Albanus Mons - Praediolum Decimus Meridius

  • Das Feuer brannte eine Weile und schweigend sah die Familie dabei zu. Die beiden Kinder trugen das alles mit Fassung. Natürlich weinten sie hier und da. Ihre Mutter ebenfalls. Dicht drängten sie sich an sie und sahen hier und da fragend zu ihr auf. Venusia musste für sie alle drei stark sein. Eine Aufgabe, die ihr wirklich schwer fiel. Doch Schwäche zeigen, das konnte sie nur selten und dies war nicht der Ort dafür. Irgendwann wurde das Feuer immer kleiner und als nur noch wenige kleine Flammen aus den Resten züngelten, übergaben einige Sklaven der Familienmitgliedern und Verwandten Amphoren mit Wein um diese über die Asche zu schütten und zum Erlöschen zu bringen. Nachdem dies geschehen war, sammelte man die Reste wie Knochen ein und legte sie behutsam in eine urna. Die Urne würde man zu seinen Ahnen und Verwandten nach Roma bringen und dort unterbringen.


    Nachdem jeder wie er wollte noch etwas an diesem Platz in Gedanken und Gedenken verharrte oder auch nicht, ging es zurück zum Haus. Hier würde es noch eine Art Leichenschmauß für alle geben.


    Sim-Off:

    Ich würde dann die Beerdigung hiermit als fertig gespielt sehen wenn alle damit einverstanden sind?

  • [quote]Original von Decima Seiana


    Das war ein Knackpunkt. Sie hatten nie wirklich darüber gesprochen. Sicher ein heler gewesen, der nun nicht mehr wett zu machen war. Sie schätzte ihn zumindestens so ein, dass er eher bescheiden beerdigt werden wollte als mit großem Fest und drumherum. So nickte sie nur etwas unbestimmt. Ihr Gedanken drehten sich kurz um die eigene Beerdigung und das sie wohl Anweisungen dafür hinterlassen sollte wenn sie sich entschieden hatte wie sie bestattet werden wolle. Stark tendierte sie zu den Riten ihrer Ahnen. Aus ihren Gedanken wurde sie jedoch gerissen als Seiana sie fragte wie sie sich ihre Zukunft vorstellte.
    "Ich muss ehrlich sein, dass ich mir darüber keine Gedanken gemacht habe. Ich konnte nicht glauben, dass es so kommen würde."
    Kurz schwieg sie, hoffte etwas Zeit zu gewinnen und vielleicht eine Antwort zu finden. So schnell ging es jedoch nicht für die Zukunt zu planen und sich zu entscheiden. Sie würde mit Vala darüber sprechen müssen und dann selbst sehen müssen was sie machen wollte. außerdem würde sie in Roma noch ein oder zwei Gespräche führen müssen.
    "Ich danke dir und ich werde es auch in Anspruch nehmen. Ich muss noch ein paar Besuche erledigen und dann weiter sehen ob ich meine Familie in Mogontiacum besuche oder ob ich hier bleibe und schaue was die Zukunft für mich bringt. Ich war schon so lange nicht mehr in Germania. Ich weiß gar nicht ob ich mich dort noch zurechtfinde."
    Venusia hatte Bedenken, dass sie nirgendwo mehr dazu gehörte und in Germania ihre Verwandten auch nicht mehr viel von ihr wissen wollten. Zu lange hatte sie es nicht mehr geschafft zu schreiben und auch kein Schreiben mehr von dort erhalten. Wenn sie etwas über die Familie erfuhr dann von Vala. Das machte sie schon traurig, aber das zeigte sie nicht. Sie war dankbar weiter bei der Familie ihres Mannes bleiben zu können und dort Anschluß zu haben. Sie zweifelte nicht daran bei ihrer Familie auch Obdach zu finden. Sie waren eien Sippe und man stand fpr einander ein. Es war jedoch eine andere Generation und die Unterschiede waren für sie schon sehr deutlich.

  • Seiana blieb stumm, während der ganzen Dauer der Bestattungsfeier – und ihr Gesicht blieb maskenhaft, beinahe einer Puppe gleich in seiner Regungslosigkeit. Sie verzog nicht einmal dann eine Miene, als das Holz aufflammte und sich trotz der Bemühungen der Sklaven der beißende Geruch von verkohlendem Fleisch ausbreitete – und als die Bestattung beendet war, zog sie sich ebenso schweigend in das Landhaus zurück.


    Sie sollte Trauer empfinden, das wusste sie. Es wäre nur recht und billig, wenn sie Trauer über das Dahinscheiden ihres Onkels empfand. Aber sie konnte sich nicht dazu bringen, das wurde ihr hier, während seiner Beerdigung, so klar wie niemals in den ganzen Tagen zuvor, die sie schon hier verbracht hatte. Sie empfand durchaus Bedauern – das aber nur, weil Magnus eine bedeutende Stellung innegehabt hatte, und damit für den Augenblick der einzige Decimer gewesen war, der das von sich behaupten konnte. Mattiacus und Faustus mochten auf einem guten Weg sein, aber noch waren sie nicht in einer Position, die ihnen wirklich Macht und Einfluss gewährte… und sie hatte bei beiden ihre Zweifel, ob sie das überhaupt erreichen wollten. Sie empfand also Bedauern über Magnus’ Tod. Aber keine Trauer. Vielleicht lag es daran, dass sie in den letzten Jahren kaum Kontakt mit ihm gehabt hatte, mutmaßte sie… dennoch blieb das Gefühl, dass sie mehr empfinden sollte… aber nicht fähig dazu war.


    Sim-Off:

    Wegen mir gerne :)

  • Seiana nickte und bemühte sich, mitfühlend zu wirken, auch wenn sie sich nicht so ganz sicher war, ob ihr das gelang. Sie konnte verstehen, dass die Duccia trotz der langen Krankheit ihres Mannes dennoch von seinem Tod auf eine gewisse Art und Weise kalt erwischt worden war. Sie kannte dieses Gefühl, kannte es von ihrer Mutter… so sehr man damit rechnete, so sehr man sich darauf vorbereitete – wenn es dann passierte, erwischte es einen doch… merkwürdig unvorbereitet.
    Dennoch war Venusia diejenige, die die vergangenen Jahre mit ihrem Mann verbracht hatte, diejenige, die ihn sicherlich mit am besten gekannt hatte, abgesehen von seinen Brüdern vielleicht… Seiana war sich sicher, dass ihre Tante nur in seinem Sinne entschied, und kommentierte die Bestattung und wie sie durchgeführt werden würde daher nicht weiter.


