Was bisher hier geschah...

  • Die Antwort ließ Crispus tatsächlich ein wenig erschrecken - 'könnte' klang doch sehr unbestimmt. Als er dann aber auf die Gebräuche zu sprechen kam, wirkte das ganze doch schon wieder so, als ob der Konjunktiv nur auf die Bedingungen abzielte, nicht aber grundsätzlich zu verstehen war. Die Bedingungen selbst kamen dem Alten dabei erstaunlicherweise doch berechtigt vor - immerhin war es Marsus' Familie, in die Octavena einheiraten sollte. Von einem Brautraub wusste er sowieso nichts - oder meinte er den Brautzug? Und überhaupt, was meinte er denn mit diesen Sitten?


    Bei Heila hatten sie auf so eine Zeremonie verzichtet - sie waren ja faktisch sowieso schon Ewigkeiten zusammen gewesen, hatten sogar einen Sohn gehabt. Fast etwas peinlich, dass er in all den Jahren nie auf einer germanischen Hochzeit gewesen war. Er räusperte sich und sagte


    "Wie läuft denn so eine Hochzeit bei euch ab?"

  • Zitat

    Original von Petronia Octavena
    Die spöttische Bemerkung von Lucius war ja zu erwarten gewesen. Octavena rollte mit den Augen, schluckte die giftige Erwiderung allerdings herunter, die sie ihm am liebsten an den Kopf geworfen hätte. Es musste ja schließlich nicht sein, dass sie ihre Zankereien nun auch noch vor einem Gast austrugen. Das war es - zumindest dieses Mal - nicht wert.
    Also überging Octavena ihren Cousin einfach und antwortete lieber dem jungen Duccius, der ja an den Nutzen der Geometrie erinnert hatte.
    "Oh, das meinte ich auch weniger." Sie lächelte ein wenig. "Ich könnte mich dafür einfach nicht interessieren."
    Das wäre der Punkt gewesen, an dem Octavena es einfach dabei belassen hätte, gerade weil sie das Thema - wie Callistus schon so schön gesagt hatte - dann doch eher dröge fand, doch auf Lucius traf das scheinbar mal wieder nicht zu. Der fing sofort mit einer großartigen Argumentation, warum die Geometrie angeblich nicht theoretisch sei, an und am liebsten hätte Octavena laut aufgeseufzt. Wenn es nach ihr ging, konnte Lucius das sehen und sich daran festbeißen wie er wollte - Solange er sie damit in Frieden ließ.
    "Mag ja sein, aber es ist doch eigentlich immer so, dass man dafür erst einmal ein bestimmtes Wissen erlernen muss. Oder willst du mir erzählen, dass einer von denen ohne dieses Wissen völlig planlos los gelaufen ist und ein Haus aus dem Boden gestampft hat?"


    Hätte Lucius an die Intervention von Göttern auf dieser Erde geglaubt, hätte er Octavena wohl als Fluch aufgefasst, den die Unsterblichen ihm angehängt hatten - jedes Gespräch mit ihr war eine unsägliche Qual, der er nicht entrinnen konnte... wieder einmal. Dass seine Cousine zu dumm für höhere Wissenschaften war, hatte er schon vorher gewusst, dass sie ignorant war, ebenso - aber dass sie so ignorant war, schockierte ihn doch immer wieder:


    "Schau dir die Hütten in den Vici doch an! Hast du jemals einen dieser Bauern in einem zweistöckigen Haus wohnen sehen? Ohne Geometrie keine Architektur, ohne Architektur keine höheren Bauwerke - das sieht man daran ganz gut."


    Seine Stimme wurde immer gereizter, aber da der Alte nicht da war, um ihn durch warnende Blicke und Kommentare zu mäßigen, redete er sich - wieder einmal - immer mehr in Rage. Nun konnte man zwar nicht unbedingt behaupten, dass hier in Mogontiacum auch nur eine beträchtliche Zahl an Häusern mehrere Stockwerke hatte - dafür war der Wohnraum nicht teuer genug - dennoch waren die öffentlichen Gebäude am Forum weitaus beeindruckender als jedes Langhaus eines germanischen Adligen...

