer Reise nach Mantua aufbrechen und dort für einige Zeit verweilen. Aber da mir bekannt ist, dass Du auch viel Zeit in Mantua verbracht hast und dort wohl auch eine Residenz besitzt, können wir uns sicherlich in Mantua zu dem Gespräch zusammen finden, solltest Du zu jener Zeit dort verweilen. Ansonsten können wir jene Zusammenkunft auch nach meiner Reise tätigen.


    Vale
    Artoria Medeia


    War ein leises Seufzen zu hören? Schwer zu sagen, denn der Wind trug diesen, sollte er da gewesen sein, mit sich. Ein feines Lächeln umspielte Medeias Lippen und sie schwieg. Ihre grünen Augen sahen den Aurelier noch einen Moment ernst und prüfend an. „Wenn Du es so siehst, Aurelius. Nun dann soll es so sein, meine Fragen sind hiermit durchaus geklärt. Ich danke Dir für Deine Auskunftsbereitschaft. Vale, Aurelius!“ Ihr Blick schweifte ab und sie sah sich suchend auf dem Forum um. Andere Reden sollten noch gehalten werden und in der Ferne konnte sie den Volkstribun ausmachen. So wandte sie sich ab und schlenderte von diesem Teil der Rostra und zu einer später gebauten Rostra hinüber. Schließlich sollte nicht der Aurelier alleine an jenem Tag mit ihren Fragen ‚belästigt’ werden. Trotzdem hatte sie nicht vor etwas über die Res Gestae zu schreiben. Der Tempel wartete schließlich wieder auf sie.

    Lange Wolken zogen silbrig über den Himmel Roms und verdeckten immer mal wieder die Sonne. So wurde Medeias Gesicht mal in den Schatten, dann wieder in das Sonnenlicht des Herbsttages getaucht. Der etwas kühlere Wind zupfte an Medeias wollene Tunika und an ihrer schlichten, aber wärmenden Palla. All diese Umstände nicht beachtend, wanderten Medeias Augenbrauen nach oben und sie sah den Aurelius einen Moment nur mit amüsiertem Mitleid an.


    „Aurelius, es ist traurig so eine erbärmliche Res Gestae zu hören. Und das noch von einem Mann aus dem Geschlecht einer so ehrwürdigen und alten Familie, die es doch nicht notwendig hätte, mit Ausflüchten und dem Fliehen vor der eigenen Verantwortung die Rede zu spicken. Ich sehe darin nicht gerade Ehrhaftigkeit und ein achtbares Auftreten. Also gut, da Du wohl nicht zu wahrheitsliebenden und aufrechten Worten in der Lage bist, tue ich es für Dich.“ Vielleicht lag ein spöttisches Funkeln in den Augen Medeias? Vielleicht, es war schwer zu erkennen, da sie Cicero mit ernster Miene ansah.


    „Du hast Deine Pflicht als Quaestor nicht erfüllt. Dir oblag es, die Chroniken von Hispania zu führen. Es gelang Dir nicht. Doch statt es Deiner eigenen Verantwortung zu zuschieben, möchtest Du die Schuld auf die Hispanier oder sonst wem abschieben. Doch es war Deine Verpflichtung, dein Amt. Mit Deinem Antritt und Deiner Wahlrede hast Du Dich bereit erklärt, dieses auszufüllen. Doch Du warst nicht in der Lage dazu. Halten wir das mal so fest.“


    Medeias Blick war fest und unerbittlich auf den Aurelier gerichtet als sie weitersprach. „Ob Du Deine Pflicht mit einem Schreibsklaven erledigst, es selber tust oder einen griechischen Gelehrten dafür beauftragst ist völlig irrelevant. Niemand verlangt, dass Du die Ereignisse mit eigener Hand niederschreibst. Doch Du musst dafür sorgen, dass die Arbeit getan wird. Und wenn Du keine Informationen von den Hispaniern bekommst, bleibt die Acta immer noch eine gute Quelle. Viele unserer Artikel in der Acta stammen in der Tat von Autoren aus Hispania. Und Du willst doch nicht sagen, dass die Zeitung des Kaisers unwahre Informationen verbreitet, oder?“