    Das nächste Thema hingegen war für sie noch nicht abgeschlossen. Natürlich war es ihr wichtig gewesen, der Duccia zu versichern, dass sie in der Casa Decima immer ein Heim haben würde… aber ihr Hauptanliegen war ein anderes. Und gerade die Erwähnung Venusias, dass sie durchaus in Erwägung zu ziehen schien, nach Germanien zurückzukehren – nicht nur für einen Besuch, sondern endgültig –, bestärkte Seiana umso mehr darin, dass sie das Thema ansprechen musste. „Ich würde mich wirklich freuen, wenn du bleiben würdest. Und die Kinder sicher auch.“ Sie hatte überlegt, wie sie es formulieren sollte. Und sie hatte sich bewusst dafür entschieden, eine Tatsache auszusprechen. Die Kinder waren Decimi – und so wenig Seiana den beiden ihre Mutter wegnehmen wollte, oder der Mutter die Kinder, so sehr war sie überzeugt davon, dass die zwei zu ihrer Familie gehörten. Wenn Venusia nach Germanien zurückkehren wollte, dann musste ihr klar sein, dass sie damit ihre Kinder aufgab, denn nach römischem Recht hatte sie keinerlei Anspruch. Sie hatte nichts dagegen, wenn die beiden auch einmal die Heimat ihrer Mutter kennen lernten – aber sie wollte nicht, dass zwei Decimi in Germanien erwachsen wurden, fern von ihrer eigentlichen Familie, und entfremdet von dieser. Was daraus erwuchs, hatte man bei Livianus’ Kindern gesehen – weder Flavus noch Flava hatten es lange in Rom bei ihrer Familie ausgehalten, nachdem sie in Britannien aufgewachsen waren. „Mattiacus könnte Tutor der beiden werden, denke ich, er wäre jedenfalls die erste Wahl, als Magnus' Bruder und der einzige Decimus in Rom derzeit – vielleicht aber auch Faustus, wenn er nach Rom zurückkehren sollte.“ Wenn. Er hatte ihr geschrieben, dass er zurück kommen wollte, aber die Götter allein wussten, ob das wirklich klappen würde – und wann. Und die Götter allein wussten, was er oder Mattiacus davon halten würden, wenn sie wüssten, dass sie darauf zu bestehen gedachte, dass die Kinder bei den Decimi blieben und nicht bei ihrer Mutter, sollte diese nach Germanien gehen wollen… aber Seiana sah sich vollkommen im Recht. Ihr Onkel und ihr Bruder konnten gar nicht als das ebenso zu sehen. In den ersten Lebensjahren mochten Kinder vielleicht noch besser bei der Mutter aufgehoben sein, aber spätestens wenn sie nicht mehr unmittelbar auf diese angewiesen waren, gehörten sie zu ihrer Familie. Dennoch versuchte Seiana, ihren Worten einen positiven Klang zu geben, war ihr doch am liebsten, wenn Venusia einfach entschied, ihre alte Heimat nur zu besuchen und in Rom zu bleiben. „Ich bin mir sicher, dass Mattiacus und Faustus dich ebenso wie ich gerne bei uns in Rom haben würden.“

  • Irgendetwas an diesem Gespräch störte sie. Sie kam im Moment nicht drauf was es war, aber es gab da definitv etwas. Es gab eine art Subtext, der sich ihr nicht erschloß, aber es würde sicher noch kommen. Im Moment gab es einfach zu viel, das in ihrem Kopf den ersten Platz verlangte und es hatten sich sehr viele grad recht weit vorn angeordnet so dass dieser Subtext erst einmal dahinter seinen Bestimmungsort fand.
    "Die Kinder haben hier so lange gelebt, dass sie sicher hier mehr zu Hause sind denn in Germania."
    Diese Gedanken stimmten sie traurig und bestärkten sie in dem Unterfangen ihnen weiterhin und noch intensiver die Lebensweisen ihrer Familie, ihrer Sippe, ihres Volkes beizubringen. Magnus wollte, dass sie seine Heimat sahen und verstanden wie ihr Vater aufgewachsen war und das gleiche Recht konnte sie doch auch für sich verlangen. Doch das stand hier nicht zur Diskussion.
    "Sie würden sich sicher freuen. Wir werden auch noch eine Weile hierbleiben ehe ich eine Reise nach Germania plane."
    Als Seiana Mataticus als Tutor ansprach, wirkte Venusia verwirrt, überrascht und überfahren.
    "Als Tutor, ähm...ja. Das wäre wohl die einzige Möglichkeit. Er ist ja ihr Onkel."
    Noch immer versuchte sie den eigentlichen Sinn des Gespräches auszumachen. Aber er zeigte sich nicht. Also blieb einfach nur höflich sein. Irgendwie hatte sie nämlich das Gefühl, dass Serapio gar nicht so glücklich war sie um sich zu wissen. Schließlich hatte sie den Auftrag von Lucilla ihn die Haube zu bringen.
    "Wenn sich wirklich alle so freuen mich in ihrer Nähe zu wissen, dann bleibe ich natürlich gern. Vielen Dank noch einmal, dass ihr weiter zu mir haltet.""
    Sie versuchte sich sogar ab einen winzig kleinen Lächeln.

  • Sim-Off:

    Sorry, ganz übersehen :)


    Für einen Moment war Seiana beinahe irritiert, als sie Venusias Antwort hörte. „Nun...“ Ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, aber es war nicht eines ihrer wenigen ehrlichen, sondern ihr übliches, vages, das nichts so wirklich zeigte. „Rom ist hier Zuhause.“ Ihre Tante hatte es irgendwie so formuliert, als gäbe es daran etwas zu rütteln, aber für Seiana war die Sache klar: Rom war das Zuhause der beiden Kinder, und im weiteren Sinn vielleicht noch Hispania, wo die Wurzeln ihres Vaters lagen.


    Dass Venusia dann allerdings von einer Reise sprach und nicht von einem Umzug, beruhigte Seiana ein wenig. Sicherlich würde eine entsprechende Reise lange dauern, und sie würden einige Zeit in Germanien dann verbringen – aber es implizierte, dass sie wieder zurückkamen. Dennoch beschloss sie, das Thema mit Mattiacus oder Faustus anzusprechen. „Es ist selbstverständlich, dass wir dich unterstützen. Sag einfach Bescheid, wenn du etwas brauchst.“

  • Sie hatten Stunden gebraucht, um von Rom hierher zu kommen. Und trotzdem war es Seiana zu schnell gegangen. Viel zu schnell. In der Stadt, als sie noch im Acta-Haus gewesen war und etwas hatte tun können, da hatte sie funktioniert, und zwar tadellos. Da war einfach kein Raum gewesen für Chaos in ihrem Kopf, oder für Entsetzen, nicht einmal schlichte Fassungslosigkeit. Das kam erst nach und nach während der Reise zu den Albaner Bergen – die sie noch dazu ohnehin recht schnell hinter sich hatten bringen müssen. Die Prätorianer wollten rasch wieder zurück in die Stadt, und Seiana konnte es ihnen nicht mal verdenken. Sie wollte das ja auch. Sie hätte einiges dafür gegeben, wieder mit zurück gehen zu können. Und sie haderte mit sich selbst... haderte damit, dass sie nicht mehr unverheiratet war, wo es niemanden interessiert hätte wenn sie in Rom geblieben wäre, erst recht nicht, da nach wie vor kaum einer ihrer Familie in Rom war – und erst recht keiner, der wirklich Verantwortung für die Gens übernahm. Und sie haderte fast noch mehr damit, dass sie kein Mann war. Wäre sie ein Mann, hätte ihr niemand befohlen, die Stadt zu verlassen. Wäre sie ein Mann, hätte ihr keiner vorschreiben können, sich in Sicherheit zu bringen. Wäre sie Mann, wäre es mehr als selbstverständlich gewesen, dass sie Stolz und Pflichtgefühl genug empfand, um in Rom bleiben, die Stellung ihrer Familie halten und ihrer Arbeit nachgehen zu wollen... Aber sie war kein Mann. Und ganz egal, was sie in den letzten Jahren sich auch an Eigenständigkeit erarbeitet hatte, egal, was sie versucht hatte um so selbstverantwortlich wie möglich zu sein: sie war und blieb eine Frau. Und als solche ein Spielball der Männer, wenn es hart auf hart kam.


