Nachdem Seiana mit Albinus und Dexter gesprochen und alles so weit geklärt hatte, ging sie ihre Unterlagen weiter durch... und beschloss, gleich mit dem nächsten Decimer zu sprechen. Wenn sie schon dabei war, konnte sie sich auch um alles kümmern, dann war zumindest dieser Part erledigt. Sie schickte also wieder einen Sklaven los, diesmal um Casca zu holen.
Decima Seiana
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- Cubiculum
- Maximus Decimus Meridius
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Eigentlich war ich kein unordentlicher Mensch. Und eigentlich war ich auch kein Mensch, der zum Unmaß neigte. Ich konnte mir selbst nicht erklären, wie die Inhalte diverser Becher des lieblich roten Getränks in meinen Magen gelangt waren. So zügellos! Ich ärgerte mich und schritt mit einer Hand auf meiner befleckten Brust so zügig aus, wie ich es unter den Umständen vermochte. Dabei durchkreuzte ich das Atrium und einen kleinen Flur, ehe ich vor den Räumlichkeiten von Decima Seiana angekommen war und das Türblatt mit einem stieren Blick fixierte. Mein Schluckauf hatte nicht nachgelassen und ich war froh, dass mich bis auf ein paar seltsam dreinblickende Sklaven niemand gesehen hatte. Dennoch. Der Höhepunkt stand noch bevor. Ich straffte meine Haltung, strich mir noch einmal durch das etwas länger gewordene Haar und überlegte flüchtig, was - bei allen Fluten des Styx – ich für eine Entschuldigung hätte, mich derartig gehen zu lassen.
Ich hob meine weinschwere Hand und klopfte an. Wahrscheinlich deutlich zu leise und ich entschloss mich, die Tür einfach zu öffnen. Mein Kopf schob sich durch den entstandenen Spalt. Seiana saß am Tisch und blätterte in diversen Unterlagen, also räusperte ich mich und öffnete die Tür ein wenig weiter.
“Verzeih mein Ein...*hick*...dringen, aber ich … *hick..... wäre dann...da!“
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Etwas überrumpelt saß Caius vor dem Schreibtisch seiner Tante und blickte auf die Unterlagen, die allerlei Informationen zu den beiden Betrieben enthielten, die sie den beiden Brüdern gerade anbot.
Den Gemüsehof hatte er bereits im Sommer diesen Jahres einmal besucht, während er sich gerade um die Leitung der Pferdezucht seines Vaters gekümmert hatte. Daher hatte er bereits ein grobes Bild der gesamten Anlage im Kopf, welche wahrlich riesig war, dass es keine schlechte Idee war, dass die Beiden diesen zusammen verwalten würden. Doch über die Schneiderei hatte er bisher noch keinerlei Wissen, weshalb er auch direkt zu den Unterlagen der Schneiderei griff und diese schonmal grob durchflog.Mit einem kleinen Seitenblick taxierte er Albinus, um eine Ahnung davon zuerhalten, wie er diese Sache aufgenommen hatte. Einen Hof mit seinem kleinen Bruder zu teilen und dann auch noch mit anzusehen wie dieser einen weiteren Betrieb zugesprochen bekam. Doch Dexter konnte nichts aussagekräftiges erkennen, weshalb er dann weiter die Unterlagen studierte und dabei auf eine Reaktion seines Bruders wartete. Weshalb er auch noch kein Wort zu dem Angebot gesagt hatte. Alles in Allem könnte Dexter sich aber schon vorstellen die beiden Betriebe zu leiten, bzw. mitzuleiten, denn er hatte durch die Schmiede, sowie die Erzmine in Genua bereits einige Erfahrung sammeln können, weshalb er sich diese weitere Aufgabe zutrauen würde.
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Albinus nahm Seianas Ausführungen leicht überrascht aber doch ziemlich gefasst zur Kenntnis. Es war kein Wunder, dass sein Bruder dabei bevorzugt wurde, schließlich war er von ihnen beiden besser für die Verwaltung von Betrieben geeignet und Albinus war immerhin schon, wie Seiana zurecht erwähnte, in der Schola ausreichend beschäftigt.
Ich bin mit dieser Aufteilung durchaus einverstanden, schließlich ist mein Bruder von uns beiden der, der den Ethos des anständigen, tüchtigen Kaufmannes verkörpert. Ich würde mich offen gesagt darauf beschränken, die Oberaufsicht über den Betrieb zu führen und bei Bedarf die Details fähigen und vertrauenswürdigen Verwaltern überlassen.