  • Na wunderbar. Nun kam Lucius erst richtig in Fahrt. Und offenbar hatte er Octavena nicht einmal richtig zugehört, denn eigentlich hatte sie ja genau das gemeint, was er gerade sagte. Nur eben in dem Sinne, dass seine geliebte Geometrie wahrscheinlich doch recht theoretisch war und blieb.
    Inzwischen hatte sie sich allerdings auch schon oft genug mit ihrem Vetter gestritten, um sich von seinem Gekeife nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Nein, sie ließ ihn einfach mit einer Mischung aus Genervt- und Gelassenheit ausreden - Schließlich würde es zu nichts führen, ihn noch mehr zur Weißglut zu treiben bis sie sich beide angesichts der Tatsache, dass sie immer noch in Gesellschaft eines Gasts waren, völlig daneben benehmen und nur so zerfetzen würden - und wählte auch daraufhin ihre Worte durchaus mit Bedacht.
    "Das meine ich ja genauso. Nur steckt auch hinter Architektur erst einmal Theorie bevor es zur Praxis kommt."
    Den leicht missgelaunten Unterton konnte sie sich dann aber doch nicht verkneifen. Warum konnte Lucius aber auch nie von selbst es einfach mal gut sein lassen?
    Unwillkürlich wünschte sie sich, dass ihr Onkel doch wieder den Raum betreten möge, da das bedeuten würde, dass ihr Cousin sich wieder ein wenig zusammen nehmen würde, aber der alte Crispus sprach ja draußen mit Marsus. - Mit etwas Glück sogar über die Bedingungen, wie sie - unter anderem - diese uneinsichtige und sture Nervensäge Lucius loswerden konnte.

  • Zitat

    Original von Petronia Octavena
    "Das meine ich ja genauso. Nur steckt auch hinter Architektur erst einmal Theorie bevor es zur Praxis kommt."
    Den leicht missgelaunten Unterton konnte sie sich dann aber doch nicht verkneifen. Warum konnte Lucius aber auch nie von selbst es einfach mal gut sein lassen?


    Audaod war mitten im Krieg gelandet. Dass Octavena und ihr Vetter sich so wenig mochten, hatte er nicht geahnt. Aber so irritierend die Szene erst war, so amüsant wurde sie.


    "Äh...wir sind uns also einig, dass ohne Geometrie keine Architektur und ohne Architektur keine prächtigen Gebäude möglich sind. Ist doch wunderbar." Er grinste schief. "Darauf ein Prosit?" Er hob seinen Weinbecher in der Hoffnung, dass einer der beiden ein weniger konfliktträchtiges Thema auf den Tisch bringen würde. Vielleicht kamen sein Vater und der Hausherr ja auch bald mit guten Neuigkeiten zurück in den Raum.

  • Lustigerweise hatte Lucius genau den gleichen Eindruck von seine Cousine, wie diese von ihm: Scheinbar hatte sie ihm nicht richtig zugehört und wollte ihn mit Dingen belehren, die er selbst gesagt hatte. Leider bemerkte er nicht recht, dass Callistus diese Situation offensichtlich etwas unangenehm war. Der Toast war ebenfalls nicht einleuchtend für ihn - wozu stieß man auf Banalitäten an? Trotzdem machte er mit, da es ja scheinbar der Konvention entsprach, bei jedem Trinkspruch mitzutrinken.


    "Damit wäre ja dann wohl bewiesen, dass die Geometrie von größter Wichtigkeit ist."


    fasste er seine Position zusammen.

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    Klient - Herius Claudius Menecrates

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    Original von Marcus Petronius Crispus
    Die Antwort ließ Crispus tatsächlich ein wenig erschrecken - 'könnte' klang doch sehr unbestimmt. Als er dann aber auf die Gebräuche zu sprechen kam, wirkte das ganze doch schon wieder so, als ob der Konjunktiv nur auf die Bedingungen abzielte, nicht aber grundsätzlich zu verstehen war. Die Bedingungen selbst kamen dem Alten dabei erstaunlicherweise doch berechtigt vor - immerhin war es Marsus' Familie, in die Octavena einheiraten sollte. Von einem Brautraub wusste er sowieso nichts - oder meinte er den Brautzug? Und überhaupt, was meinte er denn mit diesen Sitten?


