An dem langen Holztisch in der Küche saßen die anderen Sklaven der Familia urbana der Decimer schon versammelt. Silas quetschte sich mit auf die Bank und schenkte sich einen Becher Milch ein, riss ein Stück Fladenbrot ab, tunkte es in die Milch und kaute übellaunig, darauf verputzte er noch eine Schale Körnerbrei mit Honig. In dem rauchgeschwärzten Gewölbe der Küche mischten sich die Stimmen der Sklaven mit dem Scharren der Löffel in den tönernen Näpfen und dem Knacken des Herdfeuers zur vertrauten morgendlichen Geräuschkulisse.
Köchin Candace kratzte den Kessel aus und verteilte die letzten Reste, unterhielt sich dann mit der Kellermeisterin, der alten Pontia über die aktuelle Vorratssituation. Sie waren sich einig, dass man vom Rauchfleisch die schimmeligen Ecken wegschneiden konnte und den Rest getrost in den Eintopf tun konnte. Knecht Sidonius erinnerte Papa daran, dass der schon länger vorgehabt hatte, die schiefe Dachtraufe über dem Ziegenstall zu reparieren. Papa meinte: aber ja, das stünde ganz oben auf seiner Liste, heute allerdings könne er es leider nicht einrichten, Dominus Serapio brauche ihn bei der Inspektion seiner Streitwägen.
Mama und das Hausmädchen Timaia planten die nächste große Wäsche.
De Leibwächter Natakamani schien wenig zu verstehen und grinste immer nur freundlich.
Silas große Schwester Olivia beschrieb ihre tollen Ideen für einen Hochzeitskuchen für Dominus Casca, und ihr Kollege in der Küche Philodemos unkte, da solle man lieber mal abwarten ob das jemals was würde.
Bote Acestes erzählte von seinem Ritt nach Bovillae.
Die Kammerdienerinnen Corythia und Columbana diskutierten darüber wie man Kleinkinder am besten zum Einschlafen bringt.
Langweilig war das. Echt öde. Jeden Tag das gleiche.
Silas guckte rüber zu seinem Kumpel Paulinus und verdrehte überdrüssig die Augen zur Decke. Paulinus grinste verstehend. Sie brauchten keine Worte, verstanden sich stumm, hatten auch Blutsbrüderschaft geschlossen, im letzten Sommer, nach der Geschichte mit der Bande vom Aventin.
Silas verspürte eine Unruhe, einen Drang, den er nicht hätte benennen können. Irgendwas ihn ihm war voll Erwartung von Veränderungen und Sehnsucht nach Großem, Neuem, Ungreifbarem... und zugleich war ihm manchmal bang ums Herz, wenn er die Famila urbana so wie jetzt gerade um den Tisch versammelt sah und ahnte, dass dies nicht immer so bleiben würde.
Zugleich gab es da so Momente, wo ihn jäh der Hafer stach. Geradeeben zum Beispiel.
"Was ich übrigens mal wissen möchte." platzte er in ein Abebben der Gespräche am Tisch hinein. "Warum sind wir eigentlich Sklaven? Was ist denn eigentlich genau der Unterschied zwischen den Herrschaften und uns?"
Es wurde still. Nur Vincentius, Kammerdiener und als Hallodri bekannt, lachte amüsiert.
"Warum ist der Himmel blau, warum ist das Gras grün" ergriff zuerst Candace das Wort, schüttelte gutmütig den Kopf. "Was ist der Unterschied zwischen einem Adler und einem Fink?Die Dinge sind wie sie sind, die Götter haben alles so geschaffen, zerbrich dir bloß nicht den Kopf junger Mann."
Der Leibwächter Armastan – der sonst nie was sagte, er war ganz neu im Haus – widersprach ihr, mit seinem seltsamen rauhen Akzent, ganz ruhig und eindringlich. sagte er zu Silas: "Es gibt keinen Unterschied. Nur dass wir, wir oder unsere Ahnen, irgendwann mal in einem entscheidenden Moment Pech hatten. Das ist alles."
"Schsch! Jungs! Was ist denn das für ein Benehmen?" wies die alte Pontia Silas (und den gestandenen Krieger Armastan gleich mit) empört zurecht. "Die Herrschaften sorgen sehr gut für uns. Reißt euch zusammen."
Mama gebot ihm ebenfalls Einhalt. "Silas! Du weißt sehr wohl warum wir Sklaven sind. Dein Großvater konnte die Finger nicht von Glücksspiel lassen, darum. Und wenn es nicht so gewesen wäre, wäre ich nie nach Rom gekommen, hätte deinen Vater nie getroffen und es gäbe dich und deine Schwestern gar nicht. Es ist Schicksal. Punkt. Ende der Diskussion."
Na die regten sich ja alle wieder mal schnell auf. Unwillkürlich hatte Silas doch den Kopf eingezogen und sagte lieber nicht mehr. Er fand aber, dass die Frage noch nicht so wirklich beantwortet war...
Energische Schritte hallten durch das Gewölbe, kündigten die strenge Vilica Rhea an. Wie jeden Tag trat sie zuerst vor die Nische, in der die Herdgöttin dargestellt war, legte im Namen aller eine kleine Opfergabe vor der Tonstatue ab.
Darauf zückte sie ihre Wachstafel und teilte die Versammelten für die Arbeiten des heutigen Tages ein.