    Mit diesen bitteren Gedanken traf sie schließlich auf dem Landgut ein. Den Prätorianern schenkte sie keinen Abschiedsgruß, noch nicht einmal einen zweiten Blick, bevor diese verschwanden. Kaum hatte sie das Haupthaus betreten, orderte sie Sklaven und Angestellte dazu, die Villa zu sichern, schickte einige von ihnen los, um die Vorräte aufzustocken und Klienten zu organisieren, die hier in der Gegend lebten, Klienten von Meridius und Livianus, die Veteranen aus deren Militärzeit waren. Sie wusste nicht, was in Rom geschehen würde – natürlich nicht, sie war ja nicht dort! –, aber es bestand die Möglichkeit, dass die Unruhen dort sich über die Stadtgrenzen hinaus ausweiteten. Ganz abgesehen davon, dass sicher auch im Umland Plünderer ihr Glück versuchen würden. Es war schlicht besser, für alles gewappnet zu sein, auch hier, und eine bewaffnete Schutztruppe aus Veteranen war so ziemlich das Beste, was sie organisieren konnte. Und nachdem sie sich um all das gekümmert hatte, zog sie sich zurück in ihr Cubiculum – und trank erst mal einen Becher Wein.

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    „Lass. Mich. LOS!“


    Der Aufschrei kam aus dem Atrium. Álvaro, der mit Bran in der Küche saß und sich mit dem Kollegen die Zeit mit einem Spiel vertrieb, verdrehte die Augen, während Bran nur grinste. Als kurze Zeit später eine Sklavin mit einem verschreckten Gesichtsausdruck in die Küche kam, seufzte Álvaro lautlos. „Jetzt schon?“
    Die Sklavin, ein junges Ding, das schon Zeit seines Lebens hier auf dem Landgut gewesen war, guckte ihn verstört an. „Ja“, sagte sie in jammerndem Tonfall. „Ich weiß nicht was ich tun soll!“
    Wieder seufzte Álvaro. Diesmal vernehmlich. Er hatte wenig Lust, da einzugreifen. Aber da war das Versprechen, dass er seiner Schwester gegeben hatte… Und dafür hatte er sich das Ganze schon viel zu lange angesehen, ohne etwas zu tun. „Ich kümmere mich darum.“
    „Was willstn da groß tun?“ Bran lehnte sich lässig zurück und zwinkerte der Sklavin zu, die daraufhin leicht errötete. Álvaro stellte immer wieder mit Erstaunen fest, wie leicht es Bran offenbar viel, Weiber für sich zu gewinnen. Dafür, dass der Kerl ungehobelt und größtenteils desinteressiert an den Belangen seiner Mitmenschen war und darüber hinaus eine ziemlich fiese Ader hatte… Nein, er verstand es nicht wirklich, warum Frauen sich von dem Kerl beeindruckt zeigten. Musste wohl daran liegen, dass er mal Gladiator gewesen war, und keiner von den kleinen Nummern.
    „Reden. Ruhig stellen. Wird mir schon was einfallen“, antwortete er. Obwohl er Bran nicht wirklich mochte, waren sie doch zu einer Art schweigenden Übereinkunft gekommen… dass es besser war, wenn sie die Eigenheiten des anderen einfach ignorierten und auf kollegialer Basis miteinander umgingen. War angenehmer für beide so, und sie gingen damit Ärger aus dem Weg, den sie sicher irgendwann von den Herrschaften bekommen hätten. Ein Paar Leibwächter, das sich gegenseitig bekriegte, konnte keiner gebrauchen. Und wo Bran sich größtenteils einfach nur seinen guten Lebensstil weiter erhalten wollte – was als Leibwächter einer reichen und hochgestellten Frau für ihn so ziemlich die einzige Möglichkeit darstellte –, war Álvaro tatsächlich daran gelegen, der Decima ein hervorragender Leibwächter zu sein. Weil er, im Gegensatz zu Bran, so was wie Anstand und Ehrgefühl besaß. Und weil er es seiner Schwester versprochen hatte. Also biss er in den sauren Apfel und versuchte, sich mit Bran zu arrangieren. Denn bei allen Macken, die der sonst haben mochte: er war ein guter Leibwächter. Álvaro wusste mittlerweile, dass er sich in einem Kampf auf ihn verlassen konnte, und die Decima in guten, oder besser: in sicheren Händen war.
    Just in diesem Moment bewies Bran allerdings wieder mal, was für ein Holzklotz er war. „Leg sie einfach flach, Alter. Die braucht wahrscheinlich nur nen Kerl zwischen den Schenkeln“, spottete er mit einem anzüglichen Grinsen. „Falls du nicht Manns genug bist – ich stell mich gern für diese Aufgabe zur Verfügung…“
    Wieder verdrehte Álvaro die Augen, trank seinen Posca aus und erhob sich mit einem Ruck. „Halt‘s Maul, Bran“, brummte er, setzte den Becher ab und verschwand aus der Küche. Die junge Sklavin, das bemerkte er wohl, blieb hingegen. Und dem lüsternen Blick nach zu schließen, den Bran der Kleinen zuwarf, würde der Hibernier heute sicher noch jemanden flach legen.





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

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    Álvaro hatte das Atrium kaum betraten, da sah er die Decima schon. Und auch dass sie betrunken war, war zu erkennen… ach was, betrunken. Sternhagelvoll traf es schon eher. Und das Schlimmste war: es war ja nichts Neues mehr. Seit sie hier angekommen waren, hatte die Decima zu viel getrunken. Schon am ersten Abend war es losgegangen, wo sie so unglaublich wütend auf ihren Mann gewesen war, eine Wut, die zwar jeder gemerkt hatte, die sie aber nicht wirklich herausgelassen, sondern vielmehr in sich hineingefressen und schließlich in Alkohol ertränkt hatte, und das hatte sich an den folgenden Abenden, befeuert durch die Verbitterung sowie die lähmende Untätigkeit, zu der sie sich gezwungen sah, nicht geändert… im Gegenteil. Der Zeitpunkt, an dem sie diese vage Grenze des zu viel überschritt, war jeden Tag ein bisschen früher gekommen, und Álvaro hatte inzwischen den Verdacht, dass sie sich systematisch betrank.


    Neu war an diesem Tag also höchstens, dass sie noch früher als in den letzten Tagen voll war, und sich ihre Ausfälle daher auch nicht auf den hinteren Teil der Villa beschränkten, wo sie sich am Abend aufhielt. Im Augenblick stand sie da und wurde von einem Sklaven mühsam daran gehindert, zum Vestibulum zu marschieren. Vermutlich um die Villa zu verlassen. Álvaro stand da, noch unentdeckt, und zögerte einen Moment lang. In der Hand hielt die Decima einen Becher, aus dem immer wieder Flüssigkeit schwappte, während sie mit großzügiger Gestik dem Sklaven klar zu machen versuchte, dass er zu verschwinden hatte; auf ihrem Kleid prangte ein frischer Weinfleck; und ihr Gesicht war beinahe gespenstisch, hohlwangig und mit dunklen Augenringen, während ihre Frisur kaum noch als solche zu bezeichnen war. Und das bei einer Frau, die so sehr Wert auf ein gepflegtes, elegantes Erscheinungsbild legte. Mitleid stieg in Álvaro auf, Mitleid von der schlimmsten Sorte – jenes Mitleid, das kombiniert war mit einer mal mehr, mal weniger starken Schaulust und einem vagen Anflug von Ekel für dieses Häufchen Elend, das sich da präsentierte. Und einem massiven Gefühl des Fremdschämens.





