Iulia Severa

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    Seine Mutter gab sich stundenlang ihren Gedanken hin. Der kleine Decimus wusste zwar nicht, um was es dabei ging, doch er spürte instinktiv, dass irgendetwas, von dem er keine Ahnung hatte, geschehen sein musste. Eine Spannung lag in der Luft, die männliche Person, welche sich später als sein Vater herausstellen würde, sah mehrmals zu ihm herein, seine Mutter wirkte bedrückt, ihr Körper erschöpft, sie hatte Tränen in den Augen.


    Auf den kleinen wirkte dies beängstigend. Vor allem dann, wenn er lange geschlafen hatte, dann seine kleinen Augen öffnete und er feststellte, dass er alleine in seiner Wiege lag und niemand bei ihm war. Wo war seine Mutter? Irgendwo im Raum? Wo war die Wärme? Der Atemhauch, welchen er mit seinen zarten Haaren auf der Haut einfing, wenn man ihn küsste? Unbeholfen streckte er seine kleine Hand in den Raum und versuchte zu greifen. Da war jedoch nichts.


    OUIN! OUIN! OUIN!


    Er weinte.

  • Iulia schaute auf, der kleine Tiberius verlangte nach ihr. So löste sie sich aus der Erinnerung an Maximian und ging hinüber zur Wiege. Vorsichtig schob sie eine Hand unter seinen Nacken um seinen Kopf abzustützen bevor sie ihn hoch hob und auf den Arm nahm.


    "Ich bin ja bei dir"


    murmelte sie beruhigend und wiegte ihn sanft hin und her. Vielleicht half das ja, falls nicht würde sie weiter nach einem Grund suchen. Sollte er jedoch Hunger haben, würde sie ihn seiner Amme übergeben müssen. Nicht nur das eine Amme in der römischen Oberschicht üblich war, durch ihr Fieber hätte Iulia ihren Sohn ohnehin nicht stillen können.

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    Das Weinen des Kleinen erreichte seinen Zweck, wie er zufrieden feststellte. Seine Mutter hatte sich ihm genähert, ihn aus seiner Wiege gehoben und auf den Arm genommen. Nun lag er an ihrem Körper, den Kopf an ihre Brüste gelegt, vernahm den vertrauten Herzschlag und wie sich der Brustkorb anhob, wenn sie einatmete und sich wieder senkte. Die Stimme beruhigte, ihr Atem strich sanft über den Flaum, welcher sich auf seinem Kopf gebildet hatte.


    OUIN! OUIN!


    schrie er, wenn auch gedämpfter als vorhin. Das Weinen selbst wollte er indess noch nicht einstellen, hatte er doch die Befürchtung, dass ihn seine Mutter wieder zurück in die Wiege legen würde, wenn er zur Ruhe kommen würde. Noch hatte er ihre Nähe nicht völlig ausgekostet.

  • Es war noch früh am Morgen, als Meridius das Zimmer seiner Gemahlin betrat. Wie jeden Tag, war er früh aufgestanden, hatte sich körperlich ertüchtigt, dann gründlich gewaschen, angezogen, seinen Bart und seine Frisur herrichten lassen, aß ein paar Kleinigkeiten, begab sich dann in sein Officium um die tägliche Post zu lesen, ehe er seine Klienten empfing, sich auf den Weg in den Senat machte oder eine andere Arbeit suchte. Heute jedoch kürzte er das Essen etwas ab und sah stattdessen bei seiner Gattin herein.


    Wie es schien, lag sie noch zu Bett. Er schloss folglich leise die Türe und ging dann vorsichtig erst zu dem Bett seiner Gemahlin, neigte sich über sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe er zu der Wiege seines Sohnes weiterging. Dort blieb er stehen, betrachtete die Frucht seiner Lenden und war glücklich. Der Gedanke an Maximian stieg gleichfalls in ihm auf, der Verlust schmerzte immer noch sehr, doch hatte in seinem Herzen die Dankbarkeit gegenüber den Göttern den größeren Raum eingenommen. Dankbarkeit dafür, dass er zum einen Maximian hatte kennen lernen dürfen, Dankbarkeit aber auch dafür, dass sie ihm Tiberius geschenkt hatten. Tiberius Decimus Optatus. Der Erwünschte...