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Seiana ließ den beiden die Zeit, die sie brauchten, um die Nachricht zu verdauen und sich die Unterlagen anzusehen. Dexter blieb still und beschäftigte sich mit den Schriften über die Schneiderei, während Albinus schließlich das Reden übernahm – und zustimmte. Da Dexter selbst nichts weiter dazu sagte, beschloss Seiana, seine Zustimmung vorauszusetzen... sonst hätte er wohl widersprochen. „Wie ihr beide euch die Verwaltung des Hofes aufteilt, bleibt euch überlassen. Und wie ihr generell mit euren Betrieben umgeht, ist ebenso eure Sache – auch wenn ich dir zustimmen muss, dass fähige Verwalter ihren Vorteil haben. Ab einer gewissen Größe und Anzahl kann man sich nicht mehr um alles selbst kümmern. Nicht so, dass der Betrieb dennoch zufriedenstellend läuft.“ Sie deutete ein kurzes Lächeln an. „Dann werde ich euch die Betriebe entsprechend überschreiben. Habt ihr noch weitere Fragen hierzu?“
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Als Cascas Stimme plötzlich erklang, sah Seiana irritiert auf. Hatte er geklopft? Wenn ja, hatte sie nichts gehört, und so oder so hatte er nicht auf ein Herein gewartet... wenn er denn überhaupt geklopft hatte. Mit gerunzelter Stirn musterte sie ihn, seinen Aufzug, seine Frisur, seine seltsame Haltung mit der Hand vor der Brust... und ihr Stirnrunzeln wurde noch tiefer, als sie seinen Schluckauf hörte. „Ein Klopfen ist angebracht, bevor man einen geschlossenen Raum betritt, Casca“, war das erste, was sie mit leichtem Tadel in der Stimme sagte. Angesichts der Tatsache, dass sowohl sie als auch Faustus sich mit Massa überworfen hatten, sollte sie mit seinem jüngeren Bruder vielleicht etwas vorsichtiger umgehen... dennoch gab es gewisse Grenzen. Und Massa hatte sich ohnehin schon seine Meinung über sie gebildet. Darüber hinaus... nun ja. Er war nicht hier, um Casca Benehmen beizubringen, also musste das zwangsläufig jemand anderes übernehmen. „Komm herein, wo du nun schon da bist. Setz dich.“
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Die Irritation in meinem Gegenüber war mir natürlich nicht entgangen und auch das Stirnrunzeln erkannte ich sehr wohl Wie gut, dass ich Nepomuk in meinen Räumen zurück gelassen hatte, sodass er nicht auch noch zu meiner Misere beitragen konnte. Wahrscheinlich reichte mein Zustand, gekoppelt mit dem Faut-Pas einfach die Tür zu öffnen auch so schon aus, wie der Tadel seitens Seianas zeigte. Ein eher hastiges, vielleicht auch ertapptes Lächeln erreichte meine Mundwinkel und schaute noch einmal auf das Türblatt, ehe ich es wagte mich weiter in den Raum hinein zu navigieren. “Ja....na *hick* ...türlich. Ich...ahm...“, kam über meine Lippen, ehe ich mich doch noch einmal herum drehte und die Tür ein wenig zu geräuschvoll schloss. Dann steuerte ich auf einen Stuhl zu, der seitlich des Schreibtisches stand. Auch wenn ich es nicht unbedingt wahrhaben wollte: Ein wenig zusammenreißen musste ich mich schon, um mich hoch konzentriert darauf zu zu bewegen. Meine Hand ruhte noch immer auf meiner Brust und ich räusperte mich noch einmal flüchtig, als ich mich auf der Sitzfläche niederließ. Noch einmal ließ ich ein Lächeln folgen. “Ent *hick*... schuldige...,“ setzte ich noch einmal schnell nach. Es war wohl der schlechteste Moment des Tages, um Decima Seiana gegenüber zu sitzen. Gut. Bestimmt wäre ein noch späterer Zeitpunkt bedeutend schlechter gewesen.
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Seiana lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie Casca dabei beobachtete, wie er die Tür etwas zu laut schloss, um dann näher zu kommen und sich zu setzen. Kaum war er da, löste sie ihre Haltung genug, um sich vorzubeugen – und er musste nur den Mund aufmachen, da war seine Weinfahne zu riechen. Ihre Augenbrauen wanderten ein gutes Stück weit nach oben, während sie sich langsam erneut zurücklehnte und ihn tadelnd musterte. „Du bist betrunken.“ Sie fragte noch nicht einmal, sie stellte es einfach fest. Wozu auch fragen? Wäre Casca ein Gleich- oder Höhergestellter gewesen, Seiana wäre entweder elegant darüber hinweg gegangen und hätte versucht, das Beste daraus zu machen, oder sie hätte einen Vorwand gefunden, das Gespräch zu beenden und ein andermal zu führen. Er war jedoch keines von beiden... und damit war es vielleicht goldrichtig so, dass er so zu ihr kam. Einer musste ihm ja mal den Kopf waschen. Umso besser, wenn sich dafür auch noch ein konkreter Anlass bot, zusätzlich dazu, dass er die Zeit seit seiner Ankunft hier damit zugebracht hatte, auf mehr oder weniger kreative Weise nichts zu tun.
