Mens sana in corpore sano - Taberna Medica Decima

  • Die Taberna Medica Decima befindet sich direkt in der Nähe der Traianischen Märkte – nicht direkt dort, wo der Straßenlärm das Geschehen im Verkaufsraum beeinträchtigen könnte, aber nah genug, dass sie gut auffindbar ist und auch Laufkundschaft anzieht.


    Betritt ein Kunde den Laden, so begrüßt ihn ein großzügig angelegter Raum, der ähnlich einem Atrium gestaltet ist. Die Öffnung im Dach sorgt für ausreichend Licht des Tags, Abends und Nachts erhellen Öllampen den Raum, bis sie nach Geschäftsschluss gelöscht werden. Um das Impluvium herum ist erst kürzlich ein Pflanzengürtel angelegt worden, dessen Gewächse selbst für das nichtkundige Auge medizinischen Hintergrund offenbaren mag. Im vorderen Teil des Raums können Besucher und Kunden sich über die Angebote der Taberna Medica ebenso informieren wie über das Sortiment, das teilweise auch ausgestellt ist. Mittig führt auf der linken Seite eine Nische ab zu einem kleinen Altar, an dem jeder, der möchte, den Göttern ein Gebet sprechen oder ein kleines Opfer darbringen kann – für einen kleinen Vorrat an Weihrauchkörnern, Dinkelkeksen, einfachen Blumen und Früchten ist hier stets gesorgt. Im hinteren Bereich sind einige kleinere Tischgruppen verteilt, an denen Beratungsgespräche geführt werden – voneinander abgetrennt durch Pflanzen, Vasen oder andere Dekorationsgegenstände, um für die Wartenden und Ratsuchenden etwas Privatsphäre zu schaffen. Zur Rechten führen im hinteren Bereich zudem ein Durchgang ab, der wiederum in einen Gang mit mehreren Türen führt. Die dahinter gelegenen Räume werden unterschiedlich genutzt: es gibt ein Arbeitszimmer, in welchem die Verwaltung erledigt wird, zwei Behandlungsräume sowie ein Vorratsraum.

  • Sim-Off:

    Um Missverständnissen vorzubeugen, das hier spielt einige Tage nach dem Opfer


    Es wurde einfach nicht besser. So sehr Axilla auch andere Ausreden fand, warum ihr andauernd übel war – Seekrankheit, Essensumstellung, zuviel Wein, zuviel Sorgen, Urgulanias Tod... das waren die beliebteren der Ausreden – es nützte ja nichts. Sie konnte hier nicht wochenlang in Rom sein, und ihr war ständig übel. Bei ihrem Opfer an Dis hätte sie sich beinahe übergeben. Das konnte einfach nicht sein. Und auch Leander hing ihr ständig in den Ohren, sie dürfe das ganze nicht solange rauszögern, bis es wirklich ernst war.
    Also hatte sie sich heute breitschlagen lassen und war losgegangen. Von Seiana hatte sie ja noch immer die Zusage, sich umsonst behandeln lassen zu können. Und auch, wenn es ein komisches Gefühl war, sie und Archias zusammen zu sehen, sie mochte die Decima und vertraute ihr. Und wie schlimm konnte es schon werden?


    So war sie also hier und betrat etwas unschlüssig das Gebäude. Schön eingerichtet war es ja, und es sah gar nicht so nach... naja, Medizin eben aus. Axilla mochte keine Medici. Diejenigen, die ihrer Mutter nicht hatten helfen können und nur immer mehr Geld verlangt hatten, hatten sie da eine Lektion fürs Leben gelehrt. Aber noch wurde Axillas Fluchtinstinkt nicht gereizt, so dass sie erstmal nur hereinschlenderte und sich ein wenig unsicher umsah.

  • [Blockierte Grafik: http://img210.imageshack.us/img210/4457/crios.jpg~ Crios ~


    Crios war heute allein hier – nun, das war er häufig, arbeiteten sie doch nur zu zweit in der Taberna Medica, und der alte Iaret nahm für sich das Vorrecht in Anspruch, die Hausbesuche zu machen und alles übrige, was Spaß machte. Wie zum Beispiel freie Tage. Was ihm irgendwie auch zu gönnen war, bei dem Alter, das er auf dem Buckel hatte. Und die neue Besitzerin, Decima Seiana, hatte ohnehin vor, den Laden auszubauen, falls es gut lief, sie wollte sich nur noch ein wenig Zeit lassen. Abwarten, wie die Geschäfte so gehen würden unter ihrer Führung. Nachdem sie allerdings nach der ersten Besichtigung nicht nur gewisse Veränderungen angekündigt, sondern auch durchgeführt hatte, ging Crios davon aus, dass sie auch ihren übrigen Worten Taten folgen lassen würde. Was er von den vielen Pflanzen halten sollte, die nun hier herumstanden, wusste er noch nicht so recht, aber irgendwo… musste er doch zugeben, dass es was hatte. Den Kunden schien es jedenfalls zu gefallen, den meisten. Und zumindest als Raumteiler funktionierten sie.


    Nachdenklich kratzte er sich über seine Bartstoppeln, während er überlegte, was sie noch Vorräten hatten, und aufschrieb, was sie würden nachkaufen müssen. Die Decima wäre es wohl lieber, wenn er sich häufiger rasierte, hatte sie durchscheinen lassen. Würde wohl einen besseren Eindruck auf Besucher und Kunden machen. Meinte sie. Aber solange daraus keine Forderung wurde, die sie explizit formulierte, hatte Crios beschlossen, das Thema auf sich beruhen zu lassen. Seine Finger wanderten von der Wange zum Kinn, wo er nun rieb, während er grübelte. Er würde sich wohl doch die Mühe machen müssen, hinter zu gehen und nachzusehen, nicht dass er noch etwas vergaß… In diesem Moment hörte er, wie die Tür geöffnet wurde. Crios hob den Kopf, und ein Schmunzeln verzog seine Lippen ein wenig, als er den Göttern für die Rettung dankte. Mit Besuchern zu reden, ihnen vorzustellen, was die Taberna zu bieten hatte, ihnen Ratschläge zu geben und sie zu behandeln, das machte so viel mehr Spaß als der langweilige Verwaltungskram – der, wie er nur ungern zugab, leider auch erledigt werden musste, aber wenn er es aufschieben konnte, dann nutzte er die Gelegenheit. „Salve. Wie kann ich dir helfen?“




  • Es dauerte nicht lange, und aus dem hinteren Teil des Hauses kam jemand auf sie zu. Axilla hatte erwartet, einen alten, eingefallenen Mann in überlanger Toga vorzufinden, der mit zittrigen Händen irgendwas von 'zuviel Galle' oder 'zuwenig Blut' schwafeln würde. Aber hier kam ein.... ein... KERL! Ein richtiger, waschechter Kerl, mit Dreitagebart und ansehnlichem Körperbau.
    Es dauerte einen Moment, bis der Gedanke durchsickerte, dass er auch nur der Gehilfe oder Sklave von eben so einem togatragenden Tattergreis sein könnte, der nur in einem der hinteren Räume darauf wartete, etwas von 'zuviel Galle' oder 'zuwenig Blut' zu schwafeln. Dass er auch Iatros sein könnte, war nicht unbedingt anzunehmen.
    Axilla versuchte also ein möglichst belangloses Lächeln aufzusetzen, während sie antwortete. “Salve. Ich bin Iunia Axilla, und meine Freundin, Decima Seiana, meinte, ich könne mich hier untersuchen lassen?“
    Was genau ihr fehlte, wollte sie jetzt nicht so zwischen Tür und Angel sagen, sondern irgendwo privateres. Zwar waren sie beide gerade allein, soweit Axilla das überschauen konnte, aber... irgendwie fand sie es falsch, diesem süßen Kerl hier vor ihr auf die Nase zu binden, dass ihr seit Wochen ständig schlecht war und sie sich alle drei bis vier Tage einmal übergab.

