Seiana ließ sich auf ihr Bett fallen, als sie in das Zimmer kam, während Elena in einen der Sessel am Fenster sank. Der Raum hatte, obwohl voll möbliert, diesen unbestimmbaren Hauch der Leere an sich, wie alle Räume, die längere Zeit unbewohnt gewesen waren, aber Seiana störte das im Moment nicht. Ohnehin würde sie das bald ändern, und für den Augenblick reichte es ihr, einfach nur angekommen zu sein. Sie war nicht allzu lange in Rom gewesen, nachdem sie aus Tarraco abgereist war, aber trotzdem hatte Rom damals Aufbruch für sie bedeutet, etwas Neues, etwas Aufregendes… Nach Rom zu gehen hatte sich einfach gut angefühlt, und etwas von dieser Stimmung machte sich auch jetzt wieder bemerkbar, obwohl dieses Zimmer, dieses Haus, diese Stadt für sie nicht dasselbe bedeutete wie es Tarraco tat. Aber die Erinnerungen an Hispania waren getrübt, und Seiana bezweifelte, dass es ihr sonderlich gut tun würde, dorthin zu reisen.
Entschlossen schob sie die Gedanken fort, wollte sie doch jetzt nicht schon wieder anfangen zu grübeln, und als hätten die Götter ihren Entschluss gehört und beschlossen, sie zu unterstützen, kamen gleich darauf einige Sklaven herein, die ihr Gepäck brachten. Seiana setzte sich auf und bedeutete ihnen, die Kisten einfach abzustellen und wieder zu verschwinden. Auszupacken, darauf hatte sie jetzt auch keine große Lust, stellte sie fest, und so blieb sie sitzen und starrte nur versonnen in den Raum, während Elena den Kopf zurückgelegt und die Augen geschlossen hatte. In diesem Augenblick klopfte es. Und noch bevor Seiana oder Elena reagieren konnten, wurde die Tür auch schon aufgerissen und Serapio stürmte herein. Mit einem Satz, von dem sie noch vor wenigen Momenten nicht geglaubt hätte, dass sie dazu in der Lage wäre, war sie auf den Beinen und sprang ihrem Bruder entgegen, ohne darauf zu achten, dass sie mit dem Fuß irgendwo dagegen knallte. „Faustus!“ Mit diesem Ausruf fiel sie ihm kurzerhand um den Hals und drückte ihn an sich. „Götter bin ich froh dich endlich wieder zu sehen…“ Ausgerechnet jetzt, wo sie hier war, wo es gar keinen Sinn mehr hatte, wurde ihre Kehle eng. Beinahe wütend auf sich selbst löste sie sich etwas von Faustus und sah zu, wie Elena und er sich begrüßten, die vergnügt grinsend die Umarmung erwiderte. „Ja, im Vergleich zu uns siehst du bald aus wie einer von denen aus dem Norden“, konterte sie, dann warf sie einen kurzen Blick zu Seiana. „Ich werd mich mal zurückziehen, wenn das in Ordnung ist. Bin ziemlich müde.“ Seiana lächelte ihr zu und nickte nur. Sie war sich sicher, dass Elena zwar tatsächlich müde war, aber auch deshalb ging, weil sie wusste, dass Seiana mit ihrem Bruder allein sein wollte – und kaum hatte sie das Zimmer verlassen, umarmte sie Faustus ein weiteres Mal, immer noch ohne eine seiner Fragen beantwortet zu haben. „Ich war zu lange weg“, murmelte sie.