hortus et peristylium

  • Seiana war noch immer Feuer und Flamme für das morgige Vorhaben.
    "Ja, Secundus muss doch morgen mitkommen."
    Venusia nickte. Natürlich würde es ein kleiner Familienausflug werden.
    "Wenn wir gehen, dann natürlich alle. Soweit ich weiß, muss Secundus morgen auch keine weiteren Stunden in Anspruch nehmen und dann können wir alle nach eurer Schule hingehen. Die Zeit passt gut, "
    sagte sie nun an Massa gewandt.
    "Ich würde gern aufs Forum gehen. Die Kinder brauchen neue Sachen und ich würde mir auch gern etwas Neues zum Anziehen besorgen. Die Stoffe bekommen wir dort. Vielleicht finden wir auch neues Spielzeug.
    Kurz sah sie auf ihre Handarbeit und dann wieder zu Massa.
    "Ich danke dir, dass du dir die Zeit für uns nimmst."
    Venusia wusste, dass sie in letzter Zeit viel zu selten draußen war. Es fehlte ihr jemand mit dem sie gehen konnte und nicht selten wollte sie eigentlich auch nicht raus. Jetzt wo sie Sevilla so sah, musste sie das wohl ändern.

  • Ein kleiner Anstoß, mit großer Wirkung. Sevilla freute sich, war aufgeregt. Venusia wollte unseren Ausflug gleich nutzen um einige Dinge zu kaufen. Sie war nicht unentschlossen und lehnte ab. Ein gutes Zeichen.
    " Neues Spielzeug und Stoffe. Zwei Gründe mehr, morgen zu gehen. Ich hole euch ab." unsere Blicke trafen sich. " Du musst dich nicht bedanken. Für mich ist es genauso eine Abwechslung." meist war ich alleine unterwegs. Das machte nicht unbedingt Spaß. " Viel zu selten habe ich die Gelegenheit mit Familienangehörigen was zu unternehmen." Sie sollte wissen, dass sie zur Familie gehörte. Das sie dazu zählte und mir wirklich etwas daran lag, sie aus ihrer Zurückgezogenheit heraus zu holen.

  • "Du bist ja auch ein wenig entfernt von Roma untergebracht und so oft frei gibt es ja auch nicht. Da hat man dann nicht so oft die Gelegenheit sich um die Familie zu kümmern. Als ich früher Comes war, war ich auch oft mehr auf Reisen durch die Provinz als zu Hause oder bei Primus im Castellum. Wir hatten beide immer viel zu tun."
    Sie wollte nicht wieder in erinnerungen schwelgen. Sie musste langsam beginnen nach vorn zu sehen.
    "Umso mehr freue ich mich auf Morgen. "
    Jetzt war sie allerdings an einen Punkt geraten wo sie nicht wusste ob sie weiter die Unterhaltung am laufen halten sollte oder man sich nun auf den nächsten Tag vertagen würde.

  • " Deswegen.., nutzten wir zusammen die paar Stunden. Ich werde mich für heute verabschieden. Ihr habt vermute ich mal, einiges für Morgen vorzubereiten. Dabei möchte ich euch nicht aufhalten." Die Verabschiedung war kurz, wir sahen uns ja Morgen wieder. " Vale Bene kleine Domina Sevilla. Vale Bene, Venusia. Morgen zur Hora octa." Erinnerte ich unnötiger Weise. Die Vorfreude war Venusia und Sevilla anzusehen. Im Gehen überlegte ich was ich den Kindern und Venusia für eine kleine Freude machen könnte. An der Tür drehte ich mich nochmal um und winkte.

  • "Du hast recht. Es ist in der Tat einiges vorzubereiten. Vale,"
    sagten die beiden Damen im Garten. Das Sticken konnte Venusia für heute vergessen. Sevilla war einfach zu aufgeregt und wollte am liebsten sofort zu Secundus laufen um ihm davon zu erzählen. Venusia konnte sie gerade noch zurückhalten. Beide winkten sie Massa zu als dieser sich umdrehte. Ordentlich packten sie ihr Stickwerk ein und gingen hinein. Sevilla würde ihrem Bruder erzählen was Morgen anstand und Venusia sich um den Rest kümmern.