  • [Blockierte Grafik: http://img210.imageshack.us/img210/4457/crios.jpg]
    ~Crios~


    Crios lächelte der Besucherin zu, während er sie kurz taxierte. Römerin, schätzte er, so wie sie gekleidet war. Was ihn dann doch etwas irritierte war die Tatsache, dass sie… irgendwie… dunkler zu sein schien als die normale Römerin. Braungebrannter. Vor allem für den Winter. „Iunia Axilla“, wiederholte er, während er kurz sein Gedächtnis durchforstete. Da war was gewesen, daran konnte er sich erinnern. Die Decima hatte einen Brief geschrieben ihn vorbei bringen lassen, und Iaret hatte ihm erzählt, dass sie wohl jemanden umsonst untersuchen sollten, falls dieser jemand hier vorbei kam. Crios hatte ihm da nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt, deswegen war er sich jetzt nicht ganz sicher, ob der Name, den der Ältere ihm genannt hatte, auch tatsächlich Iunia Axilla gewesen war. Aber eine Iunia war es, das zumindest meinte er zu wissen. Und sie war jung und hübsch und überhaupt, und wenn es doch die falsche Iunia war, dann würde er das auf seine Kappe nehmen. Wenn es denn überhaupt auffiel. Crios war nicht wirklich unehrlich, hinterging niemanden und unterschlug auch nichts, aber er nahm es auch nicht immer ganz so genau mit Recht und Ordnung. „Ja“, antwortete er deshalb, immer noch mit einem leichten Lächeln auf seinen Lippen. „Sie hat uns Bescheid gegeben deswegen. Komm doch mit.“ Er winkte ihr, ihm zu folgen, und führte sie in den hinteren Teil zu einer der Sitzgruppen – wohlweislich nicht zu der, auf der seine sämtlichen Unterlagen kreuz und quer verstreut lagen. Er würde das aufräumen müssen, bald… Crios kannte die Decima noch nicht sonderlich gut, aber das brauchte er auch nicht um schon erkannt zu haben, dass sie vermutlich der Schlag treffen würde, wenn sie die Unordnung da sah. Aber… egal. Noch hatte er Zeit. Sie würde ja nicht ausgerechnet jetzt kommen und alles prüfen wollen. „Setz dich. Kann ich dir irgendetwas anbieten?“ fragte er nach, bevor er das Gewünschte – falls sie etwas wünschte – holte und sich dann ebenfalls setzte. Und plötzlich anders wirkte als noch Momente zuvor, wesentlich… professioneller. Crios nahm es mit einigen Dingen nicht ganz so genau, genauer gesagt sah er vieles wohl ein wenig zu locker – aber was seine Arbeit anging, die eigentliche Arbeit, nicht den Verwaltungskram, da kannte er nichts. Iaret fand zwar immer noch, dass er eigentlich noch lange nicht genug konnte oder wusste, um sich einen Iatros nennen zu dürfen, aber sogar er – der nun wirklich viel erwartete von seinem Schüler – gestand ihm schon seit geraumer Zeit zu, die Arbeit eines solchen zu verrichten. Da nahm er es gern in Kauf, dass er trotzdem regelmäßig herumschimpfte. Crios liebte seine Arbeit. „Welche Beschwerden hast du?“




  • Einen kurzen Moment schien der Mann zu überlegen, als er ihren Namen wiederholte. Axilla sah ihm dabei so gleichmütig wie möglich entgegen, auch wenn sie hoffte, er würde sich nicht an so eine Anweisung erinnern, sie zu behandeln. Dann hätte sie eine Ausrede gehabt, es doch noch einmal zu verschieben und wieder nach Hause zu gehen. Einfach so zu tun, als wäre nichts, als hätte der Iatros eben nichts festgestellt und sie wieder heimgeschickt, um es auszusitzen. Das käme ihr eigentlich ganz gelegen, hatte sie doch noch so viel zu tun. Zum Beispiel... nun... achja, sie könnte für die Architektursache lernen. Oder ein wenig ihre Webkenntnisse auffrischen – oder besser gesagt, erwerben. Oder... ach, hundert Dinge, sie musste sie nur eben sehen, um zu wissen, dass sie gemacht werden müssten.
    Aber noch während sie sich überlegte, was sie eigentlich alles wichtiges zu tun haben könnte, erkannte der Mann wohl doch den Namen und bat sie, mitzukommen. Sie hatte wohl einfach kein Glück. Fortuna hasste sie, soviel war klar. Bestimmt war der Medicus gleich furchtbar alt mit zittrigen, kalten Händen...
    Er führte sie zu einer Sitzgruppe. Rund herum waren hohe Pflanzen, die zwar nicht wirklich lauschdicht, aber doch zumindest blickdicht waren. Als er fragte, ob sie etwas haben wollte, verneinte Axilla einfach. Ihr war schon wieder übel, und sie wollte dem Medicus ihre Symptome gleich nicht unbedingt als Demonstration vorführen. In der Annahme, dass der süße Unbekannte gleich den Arzt holen würde, sah sie beiseite und sich im Raum um, nur um verwundert festzustellen, dass der Mann sich setzte und sie selber fragte, was ihr fehlte.
    Sie musste wohl ziemlich überrascht dreinschauen, als sie ihn mit leicht geöffnetem Mund anstarrte und erstmal gar nicht wusste, was sie sagen sollte. “Du bist der Medicus?“ war dann auch nicht wirklich schmeichelhafter, und als Axilla es merkte, wurde sie leicht rot. “Ähm, tut mir leid, ich hab nur jemanden erwartet, der weniger gut aussieht...“ plapperte sie noch völlig durcheinander weiter und biss sich einen Augenblick später auf die Zunge. “Ähm, tut mir leid. Ich... können wir nochmal anfangen?“ Peinlich berührt traf Axillas Gesichtsausdruck nicht ganz, kurz vorm 'im Boden versinken' war wohl passender. “Salve, ich bin Iunia Axilla. Und ich brauche einen Iatros, weil die Seekrankheit einfach nicht weggehen will.“ Axilla tat ihr möglichstes, die peinliche Situation zu überspielen, auch wenn ihre roten Wangen das ganze nicht sehr überzeugend werden ließen.