    Bei Heila hatten sie auf so eine Zeremonie verzichtet - sie waren ja faktisch sowieso schon Ewigkeiten zusammen gewesen, hatten sogar einen Sohn gehabt. Fast etwas peinlich, dass er in all den Jahren nie auf einer germanischen Hochzeit gewesen war. Er räusperte sich und sagte


    "Wie läuft denn so eine Hochzeit bei euch ab?"


    Witjon hatte befürchtet, dass Crispus diese Frage zunächst stellen würde. Dennoch setzte er zu einer Erklärung an.


    "Zunächst einmal erbitten beide Brautleute von der Sippe des jeweils anderen das Einverständnis zur Vermählung. Die Erlaubnis erteilt das Sippenoberhaupt oder ein Stellvertreter. Dann verbrüdern sich die beiden Sippen, indem deren beide Stellvertreter sich einander symbolisch die Hand geben. Es folgen Anrufungen an die Götter und die Naturgeister, die ein Gode durchführt. Dabei wird für Fruchtbarkeit, Beständigkeit und all das gebetet, was eine Ehe stärken und bewahren soll und um den Schutz vor Unheil natürlich auch. Schließlich werden noch die Ahnen der Brautleute angerufen."


    Er legte kurz eine Pause ein, während der Witjon die Maserung des Bodens betrachtete.


    "Dann werden ein Bock und eine Henne geopfert. Das Blut des Bocks wird dem Mann auf die Stirn gestrichen und das der Henne der Braut, als Zeichen der Fruchtbarkeit. Nun werde erneut die Götter angerufen, um ihre Aufmerksamkeit auf das Zeugnis zu lenken, das das Brautpaar nun einander ablegt. Der Gode erklärt daraufhin beide zu Ehemann und Eheweib."


    Witjon machte wieder eine kurze Pause um zu ergründen, ob der Petronier ihm soweit folgen konnte.


    "Und dann werden Schwer und Ring getauscht. Der Mann schenkt dem Weib sein Schwert als Zeichen seiner Wertschätzung und Treue und steckt ihr einen Ring an den Finger. Ebenso hält es die Frau. Und am Ende...springen beide Hand in Hand über ein Feuer."


    Er grinste verschmitzt. Das war vielleicht das am wenigsten einleuchtende an der ganzen Zeremonie.


    "Achja, gewöhnlich wird natürlich alles in den Worten meiner Ahnen gesprochen, aber ich denke das würde Octavena wohl kaum so schnell lernen. Insofern wäre Latein auch in Ordnung für mich...dann verstehen die römischen Gäste immerhin auch alles."

  • Der Ablauf solcher Feierlichkeiten klang weitgehend sinnvoll - das Einverständnis wurde implizit auch bei einer römischen Eheschließung vorausgesetzt, ebenso das Anrufen von Fruchtbarkeitsgöttern - immerhin sollte eine Ehe ja primär Nachkommen bringen. Dass man auch die Ahnen anrief, war ebenfalls in Ordnung, denn sie waren auch bei den Römern Schutzgeister ihrer Gentes. Was nach dem Opfer folgte, klang dagegen etwas... archaisch. Wahrscheinlich hätte der alte Petronier das abgelehnt, hätte er in seiner Funktion als Pontifex nicht gewusst, dass etwa Magna Mater auch teilweise mit solchen Blutritualen verehrt wurde - und was der Kaiser und die Pontifices in Rom für recht erachteten, das musste für einen Römer in Germania billig sein.


    "Latein wäre schon gut für Octavena. Wenn der Gode außerdem auch die römischen Götter anruft, wären wir im Geschäft."


    entschied er schließlich. Zwar behauptete er selbst immer, dass die germanischen und römischen Götter sowieso im Wesentlichen die Gleichen waren, trotzdem wollte er lieber auf Nummer Sicher gehen - außerdem sollte für die römischen Gäste auch etwas dabei sein, was sie wiedererkennen konnten.