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Irgendwie fühlte sich die Sitzfläche des Stuhles ein wenig hart an, wie ich empfand. Es konnte jedoch auch an der recht unangenehmen Situation liegen, dass mir das gerade jetzt auffiel. Natürlich war mir das musternde Augenmerk nicht entgangen und auch verschränkte Arme eines Gegenübers waren zumeist keine Vorboten einer vorbehaltlosen Beglückung. Ich blinzelte, als Seiana sich ein klein wenig vor neigte und der Tadel schien ihr ins Gesicht geschrieben. Ein klein wenig hob ich meine Augenbraue, auf alles gefasst. “Du bist betrunken,“ stellte sie nüchtern fest und ich presste meine Lippen aufeinander, ehe ich nach Atem schnappte. “Ahm...*hngh ...Ich ahm...“ Schon vor der Tür hatte ich überlegt, was ich zu sagen gedachte, doch so recht wollte mir noch immer keine Entschuldigung in den Sinn kommen. Stattdessen versuchte ich es mit einem gewinnenden Lächeln und sämtlicher Konzentration auf meine Sinne. Dann hob ich meine rechte Hand, um wie gewohnt einen versiegten Redefluss mit kreisenden Gesten wieder zu beleben, doch dann fielen mir schlagartig die Flecken auf meiner Brust ein und ich ließ sie schnell zurück schnellen. “Ich...h...*hick... abe jetzt nicht damit gerechnet, dass du...*hick....“ Rhetorisch hervorragend Casca! Ich seufzte ein wenig und ließ die Schultern hängen. “Es ...war ... nur ein Schluck.“
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Scheinbar geduldig wartete Seiana darauf, dass Casca seine Sprache fand und antwortete... innerlich sah es allerdings anders aus in ihr. Ihr Geduldsfaden wurde mit jedem Hicks, das sie hörte, dünner. Dieses Geräusch knabberte an in ihren Nerven, schien sich regelrecht einfressen zu wollen. „Nur ein Schluck... genau.“ Ihrem Tonfall war anzuhören, was sie davon hielt, aber sie beschloss, das für den Moment nicht weiter auszuführen. Wie er in diesem Moment vor ihr aufgeschlagen war, war ja ohnehin nur ein Symptom dessen, was das eigentliche Problem war – in ihren Augen jedenfalls –, und es war effektiver, wenn sie gleich darauf zu sprechen kam, anstatt sich erst mühevoll mit Details zu beschäftigen. „Casca... es wird Zeit, dass du deine Lebensweise änderst. Du bist ein Decimus. Das bedeutet eine gewisse Verantwortung. Und du bist alt genug, um diese Verantwortung auch endlich zu übernehmen.“ Sie musterte ihn scharf. „Wochenlang deine Zeit mit Nichtstun zu verbringen, gehört da ganz sicher nicht dazu. Abgesehen davon, dass du deiner Familie auf der Tasche liegst, ohne bisher irgendwelche Anstalten gemacht zu haben etwas davon zurückzugeben in Form eines Engagements, das uns allen nützen kann – du vergeudest dein Potential.“
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Nur ein Schluck! Es war nicht zu überhören, dass Seiana mir nicht glaubte, wie es wohl auch nicht zu überhören war, dass 'nur ein Schluck' eine satte Lüge war. Überhaupt hatte ich mir in der vergangenen Zeit vieles zurecht gelegt, was man so auf keinen Fall vertreten konnte. Doch was hätte ich denn machen sollen? Ich war frustriert gewesen, was zugegebener Maßen zu einer freien Entfaltung einer Persönlichkeit geführt hatte, die ich eigentlich nicht sein wollte. Außerdem war es das erste Mal, dass mir jemand sagen musste, dass ich meine Lebensweise ändern sollte! Die Götter wussten, dass ich mich niemals zuvor so gehen lassen habe und ich hatte eigentlich nicht vor...Ich war ein Vorzeigeschüler gewesen. Gut, von Zeit zu Zeit etwas vergesslich, aber immerhin ja auch in Athen... Ja, ich war auch alt genug, um Verantwortung zu übernehmen. Während ich lauschte presste ich meine Lippen aufeinander und kämpfte stumm gegen den Schluckauf an.
Als Seiana sagte, ich würde der Familie auf der Tasche liegen, hob ich abrupt den Kopf. Eigenengagement? “Aber...“, wollte ich ansetzten, und meine Lippen formten dieses Wort auch bereits, doch ich kam nicht dazu, es auszusprechen. “Du vergeudest dein Potential.“ Meine Augen weiteten sich kurz und ich nickte betroffen. “Das tut mir wirklich *hngh alles sehr Leid...“, begann ich mit schwerer Zunge. Zumindest war der Verstand noch klar genug, um zu denken. Eine Folter, wenn man es genau betrachtete. Man war dazu verdammt sich selbst zu lauschen, während der Verstand innerlich aus lauter Affekt gegen das Gesagte, gegen den Schädel schlug. Und was sollte ich nun damit tun? Ausflüchte erfinden? “Ich habe das Gefühl, dass alle etwas zu tun haben und ich *hngh* … war auch schon in Rom und habe mich umgesehen und sehr … also gar sehr...inten.. *hgnh ...siv überlegt, was ich denn nun....also...wie ich in Zukunft...“ Aus lauter Gewohnheit heraus begann ich nun wieder mit der Hand zu wedeln. “....und ich bin mir sicher, dass ich mit meinem Alter *hngh … durchaus in der Lage bin, doch die Verantwortung für … für mich selbst natürlich auch alles Weitere...*hngh* ...“ Als ich bemerkte, wie widersinnig meine Rede war, hielt ich inne damit und seufzte dann tief, nur um wieder den Kopf sinken zu lassen. “Das ist mir sehr peinlich!“, gestand ich dann.