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    Crios musste lachen, als er ihre Überraschung sah – und ihre stotternden Erklärungsversuchte hörte. „Danke für das Kompliment.“ Er grinste breit und zwinkerte ihr zu, zum Zeichen, dass er das Ganze nicht so ernst nahm, aber Iunia Axilla schien doch ziemlich peinlich berührt zu sein. „In Ordnung“, meinte er, setzte eine gespielt ernste Miene auf und räusperte sich. „Salve, Iunia Axilla. Ich bin Crios – kein Medicus, jedenfalls habe ich keinen Cursus hier an der Schola gemacht, aber ich bin jahrelang bei einem Iatros in die Lehre gegangen.“ Jetzt hob wieder ein Grinsen seine Mundwinkel. „Und keine Sorge, ich arbeite hier mit seinem vollen Wissen und Einverständnis allein. Auch wenn er meint, zu einem richtigen Iatros würde mir immer noch eine Menge fehlen. Jahrzehntelange Erfahrung zum Beispiel – und Demut, das vor allem. Wie das eben so ist mit alten Lehrmeistern…“ Er grinste, bis ihm aufging, dass die Iunia diese Bemerkung womöglich nicht sonderlich vertrauenserweckend fand, was seine Kenntnisse anging. Crios wurde wieder ein wenig ernster. „Wenn du möchtest, kannst du selbstverständlich auch gerne warten, bis er wieder kommt, oder, noch besser, einen Termin ausmachen. Und wenn du tatsächlich schwerwiegendere Beschwerden haben solltest, dann werden wir das sowieso.“


    Augenscheinlich schien ihr aber nicht daran gelegen, zu warten oder wieder zu kommen, oder seine Worte hatten sie nicht in Zweifel über sein Können gestürzt. In jedem Fall erzählte sie ihm, woran sie litt, und Crios lehnte sich ein wenig zurück und musterte sie. „Seekrankheit? Mit den üblichen Symptomen?“ Für gewöhnlich dauerte eine Seekrankheit eigentlich nie länger als eben die Seereise dauerte – höchstens noch einige Stunden länger, bis der Körper sich wieder an den nichtschwankenden Boden gewöhnt hatte. Was auch eigentlich bekannt war. Daher drängte sich ihm die Frage auf, warum die Iunia hier war mit ihrem Anliegen – ihre Wortwahl ließ jedenfalls darauf schließen, dass sie schon länger unter Übelkeit litt. „Wie lange ist die Seereise denn schon her?“ fragte er nach, obwohl er eigentlich schon zu dem Schluss gekommen war, dass etwas anderes dahinter stecken musste. „Von wo bist du gekommen? Und wie lange warst du dort, nur ein paar Wochen oder länger? Was ist mit deiner Ernährung, isst du hier andere Dinge, die dein Magen vielleicht nicht gewöhnt ist?“ Crios unterbrach sich kurz und lächelte entschuldigend. „Tut mir leid für die vielen Fragen. Aber das Beste ist, erst mal ein paar grundsätzliche Dinge abzuklären.“




  • Zum Glück nahm er das ganze nicht gar so ernst, und Axilla wollte nicht mehr ganz so tief im Boden versinken. Vielleicht nur noch bis zur Nasenspitze. Und er erklärte auch gleich, wie er dazu kam, sie untersuchen zu wollen und was er hier so machte. Er war also eigentlich der Lehrling des Medicus? Auf der einen Seite hieß das zwar, dass er nicht ganz so viel Ahnung hatte, auf der anderen Seite aber auch, dass er vielleicht nicht ganz so verkalkt war. Für Axilla war das eigentlich eher ein gutes Zeichen denn ein schlechtes, und sie unterhielt sich lieber mit jemandem, der wenigstens noch einigermaßen Leben in sich hatte und nicht schon mit einem Fuß im Styx badete.
    “Nein, nein, ist gut so. Ich will es lieber schnell hinter mich bringen, sonst schieb ich es nochmal so lange auf.“
    Und irgendwie war er ja doch ganz süß, auch wenn sein Name darauf schließen ließ, dass er wohl peregrin oder vielleicht sogar Sklave war. Was ja aber grundsätzlich nichts an seinem Aussehen veränderte oder seiner Art, zu sprechen. Und falls sie sich untersuchen lassen musste, waren ihr seine Hände lieber als altersfleckige, zittrige, faltige, kalte Greisenhände.
    “Oh, nein, frag nur. Du musst das ja wissen“, winkte Axilla ab und „entsank“ noch ein Stückchen dem Boden, lehnte sich etwas bequemer zurück und überlegte. “Also, ich habe jetzt seit... puh, über einem Jahr in Alexandria gewohnt. Ich komme eigentlich aus Tarraco, und auf der Seereise von Tarraco nach Alexandria war mir auch schon immer so schlecht. Aber da war das Meer ganz ruhig, und dann war das nach ein, zwei Tagen wieder gut. Aber jetzt hier in Rom geht es einfach nicht weg. Ich bin hier jetzt... vor den Saturnalien war das... sechs Wochen? Vielleicht eine Woche mehr. Und ja, das Essen hier ist anders, viel weniger würzig. Aber es ist nicht so, dass mir nach dem Essen schlecht ist. Es schmeckt ja auch alles, ich hab manchmal direkt Heißhunger auf ein paar Sachen. Das ist mehr, wenn ich schlecht geträumt habe oder mich angestrengt habe, dann.“ Axilla war es doch ein wenig peinlich, und sie kratzte sich verlegen am Unterarm herum. “Also, das ist ja auch nicht immer so, aber es geht halt nicht weg und kommt immer wieder.“