  • Zitat

    Original von Caius Duccius Callistus
    "Äh...wir sind uns also einig, dass ohne Geometrie keine Architektur und ohne Architektur keine prächtigen Gebäude möglich sind. Ist doch wunderbar." Er grinste schief. "Darauf ein Prosit?" Er hob seinen Weinbecher in der Hoffnung, dass einer der beiden ein weniger konfliktträchtiges Thema auf den Tisch bringen würde. Vielleicht kamen sein Vater und der Hausherr ja auch bald mit guten Neuigkeiten zurück in den Raum.


    Octavena stieg auf der Stelle auf Callistus' Toast ein und hoffte dabei im Stillen, dass sie es nun hinbekommen würden, zu vermeiden, dass es noch einmal zu einem Streit kam. Na ja, eigentlich waren sie gerade da noch haarscharf dran vorbei geschrammt.
    "Gute Idee!", stimmte sie mit einem Lächeln dem Duccius zu und schaffte es sogar, sich einen sarkastischen Kommentar zu Lucius nichtssagendem Ausspruch zu verkneifen. Damit war sie auch schon wieder sehr zufrieden mit sich, jetzt würde dem Gespräch nur noch ein Themawechsel gut tun...
    Nachdenklich fuhr sie sich an den Hals beziehungsweise viel mehr an die Kette, die dort auf ihrer Haut lag. Eine Gewohnheitsbewegung, um etwas zwischen den Fingern zu haben und so besser nachdenken zu können.
    Und das wiederum brachte sie auf einen anderen Gedanken. "Ach, Duccius, das habe ich vorhin völlig vergessen zu fragen, aber du weißt nicht zufällig, wer diese wundervolle Kette gemacht hat?" Die Frage interessierte sie tatsächlich. Vielleicht war das eine Eigenart ihres Wesens, aber wenn ihr etwas Schönes unterkam, wusste Octavena nun einmal gerne, woher es stammte. Informationssammlung. Denn wie so vieles andere konnte man auch da nie wissen, wozu es einmal gut sein konnte.

  • Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Latein wäre schon gut für Octavena. Wenn der Gode außerdem auch die römischen Götter anruft, wären wir im Geschäft."


    entschied er schließlich. Zwar behauptete er selbst immer, dass die germanischen und römischen Götter sowieso im Wesentlichen die Gleichen waren, trotzdem wollte er lieber auf Nummer Sicher gehen - außerdem sollte für die römischen Gäste auch etwas dabei sein, was sie wiedererkennen konnten.


    Witjon kratzte sich nachdenklich am Kinn. Der Gode und römische Götter? Er ahnte, dass das nicht gut gehen würde. Witjon hörte den Goden bereits nörgeln: 'Wieso römische Götter? Sind dem Herrn Witjon Wodan, Donar und Frigg jetzt nicht mehr gut genug? Und was soll ich da überhaupt sagen?' Nein, das wollte er lieber anders machen.


    "Hmm...ich würde mich eigentlich vielmehr geehrt fühlen, wenn der hiesige Pontifex die römischen Götter anrufen würde." Er grinste schief. Sie beide wussten, wer damit gemeint war.
    "Zudem unserem Goden die römischen Götter und ihre Kulte nicht so sehr liegen, da befürchte ich diverse Fehlerquellen. Und ich möchte bei meiner Hochzeit keine gereizten Götter riskieren, auch zu Octavenas Bestem. Immerhin...meine erste Frau starb schon im Kindbett. Da will ich Iuno lieber besonders milde stimmen. Vielleicht bringe ich ihr vor der Hochzeit auch noch ein besonderes Opfer dar, was meinst du?" Dass er damit unbewusst ausgedrückt hatte, dass für ihn diese Vermählung bereits feststand, fiel Witjon dabei nicht gleich auf.