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Zitat
Original von Decima Seiana
[...] „Dann werde ich euch die Betriebe entsprechend überschreiben. Habt ihr noch weitere Fragen hierzu?“Wirklich zufrieden damit, dass sein Bruder seinerseits keinerlei Einwände zu der Verteilung der Betriebe hatte, lächelte Caius nun seine Tante an. ,,Nein.", schüttelte er den Kopf. ,,Ich habe keine weiteren Fragen. Ich hab alles hier, was ich brauch.", dabei tippte der junge Decimer auf die Papyrii in seiner Hand.
,,Wir Beide, Lucius, sollten uns demnächst einmal zusammen setzen, um die Verwaltung des Gemüsehofs abzusprechen. Ich denke, ich sollte ein paar der Betriebe auch Verwaltern überlassen. Doch nach Genua kann man momentan ja nicht reisen.", sagte er den ersten Satz an seinen Bruder gewandt, während er den Rest wieder in die komplette Runde warf.
,,Müssen wir noch irgendwo unterschreiben?", fragte Caius dann noch, mit einem augenzwinkern.
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Nachdem Seiana sich mit dem drängendsten ihrer Probleme zumindest endlich beschäftigt hatte, gelang es ihr tatsächlich Stück für Stück, sich auch den anderen Dingen zu widmen, die anstanden. Sie hatte sich Gedanken gemacht, draußen in der Kälte, hatte eine Liste erstellt, und jetzt tigerte sie wieder in ihrem Cubiculum herum, das zugleich ihr Officium war – in dieser Hinsicht vermisste sie die Casa Terentia, oder besser den Platz in dem fast leer stehenden Haus; hier, wo doch recht viele Verwandte in Rom lebten, scheute sie davor zurück einen weiteren Raum zu beanspruchen. Eine Arm lag locker vor ihrer Brust, der andere stützte mit dem Ellbogen auf der Handfläche auf, während sie mit den Fingern über Kinn und Mund fuhr.
http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png In einem der Korbsessel am Fenster fläzte Raghnall, nach wie vor derjenige unter ihren Sklaven, dem sie vorbehaltlos vertraute. Gerade hatte sie ihm Anordnungen verschiedenster Art gegeben, Anordnungen dazu, Vorkehrungen zu treffen... dafür, die Casa zu verlassen und irgendwo anders unterzukommen. Und dafür, über ihre Taberna medica eine Hebamme aufzutreiben. Was dazu geführt hatte, dass Raghnalls Augenbrauen nah an seinen Haaransatz rückten – was er aber sonst nicht weiter kommentiert hatte. Auch deswegen mochte sie ihn.
„Kümmer ich mich drum“, bestätigte der Gallier, was er gerade gehört hatte.
Seiana nickte, schwieg einen Moment und setzte dann erneut an. „Außerdem möchte ich, dass du dich umhörst. Ich möchte wissen, ob und was die Leute reden über die... meine Scheidung. Ich glaube nicht, dass es in der momentanen Lage ein großes Thema sein wird“, – zum Glück –, „aber ich möchte trotzdem, dass du das im Auge behältst, in der nächsten Zeit. Und ich möchte, dass du anfängst – wo es sich anbietet, nicht zu aufdringlich – das Gerücht zu verbreiten, Terentius hätte sich von mir getrennt, weil er denkt ich sei unfruchtbar.“ Raghnalls Brauen schnellten erneut nach oben, und das noch deutlich weiter. Natürlich war er verblüfft... aber abgesehen davon, dass sie nun schon vor ihrer Familie davon angefangen hatte, das zu erzählen, glaubte sie nichtsdestotrotz, dass das funktionieren konnte. Unbedingte Voraussetzung war freilich, dass es ihr gelang, ihre Schwangerschaft zu verbergen. Aber falls ihr das gelang... dann konnte es wirklich funktionieren. Sie war verhältnismäßig alt, vor allem wenn man bedachte, dass sie noch kein einziges Kind zur Welt gebracht hatte. Sie war eine ganze Zeit lang verheiratet gewesen, ohne dass es ein Kind gegeben hätte – dass ihr Mann selten mit ihr geschlafen hatte, wusste ja keiner. Und das wichtigste: Terentius hatte, zumindest so weit Raghnall ihr das hatte berichten können, nichts gesagt, warum sie sich getrennt hatten. Niemandem. Nicht einmal, dass die Scheidung von ihm ausgegangen war, hatte er in irgendeiner Form bekannt gegeben. Stattdessen hatte er die Stadt verlassen, mit unbekanntem Ziel – auch wenn Seiana vermutete, dass er sich wohl nach Misenum zurückgezogen hatte, bis wieder Ruhe eingekehrt war im Reich. Und das überließ die Interpretation der Dinge ihr... für den Moment jedenfalls. Es machte zwar wenig Sinn, Gerüchte zu verbreiten, die ihm die Schuld am Ende ihrer Ehe gaben, denn dann das würde nur heraufbeschwören, dass er, wenn er wiederkam, die Dinge gerade rücken würde... aber wenn sie dafür sorgte, dass klar war, dass die Schuld bei ihr lag, nur eben einen anderen, einen falschen Grund vorschob, der nicht ganz so schlimm war wie der wahre, der ihr Ansehen nicht ganz so sehr ramponieren würde... es war schlimm genug, wenn eine Frau keine Kinder empfangen konnte, aber es war ihr persönlich immer noch lieber, wenn die Leute das von ihr glaubten, als wenn die Runde machte, dass sie eine Ehebrecherin war. Und ihr Vorteil war: Sie mochte unnahbar wirken und kalt, und die Leute sagten in dieser Hinsicht wohl alles mögliche über sie... aber ihr Ruf war tadellos.