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    Crios schmunzelte, als die Iunia sich dazu entschied, zu bleiben – auch wenn der Grund, zumindest der, den sie nannte, nicht unbedingt schmeichelhaft für ihn war. Allerdings war mangelndes Selbstbewusstsein noch nie sein Problem gewesen. Ihren Antworten lauschte er aufmerksam, machte sich nebenbei sogar ein paar Notizen. Alexandria also… Von dem was er gehört hatte, war es eher so, dass Römer in Ägypten Probleme mit ihrem Magen bekamen, in den ersten Wochen zunächst – unter anderem aus dem Grund, den sie gerade nannte: weil das Essen dort mehr Gewürze enthielt. Aber das jemand ein Problem bekam, der längere Zeit dort gewesen war und nun hierher kam? „Mh“, machte er. „Dass dir auf Seereisen schlecht wird, ist also vorher auch schon passiert“, wiederholte er dann, mehr zu sich als zu ihr gewandt. Aber eigentlich konnte er das mit der Seereise ohnehin vergessen, wie er schon vermutet hatte. Sechs Wochen war schlicht zu lange, eine solche Zeitspanne hielt keine Seekrankheit an. Und das Essen an sich konnte es auch nicht sein, ihren Worten nach zu schließen. Erneut kratzte er sich über seine Bartstoppeln. „Mmmh. Sechs Wochen also schon… Also hält es sich doch irgendwie in Grenzen, ja? Weil du dir erst jetzt Hilfe suchst.“ Wieder lehnte er sich ein wenig zurück. Sechs Wochen Übelkeit, die allerdings in dieser Zeit nicht so schlimm geworden war, dass sie bereits früher einen Iatros aufgesucht hätte. „Ich denk mal, deine Säfte werden aus dem Gleichgewicht sein. Aber das kann verschiedene Ursachen haben. Wann ist dir übel, gibt es da irgendwelche Regelmäßigkeiten? Vielleicht nach dem Genuss eines bestimmten Nahrungsmittels?“ Es gab Menschen, die vertrugen beispielsweise keine Milch – manchen ging das Zeit ihres Lebens so, andere entwickelten das erst irgendwann. Vielleicht war es bei Axilla etwas in dieser Richtung, Crios wollte da nichts ausschließen. „Oder hast du noch andere Beschwerden, tut dir etwas weh? Gibt es sonst etwas, was ungewöhnlich ist, anders als sonst, ist dir da irgendwas aufgefallen?“




  • Axilla zuckte etwas gleichmütig mit den Schultern. Was sollte sie schon sagen? Es war ja nicht so, als würde sie sich jeden Tag die Seele aus dem Leib kotzen, ihr war eben nur immer ein bisschen übel. “Nein, so schlimm ist es nicht. Ist nur selten, dass ich mich wirklich übergeben muss, aber mir ist halt häufig einfach nicht so wohl...“
    Ein bisschen unangenehm war die Fragerei schon, und Axillas Verlegenheit nahm doch wieder zu. Sie fühlte sich so... so... beobachtet. Ja, genau, beobachtet. Natürlich gab es einige junge Männer – oder auch ältere – die ihr hinterher guckten. Vor allem, da ihre Kleiderwahl nach wie vor recht ägyptisch war und damit viel ihrer Haut zeigte – zumindest im Vergleich zu den römischen Matronen und Matrönchen. Aber das hier war irgendwie intimer, und sie fühlte sich ein wenig unwohl. Aus Gewohnheit zog sie die Beine an und stellte ihre Füße auf den Sessel, um ihre Knie umfassen zu können. In dieser Schutzhaltung fühlte sie sich einfach wohler, ein bisschen beschützter.
    “Ich weiß nicht... aufgefallen? Also, es ist meistens eher nach dem Aufstehen, oder wenn ich mich angestrengt habe. Über den Tag ist es meistens besser, aber auch nicht immer. Vor allem, wenn Sachen stark riechen, wird es schlimmer.“ Ob sie ihm sagen sollte, dass sie nach dem Opfer an Pluto am liebsten auf die Tempelstufen gekotzt hätte, weil ihr so schlecht war, und nur ihr Stolz sie abgehalten hatten? Nein, lieber nicht, sonst dachte er am Ende noch, es wäre eine strafe des Gottes oder sowas.
    “Und was soll mir denn aufgefallen haben? Sonst ist alles in Ordnung mit mir. Vielleicht ess ich ein bisschen salziger, aber sonst...“ Eigentlich konnte sie Oliven ja nicht leiden, aber im Moment konnte sie ihre Finger von den Dingern nicht lassen, wenn es welche gab. Aber eigentlich fühlte sie sich ansonsten ja ganz fit und gesund.

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    Sonderlich leicht machte sie es ihm nicht, stellte Crios fest. Entweder sie litt tatsächlich nur an Übelkeit, oder sie verdrängte, was sonst noch war, oder sie wollte es nicht erzählen. Sollte es ersteres sein, dann würde das ein Problem darstellen, weil er dann Schwierigkeiten haben würde herauszufinden, woran ihre Übelkeit lag, und sogar Iaret würde an gewisse Grenzen stoßen dann, vermutete er. Allerdings mochte Crios nicht so ganz daran glauben, dass dies der Fall war, nicht so lang wie die Übelkeit schon anhielt, ohne dabei schlimmer zu werden. Wenn die Körpersäfte aus dem Gleichgewicht gerieten, dann gab es im Grunde zwei Möglichkeiten – entweder die Natur war fähig, sich selbst zu helfen, vielleicht ein wenig unterstützt von der menschlichen Heilkunde; oder aber sie war eben nicht dazu in der Lage und brauchte größere Unterstützung dazu. War das der Fall, und bekam der Mensch keine Hilfe, dann geriet das Gleichgewicht der Säfte immer stärker ins Wanken, was nichts anderes hieß als dass die Symptome schlimmer wurden, je mehr Zeit verging. War letzteres der Fall, von seinen drei möglichen Annahmen, hatte er auch ein Problem… wenn sie nämlich nicht reden wollte, konnte er sie kaum dazu bringen, außer ihr irgendwann ins Gewissen reden, dass er ihr sonst nicht würde helfen können – und nicht einmal das konnte er tun, wenn sie wie jetzt weiterhin darauf beharrte, dass da nichts war. Er konnte ihr ja schlecht an den Kopf werfen, dass sie log, immerhin war sie als Ratsuchende, als Patientin gar, darüber hinaus war sie noch eine Freundin der Besitzerin, auch wenn Crios das für nicht ganz so wichtig hielt. Am besten wäre noch die mittlere Variante. Wenn sie einfach nur gewisse Dinge nicht wahrhaben wollte, halfen vielleicht schon ein paar gezielte Nachfragen, um der Ursache für ihre anhaltende Übelkeit auf die Spur zu kommen.


    Crios schrieb noch etwas auf und ging dann die flüchtigen Notizen durch, die er auf einer Wachstafel festgehalten hatte. Kommt aus Alexandria. Das konnte er wohl getrost ignorieren. Seereise. Das sowieso. Sechs Wochen. Das war wichtig, darüber stolperte er immer wieder. Nach dem Aufstehen. Starke Gerüche. Mehr salziges. Was hatte sie vorhin noch gesagt? Auf manche Sachen verspürte sie regelrecht Heißhunger? „Nun, hast du Magenschmerzen, zum Beispiel? Oder ist dir einfach nur übel?“ Er hatte zuvor durchaus bemerkt, dass Axilla sich ein wenig unwohl zu fühlen schien, aber er kam einfach nicht umhin, weitere Fragen zu stellen. „Fühlst du dich in letzter Zeit häufig müde? Musst du häufiger Wasser lassen als sonst, oder hast du Durchfall?“