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

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    Álvaro war mehr als nur peinlich berührt von der Szene, die sich da abspielte. Und er war schon drauf und dran, sich wieder abzuwenden. Es ging ihn nichts an. Er war ihr Leibwächter, nicht mehr und nicht weniger. Es war seine Aufgabe, die Decima vor Feinden zu beschützen – nicht vor sich selbst. Und erst recht nicht ihr Kindermädchen zu spielen. Nur… da war seine Schwester. Pass auf sie auf, hatte Elena gesagt, und es war klar gewesen, dass sie mehr meinte als nur aufzupassen wie ein Leibwächter es tat. Und er hatte es ihr versprochen. Álvaro schloss kurz die Augen – dann gab er sich einen Ruck. Und trat vollends in das Atrium hinein. Als der Sklave bei der Decima ihn sah, warf er ihm einen flehenden Blick zu… den Álvaro mit einem Nicken beantwortete, während er näher kam. Erleichterung breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er die Decima so herum bugsierte, dass sie nun ihren Leibwächter ansah. Und dann war er auch schon verschwunden. Álvaro hätte am liebsten das Gesicht verzogen – er hatte vorgehabt zu helfen, nicht das Drama hier ganz alleine zu bestreiten, aber jetzt war es zu spät. Seine Miene jedenfalls blieb ruhig, während er endgültig zu der Betrunkenen trat. „Herrin…“
    „Wass?“ ranzte sie ihn aufgebracht an. „Du wills mich doch auch nua… nur… fesshaltn.“
    Als er hörte wie stark sie schon lallte, merkte wie unsicher ihre Bewegungen bereits waren, und ihren weingeschwängerten Atem roch, verzog Álvaro nun doch beinahe unmerklich das Gesicht. „Du wirst hier nicht festgehalten, Herrin“, versuchte er es zunächst mit Reden, wie bei Bran schon angekündigt. Auch wenn er wenig Hoffnung hatte, dass das funktionieren würde.
    „Ha haaA“, machte sie, und am Schluss wurde ihre Stimme schrill und überschlug sich fast. „Naü.. na.. nadürlich werdch dass! Das… hia… chwär doch nie freiwillch herekommn.“ Sie entdeckte den Weinbecher in ihrer Hand und setzte ihn an die Lippen, und bevor Álvaro sie daran hindern konnte, hatte sie ihn geleert. Rechts und links ihres Mundes rannen zwei dünne, rote Fäden Wein ihre Wangen hinab, und enttäuscht besah sie sich den nun leeren Becher. Dann streckte sie den Arm aus, nicht zu Álvaro, sondern ins Atrium hinein, und verlangte fordernd: „MEA!“ Dass niemand da war, der darauf hätte reagieren können – niemand außer Álvaro, aber den sprach sie offenkundig nicht an –, schien sie gar nicht zu bemerken. Und der Iberer überwand nun auch die letzte Distanz zwischen ihnen und drückte ihren Arm leicht hinunter, bevor er ihr den Becher entwand. Oder besser, zu entwinden versuchte, denn die Decima wollte ihn nicht loslassen. „Was? Ne. Neeeenenehehehe. Neiin, lass das, ssmains!“ Sie griff sogar mit beiden Händen nach dem Becher, und so gab er es für den Moment auf. War ohnehin niemand da, der ihrem Wunsch nachgekommen wäre. „Herrin… warum gehst du nicht in dein Cubiculum? Ruh dich aus. Du-“
    „Ich WILL nich aussrun! Ich will wech, ch will… will.. rausss!“
    „Morgen ist doch si-“
    „Sscchhwwwwachsinn morgn! Morgn nich, übamorgn nich, un am Tag danach au nich! Dassss… is so… UNGERECH! Warum hallet ihr mich alle fes?“ lamentierte sie. „Ihr ssseid MAIINNE Sklafn, ihr müsse.. müs.. müssdet tun was iiich sag!“
    „Herrin, wir sind hier zu deinem Schutz.“
    „Schwahsinn!“ tönte es erneut von ihr. „Wir sin hia wegn IHM. Wail er unnns her… her…“ Sie hickste, ohne den Satz zu beenden, aber es war auch so klar, was sie meinte. Und wen. Selbst wenn es nicht durch die bisherigen Geschehnisse klar gewesen wäre: mit er war in der Regel immer der Terentius gemeint. Er war ihr Mann, und deshalb wollte sie ihn wohl verständlicherweise weder mit seinem Gensnamen noch seinem Posten bezeichnen, wenn sie von ihm sprach… aber augenscheinlich tat sie sich immer noch schwer damit, den vertraulicheren Cognomen zu nutzen… oder gar den sehr vertraulichen Praenomen, wie sie es tat, wenn sie mit ihm zusammen war – auch wenn sie es selbst dann in der Regel vermied, ihn direkt anzusprechen. „Hat er“, bestätigte Álvaro ruhig. „Und das hat er getan, um dich zu schützen. Damit dir nichts passiert.“
    „Nein! Damid ich… ch abgeschnidn bin… vo. Vo. Von. Vo allm.“ Sie pfefferte den Becher durch die Gegend. „Er hamch geswungn su fliehn! Absuhaun, w… wie… wien Feigling! N räudiger Hun! Ich bbbin Desima. Desima fliehn nich! Aba er… hahad geswungen… wien räudiga Hund!“ Ihre Hand schnellte vor und fegte eine Vase von einem Tischchen in ihrer Nähe, die zum Glück – oder zum Pech, je nachdem aus welcher Perspektive man es betrachtete – groß genug war, dass sie sie auch tatsächlich traf. Mit einem lauten Klirren zerbarst das Stück auf dem Boden. „Aba jets is genuch! Jets… jes… gech!“ Und mit diesen Worten ging sie wieder Richtung Vestibulum, das hieß, sie torkelte vielmehr – und das auch nur zwei Schritte, bevor sie von Álvaro aufgehalten wurde. „La… la.. lassmchloss!“ fauchte sie wütend, und diesmal blieb es nicht bei lautstarkem Lamentieren, wie bei dem Sklaven zuvor – diesmal begann sie sich zu wehren. Álvaro hielt sie, versuchte gleichzeitig ihren Körper zu bändigen, der sich seinem Griff zu entwinden versuchte, ihre Hände einzufangen, mit denen sie auf ihn einschlug, und den Tritten ihrer Füße auszuweichen.
    Ein paar Momente lang ging das so. Dann hatte Álvaro genug. Mit einem Klatschen landete seine Hand auf ihrer Wange, heftig genug, dass ihr Kopf herumgerissen wurde – und ihre Gegenwehr sofort erlosch. Es war schwer zu sagen, wer in diesem Moment schockierter aussah: der Leibwächter oder die Herrin. Álvaro starrte die Decima an, und die starrte zurück – und er wartete nur darauf, dass sie anfing die ganze Villa zusammen zu brüllen.


    Was nicht geschah. Stattdessen kotzte sie ihm plötzlich vor die Füße.





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

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    Sie fiel auf die Knie, und ihr Körper wurde geschüttelt von den Würgkrämpfen, so heftig waren sie. Álvaro brauchte einen winzigen Moment, um seine Überraschung zu überwinden, dann war er mit einem Sprung an ihrer Seite. Legte den Arm um ihre für ihr sonst so sicheres Auftreten verblüffend schmalen Schultern. Strich ihr die Haare aus dem Gesicht und hielt ihren Kopf, während sie weiter würgte und alles erbrach, was in ihrem Magen war, bis nur noch Galle hochkam – und selbst dann hörte ihr Körper noch nicht auf zu rebellieren, nicht nur gegen den Alkohol, sondern ganz allgemein gegen das, was sie ihm in den letzten Tagen zugemutet hatte.
    Als der Würgreiz endlich nachließ, sackte die Decima komplett in sich zusammen und wäre wohl zur Seite gekippt, wenn Álvaro sie nicht gehalten hätte. Stattdessen sackte sie also gegen seine Brust… und begann zu weinen. Zu weinen, wie er noch nie einen Menschen zuvor weinen gehört hatte, so einsam, so verzweifelt, dass es unmöglich vom Alkohol kommen konnte. Der war vielleicht das gewesen, was auch die letzte Barriere weggefegt hatte… aber keinesfalls der Auslöser. Nicht für das hier. Und in diesem Augenblick, als er das herzzerreißende Schluchzen seiner Herrin hörte und ihr Körper unter seinen Händen schon wieder von Krämpfen, diesmal Heulkrämpfen, geschüttelt wurde, begann Álvaro zum ersten Mal, seit er in Rom angekommen war, zu begreifen, dass seine Schwester Recht gehabt hatte. Die Decima brauchte jemanden. Jemand, der für sie da war. Auch wenn das verdammt schwer war, weil sie niemanden an sich heranließ… wenn sie nicht gerade wie jetzt sämtliche ihrer Schutzmauern selbst weggerissen hatte.