Blieb nur noch eines, was sie erledigen wollte, solange sie noch hier war: „Dann noch die Landgüter... Der Leibsklave meines Bruders ist betraut mit der Verwaltung. Lass dir von ihm alle wichtigen Unterlagen geben, ich möchte sie mir endlich ansehen.“ Das war etwas, was sie schon längst hätte tun sollen, fand sie, auch wenn Faustus selbst gesagt hatte, dass sein Sklave zuverlässig war und sich darum kümmerte. Aber bisher waren ihre Gedanken einfach... völlig woanders gewesen. Es wurde Zeit, dass sie wieder in die Realität fand, und Stück für Stück gelang ihr das auch. -
Seiana war ernsthaft versucht, ihren Kopf in eine Hand zu legen. Was sollte sie mit dem jungen Decimus nun machen, der da vor ihr saß? Ziemlich angeheitert – und ziemlich geknickt gleichermaßen. Sie ließ ihre Hände, wo sie waren... aber sie hörte mit gerunzelter Stirn zu, was Casca weiter ausführte. „Ja... das sollte es dir auch sein“, kommentierte sie zunächst mit scharfem Unterton. Und wie ihm das peinlich sein sollte... zugleich war das allerdings auch ein Hinweis darauf, dass da was zu machen war. Wenn ihm sein augenblicklicher Zustand peinlich war, bestand durchaus Hoffnung, dass er genug Eigenmotivation besaß daran etwas zu ändern – und nicht nur auf Prügel von außen wartete.
Für einen Augenblick schwieg sie danach, legte ihre Fingerspitzen aneinander, so dass sie ein Dreieck formten, und musterte ihr Gegenüber, überlegend, was wohl das beste Vorgehen war. Dann gab sie sich einen Ruck. „An deinem Gefühl, alle hätten etwas zu tun außer dir, können wir etwas ändern. Erstens: du wirst dich für den nächsten Cursus de rebus vulgaribus an der Schola einschreiben. Und ich erwarte von dir, dass du dich sehr gut darauf vorbereitest“, fing sie an. Casca sah so aus, als ob er jemanden gebrauchen könnte, der ihm ein wenig auf die Sprünge half... und ihm den nötigen Druck machte. Und das wiederum war etwas, wozu sie sich definitiv in der Lage sah. „Denk dabei daran, dass ich die Prüfungen einsehen kann...“ Sie musterte ihn weiterhin mit einer gewissen Schärfe im Blick. „Darüber hinaus wirst du die Verantwortung für zwei der Familienbetriebe übernehmen. Das...“, sie griff nach ein paar Unterlagen und schob sie ihm hinüber, „Sägewerk in Mantua und einen Barbier hier in Rom.“ Natürlich würde sie sich in der ersten Zeit berichten lassen darüber, was er so anstellte, nicht, dass er sie in Grund und Boden wirtschaftete... aber vielleicht erwies er sich ja als fähig. „Probeweise, zunächst. In, sagen wir, einem Monat möchte ich von dir einen ersten Bericht hören. Was gut läuft, was schlecht läuft, welche Schwierigkeiten du hattest, wie du sie überwunden hast.“ -
„Sehr gut.“ Auch auf Seianas Gesicht zeigte sich ein leichtes Lächeln. „Tut das. Falls ihr Hilfe braucht, könnt ihr euch jederzeit an mich wenden. Dexter, der Schneider befindet sich hier in Rom. Eine Wegbeschreibung findest du in den Unterlagen, falls du ihm persönlich einen Besuch abstatten möchtest“, fügte Seiana noch etwas hinzu. „Unterschreiben müsst ihr nichts... ich mache alles fertig, damit die Betriebe auf euch übertragen werden.“ Sie lehnte sich ein wenig zurück und musterte die beiden nur schweigend, bevor sie dann doch noch einmal ansetzte: „Eines noch. Es besteht die Möglichkeit, dass die Rebellen auf Rom marschieren werden... und es besteht die Möglichkeit, dass sie gewinnen.“ Für einen Augenblick verlor sich ihr Blick in der Ferne, als sie an Faustus denken musste und an das, was das für ihn wohl bedeuten würde. Dann riss sie sich zusammen und wandte ihren, nun deutlich ernsteren Blick erneut den beiden jungen Decimern zu. „Ich weiß nicht, welche Planungen euer Vater hat... aber ich werde das Ende dieses Bürgerkriegs nicht in diesem Haus abwarten. Die Götter mögen das verhindern, aber sollten die Rebellen tatsächlich gewinnen und hier in Rom einmarschieren, werden wir als Verwandte des Praefectus Praetorio in direkter Schusslinie stehen.