  • Als er etwas aufschrieb, machte Axilla sich ein wenig lang, um über ihre Knie hinweg vielleicht einen Blick auf das Geschriebene zu erhaschen. Aber ganz so einfach war das nicht, und ganz neugierig und unverschämt wollte sie ja auch nicht sein, so dass ihr nichts übrig blieb, als ungeduldig auf ihrer Unterlippe herumzukauen und fragend dreinzuschauen, als Crios wieder aufschaute. Irgendwie war er ja wirklich schnuckelig. Er sah nicht so weich und kompromisssuchend aus wie so viele Männer in dieser Stadt. Axilla mochte lieber Kerle, die ihre Ecken und Kanten hatten, dann durften die ruhig auch mal ein wenig kratzen. Er war zwar nicht ganz der Typ Mann, für den sie schwärmte, kam ihm aber schon ziemlich nahe. Verträumt – und noch immer die arme Unterlippe malträtierend – sah sie gerade zu ihm herüber, als er sie mit seinen Fragen doch ziemlich aus ihren Tagträumen riss.
    “Hm, was?“ fragte sie fast etwas erschrocken und zog gleich die Beine noch ein wenig mehr an ihren Körper ran. Das waren jetzt doch sehr persönliche Fragen, und sie rutschte etwas unwohl auf dem Sessel hin und her. Sowas wollte sie nicht wirklich beantworten, und ihre Stimmlage machte das auch durchaus deutlich. “Nein, es schmerzt nicht. Mir ist einfach nur übel. Mit meinem Magen ist sonst alles in Ordnung. Und auch mit dem Rest...“ Sie zog noch etwas die Schultern an, als wolle sie sich hinter ihren Beinen verstecken und schaute Crios jetzt nicht mehr auch nur annähernd verträumt an. Ihrem Blick konnte man doch durchaus ansehen, dass es ihr unwohl war, darüber zu sprechen. Es lag nichtmal daran, dass es doch ziemlich peinlich war, sondern auch daran, dass Axilla Ärzte einfach nicht leiden mochte. Und je mehr er sich wie ein Arzt benahm, umso weniger konnte sie ihn mehr leiden. Und das wiederum stand im Gegensatz zu dem, dass er eigentlich doch recht anziehend war, was alles in allem aus einem kleinen Unwohlsein ein großes Unwohlgefühl machte. “Ich bin in letzter Zeit etwas verschlafen, aber das ist ja auch normal bei diesem miesen Wetter. Andauernd ist es kalt und dunkel, da kann man ja fast nur schlafen“, verteidigte sie sich schon fast. Nein, sie mochte einfach keine Ärzte, auch nicht die schnuckeligen. Und so langsam holte sie dieses Gefühl eben ein.
    “Kannst du mir nicht einfach ein paar Kräuter geben, die meinen Magen kräftigen, und gut?“

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    Irgendwie schaltete sie jetzt komplett auf stur. Hatte sie ihn eben noch so verträumt angesehen, dass er fast auf die Idee hätte kommen können, sie wäre aus einem ganz anderen Grund hier und würde die Übelkeit nur vortäuschen, wurde sie gleich darauf beinahe abwehrend. Axilla fühlte sich ganz eindeutig nicht wohl in ihrer Haut, das war ihr anzusehen, und das nicht nur, weil sie die Beine mittlerweile so eng an den Körper gezogen hatte, das vermutlich kein noch so dünnes Blatt Papyrus mehr dazwischen gepasst hätte. Crios unterdrückte den Impuls, überrascht die Brauen hochzuziehen. Sie war hergekommen, er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was sie auf einmal so verschreckt, oder abgeschreckt, haben konnte. Seine Finger spielten ein wenig mit dem Stylus herum, aber er schrieb nichts. Keine Magenschmerzen, das war schon mal gut. Verschlafen war sie. Auf die beiden anderen Fragen hatte sie nicht geantwortet. „Irgendwas könnte ich dir sicher geben. Die Frage ist nur, ob es hilft, wenn wir die Ursache für deine Übelkeit nicht kennen.“ Ein wenig unschlüssig zog er die Unterlippe rechtsseitig zwischen die Zähne und ließ sie langsam wieder los. So wie die Iunia gerade aussah, wie sie wirkte, konnte sie jeden Moment aufspringen und davonlaufen. Und damit wäre keinem von ihnen geholfen, ihr nicht, ihm nicht, dem Laden nicht – falls sie herumerzählte, dass es ein Saftladen war – und der Besitzerin nicht. Aber wenn er Pech hatte, konnte er sich von der ohnehin was anhören, je nachdem was Axilla ihr erzählte nach seinem Besuch hier. Kam darauf an, ob sie die Taberna so unglücklich verließ, wie sie gerade wirkte.


    „In Ordnung.“ Crios beschloss, aufs Ganze zu gehen. Es war, wie er gerade schon gedacht hatte: wenn er Pech hatte, gab es ohnehin Ärger. Aber nach allem, was sie erzählt hatte, gab es wenigstens eine Frage, die er einfach noch stellen musste. Er wusste, dass er sich damit auf gefährliches Terrain begab. Sie war Römerin, und wohl nicht verheiratet, jedenfalls ging sie ganz augenscheinlich nicht von dieser einen bestimmten Möglichkeit aus… sonst hätte sie inzwischen wenigstens eine Andeutung in dieser Richtung gemacht. Und das konnte in der Regel nur Ärger bedeuten. Crios machte sich schon mal darauf gefasst, dass sie gleich in die Luft ging und anfing, ihn zu beschimpfen, was er sich überhaupt einbildete, dass sie eine ehrbare Römerin sei undsoweiterundsofort. Zum Glück ließ er sich von so etwas in der Regel nicht abschrecken. Auch das hatte er von Iaret gelernt, und in dieser Hinsicht hatte der ihm sogar noch einiges voraus. Er legte die Wachstafel und den Stylus beiseite und sah sie aufmerksam an, den Kopf eine Winzigkeit schräg geneigt. „Lassen wir das oberflächliche Herumgestochere, das magst du offenbar eh nicht. Wann hattest du das letzte Mal deine Blutung?“