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    Der Erwünschte schlummerte in diesem Moment friedlich und träumte. An seinen Traum würde er sich freilich später nicht mehr erinnern, genauso wenig wie an die ersten Tage seines Lebens, die ersten Wochen oder gar Jahre. Mit der Erinnerung war das so eine Sache. Aus der Kindheit blieben nur einige wenige schemenhafte Dinge übrig. Eher Bewusstseinseinstellungen, denn einzelne Ereignisse. Und so war es auch jetzt. Optatus spürte, dass jemand eingetreten war und er verspürte die Zuneigung, welche ihm von der Person entgegengebracht wurde. Es musste sein Vater sein. Zumindest hatte er diesen Eindruck aus der Tatsache gewonnen, dass dieser Mann oft mit seiner Mutter zusammen war. Seine Mutter reagierte positiv auf diesen Mann. Er hörte es an ihrer Stimme. Und er registrierte die Zuneigung, zwischen diesen beiden Personen. Folglich mochte er diesen großen Mann auch.


    Schmatz!


    Er steckte seinen Daumen in den Mund und schlummerte weiter.

  • Meridius lächelte, wie er seinen Sohn so liegen sah. Wandte sich dann aber doch ab und ging zum Bett seiner Gemahlin zurück. Lange beobachtete er sie. Sie sah immer noch schön aus. Ihr schwarzes Haar hatte nicht an Leuchtkraft eingebüßt. Die Jugend lag zwar hinter ihr, doch noch immer war sie attraktiv.


    "Schläfst Du?"


    fragte er leise, als sie sich kurz bewegte und einen Arm näher zu sich zog. Sie reagierte jedoch auf seine Frage nicht, und so konnte er davon ausgehen, dass sie es tat.


    "Oh, meine Iulia..."


    flüsterte er dann, trat auf das Bett zu und ließ sich auf der anderen Seite in eben dieses nieder. Behutsam und ohne sie zu wecken robbte er zu ihr, strich ihr mit einem Finger kurz durch das Haar, über die Stirn und ihre Oberlippe und ließ seinen Kopf dann an ihrer Seite sinken. Er schloss die Augen und dachte an Tarraco. An ihre gemeinsame Heimat, welche weit zurück lag. An ihre erste Begegnung, die gemeinsamen Raubzüge und Abenteuer der Kindheit und Jugend. An ihren ersten Kuss. An ihr erstes Mal, die geheimen Zusammenkünfte, wie das Schicksal sie auf Jahre auseinanderbrachte, wie Lucius plötzlich vor der Türe stand und sie wenig später ebenfalls. Das Leben schrieb bisweilen unglaubliche Geschichten. Und doch waren sie war. Iulia war die seine geworden.

  • Ein kaltes Grauen kroch in das von familiärem Idyll erfüllte cubiculum. War es die noch frostige Kühle des Morgens, die durch ein offenes Fenster eindrang? Nein! Diese Kälte war nicht von dieser Welt, auch wenn sie die Sterblichen frösteln ließ. Unbemerkt bahnte sie sich ihren Weg in das Gemach, getrieben von ewigem Groll und entfacht vom Zorn auf den Herrn dieses Hauses.
    Er hatte den Göttern seinen Dienst bei der lustratio senatorum versagt und sein Fehlen war nicht unbemerkt geblieben. Erbost über diese Missachtung hatte sich der Herr der Unterwelt aufgemacht, den Säumigen zu strafen. Hier war er, Dis pater und seine unheilvolle Präsenz erfüllte den Raum.
    Grimmig sah er auf den gar zu stolzen Menschen herab, dessen Name Decimus lautete. Dann fiel sein Blick auf dessen Sohn...
    Wie klirrend kalter Morgennebel näherte er sich der Wiege des schlafenden Kindes. Wie ein Schatten beugte er sich über den Sprössling und sanft wie eine Feder berührte er ihn am Nacken. Dort blieb ein dunkles, fast schwarzes Mal zurück.
    Die Sterblichen kannten diese Zeichen. Manche entdeckten sie morgens beim Waschen auf ihrer Haut und dachten sich nichts böses dabei. Doch dann wuchsen die schwarzen Flecken, wurden zu flächigen, eiternden Geschwüren und die Gezeichneten starben binnen eines Jahres. Bei anderen veränderte sie sich nie und die Malträger wurden grau und alt und starben als Greise. Kein Medicus konnte das vorhersagen.
    Aber der Vater des Knaben würde es als Warnung der Götter erkennen und er würde wissen, dass sie nach seiner Buße verlangten.
    Dann, so rasch und unbemerkt wie das Unheil den Raum betreten hatte verschwand es auch wieder. Einstweilen...