  • <<
    ...wollte ich hier im Garten aufstellen. Aber nicht irgendwo, es sollte schon ein der großen Göttin gefälliger Platz sein.
    "Hier vielleicht." meinte ich, mit großen Schritten über den Kiesplatz marschierend. Es war abends, nach der Cena, und der Garten wurde nur von ein paar Windlichtern, die im Peristyl aufgestellt waren, spärlich erhellt. "Oder hier, aber dann muß das weg." Mit einer rabiaten Handbewegung fällte ich im Geiste den großen, akurat beschnittenen Buchsbaumbusch. Den fand ich sowieso nicht so furios. "Und es sollte schon Platz für Blumen aussenrum sein...."


    Aber was mich im Augenblick noch viel mehr interessierte: endlich konnte ich mich in Ruhe mit meiner Schwester unterhalten. Ich wandte mich zu ihr und lächelte. Es gab so viel zu sagen, wo beginnen? Und dann gab es da ja leider auch die unschöne Sache, die ich klären wollte.... musste... sollte... Mein Lächeln wurde unsicher. Ich witterte jetzt schon den Streit, einen Streit dem ich für mein Leben gerne ausgewichen wäre.
    "Seiana? Setzen wir uns dahin und reden ein bisschen?"
    Ich ging zum Brunnen, setzte mich auf den Rand. Die Fontäne plätscherte lustig vor sich hin, das war sehr hübsch, und vor allem würde es unsere Worte übertönen. Ich wollte nicht von neugierigen (oder von Feinden gekauften) Sklaven belauscht werden.

  • Seiana folgte ihrem Bruder in den Garten hinaus, ihre Palla eng um sich geschlungen, weil es doch noch ziemlich frisch wurde um diese Uhrzeit. Sie musterte die Plätze, auf die Faustus wies, und deutete ein Nicken an bei letzterem. „Da wäre gut, denke ich. Der Busch kann wirklich weg...“ meinte sie, aber so ganz bei der Sache war sie nicht. Sie glaubte nicht so recht, dass Faustus wirklich ihren Rat dabei wollte, wo genau dieser neue Schrein hinkommen sollte. Das konnte er nun wirklich selbst entscheiden, zumal sie ja nicht mal mehr hier wohnte... der Verdacht lag also nahe, dass das hier nur ein Vorwand war. Und sie sehnte sich danach, mit ihm zu reden, ihn für sich allein zu haben, endlich, auch wenn da nach wie vor noch der Stachel saß, dass er erst jetzt, nach dem Essen, mit ihr reden wollte. Aber das war im Moment egal. Jetzt nahm er sich Zeit für sie, das zählte. Und tatsächlich schob er bald das Thema des Schreins fort und setzte sich an den Rand des Brunnens. Seiana ließ sich neben ihm nieder, schwieg Momente lang, schloss die Augen und lauschte einfach nur auf seinen Atem, seine Wärme, seine Nähe. Sie griff nach seiner Hand, die neben der ihren lag, und verschränkte ihre Finger mit seinen. „Du... hast mir gefehlt.“ Sie brachte es, jedenfalls in diesem Augenblick, nicht fertig laut auszusprechen wie sehr. Oder welche Sorgen sie sich um ihn gemacht hatte.

  • Einfach nur ruhig dasitzen, neben Seiana, ganz einträchtig. Vor uns der schweigende Garten, im Rücken das strömende Wasser. Ich drückte ihre Hand.
    "Du mir auch! Als ich gehört habe was passiert ist, da... ich kann dir sagen. Ich wußte ja nicht, was hier darauf folgt, was für Unruhen dann losbrechen. Ich bin so wahnsinnig erleichtert, dich heil wiederzusehen."
    Ich wandte den Kopf, betrachtete Seiana von der Seite, ihr Profil welches sich schwach gegen das Licht im Peristyl abzeichnete, und ich scheute mich fast weiterzureden. Es wäre doch schön, einfach nur zusammen hier zu sitzen, ohne an irgendwelche Dinge zu denken, die nicht jetzt und nicht hier waren. Ich schwieg ein Weilchen, bevor ich weitersprach.
    "Wie... kommst du zurecht? Mit deinem Mann und mit, ähm, der neuen Situation?"