  • Axilla war die Ursache für die Übelkeit herzlich egal. Ihr würde es schon reichen, wenn es aufhören würde. Sie musste dazu nicht wissen, woher es rührte. Ein Teil von ihr wollte gar nicht wissen, woher es rührte. Es gab dafür viele Möglichkeiten, die eine erschreckender als die andere war. Und solange sie jede einzelne dieser Möglichkeiten verdrängen konnte, so lange würde Axilla das auch einfach machen. Ihr war egal, was ihr Leben beenden würde, enden würde es ja sowieso irgendwannmal. Da musste sie nicht vorher wissen, weswegen. Sie wusste nur eines, sie würde nicht wie ihre Mutter jahrelang leiden und die Rechnungen hoch treiben. Nein, lieber in Unkenntnis bleiben, Unkenntnis war ein Segen. Und bestimmt war es ohnehin nichts ernstes, nur außergewöhnlich lange Seekrankheit.
    Crios schaute sie ein wenig streng an und tippte mit seinem Stylus auf der Tafel, schrieb aber nichts. Offenbar überlegte er was. Axilla spannte ihren Körper schonmal an, als denke sie, er würde sie körperlich angreifen und sie müsse ausweichen. Zwar würde wohl nur wieder eine Frage kommen, die ihr zu nahe ging, aber es fühlte sich für Axilla wie ein Angriff an. Und ihr Instinkt riet ihr, zu fliehen. Sie beobachtete ihn genau, als er schließlich meinte, dass sie Herumgestochere wohl nicht leiden konnte.
    DA hatte er ausnahmsweise sogar ohne Einschränkungen recht, Axilla konnte das tatsächlich nicht leiden. Das war schon wieder so ein Ausloten von möglichem Grau, und sie hatte ihre Welt gerne einfach und Schwarzweiß. Larifari konnte sie in keiner Weise leiden, und erst recht nicht, wenn es ihre Person betraf. Und... sie mochte einfach keine Ärzte mit ihren vielleichts und wahrscheinlichs. Die Frage, die er dann aber stellte, brachte sie aus dem Konzept. Sie gab einen überraschten Laut von sich und lockerte augenblicklich die Haltung, um ihn überrascht anzustarren. Ihr Mund stand einen Moment einfach nur offen, bis sie sich soweit wieder gesammelt hatte, um empört sein zu können. Sie setzte sich leicht seitlich, wandte sich damit von ihm ab, und wich seinem Blick aus.
    “Das müsste demnächst wieder so weit sein. Eigentlich jeden Tag sollte es passieren. Die Seereise und die Übelkeit hat da ein bisschen was durcheinander gebracht. Aber das tut hier gar nichts zur Sache! Ich bin hier wegen meinem Magen, und nicht wegen... dem etwas tiefer.“
    Wenn das vorhin unangenehm war, dann war das jetzt so, dass Axilla sich doch wieder in den Boden zurückwünschte. Unwohl war gar kein Ausdruck mehr für ihr Gefühl, und sie überlegte schon, wie sie sich am besten verabschieden sollte, damit sie hier raus konnte.

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    Ouh ja. Da hatte er wohl voll in die Brennnesseln gegriffen. Wie erwartet. Zuerst wirkte die Iunia völlig überrascht, ganz so, als käme die Möglichkeit einer Schwangerschaft für sie gar nicht in Frage – und sie wirkte ehrlich überrascht, also hatte sie sich vermutlich tatsächlich keine Gedanken darüber gemacht, nicht bewusst jedenfalls. Dann kam die Empörung, die sich in ihren Augen und auf ihrem Gesicht und sogar in ihrer Haltung breit machte. Aber trotzdem sprang sie nicht auf und verließ gleich das Haus. Stattdessen begann sie im Gegenteil sogar, sich zu rechtfertigen… dafür, dass sie offenbar überfällig war. Sie sagte nicht, wie lange, aber ihre Worte ließen doch darauf schließen, dass sie schon auf die Blutung wartete. Und sie konnte ihm dabei nicht in die Augen sehen, was Crios auch als Zeichen wertete, dass sie sich nicht ganz sicher war. Nicht völlig. Nicht genug, um ihn zu beleidigen und zu beschimpfen und mit ihrem Vater und ihren Brüdern und sonstigen männlichen Verwandten zu drohen, dafür, dass er ihre Ehre offenbar anzweifelte. Wieder kratzte er sich an seiner Wange. Das konnte in der Tat schwierig werden, für sie, wenn sie nicht verheiratet oder wenigstens verlobt war. Wenn sich denn tatsächlich herausstellte, dass sie schwanger war. Crios seufzte lautlos und wünschte sich, er könnte ihr helfen.


    „Hör zu.“ Crios lehnte sich nun ein wenig nach vorn und stützte die Unterarme auf dem Tisch auf. „Ich will dir nichts unterstellen. Ich möchte nur einfach wissen, was los ist, damit ich dir helfen kann – deswegen bist du ja gekommen. Und eine Übelkeit, die sechs Wochen andauert, ohne dass sie schlimmer geworden ist oder von Magenschmerzen begleitet wird? Die häufig morgens kommt oder von starken Gerüchen ausgelöst wird? Anfälle von Heißhunger, auf bestimmte Sachen?“ Er machte einen leicht entschuldigenden Gesichtsausdruck und hob parallel um eine Winzigkeit die Achseln, was ihm mehr oder weniger die Aura eines Ich kann doch auch nichts dafür verlieh, und als er weitersprach, klang seine Stimme ruhig und wertfrei. „Ohne dir oder deiner Ehre zu nahe treten zu wollen, Iunia Axilla: wäre es denn im Bereich des Möglichen, dass du schwanger bist?“




  • Noch während er die Symptome zusammenfasste, wurde Axilla unruhig. Sie trommelte mit ihren Fingern auf ihren Unterarmen und ihre Beinmusken zuckten, als wolle sie aufspringen, ihr Blick wurde unruhig und schweifte hektisch im raum herum. Sie wusste, was er sagen wollte, bevor er es sagte, und trotzdem schoss sie mit einem lauten “NEIN!“ auf und lief wie ein Tiger im Colloseumskäfig auf und Ab. “Nein! Das... nein, das ist NICHT der Grund. Nein!“ Es klang wie ein Befehl und nicht wie eine Feststellung.
    Axilla überlegte noch einmal scharf. Wann hatte sie ihre letzte Blutung gehabt? Das war noch in Alexandria gewesen, bevor sie... bevor sie mit Archias... “Das darf nicht sein. Vielleicht ist es ja auch ein Geschwür? Kann ja sein...“ Fast hoffnungsvoll sah sie einmal zu Crios auf, ehe sie weiterstapfte und den Kopf schüttelte. “Nein... nein, nein nein... ich bin nicht schwanger. Ich kann nicht schwanger sein...“ Axilla schüttelte den Kopf, aber ihre Stimme klang eher ängstlich als wütend. Sie durfte nicht schwanger sein. Das durfte nicht sein. Das konnte nicht sein. Archias würde bald Seiana heiraten, und das letzte, was einer von ihnen dreien gebrauchen konnte, war ein Kind. Silanus würde sie aus dem Haus werfen! Und Seiana würde sie umbringen! Und Archias? Nein, sie durfte ihm das nicht antun. Das durfte nicht wahr sein.
    “Das ist nicht wahr...“ sprach sie ihren Gedanken kopfschüttelnd aus und sah dann streng zu dem Medicus hinüber. “Das ist nicht wahr. Du irrst dich! Hörst du?“ Ohne eine Vorwarnung packte sie ihn dann bei dem Kragen seiner Tunika und zog ihn an sich ran. “Du irrst dich!“ wiederholte sie noch einmal fest und heftig, aber es war keine Wut, die aus ihren Augen sprach, eher pure, verzweifelte Panik. Einen zitternden Herzschlag lang hielt sie ihn so fest, ehe sie ihn losließ und weiter eine Furche in den Boden lief. “Das ist nicht wahr...“ meinte sie noch, beinahe etwas apathisch. Was machte sie denn jetzt?