    Und nun kam Medeia noch zu der subtilen Anklage ihrer Person gegenüber, die nicht plumper sein konnte. „Aurelius, wenn Du mit Deinem Vorgänger auf mich anspielst, dann solltest Du Dich in Zukunft besser informieren. Ich bin meiner Arbeit nachgegangen. Ich habe die Chroniken meiner Zeit geführt. Und wenn Du meine Res Gestae gehört hast, hättest Du auch wissen können, dass ich die Chronik von Zeit der Gründung Roms aufgearbeitet habe und in unsere heutige Form gebracht habe und mit tatkräftiger Hilfe einer germanischen Autorin noch diverse Lücken gefüllt habe. Dabei war ich weder längere Zeit in Germania, noch habe ich die Gründung Roms miterlebt. Und das ist somit ein Werk, was selbst in einem Jahr kaum zu bewältigen war. Aber kommen wir doch zu den drei Monaten, die es tatsächlich noch aufzufüllen galt. Hast Du dort wenigstens einen Beitrag geleistet? Und was meinst Du mit: ‚Auch ich hatte Dringlicheres zu tun.’? Was war denn wichtiger als die Arbeit Deines Amtes?“

    Schweigend sah Medeia in ihren halbvollen Weinbecher. Sie hob noch mal ihren Blick und sah in Richtung des langsam abtretenden (sprich weggehenden) ehemaligen Volkstribun. „In der Tat, ich denke auch, dass es nicht hier her gehört. Meine Fragen sind geklärt, werter Pompeius. Ich danke Dir, dass Du mir bereitwillig Auskunft gegeben hast. Vale bene!“ Sie nickte ihm noch mal zu und wandte sich um. Den Weinbecher wieder zu dem Händler zurücktragend, der an jenem Tag mit all den Reden sicherlich kein schlechtes Geschäft machte, war ihr Gesichtsausdruck wieder völlig nach innen gekehrt und sie schien sich nicht um die weiteren Zuhörer zu kümmern. Stattdessen trugen ihre Schritte sie wieder hinauf zum Kapitol. Dabei zog sie leicht fröstelnd die Palla fester um ihre Schultern.

    Gerade wollte sich Medeia abwenden, als sie sich überrascht umwendet und den Volkstribun anschaute. Ihre Augenbrauen wanderten nach oben. „Steuernachzahlung? Die habe ich doch mit keinem Wort erwähnt, Pompeius. Aber es freut mich sehr, dass Du von meiner Res Gestae erfahren hast. Und ja, in der Tat erwähnte ich dort auch von den Vergehen, die wir, Aediles, gemeinsam verfolgt hatten. Aber das tut hier doch nichts zur Sache. Es sei denn, Du möchtest das im Rahmen Deiner Res Gestae erörtern. Ich hatte nicht die Absicht dazu.“ Wieder dieses Lächeln und ein fragender Ausdruck gesellte sich dazu.





    Sim-Off:

    Lesen und nicht überlesen :) „“ Darin ist die wörtliche Rede ;) Das mit der Steuernachzahlung stand nicht zwischen den „“

    Und genau das Lächeln sollte Trimalchio noch weiter plagen (:P :]). Sie trank einen Schluck und dacht erneut einen Moment nach. Dabei legte sie ihren Kopf etwas zur Seite und zog ihre schlichte Palla höher über die Schulter. Ein leichter Wind zupfte an dem Stoff und ließ auch ihre lange und dicke Tunika in Wellen erscheinen. „Misenum und Mantua? Und dann sprichst Du von höchstens drei Tage, Pompeius? Nach Misenum ist man gut 10 Tage unterwegs, für eine Strecke. Und dasselbe gilt auch für Mantua.“ Ihre Augenbrauen zuckten kurz bei den nächsten Worten. „Außerdem würde ich an Deiner Stelle nicht den Willen der Götter mit solchen Worten herausfordern, sondern lieber in einem Tempel opfern! Aber Deinen Arbeitseifer für die Aufhebung des Dekretes möchte ich nicht schlecht machen, nur Deine Mittel sind zweifelhaft gewesen.“ Dass man die Steuernachzahlung auch als Strafe der Götter sehen konnte, die über ihren Pontifex Maximus handelten, war auch eine andere Auslegung dieser Sache. Medeia nickte ihm zu und sah über das Forum, ob noch weitere Reden anstanden oder sie in den Magna Mater Tempel zurückkehren konnte.