“ Vor allem sie, als Schwester. Dass sie noch einen weiteren Grund hatte zu verschwinden, ging niemanden etwas an. „In diesem Haus sind wir wie auf einem Präsentierteller... ich habe bereits Sorge dafür tragen lassen, dass es geschützt werden wird, aber wenn die Legionen einmarschieren, mag dieser Schutz zunächst nicht ausreichen, bevor in Rom wieder Ruhe und Ordnung einkehrt. Faustus war ebenfalls der Meinung, dass es hier, in der Casa Decima, gefährlich werden kann, wenn die Rebellen siegen und einmarschieren. Ich bin der Meinung, dass auch ihr nicht hier bleiben solltest... daher mein Rat: beratet euch mit eurem Vater, was dieses Thema angeht.“
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Albinus hatte den Bürgerkrieg aus der Ferne aufmerksam verfolgt und war einigermaßen im Bilde bezüglich des Kriegsverlaufes und der Konfliktparteien. Eine Niederlage war da natürlich auch ganz in seinem Sinne. Bislang schien der Krieg allerdings noch in weiter Ferne zu sein und die persönliche Lebensführung berührte er nur indirekt, daher war der Rat seiner Tante Seiana besonders geeignet, ihn in große Unruhe zu versetzen.
Hältst du dies wirklich für möglich? Einige alte Senatorenfamilien die aus Angst vor Status- und Einflußverlust sogar zum Äußersten bereit sind, zum Mord an dem Kaiser, mögen zwar durchaus einige erfahrene Feldherren in ihren Reihen haben und in den Provinzen einige Anhänger gewinnen, aber Rom selbst anzugreifen scheint nahezu undenkbar.
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Ja, was sollte ich noch sagen? Es war mir wirklich peinlich und dass Seiana diese Tatsache mit scharfen Worten bestätigte, machte es auch nicht besser. Einen Moment lang hüllte sich Schweigen um die Situation und ich fühlte mich bemustert. So musste sich eine Muschel auf dem Teller vorkommen, die von außen viel zu hässlich war, als dass man auf eine Perle im Inneren würde schließen können. Ich hob eine Augenbraue und schluckte flüchtig, während ich meinerseits auf Seiana sah, wie sie da saß mit aneinander gelegten Fingerspitzen und eben diesem abschätzenden Blick. *hngh“, quittierte ich und lauschte dann, nachdem mein überlegendes Gegenüber sich einen Ruck gab. Cursus rebus vulgaribus an der Schola? Ich kam gerade vom Studieren und wusste plötzlich nicht mehr genau, was ich mir erhofft hatte. Doch anscheinend hatten - vom reinen Gefühl her - neue Studien nicht dazu gehört. Ich sollte mich also gut vorbereiten. Dass Seiana es war, die die Prüfungen auch noch einsehen konnte, stimmte mich ad hoc nicht sonderlich fröhlich, doch das war noch nicht alles. Zwei Familienbetriebe?
Meine Augen weiteten sich spontan. “*hngh“ Ein Sägewerk in Mantua und einen Barbier? Ich hatte keine Ahnung von solchen Geschäften und mit Staunen senkte ich meinen überraschten Blick auf die Unterlagen, die mir zugeschoben wurden und streckte dann meine Hand danach aus, um sie noch näher zu mir zu ziehen. “Was... also ich...*hngh...“ Tatsächlich. Dort stand es schwarz auf weiß und ich lugte zu Seiana hinüber. Nicht recht wissend, ob mir dabei die Kinnlade herunter gefallen war. Doch etwas in mir fühlte sich unglaublich gestreichelt. Geehrt vielleicht, auch wenn ich mir nicht sicher war, was es war. “Betriebe?“, hakte ich nach und nickte dann. Ich nahm die Unterlagen an mich und begann, diese zu überfliegen. Kein Zweifel. Schließlich lächelte ich.