  • Es war die Amme gewesen, welche das Zeichen entdeckte und umgehend Vater und Mutter des Knaben informierte. Meridius erschien wenig später erneut in dem Zimmer und ging auf den Wickeltisch zu, auf welchem Decimus Optatus lag. Die Sklavinnen schnatterten aufgeregt durcheinander.


    "Hat schon jemand Mattiacus verständigt?"


    fragte schließlich der Senator und gab dann mit Nachdruck zu verstehen, dass er Panik nicht wünschte, ehe der Cousin sich den Kleinen angesehen hatte. Er selbst versuchte Ruhe zu bewahren, es gelang ihm jedoch nur beschränkt. Die Erinnerung an den schmerzhaften Verlust seines Ältesten stieg wieder in ihm hoch. Womit hatte er dies verdient? Wollten ihn die Götter für irgendetwas strafen? Hatten sie sich gegen ihn verschworen? Waren seine Opfer nicht angenommen worden? Er nahm sich vor, noch im Laufe des Tages den Tempel des zuständigen Gottes aufzusuchen.

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    Der Kleine konnte natürlich nicht wissen, warum sich plötzlich alle so sehr für ihn interessierten und vor allem aufregten. Eine Menge vertrauter und fremder Gesichter blickten ihn jedoch plötzlich sehr genau an, waren dabei hektisch bis nervös, redeten mit aufgeregter Stimme und tasteten seinen Körper immer wieder ab, gerade so, als ob er etwas unerhörtes angestellt hätte. Für Decimus Optatus war das eindeutig zu viel und so begann er sofort an zu weinen.


    OUIN! OUIN!


    schrie er und schrie und schrie und wollte sich gar nicht mehr beruhigen lassen. Wo kamen auf einmal all die vielen Leute her? Und was hatte er mit diesen fremden Gesichtern zu tun? Und wo war Mama? Warum nahm ihn Mama nicht in den Arm? Warum lag er nicht an ihrer Brust?


    OUIN! OUIN!

  • Nachdem die Amme sie geweckt und ihr von dem Mal berichtet hatte, war Iulia für einen Moment wie erstarrt gewesen. Was wäre wenn sie Optatus auch noch verlieren würde. Dazu war das Geschwätz der dummen Sklavinnen auch nicht hilfreich gewesen, die natürlich nichts besseres zu tun hatten, als sich in diesem Moment darüber zu unterhalten, dass erst neulich, dass Kind einer anderen Familie gestorben war, bei dem ebenfalls so ein Mal plötzlich aufgetaucht war.Erst das Weinen von Optatus riss Iulia aus diesen Gedanken und Ängsten, die über sie hereingebrochen waren. Auch wenn sein Weinen erbärmlich klang, war die Tatsache, dass er dafür kräftig genug war für Iulia zumindest ein wenig beruhigend. So ging sie zu seiner Wiege hinüber und nahm ihn behutsam auf den Arm, in der Hoffnung das ihre Anwesenheit, ihr Geruch ihn ein bisschen beruhigen würden.