    Freundlich lächelte Medeia und hörte dem Volkstribun aufmerksam zu. Sie dachte für einen Moment nach und trank noch einen Schluck Wein. Drei Tage schienen in der Tat nicht sehr viel zu sein. Doch ganz war die Materie nicht geklärt. „Welche Städte hast Du denn besucht, werter Pompeius? Und hast Du diese Reisen mit einem Opfer an die Götter gesühnt? Oder wie kommst Du darauf, dass sie es Dir verzeihen werden?“ Medeia lächelte wieder und sah ihn aufmerksam an.

    Schweigen! Medeias Augenbrauen wanderten ganz langsam hoch und sie sah den Mann auf der Rostra mit einer Mischung aus Überraschung, leichter Langeweile und Belustigung an. Dann stahl sich auch ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen. „Nein, ich hörte Deine Wahlrede nicht. Darum geht es hier jedoch nicht. Welche schönen Worte Du im vornherein gewählt hast, sind jetzt völlig bedeutungslos. Hier geht es um deinen Bericht zu der vergangenen Amtszeit und was Du dort getan hast. Oder wie wir erfahren, was Du nicht getan hast. Aber wenn Du darüber nicht Auskunft geben magst, sagt das natürlich auch viel aus!“ Sie lächelte immer noch und entdeckte dann doch einen fliegenden Weinhändler, den sie heran winkte. „Aber scheinbar hast Du selber keine Antwort auf meine Frage zu der Chronik. Denn es ist ja offensichtlich, dass Du Deine Pflichtvernachlässigung auf Andere schieben möchtest als selber für Deine Versäumnisse einzustehen. Oder sehe ich das falsch?“

    Und wenn man mal einen Tag auf dem Forum anfängt, folgt schon die nächste Rede. Auch hier schlenderte Medeia, sie hatte ja jetzt viel Zeit, vorbei und musterte mit einem Weinbecher in der Hand den Volkstribun. Dabei trank sie einen Schluck und lauschte auch seiner kurzen Rede. Und je kürzer die Worte, desto mehr Fragen tauchten auf. Auch bei Medeia, die ihren Becher von den Lippen absetzte, und zum Sprechen anhob. „Volkstribun, Du sagtest, dass Du mit den Verwaltern der Städte Gespräche geführt hast. Auch ist mir an die Ohren gedrungen, dass Du die Stadt mehrmals in Deiner Amtszeit verlassen hast. Warum hast Du mit der Tradition und den Regeln gebrochen, dass ein Volkstribun nicht einen Tag, nicht eine Hora in seiner Amtszeit die Stadt Roma verlassen darf?“

    Ein bisschen müde und durstig von dem vielen Beten im Magna Mater Tempel schritt Medeia in einer schlichten Tunika und einer schlichten Palla gekleidet vom Palatin herunter und betrat über die breite Prozessionsstrasse das Forum Romanum. Da ihr Weg sie auch an den Tempeln und der Rostra vorbeiführte, konnte sie den Redner gerade beim Erklimmen der Stufen ausmachen. Ein Funke Neugier stieg auf und sie trat langsamen Schrittes und sich nach einem fliegenden Weinverkäufer umsehend auf die Rostra zu. So konnte sie der kurzen Rede des ehemaligen Quaestors folgen. Eine Weile schwieg sie und räusperte sich leise. Wenn man stundenlang nur betete, fiel das laute Sprechen wieder etwas schwerer.