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  • „Unruhen gab es einige“, erwiderte sie leise, ohne den Kopf zu wenden. „Es muss... furchtbar gewesen sein. Ich habe davon nichts bekommen, mein Mann hat dafür gesorgt, dass ich die Stadt verlasse... aber mir haben die Berichte gereicht, die ich von meinen Leuten bekommen habe.“ Sie atmete einmal tief durch und schwieg dann auch wieder, sah schlicht gerade aus und musterte den Garten vor ihr. Eine Weile war es still, sah man von ihren Atemzügen und dem Plätschern des Wassers ab, dann hörte sie wieder Faustus' Stimme. Und auch diesmal sah sie ihn nicht an, als sie sprach, sondern weiter geradeaus... nur dass ihr Blick jetzt ins Leere ging. „Ich... ja“, antwortete sie zunächst, unschlüssig, zögernd, auf der Suche nach den richtigen Worten. „Wir sehen uns zur Zeit nur selten, wir... haben beide viel zu tun.“ Und selbst zu den Zeiten, wo es ein wenig besser war, wo sie sich öfter sahen... es blieb immer diese Distanz zwischen ihnen. Sie konnten sich zwar unterhalten, erzählten sich auch einiges. Aber sie hatte nicht das Gefühl, dass sie ihren Mann wirklich kannte. Sie senkte ihren Kopf und sah auf ihre Hand hinunter, die, die nicht die ihres Bruders hielt, sondern allein in ihrem Schoß lag. „Mein Leben ist nicht so großartig anders wie vor der Hochzeit.“

  • Es klang nicht gerade begeistert. Aber was sollte man erwarten? Ich hatte ja doch irgendwie gehofft, dass die Ehe ihr gut tun würde... dass die lockere Art Terentius' ein ganz klein wenig auf sie abfärben würde, oder so. Aber besonders locker war er wohl auch schon lange nicht mehr.
    "Hm ja. Ist er wenigstens nett und anständig zu dir?" erkundigte ich mich, etwas besorgt ob dieser spärlichen Auskunft, und auch weil meine Schwester so sehr in sich gekehrt war. Sehr weit weg. Ich drückte wieder ihre Hand, wie um zu sagen Seiana, hier bin ich.
    Bildete ich mir das ein oder... oder war es wirklich jedes Mal wenn ich zurückkam wieder ein Stück ärger, mit dieser Kühle, dieser unbeteiligten Art.

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  • „Ja! Ja“, versicherte sie – vielleicht ein wenig zu hastig und zu... bemüht, wie ihr im Nachhinein auffiel. Aber es stimmte schon, anständig war er. Wenn sie sich denn sahen. Sie fühlte sich nur nach wie vor unsicher in seiner Gegenwart, unsicher und fremd. Wieder sah sie nach unten, diesmal aber auf ihre beiden Hände, und lächelte schwach, als sie den leichten Druck spürte. Sie erwiderte ihn, und strich mit ihrem Daumen dann sacht über seine Handfläche. So gut. Es tat so gut, ihn endlich wieder hier zu haben. Sie hatte beinahe vergessen, wie sich das anfühlte, nichts vormachen zu müssen, sich geben zu können wie sie war, einfach bei jemandem zu sein, dem sie vorbehaltlos vertraute. „Neulich hatten wir einen größeren Krach. Er wollte, dass ich wegbleibe aus Rom, auch als die Unruhen vorüber waren... ich hab darauf bestanden zu bleiben. Du siehst, wer sich durchgesetzt hat.“ Jetzt lachte sie leise, bevor sie wieder ernster wurde. „Er hat nur sehr wenig Zeit, und das schon seit längerem. Ich... kenn ihn nach wie vor kaum.“ Im Grunde wusste sie nur, dass er skrupellos genug gewesen war, ihr etwas anhängen zu wollen, um ein Exempel zu statuieren. Dass er ein Opportunist war. Und dass er sie gerne mal wie einen seiner Soldaten behandelte und meinte sie herum kommandieren zu können. Davon abgesehen war er ziemlich zurückhaltend. Ihr gegenüber jedenfalls. „Aber er behandelt mich gut. Wenn er da ist.“ Zeit, das Thema zu wechseln, fand sie. „Wie war deine Reise? Sind die Gerüchte wahr?“

  • Nein, ich sah wohl Gespenster. Jetzt war sie wieder ganz "da". Ich lächelte in mich hinein, es war gut dass mich niemand sah, wie ich hier händchenhaltend mit meiner großen Schwester saß... es hätte wohl kaum zum Bild eines Gardetribunen gepasst.
    "Na also... dann hört er ja doch ein bisschen auf dich." Ich stimmte in ihr Lachen mit ein.
    "Dass er so wenig Zeit hat, das wird hoffentlich besser wenn die Lage wieder stabiler ist.... Welche Gerüchte? Ich hab so viele gehört."
    Ich sah mich reflexartig nochmal um bevor ich weitersprach. "Dass ganz Syrien gegen den Kaiser rebelliert, das ist wahr. Ich war in Antiochia. Cornelius hat sich alle Truppen der Provinz unter den Nagel gerissen. Vier Legionen plus die Cohortes." Ich schnaubte. "Die eigentlich unsere Ostgrenze beschützen sollten, aber das scheint diesem machtgeilen alten Sack egal zu sein. Er hat sich zum Kaiser ausrufen lassen und will nach Rom ziehen. - Ähm. Das ist natürlich alles occultissimus. Also bitte nicht in der Acta schreiben, ja?"