“*hngh“ Dann deutete ich auf die Schriftzeichen. “Bist du sicher? Ich meine... ich...ich meine...das ist wirklich...“ Meine Blicke drückten das nackte Erstaunen. Es klang nach Arbeit, aber auch nach etwas zu tun. Eigentlich war ich nicht der Mensch, der untätig herum saß und Kisten von rechts nach links schob, nur um etwas zu tun zu haben. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, so kamen mir die neuen Aufgaben doch sehr entgegen. Einerseits. “Ich...werde dich nicht...*hgnh …. enttäuschen!“, versuchte ich selbstsicher über die Lippen zu bringen, auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, wie ich das alles bewerkstelligen wollte, was in diesem Fall das 'andererseits' darstellte. “Muss ich dafür nach Mantua reisen... oder... geht das auch von hier aus?“ Ich war mir plötzlich doch nicht mehr sicher. Irgendwie keimte das Gefühl auf, von einem Gemüsekarren überrollt worden zu sein. Ganz plötzlich auf der Straße. Ich schaute Seiana fragend an.
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Seiana lächelte, aber es war kein fröhliches Lächeln, noch nicht einmal ihr übliches höflich-kühles, sondern ein zynisches – das auch nur kurz aufflackerte, bevor sie wieder ernst wurde. „Bis vor kurzem hätte ich es auch noch für undenkbar gehalten, dass andere Legionen als die Prima Fuß auf italischen Boden setzen. Und dennoch sind die Streitmächte in der Provinz, sowohl im Norden als auch im Süden.“ Sie schwieg einen Moment und blickte kurz zum Fenster hinüber, dachte an Faustus, an ihr letztes Gespräch, daran, dass auch er nicht sonderlich siegessicher gewirkt hatte, sondern eher besorgt... und es auch für eine Möglichkeit gehalten hatte, dass Truppen bis nach Rom kamen. Und dass es dann, für diese Phase, bis der Krieg endgültig vorbei war, nicht sicher sein würde, weder hier in der Casa noch auf den Landgütern, die sie im Umland Roms hatten. Seiana sah wieder zurück zu den beiden jungen Decimern. „Nach meinen Informationen sind Vescularius’ Truppen etwas in der Überzahl, aber bei weitem nicht so sehr, dass ein Sieg als gesichert angenommen werden kann. Und wenn die Rebellen gewinnen sollten, werden sie nach Rom kommen... davon können wir sicher ausgehen. Und obwohl Rom einen besonderen Status hat, gehe ich auch davon aus, dass hier geplündert werden wird, zumindest in den Häusern jener Familien, die als Unterstützer des Vescularius gelten. Und das tun wir.“ Dafür hatten einige von ihnen gesorgt inzwischen – Varenus, der in der Kanzlei angefangen hatte zu arbeiten und Klient eines Kaiserklienten geworden war; sie selbst, die ihre Posten zwar schon vor der Regentschaft des Vescularius innegehabt, aber nach dem Wechsel keinen von ihnen aufgegeben hatte und schließlich vom Kaiser in den Rang eines Ritters erhoben worden war; und nicht zuletzt Faustus... vor allem Faustus. Nicht dass er großartig die Wahl gehabt hatte – die Beförderung zum Praefectus Praetorio abzulehnen hätte geheißen, die gesamte Familie in Verruf beim Kaiser zu bringen, hätte vielleicht sogar ihre Sicherheit gefährdet. Trotzdem wusste Seiana besser als jeder andere, dass ihr Bruder auch tatsächlich daran glaubte, das Richtige zu tun. Er hätte Vescularius so oder so unterstützt... die Beförderung, und die Tatsache dass er mit der Garde für Vescularius in den Krieg gezogen war und nicht etwa abgewartet hatte, um dann das zu tun, was Prätorianer so häufig taten in innerrömischen Konflikten, hatte es nur für alle über jeden Zweifel hinaus offensichtlich werden lassen, wo Faustus – und mit ihm seine Familie – stand. „Ich werde dafür Sorge tragen, dass die wertvollsten Dinge außer Haus und in Sicherheit gebracht werden... und alles weitere kann repariert oder ersetzt werden, sollte es tatsächlich zu einer Plünderung kommen. Aber es wäre unsinnig, ein Risiko einzugehen, was uns selbst betrifft. Lieber zu vorsichtig sein als später das Nachsehen haben, wenn Rebellensoldaten es nach ihrem Sieg nicht allzu genau damit nehmen, wer noch alles zu Schaden kommt... oder im Rausch einer Plünderung sich schon allein durch die Anwesenheit eines Anhängers ihrer Gegner provoziert fühlen.“
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Seiana behielt Casca im Blick, wollte sehen, wie er reagierte, und in der Tat gab er einiges zu erkennen von dem, was er wohl denken musste. Für einen Moment überlegte sie, ob das wohl am Alkohol liegen mochte, oder ob er generell offener war... wäre letzteres der Fall, würde er wohl auch daran ein wenig arbeiten müssen, jedenfalls wenn er Karriere machen wollte. Weder in der Politik noch im Geschäftsleben war es hilfreich, allzu offen zu erkennen zu geben, wie es in einem aussah. Ganz im Gegenteil. Sonderlich begeistert schien Casca in jedem Fall zunächst nicht zu sein von ihren Anweisungen – denn etwas anderes war es nicht, was Seiana ihm gerade erklärte. Sie gab ihm keinen Rat oder schlug vor, was eine Wahl seinerseits beinhaltet hätte, sie wies an, und sie erwartete, dass er gehorchte.