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    Ach, wie tat die Anwesenheit der Mutter gut. Der kleine Optatus liebte seine Mutter. Sie war ihm ein und alles, Ausgangspunkt seines Lebens und immer für ihn da wenn er hungrig, müde, traurig, gereizt oder ängstlich war. Ihre Haut duftete so vertraut, so wie die seine. Ihre Wärme ließ alle Sorgen verschwinden und wenn er an ihrer Brust lag, vor sich hin schlummerte und dabei ihren Atem spürte, konnte er sich nicht vorstellen, dass es jemals etwas anderes in seinem Leben geben konnte. Sie liebte ihn, das wusste er, unbewusst zwar, aber so sicher wie die Tatsache, dass es nach jedem Einschlafen einen neuen Morgen, ein neues Erwachen gab. Und über allem brannte sich ihre Stimme in sein Ohr und drang bis in sein Herz vor. Iberische Lieder sang sie in der Sprache ihrer Heimat, die auch die seine war, auch wenn er es nicht wusste, römische Götter- und Heldensagen erzählte sie ihm und unzählige, kurze und lange Geschichten über Mitglieder der Familie. Über Namen, die er noch nicht kannte und über Menschen, die er nie kennen lernen würde, da sie bereits tot waren, aber über die man immer noch sprach.


    So hörte er, dass Decimus Hispanicus, sein Großvater, vor vielen Jahren das Leben des Kaiser beschützt hatte und die Familie das römische Bürgerrecht erhielt. Er hörte Geschichten über die Großmutter, deren Güte und Wärme sprichwörtlich gewesen sein sollte. Er lauschte Geschichten aus der Kindheit und Jugend seiner Mutter, aus ihren ersten Begegnungen mit seinem Vater, dass Tante Lucilla ein wunderschönes und keckes kleines Mädchen gewesen war, von Onkel Mercator, dem Händler und Geschäftsmann, der seinen Weinberg über alles liebte und dann doch eines Tages nach Rom ging, dort die selbe Casa kaufte, in der sie gerade lebten, von Onkel Decimus Proximus, der den Göttern gedient hatte und der nicht mehr lebte, ebenso wie seine beiden einzigen Kinder, von Decimus Praetorianus dem verstorbenen Halbbruder seines Vaters, von seinen vielen Großcousins und Großcousinen, die vielen Verwandten, von denen einige ganz sonderbar waren, auch davon, dass er ein paar größere Schwestern hatte, die bei einem anderen Mann lebten, und die er vermutlich nie kennen lernen würde und von der Tatsache, dass er einen großen Bruder hatte, der jetzt bei den Ahnen lebte, und einen Bruder, der adoptiert worden war und der ebenfalls bei den Ahnen war.


    Die meisten Geschichten waren schön, denn seine Mutter erzählte mit einer warmen, beruhigenden Stimme. Und wenn sie nicht erzählte, dann sang sie. Und wenn sie sang, streichelte sie sein kleines Köpfchen. Wenn er Schwierigkeiten hatte einzuschlafen, trug sie ihn in ihrem Arm im Zimmer auf und ab. So lange bis er schlief. Lag er in seinem Bettchen verbrachte sie oft Stunden daneben und beobachtete ihn. Sah ihm zu, wie er langsam größer wurde, an Gewicht und Länge zunahm. Wie der kleine Flaum auf seinem Kopf stärker wurde und wie ihm richtige, dicke Haare wuchsen.


    Und sie beobachtet einer Furie gleich die Zeichen, welche sich auf seine Haut gestohlen hatten. Zu ihrer Beruhigung schienen sie sich nicht zu verändern. Und zwei der selbigen ließen sich sogar an der gleichen Stelle des Körpers bei seinem Vater finden. Iulia wusste das gut, kannte sie doch beide nackt. Doch davon hatte der junge Decimus keine Ahnung. Ihm genügte es, dass er seine Mutter hatte und dass diese so viel Zeit mit ihm verbrachte, wie er sich nur wünschen konnte. So wurde Optatus langsam älter...

  • Und wie der kleine Racker größer und älter wurde. Der Säugling zeichnete sich schon bald durch einen beinahe unersättlichen Hunger aus. So oft ihm seine Mutter die Brust gab, er schien nicht satt werden zu wollen. Die Frauen wussten sich bald keinen Rat mehr und bestellten eine Amme nach der anderen. Die erste gab jedoch schnell auf, die zweite war von ihrer Art her zu schroff, so dass die Herrin des Hauses darauf drängte, eine dritte zu bestellen. Orsabaris, die Cubicularia der Herrin, machte viel durch in diesen Tagen, doch sie tat es gern und wurde ihrer Herrin eine echte Hilfe. Und war der kleine Racker nicht wirklich schön? Hatte er nicht etwas Besonderes in seinen Augen? Packte seine Hand nicht besonders kräftig zu, wenn man ihm einen Finger reichte? Er war ein Wonneproppen und wann immer es ging half Orsabaris ihrer Herrin so gut sie konnte.


