Arbeitszimmer | Caius Flavius Aquilius

  • Mit einer Hand strich ich ihr über das Haar, sanft und freundlich, weil sich eine ihrer Strähnen gelöst hatte und ihr in der Stirn gehangen hatte. In diesem Augenblick wirkte sie so glücklich und zufrieden wie schon lange nicht, und tief in meinem Inneren tat mir ihr Anblick sehr wohl. Vielleicht war es oftmals hinderlich, sich um das Wohlbefinden der Menschen um einen herum Gedanken zu machen, aber die langen Wochen, in denen sie wie ein lebendiges Elend durch die villa geschlichen war, hatte ich noch zu deutlich im Gedächtnis, und mich stets darüber geärgert – zum einen, weil es nichts gab, was ihr damals hätte helfen können, zum anderen, weil ich ihr nie hatte begreiflich machen können, dass ihre damalige Situation nicht ihr Lebensende bedeutete.
    Und heute schien sie wie ausgewechselt, wie jene Bridhe, die vielleicht früher schon in ihrer Heimat glücklich gewesen war, inmitten ihrer Familie, an vertrauten Orten ihrer Kindheit. Dass sie diese Freude wiedergefunden zu haben schien, machte auch mich zufrieden. Leicht drückte ich sie noch einmal an mich, hakte sie mir dann wieder unter und führte sie langsam zur Tür – mit einem solchen Bauchumfang konnte keine Frau schnell gehen, und ganz so eilig hatten wir es dann auch wieder nicht.


    „Ich tue nur, was getan werden sollte, Bridhe, und wie ich es versprach. Du hast Dir vieles auch selbst eröffnet und ich hoffe, dass Du in der Freiheit noch vieles wirst lernen können, um Dein Leben so zu gestalten, dass es Dir Freude bereitet. Mein Vater hat mir einst gesagt, dass nur ein Teil der Macht unseres Volkes auf unseren Armeen beruht und ich wollte es ihm damals nicht glauben, weil mir die Legionäre so stark und unbesiegbar erschienen. Aber jeder Mensch kann getötet werden, auch Legionäre -–Ideen aber lassen sich nicht töten, und wenn ein Volk ein Problem nicht mit jammern angeht, sondern mit dem festen Willen, es zu lösen, wird es früher oder später Erfolg haben. Das ist es, was ich wichtig finde und es trifft für mich wie auch für Dich zu: Die Dinge, die uns heute schwer und unlösbar erscheinen, haben doch immer irgendwo eine Lösung, man muss sie nur zu finden versuchen. Nichts ist unmöglich, wenn man nicht aufgibt. Auch nicht, dass Du und ich ein Kind haben werden, das in dieser Welt etwas Besonderes sein wird.“ Ich zog langsam hinter uns die Tür des Arbeitszimmers zu und ging mit ihr auf den Gang hinaus, denn die Sänfte wartete auf uns und ebenso ihr Weg in die Freiheit.

  • Ich meinte es wirklich so, wie ich es sagte. Ich war glücklich und ich freute mich tatsächlich. Manchmal hatte ich geglaubt, Glück und Freude gäbe es nicht mehr für mich. Im Laufe der Zeit, seit ich in Rom war, hatten sich an und in mir einige unsichtbare Narben angesammelt. Für andere nicht sichtbar, spürte ich sie ständig in mir. Die schmerzvollsten saßen in meinem Herzen. Ich war dazu verdammt, mit ihnen bis an mein Lebensende zu leben. Doch ich hatte gelernt, mich mit ihnen zu arrangieren. Mir blieb ja nichts anderes übrig. Vielleicht würde mir mein Kind dabei helfen, den schlimmsten Schmerz zu überwinden. Vielleicht würde es eine Lücke füllen. Eine Lücke, die eigentlich ein Abgrund war, im Inneren meines Herzens.
    Ich wusste nicht, was sich alles mit meiner Freilassung änderte, wenn ich als Freie in dieses Haus zurückkehrte. Im Grund war ich danach immer noch dieselbe. Äußerlich würde sich nichts an mir ändern. Man würde sich mir gegenüber vielleicht anders verhalten. Die Sklaven würden mich vielleicht mit anderen Augen sehen, obwohl ich das gar nicht wollte. Ich war nichts Besonderes und wollte es auch gar nicht sein. Einzig die Herrschaften würden ihr Verhalten mir gegenüber nicht ändern, glaubte ich. Eher würde es schneien, im August! Für sie spielte es keine Rolle, ob ich jetzt frei war oder nicht. Aber das machte mir nicht viel aus. Ich würde versuchen, ihnen so gut es ging, aus dem Weg zu gehen,so wie ich es vorher getan hatte, wenn auch nicht immer erfolgreich.


    Aquilius drückte mich noch einmal leicht an sich und dann gingen wir langsam zur Tür. Ich wollte es immer noch nicht richtig wahrhaben. Es fühlte sich fast wie ein Traum an und ich fürchtete mich davon, aufzuwachen.
    Dieses Haus verließ ich zum letzten Mal als Sklavin. Ein sehr ungewohnter Gedanke. So ungewohnt, wie das Leben, das auf mich wartete.
    Dem was er mir beim gehen sagte, schenkte ich meine ganze Aufmerksamkeit. Ich verstand, was er mir damit sagen wollte und es gab mir neuen Mut, dieses neue Leben mit Freuden zu begrüßen und nicht ängstlich davor weg zu laufen. In diesem Moment wusste ich, ich war nicht alleine, weder in meiner neuen Rolle als Mutter, in die ich schon bald schlüpfen würde als auch in anderen Belangen.


    Ich werde nicht aufgeben! Das verspreche ich dir. Ich werde unserem Kind all meine Liebe geben und es zu guten, aufrechten Menschen erziehen und ich werde bei dir bleiben, solange du es willst.


    Eine kleine Träne hatte sich in mein Auge verirrt. Es musste eine Freudenträne sein. Ich sah mich noch einmal um, ein letzter Blick zurück in sein Arbeitszimmer, in dem ich oft genug in weitaus unangenehmeren Situationen gestanden hatte. Das war jetzt vorbei. Die Tür schloss sich hinter mir und wir gingen gemächlich zu der Sänfte, die auf uns wartete.

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