    Álvaro wartete… ignorierte dabei das Erbrochene neben ihnen, ignorierte Feuchtigkeit, die sich auf seiner Kleidung ausbreitete, wo die Decima in den Stoff hinein heulte, und ignorierte erneut diese leise Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte, dass ihn das hier eigentlich nichts anging. Kein Wort kam dabei über seine Lippen. Er hielt sie einfach nur in den Armen und wartete, bis das Schluchzen irgendwann nachließ. Auch dann sagte er allerdings nichts. Er stand nur auf und nahm sie noch in derselben flüssigen Bewegung auf seine Arme, um sie anschließend aus dem Atrium hinaus zu tragen.
    Sein erstes Ziel war das Balneum, und dort, den Göttern sei Dank, war jemand. Im Atrium hatte sich kein Sklave offen blicken lassen – was nicht hieß, dass keiner dort gewesen war, darüber war sich Álvaro im Klaren. Er war sich ziemlich sicher, dass der ein oder andere einen Blick riskiert hatte, aber zu helfen hatte da keiner für nötig gehalten… Nysa, die Haushälterin jedoch hatte die Zeit offenbar genutzt, das Balneum entsprechend vorzubereiten. Das Bad selbst war nicht gefüllt, aber der Raum war warm, und sie hatte eine große Schale warmen Wassers vorbereitet sowie eine Liege, auf der Álvaro die Decima nun ablegte, die mittlerweile keinen Laut mehr von sich gab, sondern nur teilnahmslos vor sich hinstarrte… so teilnahmslos, das er sich fast schon wieder Sorgen machte.
    „Danke“, murmelte er Nysa zu. „Bisher war noch keiner da, um zu helfen…“
    Nysa deutete ein Kopfschütteln an. „Ich hab alle fortgeschickt. Hat dir eh keiner helfen können da… und wer nichts tun kann, muss auch nicht da stehen und gaffen.“
    Ein wenig überrascht musterte Álvaro sie kurz, überrascht deshalb, weil sie tatsächlich so weit mitgedacht hatte. Dann nickte er nur und trat von der Liege ein wenig zurück, und Nysa übernahm das weitere Kommando. Er half ihr, die Decima auszuziehen, aber als sie begann, ihre Herrin mit einem weichen Schwamm zu waschen, stand er etwas hilflos daneben. „Los, geh dir auch was anderes anziehen“, meinte sie nach einem Moment – und einem kurzen Blick auf seine Kleidung, die durchaus den ein oder anderen Spritzer abbekommen hatte. Und Álvaro gehorchte.
    Als er wieder kam, war Nysa beinahe fertig. Die Decima trug jetzt wieder eine Tunika, eine leichte, die zum Schlafen geeignet war – und lag, wie Álvaro besorgt feststellte, immer noch teilnahmslos da. Nysa indes achtete darauf nicht, oder wenn sie es tat und sie sich auch Gedanken machte, dann ließ sie sich nichts anmerken. „Bring sie in ihr Zimmer, damit sie ihren Rausch ausschlafen kann.“
    Álvaro nickte nur, hob die Decima wieder hoch und trug sie wie geheißen in das Cubiculum, das sie hier bezogen hatte. Behutsam legte er sie dort in ihr Bett und deckte sie zu, und für einen Moment blieb er dann neben ihr stehen, unschlüssig, was er tun sollte. Sie rührte sich immer noch nicht. Starrte immer noch blicklos ins Leere. Endlose Momente blieb Álvaro so stehen, und dann, schließlich, als sich nichts änderte, wandte er sich ab, um zu gehen. Und blieb nach nur einem Schritt schon wieder stehen und drehte sich um, weil er die Decima etwas murmeln gehört hatte. „Herrin?“ fragte er nach, nicht ganz sicher ob es nur Einbildung gewesen war – aber beim Klang seiner Stimme bewegte sie sich nun endlich wieder aus eigenem Antrieb, drehte den Kopf und sah ihn an, aus Augen, die wieder feucht waren. „Lass mich nich allein“, wisperte sie. Das anschließende „Bitte“ hätte es gar nicht mehr gebraucht, um deutlich zu machen, dass das kein Befehl war. Und diesmal zögerte Álvaro nur einen winzigen Augenblick, bevor er sich zu ihr setzte, sich ans Kopfteil des Betts lehnte und seinen Arm hinter ihrem Kopf ablegte, so dass seine Hand auf ihrer anderen Schulter zu ruhen kam. Einen Moment lang rührte sich die Decima nicht… dann drehte sie sich, wandte sich ihm zu, legte ihre Stirn an seine Seite, so dass ihr Kopf unter seinem Arm geborgen war, und zog die Knie an ihren Körper. Ihre linke Hand krallte sich in den Stoff über seinem Bauch, und Álvaro fühlte sich beinahe an den verzweifelten Griff eines Ertrinkenden erinnert, der sich an einen letzten Strohhalm klammert. Und so blieb sie liegen, bis ihr Atem irgendwann verriet, dass sie eingeschlafen war.





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

  • Als Seiana erwachte, kreiste ihr Bewusstsein nur um zwei Dinge: zum einen die fast schon penetrante Helligkeit, die durch ihre noch geschlossenen Lider drang – zum anderen die mörderischen Schmerzen, die durch ihren Kopf dröhnten. Mit einem Stöhnen zwang sie sich, ihre Augen zu öffnen, und verzog das Gesicht, als das Licht sie blendete, das durch die halb geöffneten Vorhänge drang. Sie schloss die Lider wieder, legte sogar schützend eine Hand über Gesicht, um die Augen vor der Helligkeit abzuschirmen, und versuchte so etwas wie Sinn in ihre Gedanken zu bringen. Was sich als gar nicht so einfach erwies – die übliche Schläfrigkeit am Morgen legte Seiana immer schnell ab, sie war Frühaufsteherin, das fiel ihr leicht… diesmal allerdings war da mehr. Kopfschmerzen. Und auch ihr restlicher Körper fühlte sich alles anderes als erholt an. Dazu dieser bittere, pelzige Geschmack in ihrem Mund... Sie unterdrückte ein erneutes Stöhnen. Die letzten Tage war das Aufwachen auch nicht sonderlich angenehm gewesen, aber heute war es doch noch mal um einiges schlimmer als sonst, und sie fragte sich wieso.