  • Zitat

    Original von Petronia Octavena
    Octavena stieg auf der Stelle auf Callistus' Toast ein und hoffte dabei im Stillen, dass sie es nun hinbekommen würden, zu vermeiden, dass es noch einmal zu einem Streit kam. Na ja, eigentlich waren sie gerade da noch haarscharf dran vorbei geschrammt.
    "Gute Idee!", stimmte sie mit einem Lächeln dem Duccius zu und schaffte es sogar, sich einen sarkastischen Kommentar zu Lucius nichtssagendem Ausspruch zu verkneifen. Damit war sie auch schon wieder sehr zufrieden mit sich, jetzt würde dem Gespräch nur noch ein Themawechsel gut tun...
    Nachdenklich fuhr sie sich an den Hals beziehungsweise viel mehr an die Kette, die dort auf ihrer Haut lag. Eine Gewohnheitsbewegung, um etwas zwischen den Fingern zu haben und so besser nachdenken zu können.
    Und das wiederum brachte sie auf einen anderen Gedanken. "Ach, Duccius, das habe ich vorhin völlig vergessen zu fragen, aber du weißt nicht zufällig, wer diese wundervolle Kette gemacht hat?" Die Frage interessierte sie tatsächlich. Vielleicht war das eine Eigenart ihres Wesens, aber wenn ihr etwas Schönes unterkam, wusste Octavena nun einmal gerne, woher es stammte. Informationssammlung. Denn wie so vieles andere konnte man auch da nie wissen, wozu es einmal gut sein konnte.


    Audaod war froh, dass wenigstens Octavena nicht noch einen Spruch hinterherdrücken musste, wie es Lucius machte. Er trank einen ordentlichen Schluck vom Wein und schwieg dann, weil er nicht wusste was er noch sagen sollte. Zum Glück kam Octavena auf etwas völlig anderes zu sprechen, wozu der junge Duccius sogar Auskunft geben konnte.


    "Oh ja, das kann ich dir sagen. Die Kette wurde von Brix gefertigt, unserem Goldschmied. Er betreibt schon lange unsere Goldschmiede und hat sogar meinen Vetter Rod...äh...Lucius Duccius Silvanus zum Goldschmied ausgebildet. Vielleicht hat der auch ein bisschen mitgeholfen, dem gehört nämlich seit ein paar Jahren der Laden. Naja, jetzt weißt du's. Brix."


    Audaod lächelte verschmitzt. Sollte er noch mehr erzählen? Und wenn ja, was? Nein, er schaute lieber in seinen Becher und befreite diesen dann vom letzten Rest Wein darin. Einer der petronischen Sklaven würde gewiss wieder auffüllen und so hatte er etwas Zeit, sich irgendetwas weiteres Sinnvolles auszudenken, was er noch sagen könnte.

  • Zitat

    Original von Numerius Duccius Marsus
    Witjon kratzte sich nachdenklich am Kinn. Der Gode und römische Götter? Er ahnte, dass das nicht gut gehen würde. Witjon hörte den Goden bereits nörgeln: 'Wieso römische Götter? Sind dem Herrn Witjon Wodan, Donar und Frigg jetzt nicht mehr gut genug? Und was soll ich da überhaupt sagen?' Nein, das wollte er lieber anders machen.


    "Hmm...ich würde mich eigentlich vielmehr geehrt fühlen, wenn der hiesige Pontifex die römischen Götter anrufen würde." Er grinste schief. Sie beide wussten, wer damit gemeint war.
    "Zudem unserem Goden die römischen Götter und ihre Kulte nicht so sehr liegen, da befürchte ich diverse Fehlerquellen. Und ich möchte bei meiner Hochzeit keine gereizten Götter riskieren, auch zu Octavenas Bestem. Immerhin...meine erste Frau starb schon im Kindbett. Da will ich Iuno lieber besonders milde stimmen. Vielleicht bringe ich ihr vor der Hochzeit auch noch ein besonderes Opfer dar, was meinst du?" Dass er damit unbewusst ausgedrückt hatte, dass für ihn diese Vermählung bereits feststand, fiel Witjon dabei nicht gleich auf.


    Crispus räusperte sich - er hatte sich natürlich nicht in die Zeremonie drängen wollen. Aber das klang ja doch nach einer Einladung...