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    "Na mein kleiner Römer?
    Bist Du ein kräftiger Römer ..."


    Sie trug ihn sanft hin und her, hatte er wieder einmal nicht einschlafen können und hatte sich seine Mutter selbst über die Mittagszeit hingelegt. Auf Rom lastete eine Schwüle, die Frauen wechselten sich ab, wo sie konnten.


    "Deine Mutter schläft. Mama schläft.
    Warum schläfst Du noch nicht? Mmm..."


    Sie summte die Lieder, welche sie von Iulia Severa, ihrer Herrin gelernt hatte. Es waren schöne Lieder und traurige Lieder, alle aber handelten von Hispania, der iberischen Heimat der Decima. Von Hirten und Bauern, jungen Mädchen und ihren Geliebten, tapferen Helden und weisen Männern, von liebenden Müttern, und einige der Lieder hatten sogar Meridius zum Inhalt. Dem Triumphator hatten schon seine Soldaten Lieder gedichtet, Severa hatte sie immer in ihrem Herzen bewahrt und so sang auch Orsabaris dem kleinen Decimus vor.


    "Meridius ist unser Held
    der tapfer sein Schwert hochhält.
    Er führt uns in die Schlacht
    und hat uns auch den Sieg gebracht..."


    Sie streichelte dem Kleinen über den Kopf und küsste dann das Haar. Der Sohn ihrer Herrin war für sie wie ihr Sohn. Und sie beglückwünschte Iulia Severa zu diesem kleinen Geschenk.


    "Ein Mann so stark und auch gerecht
    kann nennen einen Triumph sein Recht.
    Wir wollen alle zieh'n durch Roma ..."


    Sie hielt inne, während Optatus Augen sie aufmerksam aber keinesfalls müde beobachteten. Tiberius war im elften Monat, doch immer noch hatte er Schwierigkeiten einzuschlafen. Doch schlief er einmal fest, dann wie ein Stein.


    "Dein Papa ist ein großer Held und Deine Mama,
    Deine Mama ist eine ganz ganz liebe Mama..."

  • Leise klopfte ich an die Türe und trat dann in das Zimmer ein. Die Unterkunft der Herrin bestand aus einem großen Raum, welchen man nach der Geburt ihres Sohnes um einen weiteren nach hinten erweitert hatte, indem eine Wand zu einem weiteren Zimmer durchgebrochen worden war. Die Herrin pflegte in letzterem zu schlafen. Orsabaris ging in dem vorderen Raum auf und ab, den kleinen Decimus auf dem Arm.


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    "Salve..."


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    "Psst! Sprich leise. Er ist gerade am Einschlafen!"


    unterbrach sie mich und sah mich dann tadelnd an, dass ich es gewagt hatte das Wort zu ergreifen. Entschuldigend zog ich die Schultern nach oben, hob dann jedoch den Korb, welchen ich in meiner Rechten trug.


    "Die Herrin hatte mich auf den Markt geschickt, das hier zu holen."


    sprach ich diesmal einiges leiser, stellte den Korb dann unter den Blicken der Sklavin ab und ging auf die beiden zu. Der kleine Decimus drehte seinen Kopf in meine Richtung und starrte mich mit großen Augen an.


    "Ist das ein Süßer..."


    gab ich zum Besten und stupfte mit dem Zeigefinger an seine Nase.


    "Lass das."


    entgegnete Orsabaris für den Kleinen, der ja noch nicht sprechen konnte.


    "Er mag das nicht und ich mag es auch nicht.
    Was hat die Herrin denn bestellt? Was ist in dem Korb?"


    Ich riss mich von dem Kleinen los und widmete mich wieder meinem Auftrag.


    "Ein paar feine Stoffe, die sie bestellt hatte und die der Händler das letzte mal nicht auf Lager hatte. Sie waren heute eingetroffen und ich habe sie abgeholt. Anscheinend will sie für den Kleinen eine neue Decke machen. Was weiß ich..."