    Diese Frage stellte sie sich tatsächlich noch einige Augenblicke lang, bis sich ihr Bewusstsein mehr und mehr aus den Fängen des Schlafs befreite. Dann traf die Erinnerung sie wie ein Schlag. Sie stöhnte ein weiteres Mal auf. Nein. Neineinein. Sie hatte sich am vorigen Abend nicht derart gehen lassen. Das... nein. Nein!
    Aber so sehr sie sich das auch einzureden versuchte: es führte kein Weg daran vorbei sich einzugestehen, dass sie am Abend zuvor wohl... jenseits von Gut und Böse gewesen war. Nach und nach fielen ihr Details ein, die eine eindeutige Sprache sprachen... aber wirklich erschreckend waren die verschwommenen Flecken dazwischen, wo sie Mühe hatte sich zu erinnern, was da gewesen war. Götter... wie hatte sie es nur so weit kommen lassen. Wie hatte sie sich nur derart gehen lassen können. Langsam öffnete sie wieder die Augen, weit vorsichtiger diesmal, und blinzelnd stellte sie fest, dass es so hell gar nicht war. Der Ausschnitt des Himmels, den sie sehen konnte, zeigte das gleiche trübe Bild wie in den vergangenen Tagen: ein trostloses grau in grau, ziemlich genau so, wie sie sich fühlte. Sie setzte sich etwas auf in ihrem Bett und verzog leicht das Gesicht, als die plötzliche Bewegung das bislang heftige, aber dumpfe Dröhnen in ihrem Kopf zu einem stechenden Schmerz anwachsen ließ – und dann fiel ihr noch ein weiteres Detail auf. Ein nicht ganz unwesentliches Detail. Álvaro saß in einem Sessel am Fenster. Und auf einmal schämte sich Seiana noch viel mehr als gerade eben noch, als ihr bewusst wurde, dass er alles mitbekommen hatte. Alles. Und die anderen Sklaven auf dem Landgut vermutlich auch eine ganze Menge.
    Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ihr wollte nichts einfallen. Als Álvaro, der bislang dezent aus dem Fenster geblickt und ihr Zeit gegeben hatte aufzuwachen, nun jedoch merkte, dass sie ihn ansah ohne etwas zu sagen, ergriff er als erster das Wort. „Guten Morgen, Herrin.“
    Seiana setzte zu seiner Antwort an, aber ihre Stimme gehorchte ihr irgendwie noch nicht ganz, und sie musste sich erst räuspern, bevor sie rau etwas sagen konnte. „Ist es überhaupt Morgen?“
    Álvaro warf einen weiteren kurzen Blick nach draußen. „Später Vormittag“, antwortete er dann. „Möchtest du etwas zu essen, Herrin?“
    Bloß nicht, dachte sie. „Gerne“, war ihre Antwort. Weil es höflicher war... und weil es ihr Zeit verschaffen würde, Zeit allein, die sie brauchte um in ihre Gedanken zu bringen. Álvaro in jedem Fall nickte nur stumm, erhob sich und verließ den Raum.

  • Als Álvaro gegangen war, ließ Seiana sich zunächst zurück sinken in die Kissen und schloss wieder die Lider. Langsam hob sie eine Hand und legte sie sich über ihre Stirn, über die geschlossenen Augen, versuchte so, zusätzlich die Helligkeit auszuschließen. Wenn nur ihr Kopf nicht so dröhnen würde... Die ganzen letzten Tage schienen irgendwie zu verschwimmen unter einem schmerzhaften Nebel, der ihre Gedanken zäh und träge machte. Sie war so... frustriert gewesen, frustriert und enttäuscht und... zurückgesetzt. Sie wusste, dass ihr Mann sie nicht fortgeschickt hatte, weil er ihr schaden wollte, ganz im Gegenteil. Aber es änderte nichts daran, dass sie nicht hier sein wollte. Es ging gar nicht so sehr um Rom selbst. Es war nur... sie hatte hier nichts zu tun. Keine Beschäftigung. Und das bekam ihr ganz und gar nicht gut. Sie war noch nie jemand gewesen, der Müßiggang gut gefunden hätte, und im Lauf der Jahre war sie mehr und mehr dazu übergegangen, sich in Arbeit zu vergraben – zum Teil, weil es ihr gefiel, weil sie es gerne machte... und sie hasste es überdies, sich nutzlos zu fühlen.
    Zum Teil hatte sie sich aber auch begonnen sich mehr und mehr Arbeit anzuschaffen, weil es ihr half. Half, einiges zu verdrängen. Sich nicht mit gewissen Dingen beschäftigen zu müssen, mit denen sie sich nicht beschäftigen wollte. Es hatte ihr geholfen nachdem Faustus abgehauen war. Es hatte ihr geholfen während der Krankheit ihrer Mutter... und nach ihrem Tod. Es hatte ihr geholfen als Aelius Archias ihr so übel mitgespielt hatte. Und es hatte ihr geholfen nach der Sache mit dem Sicinius. Tagsüber, wenigstens. Wenn sie arbeitete, hatte sie nur selten jene Momente, in denen Erinnerung sie gefangen nahm – nur des Nachts suchten sie nach wie vor regelmäßig Träume heim, Träume unterschiedlichster Art, die jedoch selten angenehm waren.


    In jedem Fall: Arbeit half ihr. Mehr noch, sie brauchte Arbeit, brauchte sinnvolle Beschäftigung, weil sie sonst... all die Gedanken, die Grübeleien, die Erinnerungen nicht mehr verdrängen konnte. Und hier, auf dem Landgut in den Albaner Bergen, hatte sie begonnen zu spüren, wie sehr sie ihre Arbeit brauchte. Sie langweilte sich nicht einfach nur hier... Langeweile war nicht angenehm, wäre aber noch erträglich gewesen. Was ihr die Zeit hier so schwer machte war die Tatsache, dass sie nur wenig fand, was ihr half die Schwere und Düsternis in Schach zu halten. Und so waren die letzten Tage waren stets gleich verlaufen: sie war aufgestanden, hatte sich eine Beschäftigung gesucht, irgendeine, die sie genug forderte, hatte eine Runde über das Landgut gemacht, Vorräte geprüft, mit dem Anführer der Männer gesprochen, die das Gut schützten, mit den Verantwortlichen unter den Sklaven und Angestellten... aber jeden Tag war sie irgendwann an den Punkt gekommen, an dem es nichts mehr gab – nichts Sinnvolles mehr, hieß das. Und jeden Tag gab es weniger zu besprechen, weniger, um das sie sich kümmern konnte, weil es da um Dinge ging, um die man sich einfach nicht jeden Tag kümmern musste, und ohnehin wussten hier alle Bescheid, was zu tun war, weil die Sklaven und Angestellten ja häufiger alleine hier waren... weshalb dieser bestimmte Punkt immer früher kam. Und wenn er gekommen war... kamen auch die Bilder. Sie verlor sich in Gedanken und Erinnerungen, mit denen sie sich noch nie auseinander gesetzt hatte, nie wirklich, nie so, dass es auch nur annähernd als abgeschlossen hätte bezeichnet werden können. Oh, sie tat so, als ginge sie all das nichts mehr an, als berühre sie nichts davon, und sie war gut darin. Sie verkroch sich hinter einer distanzierten und kühlen Fassade, äußerlich wie innerlich, und wann immer die zerklüftete Landschaft ihres Inneren ihr Probleme machen wollte, stürzte sie sich umso mehr in Arbeit. Aber hier, wo ihr dieses Mittel fehlte, da... hatte sie zunehmend das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen, während all ihre Fehler, ihre Schwächen, ihre Misserfolge sie überfluteten. Und von diesem Moment an dauerte es nicht mehr lange, bis sie zum Alkohol gegriffen hatte.


    Schon nach der Sache mit Aelius Archias hatte sie entdeckt, dass Alkohol... helfen konnte. Wenn da nur nicht die Nebenwirkungen wären. Die allgemein schlechte Konstitution am Tag danach. Und die... mangelnde Selbstbeherrschung sowie die Unfähigkeit, Grenzen noch zu erkennen und die Situation sowie die eigene Reaktion richtig einzuschätzen. Und dieses Mal hatte sie es eindeutig zu weit getrieben. So etwas hätte ihr nicht passieren dürfen, sie hätte sich nie, niemals, so gehen lassen dürfen. Ganz gleich wie schwer es ihr fallen mochte, sich selbst zu ertragen in ihrer Untätigkeit – sie musste es. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig. Denn so weiter zu machen wie in den vergangenen Tagen war ausgeschlossen. Sie musste sich daran erinnern wer sie war – Decima, Auctrix, und jetzt auch Frau des Praefectus Praetorio. Selbstbeherrschung war unabdingbar.