  • [Blockierte Grafik: http://img210.imageshack.us/img210/4457/crios.jpg~Crios~


    Na herrlich, da hatte er nicht einfach nur in Brennnesseln gelangt, sondern in ein ausgewachsenes Wespennest gestochert, wie es schien. So vehement, wie die Iunia auch nur die bloße Möglichkeit einer Schwangerschaft ablehnte, ließ es Crios erst recht glauben, dass das durchaus eine Option war – und vermutlich sogar die wahrscheinlichste. Denn schließlich: wenn sie sich in der Hinsicht tatsächlich sicher wäre, was regte sie sich dann so auf? Sie könnte einfach nein sagen, und sie würden weiter machen, oder auch nicht, je nachdem wie lange sie noch die Fragerei mitmachen wollte. Die Litanei, die aus Axilla hervorbrach, war für Crios also so gut wie ein schlichtes ja. Und noch etwas schien sich zur Gewissheit zu verdichten, was für ihn bisher höchstens eine Vermutung war: eine Schwangerschaft würde sie in Schwierigkeiten bringen. Wenn sie sogar ein Geschwür so klingen ließ, als würde sie fast darauf hoffen… Ruhig blieb er sitzen und sah ihr dabei zu, wie sie hin und her lief und ein ums andere Mal wiederholte, dass es nicht sein konnte, registrierte, wie ihre Stimme von befehlend zu ängstlich wechselte. Es war wohl das Beste, wenn sie sich erst mal abreagieren konnte, danach konnten sie immer noch weiter sehen. Sofern sie das wollte, hieß das, und nicht mit einer der nächsten Drehungen Richtung Tür flog und auf Nimmerwiedersehen verschwand.


    Etwas überrascht war Crios dann aber doch, als Axilla plötzlich auf ihn zuwirbelte und ihn am Kragen packte, so heftig, dass er halb vom Stuhl gezogen wurde, halb selbst aufsprang, um der Gefahr vorzubeugen, dass seine Tunika zerriss. Nein, er war mehr als nur etwas überrascht – aber er war einfach gern jemand, der gelassen wirkte und eben nicht leicht zu überraschen war, daher stellte er das einfach mal so hin, selbst wenn es nur in Gedanken war. „Moment mal“, durchbrach er nun sein Schweigen und wollte seine Hände auf ihre legen, aber sie ließ ihn schon wieder los und ging weiter. Die Panik, die sie jetzt auszustrahlen schien, rührte etwas an in ihm – und ließ ihn sich hilflos fühlen, was er gar nicht leiden konnte. Er konnte bei allen möglichen Beschwerden helfen, er sah sich auch durchaus dazu in der Lage, sie zu trösten, wenn sie schwerwiegender erkrankt waren, immerhin gehörte das irgendwie auch dazu, aber wenn die Leute dadurch private Probleme bekamen, dann hörte es bei Crios irgendwann auf. Während Axilla weiter herumlief, ging er hinüber zu einer einfachen Feuerstelle, die hinten im Eck verborgen war, und hantierte dort kurz herum, dann kam er wieder, in der Hand einen Becher mit einem Kräutersud, den er ihr anbot. „Hier. Das wirkt beruhigend.“ Einen Augenblick musterte er sie erneut, dann machte er eine Kopfbewegung zu den Stühlen hin, halb fragend, halb auffordernd. „Es ist ja nur eine Vermutung.“ Auch wenn er sie für wahrscheinlich hielt, bei dem was sie bisher erzählt – und wie sie jetzt reagiert hatte. „Deswegen würde ich gerne noch ein paar Sachen klären. … Du bist nicht verheiratet, hm?“ fügte er dann unvermittelt noch an.




  • Seinen Einspruch, als sie ihn packte, registrierte Axilla noch nichtmal so wirklich. Ihre Gedanken waren viel zu hektisch, als dass sie wirklich realisieren könnte, was hier sonst noch vor sich ging. Sie durfte nicht schwanger sein. Auf gar keinen Fall durfte das sein. Es würde alles, einfach ALLES kaputt machen. Achwas, kaputt war noch gar kein Ausdruck, was kaputt war, konnte man wieder reparieren. Aber das hier würde in einer irreparablen Katastrophe kosmischen Ausmaßes enden, wenn sie schwanger wäre. Sie würde ihrer Familie Schande bereiten, sie würde Archias bloßstellen und die Hochzeit mit Seiana vermasseln. Oh Götter, sie würde vielleicht sogar Serranas Hochzeit vermasseln, wenn es bekannt würde. Welcher Senator heiratete schon die Cousine einer, einer.... Lupa, schoss es ihr durch den Kopf.
    Axilla blieb stehen, denn im Moment war ihr unglaublich übel. Und das kam nicht von der Schwangerschaft, die nicht existierte. Ihre ganze Welt stürzte gerade ein und die Brocken hämmerten auf sie, um sie zu Boden zu reißen. Sie fühlte sich so unglaublich dumm im Moment, dass sie am liebsten heulen mochte.
    Crios verließ sie kurz und kam dann mit einem Becher wieder, in dem eine dunkle Flüssigkeit leicht dampfte. Axilla sah etwas misstrauisch, dann hoffnungsvoll darauf. “Was ist das?“ fragte sie und hatte schon Hoffnung, es könnte ein Abtreibungsmittel sein. Aber nein, es war nur etwas zur Beruhigung. Kurz griff Axillas Hand fester um den Becher, als sie versucht war, ihn Crios in blinder Wut entgegenzuwerfen und etwas wie 'Ich will mich nicht beruhigen' zu brüllen, aber sie beherrschte sich. Sie lief noch eine weitere Runde auf und ab, diesmal mit dem Becher in der Hand, ehe sie die ersten Schlucke daraus nahm. Es schmeckte bitter und scharf, und sie musste husten und sich zwingen, weiter zu trinken.
    Insgesamt schien ihr Crios plötzlich sehr versöhnlich zu sein. Beinahe sanft waren seine Fragen, und sie betrachtete ihn halb skeptisch, halb verzweifelt. Auf seine Frage schüttelte sie den Kopf und ließ ihn resigniert hängen. “Oh Götter...“ Welcher Mann würde sie denn noch jemals heiraten, wenn sie ein Kind nun bekäme? Wenn sie die Geliebte eines Mannes wäre, oder mit einem verheiratet, ja, dann würde sie auch nach einer Trennung ein anderer Mann sicher heiraten. Aber so? Unverheiratet ein Kind? Daran hatte sie noch nicht einmal gedacht, bis eben.
    Ihre freie Hand legte sich an ihre Stirn. Ihr war schwindelig und schlecht und sie hatte Kopfschmerzen vom Denken. Sie schüttelte kurz den Kopf, während die Kräuter langsam zu wirken anfingen, und sah dann wieder zu Crios auf. “Ich bin nicht schwanger“, sagte sie noch einmal, als würde es dadurch wahr werden. Ihre Finger spielten kurz mit dem nun lehren Becher, ehe sie einen hoffnungsvollen Schritt auf ihn zu machte. “Und deshalb darfst du das ja auch nicht weitererzählen?“ Wenn sich das herumsprach, selbst wenn es nur eine Vermutung war... nein. Noch konnte sie alles vertuschen, aber wenn Crios sie vernichten wollte...