    "Dann ruft dein Gode eure Götter an und ich danach unsere? Oder umgekehrt?"


    Dass sein Quasi-Schwiegersohn in spe gleich noch etwas mehr Engagement zeigen wollte, nahm der alte Petronier natürlich ebenfalls positiv auf:


    "Das kannst du machen - schaden wird es nichts! Aber wenn Octavena schwanger werden sollte, musst du natürlich vor allem die Göttinnen der Geburt anrufen!"


    Davon gab es ja eine ganze Menge...


  • "Ja, machen wir es ruhig so. Erst der Gode, dann du", stimmte Witjon zu.


    "Die Göttinnen der Geburt, natürlich", sagte Witjon dann. Er musste sich ein Aufstöhnen verkneifen, denn die kannte er nicht einmal alle auswendig. Da würde er wohl bei Phelan oder einem anderen Aedituus Rat einholen müssen.


    Schließlich wollte Witjon die Heirat schon per Handschlag besiegeln, als ihm noch etwas einfiel: "Ach, beinahe hätte ich zwei wichtige Dinge vergessen! Direkt vor der Vermählung findet noch der sogenannte Brautlauf statt, bei dem sich die Braut in die Obhut der Sippe des Mannes begibt. Das ist insofern wichtig als besonderes Augenmerk auf die Freiwilligkeit dieses Geschehens gelegt wird. Anders, als das beim römischen Brautraub der Fall ist. Während des Brautlaufs wird dann auch der Muntschatz, also dasjenige, was ich dir sozusagen als 'Mitgift' zu erbringen habe, übergeben. Zumindest das, was entsprechend transportabel ist."
    Bei dem was er darauf folgend sagte, druckste Witjon dann ein bisschen herum: "Und...zweitens geht es um eine...etwas...delikate Angelegenheit. In der Hochzeitsnacht nämlich...also..." Witjon musste sich räuspern. Bei Donars Hammer, er stellte sich an wie ein grüner Schuljunge! "Der Vollzug der Ehe muss unter Zeugen stattfinden. Das heißt, ein oder zwei Vertreter der beiden Sippen sind während der ersten...Vereinigung der Eheleute zugegen, um bezeugen zu können, dass...naja den Vollzug eben." Er verzog den Mund zu einer Grimasse, die ein schiefes Grinsen sein könnte oder auch nur eine Art peinlich berürter Gesichtsausdruck. Witjon schämte sich nicht für diesen Brauch seines Stammes beziehungsweise aller Stämme, aber er hatte ein wenig Sorge vor der Reaktion, die der Petronier nun zeigen könnte.

  • Der alte Petronier nickte - ein Opfer für seine Nichte konnte er schon abhalten. Eigentlich war es zwar Aufgabe des Bräutigams, solche Opfer durchzuführen, aber wenn die anderen Götter über einen Fachmann angerufen wurden - warum nicht auch die eigenen? Und über die Opfergaben würde man sich wohl auch einig werden.


    Der andere Punkt war schon etwas heikler - weniger der Brautlauf als die "delikate" Angelegenheit. Natürlich verstand Crispus, was gemeint war und eigentlich war ein Römer an sich ja nicht so prüde wie die Christianer hunderte Jahre später. Trotzdem hatte er wenig Interesse, seiner Nichte beim Vollzug des Geschlechtsaktes zuzusehen - ebensowenig wie er wollte, dass Lucius das tun musste.


    "Ist das wirklich nötig?"


    fragte er deshalb etwas unsicher.

  • Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Ist das wirklich nötig?"


    fragte er deshalb etwas unsicher.


    Witjon machte eine ernste Miene. "Das ist mir sehr wichtig. Nur so kann ich vor meiner Sippe sicherstellen, dass diese Ehe auch rechtsgültig durchgeführt wird."


    Sonst wäre das ganze Brimborium, der Brautlauf, die Vermählungszeremonie, einfach alles ... für die Katz.