  • Einmal an diesem Punkt angekommen in ihren Gedanken, war auch klar, dass sie nicht länger einfach so liegen bleiben konnte – obwohl sie sich elend genug dazu fühlte, genau das zu tun. Aber ihr Vorsatz sich von jetzt an wieder zusammenzureißen stünde unter keinem guten Licht, wenn sie dessen Umsetzung damit begann, erst mal im Bett zu bleiben, um ihren Kater auszukurieren. Sie richtete sich also ein weiteres Mal auf, diesmal komplett, und schwang die Beine aus dem Bett heraus zu Boden. Und blieb dann erst mal sitzen, während sie darauf wartete, dass die durch die Bewegung erneut rasant gestiegenen Kopfschmerzen wieder ein wenig abklangen. Sie stützte ihre Ellbogen auf den Knien auf und legte ihr Gesicht in die Hände. Die Schmerzen in ihrem Schädel, die Schwäche in ihrem ganzen Körper... und dazu dieser widerliche Geschmack in ihrem Mund. Himmel, war das furchtbar...


    Sie blieb eine ganze Weile so sitzen, oder besser: es kam ihr so vor, als ob es eine ganze Weile war. Ganz sicher war sie sich allerdings nicht, wie sehr sie ihrem Zeitgefühl im Augenblick trauen konnte... und als irgendwann Álvaro wieder herein kam, mit einem Tablett in der Hand, wurde ihr klar, dass es gar so lange nicht gewesen sein konnte. Der Leibwächter war zuverlässig, in allem was er tat. Sie bezweifelte, dass er lang gebraucht hatte um etwas zu essen zu organisieren. „Danke...“ sagte sie leise, in seiner Gegenwart schon wieder verlegen. „Stell es einfach da hin.“ Sie nickte zu dem Tisch hinüber, der in einem Eck platziert war.
    Álvaro gehorchte, blieb danach allerdings nicht stehen oder machte Anstalten, sich zurückzuziehen, sondern nahm stattdessen den Becher vom Tablett und kam zu ihr, um ihn ihr in die Hand zu drücken. Als Seiana daran schnupperte, stellte sie fest, dass es irgendein Kräuterzeug war... und wenn sie sich nicht irrte, enthielt das Gebräu auch Posca. Was da noch drin war, wollte sie lieber gar nicht wissen, entschied sie.
    „Trink das. Es hilft“, meinte der Iberer zu ihr.
    „Danke“, murmelte sie erneut, bevor sie einen kräftigen Schluck nahm – und noch während des Trinkens das Gesicht verzog. Das Zeug schmeckte grausig... aber immerhin spülte es den Geschmack in ihrem Mund weg. Álvaro wartete mit undurchdringlicher Miene, bis sie noch einen Schluck genommen hatte, dann erst ging er ein paar Schritte zur Tür. „Wenn du etwas brauchst, Herrin, ruf nach mir.“
    Seiana zögerte einen Moment, aber bevor Álvaro den Raum verlassen konnte, hielt sie ihn mit leiser Stimme auf. „Warte.“
    Der Iberer drehte sich um zu ihr, und immer noch konnte sie in seinem Gesicht nicht lesen, was er wohl gerade denken mochte. „Ich...“ Seiana zögerte, drehte den Becher in ihren Fingern, holte Luft und setzte dann erneut an, in noch leiserem Tonfall als zuvor: „Es tut mir leid, Álvaro.“ Jetzt konnte sie auf seinem Gesicht eine Regung erkennen... und wenn sie nicht alles täuschte, dann war ihm das, was sie jetzt sagte, fast so unangenehm wie ihr. Aber er hatte eine Entschuldigung verdient. Sie hatte auch als Herrin eine Verantwortung, und dazu gehörte in ihren Augen auch, ihren Sklaven nicht derartige Dinge zuzumuten. „Ich hätte mich nicht so gehen lassen dürfen, das war... unangebracht. Es tut mir leid. Und ich danke dir, dass du dich... gekümmert hast.“
    Nach diesem Satz wurde offensichtlich, dass es Álvaro unangenehm war. Ganz leicht pressten sich seine Lippen aufeinander, bevor sie sich öffneten und er etwas erwiderte. „Nicht der Rede wert, Herrin.“
    Seiana hätte darauf nun noch einiges sagen können, hätte sagen können, dass es eben doch der Rede wert war, und ausführen können warum... aber sie ließ es. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut – und davon abgesehen war er ein Sklave. Ein loyaler Sklave und hervorragender Leibwächter, dazu der Bruder ihrer ehemaligen Leibsklavin und besten Freundin, und auch wenn er nicht so direkt im Kreis der decimischen Geschwistern gewesen war wie Elena, war doch auch er mit ihr aufgewachsen... weswegen er auch diese Entschuldigung verdient hatte. Aber dennoch: ein Sklave. Selbst wenn ihm die Situation gerade nicht unangenehm gewesen wäre, wäre es kaum angebracht gewesen, wenn sie als Herrin noch mehr gesagt hätte. Und so nickte sie nur und schnitt ein anderes Thema an: „Sorg bitte dafür, dass das... gestern... unter uns bleibt.“ Die meisten Sklaven waren ohnehin von hier und würden kaum Gelegenheit haben zu tratschen, aber trotzdem wollte Seiana, dass allen klar war, dass sie den Mund zu halten hatten.
    „Ich kümmere mich darum, Herrin“, nickte Álvaro, und Seiana schloss ganz kurz die Augen, während sie die Götter anflehte, dass tatsächlich niemand tratschen würde. Nicht auszudenken, wenn ihr Mann davon erfuhr, wie sie sich in den letzten Tagen hatte gehen lassen. „Du kannst gehen, Álvaro“, sagte sie dann, als sie die Augen wieder öffnete – und wies nach einem winzigen Moment noch auf die Weinkaraffe, die in ihrem Raum bereit stand. „Nimm das da mit.“ Der Iberer erwiderte auf diese Worte nichts mehr, neigte nur leicht den Kopf, nahm die Karaffe an sich und verließ dann ihr Cubiculum. Und Seiana blieb zunächst weiterhin so sitzen, wie sie war, beachtete das Essen nicht, das bereit gestellt war, trank dafür aber in langsamen Zügen das Kräutergetränk leer, das ihr Leibwächter ihr gebracht hatte.

  • Die Ausgangssperre in Roma war nun schon einige Tage in Kraft, und Seneca hatte alle Hände voll zutun. Umso erfreuter war er, als er von seinem obersten Befehlshaber, dem Praefectus Praetorio, einen kleinen "Spezialauftrag" bekam*, welche ihm eine kleine Verschnaufpause verschaffte.
    Warum ausgerechnet er ausgewählt worden war, wusste er nicht. Vielleicht lagen immernoch die Unterlagen von seiner Beförderung zum Optio auf dem Schreibtisch des Präfekten, und er hatte sich einfach den nächstbesten Namen herausgepickt, vielleicht kannte der Mann ihn auch wirklich, schließlich hatte Seneca schon ein paar Missionen unter der direkten Führung des Präfekten ausgeführt, wie zum Beispiel die Durchsuchung der Acta Diurna. Dazu kamen noch diverse gesellschaftliche Ereignisse, es war einfach viel zu viel um sich weitere Gedanken darüber zu machen, und so nahm Seneca es einfach als gegeben hin, sattelte ein Pferd, und nahm Kurs auf den Landsitz der Decimer.


