Beiträge von Quintus Caecilius Metellus Varro

    Der Becher kam, er probierte einen Schluck und war leidlich zufrieden.


    Er hatte den Eindruck, als versuchte einer der anderen Gäste ihn besonders unauffällig zu beobachten, was wiederum recht auffällig war. War es ein Dieb, der ihn als mögliches Opfer ausersehen hatte und der ihn überfallen würde, sobald er die Taverne verließ?
    Das war eher unwahrscheinlich, denn Varro war kräftig gebaut, hatte Hände wie Schraubstöcke und es gab nicht nur schwächlichere Gestalten in diesem Gasthaus, sondern auch solche, die dazu noch deutlich betrunkener waren.


    Varro blickte unumwunden hinüber. Wie ein wohlhabender Kaufmann und damit wie ein potentieller Auftraggeber sah der Andere aber auch nicht aus.

    Er fand einen Platz zwischen zwei Zechern, die augenscheinlich schon länger hier waren.
    Dann rief er nach der Bedienung.

    „Bring mir einen Becher! Aber das mir der Wein auch nicht sauer ist und seine Farbe dem Namen dieser Schänke zur Ehre gereicht.“


    Während er auf den Wein wartete schaute er sich ein wenig um und beobachtete das Treiben in der Wirtsstube.

    „Da vorn, ich sehe es!“, rief der Mann am Bug.


    „Ion, halte auf das südliche Ende der Landzunge zu. Die Abdrift bringt uns dann genau richtig zwischen dem Strand und der Insel durch.“


    Zwanzig Tage waren sie seit Massilia unterwegs gewesen. Eine Reise ohne besondere Vorkommnisse. Jetzt hatten sie Ostia erreicht.


    „Was Ion, ich freue mich schon darauf, endlich wieder italischen Boden unter die Füße zu bekommen.“


    „Ja, Herr italischer Boden. Sehr schön.“

    „Ich weiß, dir wäre griechischer lieber. Aber denk an die Lupaner und an die drallen Weiber die uns da drüben erwarten.“


    „Das stimmt auch wieder. Nirgendwo sind sie so weich und appetitlich wie in Ostia.“
    Ion grinste und das sehr dreckig.

    „Heda, holt ein die Riemen, klar bei den Fallen!“
    Die Männer zogen die Ruder, mit denen sie das Schiff aus dem Hafen gepullt hatten ein und liefen dann eilig zu den Leinen, mit denen das Hauptsegel gesetzt wurde. Ein weiterer Befehl „zieht an!“ gellte durch die klare Seeluft und gleich darauf war das Hauptsegel angeschlagen und blähte sich in der steifen Brise dieses schönen Tages.


    „Was Ion, wird Zeit das es nach hause geht, wie?“


    „Nach hause, Herr? Wir segeln nach Attica?“


    Aber das hörte der Kapitän schon nicht mehr, denn erneut brüllte er nach vorne. „Belegen!“


    So verließ die Pegasus den Hafen von Massilia und nahm Kurs nach Südosten.

    XI. Eintrag


    MASSILIA,
    ID MAR DCCCLVI A.U.C. (15.3.2006/103 n.Chr.)
    Nach einer Überfahrt, die gut begonnen hatte und später nur noch mit ständig wechselnden und häufig ersterbenden Winden langsam weiter ging, haben wir gestern Massilia erreicht. Im Laufe dieses Tages werden wir anfangen die Ladung zu löschen. Für die Eisenbarren wird wie in Tarraco ein Kran gebraucht.
    Über Nacht hat der Wind stark zugenommen und weht nun beständig als Favonius aus West, als wolle er uns verhöhnen.

    VARRO

    X. Eintrag


    AUF SEE,
    ANTE DIEM VI NON MAR DCCCLVI A.U.C. (2.3.2006/103 n.Chr.)
    III. Tag auf See. Der achterliche Subvesperuswind hält an. Mit Begin der Morgenwache kommt die Hafenstadt Emporiae in Sicht. Wir laufen sie nicht an, um die Gunst des Windes nicht ungenutzt zu lassen.

    VARRO

    IX. Eintrag


    AUF SEE,
    KAL MAR DCCCLVI A.U.C. (1.3.2006/103 n.Chr.)
    II. Tag auf See. Raumender, achterlicher Wind treibt die Pegasus mit Kurs Nordost vorwärts. Barcino liegt bereits hinter uns, Schiff und Mannschaft sind wohlauf. Gott Neptun ist uns gnädig.