  • Crispus zögerte noch einen Moment, blickte auf seinen Garten im Mondschein. Er selbst hätte es wahrscheinlich nicht fertig gebracht, in Anwesenheit seiner Verwandtschaft mit Heila zu schlafen. Andererseits war das ja nicht Octavenas Sorge - primär kam es ja auf den männlichen Part an, um die Ehe zu vollziehen. Er sah Marsus für einen Moment an - wenn er sich vorstellte, dass dieser bärtige, langhaarige Germane sich über seine zarte Octavena hermachte... also nein. Aber man musste Opfer bringen, um seine Familie voranzubringen. Also sagte er schließlich


    "Na gut. Dann werde ich das ganze beaufsichtigen."


    Bevor sein unreifer Lucius ranmusste - er wusste gar nicht, ob sein Sohn selbst schon einmal eine Frau gehabt hatte...


    Schließlich zwang er sich zu einem Lächeln und meinte


    "Dann wären wir also im Geschäft. Gibt es noch etwas, das im Vorfeld zu bereden wäre?"


  • "Sehr gut." Witjon erwiderte das Lächeln erleichtert. Er hatte schon befürchtet, dass dieser Punkt bei Crispus zu einem großen Problem werden könnte, aber offenbar war dem nicht so. Selbst wenn dem Petronier schon der Gedanke an die Hochzeitsnacht unangenehm war, so konnte dies wohl nicht seine Bereitschaft trüben, diese Ehe zu ermöglichen. Witjon war überrascht, wie wenig kompromissbereit er sich selbst hatte zeigen müssen. Gut, dachte er, ich bin wichtig genug, dass man wegen einer Ehe mit mir allerlei Dinge in Kauf nimmt.


    "Allerdings gibt es da noch etwas zu bereden: Den Muntschatz!", erklärte Witjon und sagte auch sogleich, was er meinte: "Unter den Männern der Stämme wird über den Muntschatz verhandelt, den der Vater der Braut vom Mann erhält. In diesem Fall würdest du eben an Octavenas Vaters Stelle treten. Das heißt, falls du nichts dagegen hast, können wir sogleich damit beginnen. Willst du ein Angebot machen, oder soll ich sagen, was ich mir vorstelle?" Er schmunzelte. Das war das erste Mal, dass er überhaupt um eine Frau feilschen musste. Bei Callista hatte es ja eine Mitgift gegeben nach römischer Sitte.

  • Der alte Petronier war tatsächlich ziemlich schnell auf die Bedingungen eingegangen - aber da er bisher noch nie über derartige Dinge verhandelt hatte und überhaupt froh war, dass er offensichtlich einen so guten Fang für Octavena organisiert hatte, war er lieber vorsichtig gewesen. Und dass er jetzt auch noch Geld dafür bekam anstatt wie ursprünglich gedacht zu zahlen, war umso besser. Wovon er aber keine Ahnung hatte war, wie viel man für so einen Muntschatz verlangen durfte - war er vergleichbar mit der Mitgift? Lieber überließ er auch hier Marsus die Initiative:


    "Mach' mir ein Angebot!"


    sagte er deshalb knapp.

  • Zitat

    Original von Caius Duccius Callistus
    "Oh ja, das kann ich dir sagen. Die Kette wurde von Brix gefertigt, unserem Goldschmied. Er betreibt schon lange unsere Goldschmiede und hat sogar meinen Vetter Rod...äh...Lucius Duccius Silvanus zum Goldschmied ausgebildet. Vielleicht hat der auch ein bisschen mitgeholfen, dem gehört nämlich seit ein paar Jahren der Laden. Naja, jetzt weißt du's. Brix."


    Audaod lächelte verschmitzt. Sollte er noch mehr erzählen? Und wenn ja, was? Nein, er schaute lieber in seinen Becher und befreite diesen dann vom letzten Rest Wein darin. Einer der petronischen Sklaven würde gewiss wieder auffüllen und so hatte er etwas Zeit, sich irgendetwas weiteres Sinnvolles auszudenken, was er noch sagen könnte.


    Im Gegensatz zu den anderen war Lucius die Stille keineswegs unangenehm - er genoss sie sogar, denn dadurch fühlte er sich bestätigt, dass seine Position zur Geometrie sich durchgesetzt hatte.