Als es anschließend um die Betriebe ging, konnte Seiana sein Erstaunen sehen, Freude... und dann doch wieder Zweifel. Das allerdings hatte sie durchaus erwartet. Und nebenbei bemerkte sie durchaus, dass er sich nun wenigstens bemühte, seinen Schluckauf zu unterdrücken... trotzdem beschloss sie, zurückhaltend zu bleiben im Moment. Vorschusslorbeeren hatte Casca sich nicht verdient, fand sie, nicht so wie er gekommen war, und freundliche Worte und Lob konnte sie ihm immer noch geben für den Fall, dass er in ein paar Wochen einen positiven Bericht abliefern konnte. „Wann kann man sich schon sicher sein?“ antwortete sie daher, aber immerhin... wäre Casca einer ihrer Mitarbeiter gewesen, sie hätte rundheraus mit Nein geantwortet. So blieb es bei einer Gegenfrage, die alles und nichts heißen konnte, und sie ließ sogar doch ein vages Lächeln sehen. „Es ist einiges an Verantwortung. Das Sägewerk hat allerdings einen fähigen Verwalter, der dich unterstützen kann, und der Barbier erledigt seine Arbeit durchaus ordentlich.“ Sie hatte sich die Unterlagen alle selbst durchgesehen, die letzten Berichte geprüft, Kontakt gehabt mit dem Verwalter des Sägewerks sowie dem Barbier. Beide Betriebe liefen gut genug, dass ein junger, noch unerfahrener Mann sich in Ruhe einarbeiten konnte. „Jetzt kommt eine Reise nach Mantua ohnehin nicht in Frage... aber selbst wenn die Zeiten ruhig wären, wäre das nicht so dringlich. Irgendwann bietet sich eine Reise sicher an, einfach damit du das Werk kennen lernst, aber sicher nicht sofort. Sieh dir erst mal in Ruhe die Unterlagen an, würde ich vorschlagen... falls du Fragen hast dazu, kannst du dich gerne in den nächsten Tagen an mich wenden.“ -
“Äh...ja, *hngh* ...verstehe!“, gab ich von mir. Keine Reise nach Mantua. Wie konnte ich nur so dumm sein, die Umstände in denen wir lebten vergessen zu haben. Trotzdem war ich um so glücklicher so noch einmal bestätigt zu bekommen, dass in der näheren Zukunft nichts dergleichen stattfinden würde. Etwas nervös befingerte ich die Dokumente und bemerkte erst danach, was ich da gerade tat. Unvermittelt zog ich meine Hände zurück und legte sie in den Schoss. “...*hngh*....“ Ach, ich ärgerte mich sehr über diesen Schluckauf und noch mehr, dass ich nun vollkommen überrumpelt da saß. Noch nie war ich für irgendetwas außer mir selbst, meinen Studien und vielleicht noch Muckel verantwortlich gewesen. Und nun gleich zwei Betriebe und einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsdruck. Ich hob meine Hand und kratzte mich am Hinterkopf, während ich Seiana anblickte. Gewiss wäre jetzt die Zeit ein wenig Boden gut zu machen und nicht gänzlich wie ein Depp da zu stehen.
“Ich danke dir für dein Vertrauen!“, sagte ich dann und bemühte mich würdig zu klingen. “Ich werde mich sehr bemühen, die Betriebe zur Zufriedenheit aller zu führen!“ Das meinte ich ganz ernst. Es mochte bestimmt eine Vielzahl von Fragen geben, die jemand, der sich mit der Materie auskannte noch stellten würde. Wieder der Schluckauf. Doch dieses Mal gelang es mir, wenigstens das Geräusch zu unterdrücken. Insgeheim schwor ich mir, mich nie wieder zu betrinken. Zumindest nicht ohne offiziellen Anlass, bei dem auch vom Rest der Familie zu erwarten war, dass er nicht einfach nur nüchtern da saß. “Ich... ich könnte mir den Betrieb hier in Rom gleich einmal ansehen...,“ bot ich an. “Und ich werde auch gleich dem Verwalter des Sägewerkes schreiben.“ Während diese Pläne allmählich in mir zu reifen begannen, lächelte ich. Endlich etwas zu tun! In mir freute sich der aufstrebende junge Mann, der es endlich schaffte, sein angeheitertes Pendant im Geiste zur Seite zu schieben. Ich wurde nüchtern! Geradezu freudvoll griff ich neuerlich nach den Dokumenten.
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