    Orsabaris nickte, als ob sie sich erinnerte und küsste dem Decimus die Stirn. Baby sollte man sein, dachte ich. So viel Aufmerksamkeit wie dieser Optatus bekam, bekam nicht einmal ein Gott.


    "Deine Mama macht Dir eine Decke, kleiner Mann...
    Eine neue Decke für den kleinen Helden..."


    Sie schien mit ihrer Rolle als Kinderbetreuerin nicht unglücklich zu sein.


    "Ich kümmer mich darum, Menas."


    sprach sie dann in meine Richtung.


    "Danke."

  • Optatus war ohne Zweifel der Mittelpunkt im Hause der Decima geworden. Er musste gar nicht viel dazu tun, das lernte er schnell. Als er im vierten Monat seine Mutter das erstemal anlächelte, war diese aus dem Häuschen gewesen. Im sechsten Monat dann begann er fröhliche und erzürnte Gesichtsausdrücke nachzuahmen, nach Gegenständen zu greifen, die in seine Nähe kamen und prompt beschäftigte sich auch eine weitere Sklavin mit ihm, die ihm schon bald ebenso vertraut wie seine Mutter war. Nur dass er seine Mutter viel mehr liebte. Er fremdelte zwar im Folgemonat, gewöhnte sich jedoch schnell an die Sklavin, deren Haut so dunkel war, beinahe so dunkel wie das Haar seiner Mutter. Umsomehr faszinierte ihn das weiß ihrer Zähne und immer wieder griff er nach oben, als wollte er nach Perlen greifen. Ab dem neunten Monat dann zeigte er sich fröhlich im Kreis der Familie und wurde an manchen Tagen regelrecht herumgereicht. Und den Trick, wie er zu Aufmerksamkeit kam, durchschaute er gleich. Er schrie um auf sich aufmerksam zu machen. Nicht selten richtete er sich beim Sitzen dabei auf, blickte in die Umgebung und ließ dann einen gezielten und gut getimten Prall an Lauten heraus, das in ein Quitschen überging und erst versiegte, wenn ihn seine Mutter oder diese dunkle Frau mit dem noch dunkleren Haar in die Arme nahm. Auch heute trug sie ihn wieder durch das Zimmer. Und er genoß es. Er stand gerne im Mittelpunkt. Und er hatte es gerne, wenn man ihm vorsang. Besonders mochte er die Lieder die von einer "Mama" handelten. Und so war es keine wirkliche Überraschung, dass "Mama" auch das erste Wort war, welches er aussprach. Genau in diesem Moment, als Orsabaris und Menas im Raum standen.


    "MAMA"

  • Zitat

    Original von Tiberius Decimus Optatus
    "MAMA"


    Ich wollte gerade gehen, als aus dem Mund des Kleinen ohne Vorankündigung ein paar Laute kamen, die als ein Wort erkennbar waren. Hatte er gerade "Mama" gesagt? Ich blickte zu Orsabaris und hatte in der Tat richtig gehört. Sie lächelte und strahlte und wandte sich sofort an den Kleinen.


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    "Was hast Du gesagt?
    Was hast Du gesagt?
    Mama? Willst Du Deine Mama?"


    Sie gluckste beinahe eben so sehr wie der Decimus und wandte sich dann an mich.


    "Huch, da wird sich seine Mama aber freuen. Er hat ihren Namen genannt. Der kleine Decimus hat sein erstes Wort gesprochen. Menas, klopf mal an die andere Türe. Vielleicht ist sie schon wach. Das MUSS sie hören. Sie wird begeistert sein..."


    Und während sich Orsabaris über den Kleinen beugte und versuchte noch mehr "Mamas" aus ihm herauszulocken, begab ich mich zur Türe, welche in das Schlafgemach der Herrin führte und klopfte leise an ...

  • Iulia las gerade ein paar Zeilen, als es an die Tür klopfte. Vermutlich war es Orsabaris, die ihr mitteilen wollte, dass Optatus jetzt endlich eingeschlafen war. Umso überraschter war sie, als sie die Tür öffnete und nicht Orsabaris sondern Menas vor ihr stand.


    "Was gibt es?"


    fragte sie, während sie zu Optatus und der Kinderbetreuerin herübersah, die ihn glücklich anstrahlte.