    „Aurelius, Deine Worte sind mir etwas zu vage und ominös, als dass ich daraus einen Rechenschaftsbericht erkennen kann. Bitte, erläutere mir doch, was für neue Ziele, abgesehen vom Hafen, Du angestrebt hast und was die Gespräche mit dem Kaiser mit Deinem Amt zu tun haben?“


    Medeia lächelte freundlich und fuhr mit ihrer zweiten Frage fort.


    „Und vielleicht könntest Du mir auch genauer erklären, warum Du die Arbeit an der Chronik nicht vollführen konntest? Was meinst Du damit, dass Du keine Informationen über die Ereignisse von Hispania bekommen konntest? Liest Du etwa nicht die Acta?“


    „Klatschsparte???“ ( 8o :D) Vulantus griff abwesend nach dem Weinbecher und sah den Volkstribun mit einer Mischung von Entsetzen und gerechtem journalistischen Zorn an. „Klatschsparte? Bei den Musen, ich bin doch kein Weibsbild. Nein, es ist höööchst seriöse Schreiberlingsarbeit! Hah! Klatsch...“ Kopfschüttelnd schlürfte Vulantus den Becher Wein. Klatsch? Hah, jetzt wird noch gnadenloser geforscht (:]) und jeder Schmutzfleck hervor gekramt. Wenn’s die Zeit hergibt. (;)) Ganz konfus durch die Bemerkung strich sich Vulantus durch die Haare. „Alsooo, es geht mehr darum, kleine Lichtblicke auf unsere Persönlichkeiten zu werfen oder alte Fragen der Römer aufzuklären. Wenn da ein wenig über den Mensch hinter dem Amt zu Tage tritt, ist das noch lange nicht Tratsch und Klatsch!“ empörte sich Vulantus noch mal. Er hätte doch lieber bei den Cohortes Urbanaeberichten bleiben sollen. Tote und Diebe waren nicht so kritisch gegenüber seinen Nachforschungen.


    Noch ein Schluck Wein und es war herunter gespült. So konnte er immerhin sich wieder seinem Anliegen widmen. „Mir wäre daran gelegen, in nächster Zeit ein wenig mit Dir mitzukommen, Dein Alltag zu erleben und vielleicht Dir die ein oder andere Frage nebenbei stellen. Wenn es Dir recht wäre? Immerhin ist eine solche Erwähnung in der Acta Dir nicht ganz unnütz!“ Vulantius grinste breit und etwas selbstgefällig.

    Die Morgensonne fiel in das Gemach hinein und beleuchtete die Fresken an den Wänden, die bezogenen Sitzkissen einer dunklen Kline, den Frisiertisch und den großen silbernen Spiegel, der die typischen Dellen des edlen Metalls aufwies und doch für eine Frau unabwendbar war, legte sie wert darauf ihr Äußeres begutachten zu können. Die einzelnen Strahlen, die sich durch die sanft bewegenden Vorhänge hindurchschlängelten brachen sich auf dem silbernen Spiegel und fielen in vielen kleinen Reflexionen auf das Gemach von Medeia. Die Tür ging auf! Das Bett war die letzte Nacht unberührt gewesen. Medeia verbrachte die letzte Zeit öfters im Magna Mater Tempel als in ihrem eigenen Bett. Barfuss wie immer schritt sie in ihr Zimmer hinein. Die einfache Tunika, die sie stets im Tempel trug, glitt von ihrem Körper herunter und landete gleich neben der Tür. Fröhlich, aber schrecklich falsch in den Noten, sang Medeia ein leises Lied. Ihre Haarnadel wurde herausgezogen und ihre Locken fielen über ihren nackten Rücken als sie sich zu ihrer Truhe umwandte und sie aufklappte. Sie betrachtete einige der Kleider darin und holte eine grünes Peplos, ein griechisches Gewand, aus feinem, fast durchsichtigen Stoff hervor. Ein nachdenkliches Lächeln huschte über ihr Gesicht.