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  • Seiana deutete ein Achselzucken an. Ja, vielleicht hatte ihr Mann mehr Zeit, wenn es wieder ruhiger wurde. Vielleicht auch nicht. Im Großen und Ganzen würde sie das auch gar nicht mal so schlecht finden, so hatte sie wenigstens ihre Ruhe, nur... sie sollten langsam ans Kinder denken. Nicht dass Seiana unbedingt scharf darauf war, Kinder zu bekommen, aber sie hatte da einfach keine Wahl. Und ihr lief langsam die Zeit davon. Schwangerschaften waren nie einfach, und sie war mittlerweile in einem Alter, in dem das Risiko eindeutig zunahm. Zumal sie noch nie ein Kind bekommen hatte bisher.
    Sie schob die Gedanken daran weg, wie so häufig in letzter Zeit, beschloss nur, auch nicht zum ersten Mal, ihren Mann irgendwann mal darauf anzusprechen, wenn sich die Gelegenheit ergab.
    „Ich auch“, antwortete sie anschließend auf die Gerüchte hin. Es gab so viele – zu viele. Seiana wollte wissen, woran sie war, woran sie alle waren, und umso aufmerksamer hörte sie ihrem Bruder nun zu. Und tatsächlich erzählte der ihr ein paar konkretere Sachen... interessanter fand sie aber fast, wie er das sagte. Vom Cornelius schien er ganz eindeutig nicht begeistert zu sein. „Natürlich nicht. Du bist keiner meiner Informanten, ich würde nichts veröffentlichen, so lang du mir nicht sagst dass du das willst.“ Und wenn sie dieselben Informationen von woanders bekam, würde sie mit ihm reden. Nachdenklich fuhr sie sich über die Stirn. „Syrien. Diese Gerüchte stimmen also“, murmelte sie leise, so leise, dass das Rauschen des Wassers sie beinahe komplett übertönte. „Cornelius als Gegenkaiser. Es heißt, Germania – beide Provinzen – unterstützt ihn auch. Aegyptus... rebelliert zumindest. Und wenn die Gerüchte über Germania wahr sind, wird auch Alexandria sich auf kurz oder lang Cornelius anschließen.“

  • "Das ist übel. Aber... es sind noch immer Aufstände an den Rändern des Reiches. Vescularius hat die Truppen im Zentrum. Hat die Macht in Rom. Ich glaube er bekommt das in den Griff. Seiana, wir müssen uns entscheiden wie wir stehen. Wir Decimer. Wir sollten eine klare Linie haben."
    Ich rutschte unruhig hin und her. Diese großen und gefährlichen Dinge machten mich nervös. Auch ich senkte die Stimme noch weiter.
    "Ich denke: Vescularius ist der rechtmäßige Kaiser. Valerian hat ihm zu Lebzeiten dermassen vertraut, ist doch klar dass er ihn als Nachfolger bestimmt hat. Was die bösen Gerüchte angeht – warum hätte Vescularius so was tun sollen? Er hat ja de facto schon die kaiserliche Macht ausgeübt. Es gab diese Verschwörung. Ich bin ursprünglich nach Syrien gegangen, um herauszufinden, was der Statthalter dort treibt. Es war schon klar, dass der zusammen mit dem Consular Tiberius irgendwas ausheckt, nur was wußten wir nicht. Und dann wird der Kaiser ermordet, der Consular geht lieber in den Orcus als ins Verhör, und in Syrien organisiert der Statthalter Palmas Proclamation. Das stinkt doch zum Himmel. - Also.... Vescularius ist sicher nicht der gravitätischste Herrscher aller Zeiten, und das mit der Proscription finde ich auch etwas..." Ich schluckte. "....arg.... Aber er ist ein guter Kommandant. Und mir gegenüber war er immer großzügig. Er bewahrt die Ordnung, und er hat endlich mal die blasierten verstaubten Patrizier-Eliten vom Sockel gestoßen. Ausserdem: was ist die Alternative?! Ich denke wirklich, wir sollten ihn so gut wir können unterstützen. Was meinst du?"