  • [Blockierte Grafik: http://img210.imageshack.us/img210/4457/crios.jpg~Crios~


    Crios konnte nur ahnen, was in ihrem Kopf vorgehen mochte. Dass sie ein Kind erwartete, schien ihm die wahrscheinlichste Alternative zu sein, dennoch konnte ihre Übelkeit immer noch andere Ursachen haben – aber einmal ausgesprochen, hatte Axilla offenbar nur noch wenig Zweifel daran, dass es diese Möglichkeit war. In jedem Fall schien irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung zu sein, aber da gab es viele Gründe dafür. Keiner alleinstehenden Frau konnte es gefallen, schwanger zu sein, schon gar nicht wenn es eine junge Römerin aus einem guten Haus war.


    Axilla schien lieber weiter herumzulaufen, und Crios lehnte sich an den Tisch, die Hände seitlich rechts und links von ihm auf der Tischfläche abgestützt. Natürlich schossen ihm auch Fragen durch den Kopf, was wohl dahinterstecken mochte. Hatte sie einen Liebhaber? Einen geheimen, von dem niemand etwas erfahren durfte, weil er nicht standesgemäß war oder so? Oder mehrere? Vielleicht war sie auch die Geliebte irgendeines reichen, einflussreichen Mannes, von dem sie wusste, dass er sie fallen lassen würde, bevor sie ihm ein Kind andrehen konnte. Oder hatte sie einfach nur ein kurzes Vergnügen gesucht? Irgendwie schien alles etwas abwegig zu sein, nicht unbedingt so sehr, weil sie eine Iunia war, sondern einfach dafür, wie jung sie aussah, und wie… nun ja, unschuldig sie wirkte. Aber so oder so: es ging ihn nichts an. Wenn sie jemanden zum Reden brauchte, würde er ihr wohl zuhören, auch wenn er nicht die geringste Garantie geben konnte, dass irgendetwas von dem, was er dann sagte, ihr helfen könnte – aber er würde zuhören, weil es einfach dazugehörte, wenn man sich um seine Patienten kümmerte. Nur, fragen würde er sie nicht. Auch das gehörte dazu. Im Allgemeinen war Crios eher vorlaut, aber bei Patienten hielt er sich zurück – auch eine der Lehren, die Iaret ihm von Anfang an eingebläut hatte. Man durfte keine Scheu haben, in die Privatsphäre des anderen einzudringen und unangenehme Fragen zu stellen, wenn es wichtig sein könnte für die Behandlung, aber wenn es das nicht war, dann ging es einen nichts an.


    Crios nahm ihr den Becher ab, als Axilla sich ihm nun wieder näherte, und stellte ihn hinter sich auf den Tisch, bevor er wieder die gleiche Position einnahm. „Nein“, antwortete er ruhig. „Egal was du hast, das darf ich ohnehin nicht.“ Er mochte kein Medicus sein, kein Iatros, nicht wenn man Auszeichnungen der offiziellen Schulen betrachtete – wenn es nach ihm ginge, hätte er hier schon längst einen Cursus gemacht, aber Iaret hatte ihn bisher noch nicht gelassen. Ganz Grieche alter Schule, hielt er nicht allzu viel vom Unterricht in Rom und befand, dass die Auszeichnung ohnehin nichts wert war. Aber nachdem Crios nicht mal eben so schnell nach Griechenland oder Ägypten reisen und sich dort Auszeichnungen holen konnte, hieß das für ihn, dass er hier gar nichts auch nur halbwegs offizielles hatte, und er befand sich in einem stetigen Überredungsprozess, der hoffentlich irgendwann darin endete, dass Iaret seine Ablehnung aufgab. Aber ob mit oder ohne den entsprechenden Titel, er hatte bei Iaret bereits eine lange Lehre durchlaufen – und Iaret war, wie erwähnt, Grieche der alten Schule. Crios hatte ihn nie vor irgendeinem Gremium abgelegt, aber das änderte nichts daran, dass er den Hippokratischen Eid so ernst nahm, als hätte er ihn nicht nur vor Iaret wiederholt – immer und immer wieder. Er konnte ihn auswendig herunter beten inzwischen, weil sich der Alte mit nichts anderem zufrieden gegeben hatte.




  • Er stand an seinen Tisch gelehnt und schaute zu ihr rüber. Axilla wusste nicht, was er von ihr dachte. Wahrscheinlich hielt er sie auch für eine Lupa, für eine Hure, die nun ein Kind von irgendwem erwartete, dessen Namen sie noch nicht einmal kannte. Das zumindest würde jeder ehrbare Römer von ihr denken. Und doch... er schaute sie so ruhig und ehrlich an. Beinahe mitleidig. Und das war schon fast mehr, als Axilla ertragen konnte, wo sie sich selbst doch am liebsten für soviel Dummheit geschlagen hätte.
    Dennoch gab ihr seine Antwort ein wenig Hoffnung. Wenn er sie nicht verraten würde – und sie glaubte ihm, schon allein, weil sie ihm glauben wollte – dann war vielleicht noch nicht alles verloren. Vielleicht konnte sie es wieder gerade biegen! Es ungeschehen machen, so gut man es eben ungeschehen machen konnte! Ja, es war ganz einfach. Sie musste nur das Kind verlieren, und schon wäre alles wieder in Ordnung. Sie liebte Archias ja auch gar nicht, warum also sollte sie sein Kind kriegen, und damit alles zerstören? Und es ging ganz einfach, nach allem, was sie wusste – was wie die Götter wussten nicht viel war.
    “Gut, also angenommen – rein hypothetisch – ich wäre...“ Axilla konnte es noch nichtmal aussprechen. Das Wort lag schwer wie Blei auf ihrer Zunge und wollte ihr nicht in diesem Zusammenhang über die Lippen kommen. Nein, sie durfte nicht schwanger sein! So einfach war das. “Du kennst doch sicher einen Weg... also, ein Mittel, das... das macht, dass ich...“ Axilla sah ihn vielsagend an. Die ganze Zeit über spielte sie mit ihren Händen, knetete ihre Finger, um so das Zittern zu unterdrücken, das irgendwie immer wieder kam und nicht weggehen wollte. Aber wenn Crios nicht auf den Kopf gefallen war, wusste er, was sie von ihm wollte, und Axilla hoffte inständig, dass er ihr einfach, schnell und ohne große Worte helfen würde. Erst noch eine Kräuterfrau zu suchen, und der das dann nochmal klar zu machen, was sie brauchte... Axilla wollte im Boden versinken vor Scham.

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