  • Tiberius bekam von alldem wenig mit. Er verstand noch viel zu wenig von den Vorgängen der Erwachsenen und ihrer Aufgeregtheit. Er spürte nur, dass die dunkle Frau mit dem schwarzen Haar über ihm, die so blendend weiße Zähne hatte plötzlich über die Maßen strahlte und ihn anlächelte. "Hast Du Mama gesagt?" fragte sie ihn immer wieder, doch wusste er mit der Frage nicht wirklich etwas anzufangen. Etwas musste an der Buchstabenfolge gewesen sein, was die Erwachsenen glücklich zu machen schien. Und so versuchte Tiberius genau in dem Moment erneut das Wort herauszubringen, welches ihm gerade eben gelungen war.


    "MAMA"


    wiederholte er und gluckste dabei wie ein kleiner König, dem es gerade gelungen war, eine Handvoll süßem Nachschbrei hinter dem Rücken der Köchin zu stibitzen und im Mund verschwinden zu lassen. Solche Aktionen, Raubzüge und Abenteuer lagen freilich noch vor ihm, in ferner Zukunft. Noch waren seine Motivationen auf andere Quellen gerichtete, noch bewegte sich sein Leben in einem viel kleineren Radius.


    "MAMA MAMA"


    Seine neuste Leistung bestand darin, das neue Wort gleich zweimal hintereinander herauszubringen. Und je öfter er es sagte, umso besser fühlte er sich. Und zu seinem Erstaunen lachte die dunkle Frau sogar und bedachte ihn mit liebevollen Worten.


    "Oh Du Wonneproppen, Stolz Deiner Mutter, Du bist aber ein Schlauer!" sprach sie, und "Ich bring Dich zu Deiner Mama!" und "Da, hier ist Deine Mama!" gab sie von sich und Optatus wusste nicht so ganz was jetzt geschah, nur dass die Sklavin durch den Raum schritt, ein anderer großer Schatten zur Seite trat und Mama plötzlich da war. Genau über ihm.


    "MAMA"


    "Er sagt Mama!" hörte er eine männliche Stimme sagen. Sie gehörte Menas, dem Sklaven seinens Vaters. Doch auch das wusste er noch nicht.

  • Die Zeit verging wie im Flug. Sowohl für die Eltern, als auch das Hauspersonal und noch viel mehr für den kleinen Optatus, den Erwünschten, den Stammhalter des Senators. Der Säugling lernte unheimlich viel in seinen ersten Monaten und in seinem ersten Jahr. Unscheinbar orientierte er sich in Raum und Zeit und prägte sich die Gesichter ein, lernte seine ersten Worte und wusste schon sehr bald, dass sowohl seine Mutter, als auch sein Vater einen richtigen Narren an ihm gefressen hatten. Hin und wieder erzählten sie ihm von seinem großen Bruder, der tragischerweise verstorben war. Und irgendwie hatte er auch das Gefühl, dass er auch aus diesem Grund so angehimmelt wurde. Sei es drum, die Welt rational zu durchdringen war ihm weit entfernt. Noch lebte der Kleine über seine Emotionen. Und wurde dennoch größer. Die ersten Schritte, wenn auch nur wenige hatte er getan und sein Lebensbereich wurde von Tag zu Tag, von Woche zu Woche größer. Schon bald machte er das Atrium unsicher und gewann auch den Garten hinzu. Der 'tiefe Dschungel Asiens' war Ziel so einiger Expeditionen. Als Kind war alles so schrecklich groß. Wo sich Erwachsene beengt fühlten, eröffnete sich dem Knaben eine ganze Welt ...