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  • Eine klare Linie. Sie sollten eine klare Linie haben. Seiana war nicht wirklich begeistert von dieser Aussage. Augenblicke lang schwieg sie mit aufeinander gepressten Lippen, bevor sie etwas sagte. „Ich weiß es nicht. Faustus, ich habe keine Ahnung, was da wirklich gelaufen ist. Fakt ist doch, dass es so einige gibt, die vom Tod des Kaiser profitieren... und solche, die noch profitieren könnten. Die Senatoren, gerade die patrizischen, würden weit mehr von einem Imperator Cornelius haben... aber Vescularius ist Imperator. Und er musste damit rechnen, dass Maioranus irgendwann in naher Zukunft die Macht für sich beansprucht. Und wer rechtmäßiger Kaiser ist, sagt noch nichts darüber aus, wer der Mörder war.“ Wenn Tiberius tatsächlich dahinter steckte, dann war in jedem Fall etwas gewaltig schief gelaufen. Der Plan hatte mit Sicherheit nicht so ausgesehen, dass nun Vescularius in Rom auf dem Kaiserthron hockte.


    Obwohl sie nach wie vor leise sprach, warf sie zwischendurch immer mal wieder einen aufmerksamen Blick in die Runde, um sicher zu gehen, dass sie nicht belauscht wurden. Aber es war niemand zu sehen, keine Bewegung, und von ihrem momentanen Standpunkt aus hätten sie es gemerkt, hätte sich ihnen jemand genähert. „Ich...“ Seiana zögerte einen Moment, unschlüssig, ob sie wirklich sagen sollte, was ihr auf der Zunge lag. Ob Faustus würde nachvollziehen können, warum sie so dachte. Oder ob er sich nicht eher aufregen würde darüber. Allerdings: irgendwie war klar, dass sie sich nach ihm orientieren würde. Sie mochten schon ein paar Mal aneinander geraten sein, und das ziemlich heftig, aber sie würde niemals einen Bruch mit ihrem Bruder riskieren. Wenn er sie so gar nicht verstehen konnte, konnte sie ihre Meinung immer noch begraben und nie mehr äußern, und ihn widerspruchslos unterstützen, aber vorher sollte er sie wenigstens einmal gehört haben, fand sie. „Es spielt keine Rolle, wer der rechtmäßige Kaiser ist.“ Es spielte auch keine Rolle, wer der Mörder war. Kaiser wurden umgebracht... und wer danach an die Macht kam, sorgte für die entsprechende Geschichtsschreibung. So einfach war das doch im Grunde. „Es spielt auch keine Rolle, wer ein guter oder schlechter Kaiser wäre, oder wer gravitätischer ist. Wir haben einen Bürgerkrieg vor uns. Und wir sollten so flexibel bleiben, dass wir am Ende nicht auf der falschen Seite stehen.“