    VARRO

    Das Licht des Morgens war noch schwach und nur schemenhaft hoben sich die Häuser der Stadt von dem noch dunkelgrauen Himmel ab, da stand der Kapitän bereits an Deck seines Schiffes. Sein Unterbewusstsein hatte im Schlaf die Veränderung sofort registriert und ihn aus den Träumen gerissen. Die fast unmerkliche Veränderung, die etwas andere Art, wie sich der Bootskörper im Auf und Ab der Wellen hob und senkte, die Geräusche des Windes in der Takelage, all das nahm er nur zu klar wahr, auch wenn es einer Landratte mit Sicherheit nicht im Geringsten aufgefallen wären.
    Der Wind, er hatte gedreht!


    „Alle Mann an Deck! Auf, auf, ihr Landlubber, oder soll ich euch Beine machen?“, brüllte er lautstark.
    Der Steuermann war als erster bei ihm.
    „Ion, sieh zu das dieser Müde Haufen in Bewegung kommt. Schau nur, der Wind, genau von Südwest. Besser können wir es gar nicht treffen, endlich…“


    Bald war auch der letzte Mann wach und an seiner Position. Die Pegasus löste sich unter dem mühevollen Stöhnen der Seeleute, die sie abstießen, von ihrer Anlegestelle. Dann wurde sie ein kurzes Stück aus dem Hafenbecken gerudert, bis sich das Hauptsegel unter der günstigen Brise ausreichend füllte und sie Kurs auf ihr neues Ziel nehmen konnten.

    „Ion, wo sind die beiden Kreter?“

    „Ich weiß nicht. Haben nämlich das Schiff letzte Nacht verlassen. Erlaubnis hatten sie nicht! Abgehauen sind sie, wenn du mich fragst.“


    „Frag ich nicht.“ Zornesröte stieg in sein Gesicht.
    „Seit geschlagenen drei Wochen hängen wir hier fest. Drei Wochen bläst der Wind beständig landeinwärts. Das Schiff ist beladen und Proviant an Bord und keine Möglichkeit von der Leeküste los zu kommen. Wie ich das hasse!“

    „Nicht nur du, Herr. Wenn das so weiter geht, dann verschwinden noch mehr Männer. Drei Amphoren vom Proviantwein haben sie auch mitgenommen.“

    Ion stieß noch ein paar derbe Flüche in seinem griechischen Heimatdialekt aus.


    „Halt mir die anderen an der Kandare. Noch mehr Abgänge und es liegt nicht mehr am Wetter, dass wir hier bleiben müssen. Neptun soll mich holen, wenn morgen früh der Wind für uns steht und ich nicht auslaufen kann, weil keiner mehr da ist, dass Schiff aus der Bucht zu rudern.“


    „Eye. Ich werde sie im Auge behalten.“


    „Wenn nur der Wind endlich drehen würde…“

    Nachdem der letzte Barren verladen war und sie die Ladung mit starken Tauen gesichert hatten, begannen die Männer Proviant und Wasser an Bord zu tragen. Inzwischen bauten andere, es waren Sklaven seines Auftraggebers, den hölzernen Kran ab.
    Er überwachte noch das Stauen der großen Wasseramphoren, denn bei ihrer Fahrt von Ostia nach Carthago Nova waren einige zerbrochen und das sollte sich nicht wiederholen.
    Als er zufrieden war, verließ er das Schiff, um den Regionarius aufzusuchen.

    „Heee, aufgepasst!“
    Sie hatten endlich Ladung gefunden. Es war Eisen, zu mittelgroßen Barren gegossen. Die waren so schwer, dass für ihre Verladung extra ein Hebemechanismus aufgebaut worden war.
    „Vorsichtig jetzt, seid bloß vorsichtig!“
    Er war besorgt. Ein falscher Handgriff oder eine unachtsame Bewegung und die gute alte Pegasus hätte ein schönes Loch im Rumpf.
    „Ja, so ist es gut. Und runter! Langsam!“
    Viele dieser Barren konnte das verhältnismäßig kleine Schiff nicht aufnehmen und er hätte sich leichtere Ladung gewünscht, und eine, die mehr Profit versprach. Aber das hier war besser als nichts.



    „Ich bin zu den Saturnalien aus Carthago Nova ausgelaufen und will in Tarraco bleiben, bis ich Ladung für mein Schiff Richtung Gallia oder Italia gefunden habe. Der Bauch der Pegasus ist leer und so bringt sie mir nichts ein.“

    Er betrat die Taberna uns sah sofort, dass sie eigentlich zu vornehm für ihn war. Sein Metier waren die finsteren Spillunken direkten an den Häfen des Mare Nostrum. Aber davon ließ er sich nicht abhalten und daher rief er recht vernehmlich: „He, Wirt, ein Becher Roten wenn’s recht ist.“