    Umso unangenehmer war ihm das nächste Thema - in seinen Augen gab es wenig Dinge, die ihm so überflüssig erschienen wie Schmuck. Natürlich war er auch scharf darauf, eines Tages den Siegelring des Alten am Finger zu haben und die Verzierungen an seiner Schwertscheide gefielen ihm auch sehr - aber Halsketten waren nun wirklich ziemlich unnütz. Typisches Frauenzeug...


    So verdrehte er nur die Augen und fragte sich, ob es im germanischen Adel üblich war, dass man Handwerk betrieb - sein Vater hatte ihm schon früh deutlich gemacht, dass sich das für einen guten römischen Adligen (was man als Decurio ja auch irgendwie war) eine sehr unangebrachte Tätigkeit war. Uneingedenk der Tatsache, dass solch eine Frage vielleicht etwas unangebracht war, fragte er deshalb


    "Ist dieser Silvanus ein naher Verwandter? Oder seid ihr alle Handwerker?"

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    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Mach' mir ein Angebot!"


    Witjon hatte gehofft, dass Crispus das sagen würde, denn er war darauf vorbereitet ein Angebot zu unterbreiten. So setzte er sich auf der Bank kurz zurecht und sammelte kurz seine Gedanken, um das zuvor Erdachte wirkungsvoll zu präsentieren:


    "Neben der Aufnahme in meinen Haushalt und der Anerkennung Octavenas als vollwertiges Mitglied meiner Sippe biete ich dir folgenden Muntschatz. Ein Pferd aus unserem Gestüt, drei Lagen Werkzeug, eine Lage Feinkeramik, drei Säcke Saatgut deiner Wahl, drei Kaninchenpelze, einen Fuchspelz, zwei Barren aus Eisen und einen Pokal aus gänzlich durchsichtigem karthagischen Glas."


    Das alles zusammen war mehr wert als jeder normale Handwerker in Mogontiacum jemals in seinem Leben verdienen konnte. Allerdings war es noch lange nicht so viel, wie Lando einst für eine Fürstentochter zu zahlen bereit gewesen war. Witjon war sich sicher, dass Octavena auch lange nicht so viel wert war, aber wenn man den Petronius schonmal beeindruckte, dann auch richtig. Und Octavena hatte Witjon schließlich derart in ihren Bann geschlagen, dass er - auch wenn er es sich noch nicht eingestehen wollte - sie so sehr begehrte, dass er sie haben musste. Komme was wolle!

  • Das Angebot überraschte ihn ein wenig - er hatte eigentlich auf Geld gehofft, immerhin hieß es "Muntschatz". Andererseits wusste er natürlich aus Erfahrung, dass germanische Händler - vor allem von jenseits des Rhenus - auch mehr Wert auf Naturalien legten als auf Metallgepräge mit fragwürdigem Edelmetallgehalt. Das half ihm aber jetzt nicht weiter, denn nun musste er den Wert dieser Dinge umrechnen - womit das Problem aufkam, dass Crispus so selten einkaufte und er deshalb für viele Dinge nur ganz grobe Werte angeben konnte: Ein Pferd war wohl ein ganzes Stück teurer als ein Rind, vielleicht 400 Sesterzen? Dazu Werkzeug - da hatte er ja vor kurzem erst einen Vertrag über 15 Sesterzen gemacht, also 45 Sesterzen, Keramik... gute Frage - und was war das andere gewesen? Pelz, Eisen, Pokal?


    Letztlich musste er kapitulieren. Alles in allem war das ganze wohl ordentlich wertvoll, also konnte er einschlagen. Das hieß...


    "Ähm... naja, für Eisen hab' ich ehrlichgesagt wenig Verwendung. Wie wär's, wenn du mir stattdessen lieber ein bisschen Wolle lieferst? Da könnte ich was mit anfangen..."


    Da er ja quasi im Verlagssystem handelte und seine Weber von ihm die Rohwolle kaufen mussten, würde er davon mehr haben und musste sich nicht um den Verkauf kümmern.

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