  • "Maioranus war noch nicht mal zum Caesar erklärt..." warf ich zwischendurch leise ein, aber das war das einzige Mal, dass ich meine Schwester unterbrach. So kannte ich sie, scharfsinnig, skeptisch, abwägend.
    Bitte was? Es spielte keine Rolle? Mir fiel fast der Unterkiefer runter. Mit großen Augen starrte ich meine Schwester an, und unwillkürlich nahm ich meine Hand zu mir, legte sie ungläubig ans Kinn. Ich war ganz und gar nicht einverstanden!
    "Aber Seiana!" Nein, nicht so laut. Ich zügelte mich, und sprach wieder in gedämpftem Ton, schnell und aufgeregt. "Wie kannst du so was sagen?! Das ist ja wohl das kaltschnäuzigste was ich seit langem gehört habe. Es spielt sehr wohl eine Rolle!"
    Warum es eine Rolle spielte, das war doch.... selbstverständlich!
    "Honor et Fortitudo." sagte ich leise, und beinahe trotzig. "Es spielt eine Rolle. Sollen wir uns denn zu den kleinen Kaninchen gesellen, die, was immer auch passiert, sich nur ducken und die Ohren anlegen?! Die nur aus ihren kleinen Kuhlen kommen, wenn es was zu Fressen gibt?! Ja, die sind flexibel. Aber auch feige Opportunisten. Und wenn alle – ach, es sind doch fast alle so... - weil fast alle so sind, und nie Farbe bekennen, und für nichts einstehen ausser für ihr Fressen..." An der Stelle ging mir etwas die Emphase verloren. Denn ich glaubte an das, was ich sagte, doch ich sah vor meinem inneren Auge auch das Bild, das Seiana mit ihren Worten heraufbeschworen hatte. Es war ein schauriges Bild. (Ausserdem waren meine Motive so ganz rein ja auch nicht. Ich liebte meinen Posten, meine Rüstung, den Respekt.)
    "...darum ist die Lage überhaupt erst so, wie sie jetzt ist."
    Ich sprang auf, ging ein paar Schritt hin, hob die Hände, ließ sie wieder fallen, ein paar Schritt her, blieb letztendlich vor Seiana stehen.
    "Seiana ich bin Soldat. Ich bin meinem Kommandanten treu, ich tu meine Pflicht. Aber was du sagst... ist ja auch nicht ganz vollkommen verkehrt, und... ich will doch nicht dass ihr... ich hab Angst dass ich eine falsche Entscheidung treffe, die uns alle ins Verderben stürzt." Gequält stieß ich die Luft aus. Alle Zweifel, die ich ja selbst auch reichlich hatte, und nach und nach beiseitegeschoben hatte, um tatkräftig meinen Dienst ausüben zu können, waren mit einem Mal wieder da... Ich sah meine große Schwester an, hilfesuchend, wie der kleine Bruder, der ich nun mal war, der sich keinen Rat mehr wußte.
    "Verdammt. Was sollen wir nur machen?"
    Ein Landgut weit weit hinter dem Ebro? Ach nein...

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  • „Und du glaubst, Valerianus hätte seinen Sohn nicht zu seinem Nachfolger ernannt irgendwann?“ gab Seiana nur zurück, zuckte dann aber die Achseln. Es war ohnehin egal. Maioranus war so tot wie sein Vater.


    Und dann kam die Reaktion, die sie befürchtet hatte. Er regte sich auf. Und wie. Kaltschnäuzig, warf er ihr um die Ohren, und für einen winzigen Moment musste sie an Archias denken. Wie hatte er sie genannt? Eisprinzessin? Schneekönigin? Irgendwie so. Honor et Fortitudo. Das war der Moment, in dem sich ihre Wangen mit einer leichten Röte überzogen, als Faustus das sagte. Stumm hörte sie sich an, was er noch zu sagen hatte, ohne zu versuchen, ihn zu unterbrechen. Er hatte ja Recht, irgendwie. Nur: was sollten sie schon tun? Wenn Seiana eines gelernt hatte in der Zeit, in der sie alleine in Rom gewesen war, dann das: man musste zusehen, wo man blieb. Gerade als Frau. „Ja. Ich bin opportunistisch“, antwortete sie schließlich, und obwohl sie sich bemühte kühl zu klingen, konnte sie nicht verhindern, dass in ihrer Stimme mitschwang, dass sie verletzt war. „Als Frau hat man nicht allzu viele Möglichkeiten, sich zu behaupten, schon gar nicht wenn man auf sich allein gestellt ist. Honor et Fortitudo.“ Sie schnaubte. „Hätte ich das beachtet, hätte ich einen Prozess in Kauf nehmen müssen, statt Terentius zu heiraten.“ In diesem Moment wurde ihr gar nicht bewusst, was sie da eigentlich gesagt hatte. Sie beobachtete nur ihren Bruder, wie er herumlief, hörte wie er die Luft ausstieß. Hörte, wie er von seiner Angst sprach, die falsche Entscheidung zu treffen. Sie blieb sitzen, aber sie verschränkte die Arme vor ihrem Oberkörper, während ihre Gedanken rasten. Sie wusste doch auch nicht wirklich, was sie ihm raten sollte. Für sie wäre der Weg eigentlich klar, aber... Honor et Fortitudo...... Kaninchen. Opportunisten. So war sie vielleicht, aber nicht er, nicht Faustus, so war er nicht, so konnte er gar nicht sein. „Wenn du mich fragst, wen ich unterstützen würde, wenn ich die freie Wahl hätte – wenn ich mir keine Sorgen machen müsste um uns, unsere Familie: ich würde Cornelius vorziehen. Nicht weil ich glaube, dass er der rechtmäßige Erbe ist – sondern weil ich glaube, dass er den besseren Kaiser abgibt. Vescularius ist... zu willkürlich. Umgibt sich mit zu vielen... nun ja: Opportunisten und Speichelleckern. Und er versucht nahezu grundlos eine einflussreiche Gruppe nahezu komplett auszuschließen. Und wenn er es wirklich nicht war: er versucht mit dieser Sache seine politischen Feinde loszuwerden, was zwar irgendwo verständlich ist, aber bedenklich für das Reich, wenn es so gar keine kritischen Stimmen mehr gibt. Ich glaube jedenfalls nicht, dass da wirklich alle auf dieser Liste ihre Finger im Spiel hatten... wäre Onkel Livianus noch in Rom, unser Familienname würde auch auf dieser Liste stehen. Und du weißt, dass Livianus niemals Hand gegen den Kaiser erhoben hätte.“ Sie holte tief Luft. „Aber wenn du mich fragst, wen ich unterstütze... jetzt. Hier.“ Eigentlich war ja schon klar, was sie sagen würde – es war klar, als sie zuvor die Formulierung freie Wahl genutzt hatte. „Vescularius“, sagte sie einfach. „Wir sind hier, in Rom. Du bist Prätorianer. Massa ist Optio. Flavus möchte den Cursus Honorum beschreiten. Varenus will in der Kanzlei anfangen. Messalina ist gerade Vestalin geworden. Wir können doch gar nicht anders, als uns mit ihm gut zu stellen, wenn wir nicht alles aufgeben, unsere gesamte Familie hier entwurzeln und auf eine Odyssee quer durch das Imperium schicken wollen.“ Sie machte eine kurze Pause und fügte dann noch leise an: „Wenn es dir hilft: ich glaub nicht so recht daran, dass er es war. Wir haben vor einiger Zeit in der Acta über ihn berichtet, und dafür auch mit ihm gesprochen. Er... hat ehrlich gewirkt, als er von seiner Freundschaft zu Valerianus sprach.“ Sie glaubte nur nicht, dass er ein guter Kaiser sein würde.