    Dort angekommen, durstig, der Wasserschlauch war schon auf halber Strecke leer gewesen, klopfte er sich den Staub aus seiner Kleidung, und band sein Pferd fest neben ein paar Bewuchsstellen, vorläufig, sicherlich würden sich die Bediensteten des Hauses um den Gaul kümmern, aber damit sie es überhaupt konnten, musste Seneca erstmal seine Präsenz kundtun, was er auch gleich tat, indem er ein paar kräftig gegen die Pforte donnerte, und anschließend wieder einen Schritt zurück lief.


    Sim-Off:

    *Abgesprochen

  • [Blockierte Grafik: http://img209.imageshack.us/img209/2221/bran.png]


    Von den Veteranen, die das Landgut der Decimer beschützten, war bereits gemeldet worden, dass ein Besucher kam – da jener allerdings eindeutig Prätorianer war, hatten sie ihn nicht aufgehalten. Trotzdem war es nicht irgendein Sklave, der dem Mann öffnete, sondern Bran, einer der Leibwächter der Decima. Und er öffnete zwar die Tür, aber er öffnete sie wohlweislich so, dass es für den Soldaten davor keine Möglichkeit gab, sich ungewollt an ihm vorbei zu drängen. Er räusperte sich, zog ein wenig Rotz hoch und spuckte aus – deutlich genug am Schwarzrock vorbei, dass es diesen verfehlte, aber nicht so weit, dass klar war ob das nun Absicht war... oder Versehen. „Was gibt’s?“





    CUSTOS CORPORIS - DECIMA SEIANA

  • Seneca blickte neben sich auf den Boden, und musste sich zurückhalten um nicht direkt auf den Kerl loszugehen, er hatte bei den Prätorianern einige Tricks gelernt, aber er war ja nun Offizier, und konnte sich keine ausartende Schlägerei plus Körperverletzung mit dem Sklaven der Frau seines Oberbefehlshabers leisten.


    "Optio Aulus Iunius Seneca, der Praefectus Praetorio schickt mich um seine Frau zu kontaktieren, und um nach dem rechten zu sehen.", sagte er zähneknirschend, während sich seine zur Faust geballte linke Hand wieder entspannte..

  • [Blockierte Grafik: http://img209.imageshack.us/img209/2221/bran.png]


    Bran bemerkte, dass der Kerl sich anspannte, sah wie sich eine Hand zur Faust ballte, und auch er spannte sich an. Er war nicht umsonst sein halbes Leben lang Gladiator gewesen. Und er freute sich auf eine deftige Prügelei – die Decima war nicht die einzige, der hier langweilig war... Zu seiner Enttäuschung allerdings hatte der Soldat sich im Griff, und lieferte nicht nur eine einwandfreie Meldung ab, sondern gleich auch noch mindestens einen Grund, der Bran davon abhielt, doch noch Streit vom Zaun zu brechen: er kam vom Mann der Herrin. Besser, sich zusammenzureißen, entschied er.


    Mit einem Achselzucken stieß Bran also die Tür auf und machte eine Kopfbewegung, die mit etwas gutem Willen sogar als einladend bezeichnet werden konnte, und ging dann voraus ins Atrium. „Warte hier, ich hol sie gleich.“


    ~~~



    Es dauerte nicht lange bis Seiana auftauchte. Ihr Absturz lag mittlerweile immerhin einen Tag zurück – was hieß, sie sah bei weitem nicht mehr so furchtbar aus wie noch einen Tag davor. Ihre Erscheinung war wie üblich, schlicht, elegant, bis ins letzte Detail abgestimmt, und sie war stocknüchtern – aber weder das noch die dezente Schminke in ihrem Gesicht oder das höfliche Lächeln konnte nicht überdecken, dass sie übernächtigt wirkte und ihr Gesicht schmal war, beinahe hohlwangig.


    „Iunius“, begrüßte sie ihn. Sie winkte einem Sklaven, der sie begleitet hatte, dem Soldaten etwas zu trinken anzubieten, was dieser auch geflissentlich tat. „Es freut mich, dich wieder zu sehen. Was führt dich hierher?“

  • Seneca blickte dem Sklaven noch so lange grimmig hinterher, bis dieser aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Bevor die Decima an die Pforte kam, klopfte sich Seneca nochmals grob den Staub von der Kleidung und fuhr sich kurz durch's Haar, schließlich wollte er einer Dame nicht ganz so kaputt gegenübertreten.


    Als sie dann an die Pforte kam, erhellte sich Seneca's Mine sichtlich. Er hatte ihr Gespräch damals auf dem Markt nicht vergessen, und auch nicht, was die Decima für ihn getan hatte, auch wenn er den Ausgang der ganzen Situation nicht vorhergesehen hatte.
    Dankbar nahm Seneca das Angebot eines Getränks entgegen, und konzentrierte sich dann auf die Decima, und auf die Frage wie er denn "Dein Mann will sehen was du hier so treibst.", charmanter ausdrücken könnte.


    "Salve Decima, die Freude ist ganz meinerseits.", erwiderte ihr Seneca mit einem Lächeln, welches doch durch die vielen Außeneinsätze der letzten Tage in Misenum, und in und um Rom, etwas erschöpft wirkte. Aber auch Seiana sah nicht so ganz auf der Höhe aus, auch wenn Seneca das natürlich niemals erwähnen würde, und deshalb einfach fortfuhr..


    "Dein Ehemann macht sich Sorgen, er ist allerdings gerade in Rom nicht wegzudenken, weshalb er mich beauftragt hat mal nach dem Rechten zu sehen.", der Iunier hätte es eventuell noch besser ausdrücken können, und eventuell auch so, dass es nicht so aussieht, als würde er in Rom nicht gebraucht, aber spontan konnte er nichts herzaubern, und beließ ist bei dieser Aussage.

  • Der Iunier sah auch nicht sonderlich auf der Höhe aus – aber bei ihm fand Seiana das absolut verständlich. Sie konnte sich vorstellen, dass die Prätorianer in der augenblicklichen Lage viel zu tun hatten. Umso weniger wusste sie, was sie davon halten sollte, dass ihr Mann ihr einen seiner Leute hinterher schickte. Es überraschte sie ein wenig, und... nun ja. Sollte sie sich davon geschmeichelt fühlen, weil er sich um ihre Sicherheit sorgte? Oder überwacht, weil er ihr einen Spürhund hinterher schickte, der kontrollierte was sie tat?


    „Hat er das? Ich hoffe, dass deine Kameraden in Rom auf dich verzichten können.“ Sie lächelte leicht und verbarg ihre Gedanken bezüglich ihres Mannes. Der Iunius konnte am wenigsten dafür, und darüber hinaus konnte sie nicht leugnen, dass sie froh war, etwas Ablenkung zu haben. Sie überlegte für einen Moment, entschloss sich dann aber, dass es das Höflichste war, ihm erst mal Erfrischung und eine Stärkung anzubieten. Er hatte den Weg von Rom hinter sich, er war ein Bote ihres Mannes, er bedeutete Ablenkung, und was vielleicht das Wichtigste war: aus irgendeinem Grund mochte sie ihn. Er hatte, zumindest auf den jetzigen ersten Eindruck hin, nicht mehr wirklich etwas von dem verlegenen, etwas unbeholfenen Mann, den sie damals auf dem Markt getroffen hatte... aber seine zurückhaltende Art schien ihm geblieben zu sein, die etwas Beruhigendes an sich hatte. „Du hast sicher einen anstrengenden Ritt hinter dir. Möchtest du dich etwas erfrischen? Ich könnte unterdessen etwas zu essen herrichten lassen.“

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