    Kopfschüttelnd wandte sie sich um und warf das Gewand auf das Bett. Als sie sich gerade umwenden wollte, gab sie einen erschrockenen Laut von sich. Sie verharrte und holte tief Luft. Auf einem Fuß hüpfend kam sie zu der Kline und setzte sich darauf. „Au...!“ murmelte sie und besah sich ihre Fußsohle. Ein Scherbe hatte die Haut aufgeritzt und Blut tropfte aus dem Riss hervor und auf den Mosaikboden ihres Cubiculum. Medeias Blick fiel auf die Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte. Das Corpus Delicti, eine kleine Tonscherbe, lag dort. Für einen Moment huschte Jähzorn über Medeias Gesicht. „Olympia...!“ flüsterte sie leise. „Du tollpatschiges kleines Nichtsnutz!“ Sie sah auf ihre blutende Stelle. „Olympia!“ Der Ruf hallte durch die Tür und die Gänge der Casa Artoria. In der Küche zerbrach etwas und schnell näherten sich Schritte.

    Das Taurobolium, Pars Prima


    Ein Chor aus hellen Männerstimmen verwob sich mit dem Trommeln und dem Klang einer einzigen Flöte. Noch klang der Gesang ruhig, fast beschaulich, nur unterbrochen von schrillen Zwischentönen der Flöte. Ein junger Mann, fast noch ein Knabe kam hinein, der von Kopf bis Fuß in weißer und roter Farbe bemalt war. Sein magerer Körper, schon in den Jahren entmannt, war gezeichnet von den Entbehrungen des Tempels. Ruhig und mit demütiger Haltung führte er einen schwarzen Widder in die Cella hinein. Die Hufen des Widders waren mit rotleuchtender Farbe bemalt und die Hörner mit weißschwarzer Tonerde bestrichen. Das Tier lief klappernd über den Stein, aber ruhig hinter dem jungen Eunuchen her, so sehr war er von den Kräutern und dem Mohnsud betäubt. So kletterte er auch folgsam auf die Opferplattform. Der junge Mann, dessen weibliche Gesichtzüge sofort ins Auge stachen, kettete den schwarzen Widder an den vier Säulen am Rand fest. Das Eisen klirrte leise als sich der Widder ein wenig zur Seite bewegte, doch dann verharrte er ruhig.


    Immer wieder glühte der Weihrauch in den großen Feuerschalen auf und verströmte den sinnlichbetörenden Duft. Schlangen schienen durch den Rauch durch die Luft zu wabern. Eine Hand durchriss eine solche Schlange und reichte einen tönernen und einfachen Becher an Medeia. Diese nahm den Becher von der alten Frau entgegen und trank den Inhalt, ein bitteres Zeug, in einem Zug aus. Für einen Moment schloss Medeia ihre Augen und ließ sich von der alten Frau zu der Opferplattform führen. Die Kräuter stiegen Medeia schon schnell zu Kopf, hatten sie doch drei Tage lang vorher gefastet. So wankte sie einen Moment ehe sie langsam die rauen Stufen in die Grube hinabstieg. Die alte Frau ließ sie los. Leicht schwanken blieb Medeia in der steinigen Grube unter der Opferplattform stehen. Man sah nicht wie die alte Frau verschwand, doch dann stand Medeia alleine in der Cella mit den Eunuchen. Schwere Schritte näherten sich der Plattform. Ein alter und weißhaariger Eunuch, ein Priester der Kybele, kam heran. Sein Gewand war tiefrot und mit goldsilbernen Fäden durchwoben. Seinen Kopf zierte ein hoher Hut, der spitz nach oben zulief und sich wieder etwas verbreitete. Genau als Medeia langsam und mit verschleierten Augen niedersank, bestieg er die Stufen der Opferplattform und trat an die Seite des Widders und seines Opferhelfers, dem jungen und bemalten Eunuchen.