  • Ich hatte sie gekränkt. Das hatte ich nicht gewollt. Und natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil sie so lange alleine hier hatte sein müssen, ohne Beschützer. Aber irgendwie war sie daran auch selbst schuld, weil sie sich immer so unzuverlässige Typen zum Heiraten ausgesucht hatte, die dann kurz vor ernst doch noch das Weite suchten. Wie, was für ein Prozess?! Ich kam hier gerade gar nicht mehr mit....
    Cornelius? Den fand sie wirklich besser?! Das hatte ich nicht hören wollen, als ich sie um Rat fragte. Ich verschränkte ebenfalls die Arme, wie einen Wall vor der Brust, während sie die Mängel Vescularius' aufzählte. Wobei das mit Livianus mich am meisten bewegte.... hatte ich ja auch schon dran gedacht, als ich die Listen zum ersten Mal sah. Und schon schlug Seiana wieder einen Haken, und sprach sich nun doch für Vescularius aus. Ich seufzte. Schwer, aus der Tiefe meiner Brust.
    "Glaub ich auch. Ich glaub das waren Tiberius und Cornelius. - Seiana, ich... Den hinterhältigen Prozess gegen Livianus hab ich nicht vergessen. Aber wir wissen da nichts genaues. Und ja, er macht unfähige Speichellecker zu Senatoren. Aber das war früher auch kein Deut besser. Schau dir mal diesen 'Senator' Germanicus, Dings...Sedulus an zu Beispiel. Überhaupt! Wozu braucht das Reich überhaupt Senatoren? Die quatschen doch nur. Eine effiziente Regierung stützt sich auf den Ritterstand, nicht die ollen Senatoren.... Vescularius ist nun mal jetzt der Verteidiger Roms. Und Cornelius, der steckt in einem Giftmord drin!! Der öffnet unsre Grenzen für die Parther!! Nein, Seiana, ich verstehe das einfach nicht wie du...... Naja. Egal. Will mich nicht mit dir streiten."
    Letztendlich war eben selbst meine kluge, vielleicht zu kluge, Schwester eine Frau, und hatte für Mannestugenden nicht so recht Verständnis.
    "Hauptsache wir sind uns einig was wir tun. Und das sind wir ja, glaub ich...? - Aber auch wenn du dich weiter eher bedeckt hältst.... wenn du über deine Acta-Leute, oder deine gesellschaftlichen Kontakte, an Informationen kommst, die mir helfen können, dann gib sie bitte an mich weiter. In Ordnung?"