  • Zitat

    Original von Tiberius Decimus Optatus
    Die Zeit verging wie im Flug. Sowohl für die Eltern, als auch das Hauspersonal und noch viel mehr für den kleinen Optatus, den Erwünschten, den Stammhalter des Senators. Der Säugling lernte unheimlich viel in seinen ersten Monaten und in seinem ersten Jahr. Unscheinbar orientierte er sich in Raum und Zeit und prägte sich die Gesichter ein, lernte seine ersten Worte und wusste schon sehr bald, dass sowohl seine Mutter, als auch sein Vater einen richtigen Narren an ihm gefressen hatten. Hin und wieder erzählten sie ihm von seinem großen Bruder, der tragischerweise verstorben war. Und irgendwie hatte er auch das Gefühl, dass er auch aus diesem Grund so angehimmelt wurde. Sei es drum, die Welt rational zu durchdringen war ihm weit entfernt. Noch lebte der Kleine über seine Emotionen. Und wurde dennoch größer. Die ersten Schritte, wenn auch nur wenige hatte er getan und sein Lebensbereich wurde von Tag zu Tag, von Woche zu Woche größer. Schon bald machte er das Atrium unsicher und gewann auch den Garten hinzu. Der 'tiefe Dschungel Asiens' war Ziel so einiger Expeditionen. Als Kind war alles so schrecklich groß. Wo sich Erwachsene beengt fühlten, eröffnete sich dem Knaben eine ganze Welt ...


    Der Senator hatte die Entwicklung seines Sohnes mit Freuden verfolgt. Voller Stolz sah er, dass der Bursche sich prächtig entwickelte. Und er sah seiner Mutter unglaublich ähnlich. Er hatte ihr Haar, ihre liebreizenden Züge, aber auch wenig von ihrem Temperament. Darüberhinaus war er jedoch ein vollkommener Decimus. Hitzköpfig, manchmal jähzornig, auf der anderen Seite aber auch charmant, wenn man dies von einem Kind sagen konnte. Er wusste genau, welche Knöpfe er drücken musste, um seine Ziele bei seinem Vater zu erreichen. Dieser sah darüber noch großzügig hinweg, hatte er doch in Optatus seinen einzigen Sohn. Maximian war viel zu früh verstorben. Und der tote Sohn blieb in dieser Familie fast allgegenwärtig präsent.


    Eines Tages entschied sich der Senator dann, dass Optatus ein eigenes Zimmer erhalten sollte. Und so betraten am frühen Morgen einige Sklaven den Raum und räumten alles in einen Raum nebenan um. Die Säuglingsjahre waren vorbei. Der Knabe sollte nun sein eigenes Kindermädchen erhalten. Zumal der Senator die Stunden der Zweisamkeit mit seiner Gattin vermisste. Und so lange der Knabe im selben Raum anwesend war, sah er sich ausserstande, seiner Gattin auch nur in irgendeiner Art und Weise lüstern entgegen zu treten.

  • Den ganzen Nachmittag hatte der Senator mit Marcus in den Tempeln und beim Orakel verbracht. Am Abend hatte sich die Familie noch einmal zum Essen getroffen, sie hatten geplaudert, als würde die lange und schwierige Reise in den Osten nicht vor ihnen liegen. Und doch hatte diese Ungewissheit über ihnen allen gehangen, hatte die Sorge aus allen Augen geblickt, unterschwellig in allen Worten mitgeklungen. Hatte nicht Mattiacus in großen Worten und voller Begeisterung von den Opfern gesprochen? Sie waren perfekt vorbereitet. Sie hatten an das Meiste gedacht.


    Leise klopfte Meridius an die Türe. Seine Gemahlin war vorausgegangen, musste also schon auf ihrem Zimmer angekommen sein. Iulia - wie sehr er sie liebte. Auch für ihre Treue, ihre Tapferkeit und ihre Geduld, die sie immer wieder für ihn hatte. Sicher, die Verliebtheit der Jugend herrschte längst nicht mehr zwischen ihnen, doch dafür war eine Vetrautheit und eine innere Seelenverbindung anstelle der Romantik getreten. Und der seltene Sex war zwar weniger rauschhaft, dafür aber erfüllend. Es war, als wüsste der andere genau, welche geheimnissvolle Stelle des Körpers welches Bedürfnis hatte. Und selbst wenn sie Schwierigkeiten hatten, kamen sie dennoch auf ihre Kosten. Der Weg war das Ziel, das Zusammensein, das gemeinsame Lieben war es, was zählte. Und was diese gemeinsame Zeit so überaus kostbar machte.


    "Bist Du da?"


    flüsterte er leise, nachdem er die Türe vorsichtig geöffnet hatte.

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