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  • Seiana sah auf. „Hast du Beweise dafür? Ich meine, mehr als die Tatsache, dass Tiberius offenbar beim Statthalter von Syria war?“ Sie deutete ein Kopfschütteln an und rief sich nun selbst in Erinnerung, dass es doch im Grunde egal war. Sie deutete ein Achselzucken an. „Der Senat hat schon seine Daseinsberechtigung. Wenn vernünftige Senatoren berufen werden. Wenn sie ihren Aufgaben nachkommen. Die Zeiten der Republik waren nicht die schlechtesten... ich glaube nicht, dass das Reich allein mit dem Ritterstand regierbar wäre. Das ist ein Grund, warum ich glaube, dass Vescularius nicht der beste Kaiser wäre...“ Jetzt stand auch sie auf, stemmte eine Hand in die Hüfte und rieb sich mit der anderen den Nacken. Er verstand nicht, wie sie... wie sie was? Wie sie so denken konnte? Seiana seufzte leise. Natürlich verstand er das nicht, das hatte sie vorher schon geahnt. Faustus war ein guter Soldat, aufrecht, stolz, loyal, und ihre Mutter wäre sicher verdammt stolz gewesen, hätte sie ihn nun so sehen können. Es ging ihm um Ehre. Es ging ihm darum, das Richtige zu tun. Natürlich war es ihm wichtig, keinem zu dienen, der auch nur ansatzweise mit dem Kaisermord hätte zu tun haben können. Und es war ihm wichtig, dem rechtmäßigen Kaiser zu dienen, dem, der von Valerianus dazu eingesetzt worden war. Aber guter Soldat und Ehre hin oder her... hier in Rom brachte einen das nur bedingt weiter. Man sah es ja an Livianus, der es nie wirklich lange hier ausgehalten hatte, bis er sich schließlich ganz aus diesem Sumpf zurückgezogen hatte, der Roms Gesellschaft und Politik war. Und sie fürchtete, Faustus würde es genauso gehen, wenn er nicht acht gab. Wenn er nicht ein bisschen... realistischer wurde. Weniger Idealismus an den Tag legte. In Rom kam es nicht auf Ehre an, sondern auf Klugheit, auf Beziehungen, und auch darauf, sich im richtigen Moment für dies oder das auszusprechen... oder eben nicht, und das unabhängig von der eigenen Meinung. Aber was sollte sie sich darüber jetzt auslassen? Sie wollte sich genauso wenig streiten, und sie wagte es zu bezweifeln, dass Faustus das Ganze so sehen würde wie sie. Nein... besser sie hielt den Mund darüber. Für den Moment war es ohnehin besser, wenn sie sich an Vescularius orientierten, und sollte dieser tatsächlich fallen... würde sie Faustus schon irgendwie überzeugen können, das zu tun, was das Beste für ihn und die Familie war. Und nicht etwa das, was in seinen Augen richtig wäre...


    „Wir sind uns einig“, bestätigte sie und lächelte sacht, trat zu ihm und griff nach seiner Hand. „Ich bin auf deiner Seite, Faustus, egal für was du dich entscheidest.“ Sie drückte seine Hand kurz. „Ja... sofern ich kann.“

  • Zum Glück waren wir uns auch darin einig, dass es nicht der Moment war, unsere doch sehr unterschiedlichen Ansichten zur besten Regierungsform auszudiskutieren. Ich erwiderte zaghaft ihr Lächeln und den Händedruck. Hauptsache wir hielten zusammen, dann würde es so schlimm schon nicht werden...
    '...sofern ich kann' sagte sie. Das ließ mich gleich wieder die Stirn furchen. Das konnte ja alles oder nichts bedeuten. Seiana war leider keine wirkliche Patriotin, wahrscheinlich würde sie ihre intellektuellen (ist gleich: aus Prinzip alles schlechtredenden, wird leicht zu: die öffentliche Meinung verdrehenden, wird schlimmstenfalls zu: den Staat zersetzenden) Freunde beschützen wollen.
    "Hm." machte ich mit langem Gesicht. Zwingen konnte ich sie nicht, und wollte es auch nicht, aber diese Einschränkung stieß mir übel auf. "Wie meinst du das? Deine erste Loyalität sollte bei mir liegen. Wichtige Dinge darfst du mir nicht verheimlichen."

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