Hortus | Ludus latrunculorum et Flaviorum

  • Etwas später als der dem prandium vorbehaltenen Zeit nutzen zwei Flavier einen frisch angebrochenen Nachmittag, um sich gemeinsam in den jahrezseitbedingt geschwächten Strahlen der Sonne im Garten der Villa aufzuhalten und sich der anlässlich der liberalia des Gracchus Minor und eines dort überreichten Geschenks vereinbarten Partie Latrunculi zu widmen.


    Besagtes Präsent in Form eines Spielbretts und dazugehöriger Figuren befindet sich auf einem kleinen Tisch an windgeschützter Position des Gartens, eingerahmt von zwei bequemen Stühlen und diese jeweils flankiert von einem noch kleineren Beistelltisch zum Zwecke der Zwischenlagerung von Erfrischungen und Naschereien. Freilich befindet sich auf jenen auch bereits eine kleine Auswahl an appetitlichen, leichten Portionen, sowie ein Becher samt Karaffe verdünnten und süßlich gewürzten Weines. Als Bedienung steht zumindest die rothaarige Sklavin Vulpes mit etwas Abstand zurückgezogen bereit, um ihrem Herrn und auch dessen Gesellschaft jedweden Wunsch von den Lippen abzulesen.


    Iullus Flavius Fusus sitzt in einigermaßen bequem wirkender Position auf seinem Stuhl und kommt doch nicht ganz umhin, auch in derart privater und familiärer Atmosphäre gegenüber seinem guten Freund Manius eine einigermaßen elegante und würdevolle Haltung wahren zu wollen. Folglich ist sein Rücken gerade durchgestreckt und auch die Garderobe wohl gewählt, sowie penibelst durch seine Leibsklavin arrangiert worden. Er trägt heute allerdings nicht die von breiten Purpurstreifen gesäumte Tunika als Zeichen des Ordo Senatorius und hat auch auf seine Toga verzichtet. Stattdessen ist die Wahl auf eine vergleichsweise schlichte, jedoch hochwertige und wärmende Tunika heller Farbe gefallen, deren Säume mit verspielten Stickereien von blauem und rotem Garn verziert sind. Dazu trägt der Sohn des Milo - um der frischen Luft weiteres entgegenzusetzen - eine dunkelblaue lacerna, die an seiner Schulter von einer kostbaren Brosche gehalten wird. Auf den calceus verzichtet er freilich innerhalb der Villa zu Gunsten einfacher Sandalen. Selbst wenn er um die eingeschränkte Wahrnehmung seiner Verabredung weiß, so hat er dennoch auch zu diesem Anlass nicht auf einen Hauch von Make-Up verzichtet, um seinen Teint noch ebenmäßiger und etwas blasser erscheinen zu lassen. Sein kurzes, glattes Haar ist sorgfältig um das Antlitz arrangiert und deutet auf der blassen Haut am Ansatz säuberlich gestaltete Locken an.


    Das Spiel für sich ist noch in fast jungfräulichem Zustand. Allein die Figuren wurden bereits sortiert und auf ihre beiden Fraktionen aufgeteilt. "Nun, welche Farbe wählst du, lieber Manius?" wendet sich der an Jahren ältere Neffe an seinen Onkel dritten Grades. Jüngst hatte sich seinerseits im Verlauf der Geschenkübergabe zwar eine gewisse Verstimmung ergeben, jedoch hat es kaum eines vollen Tages bedurft, bis der nur in seltenen Fällen nachtragende Fusus dies wieder vergessen hatte.

  • Obschon Manius Minor angesichts der metereologischen Umstände wohl kaum auf eine Partie im Freien bestanden hätte, zumal er eher zu jenem Teil der Menschheit sich zählte, welche den Schutz von Dach und Mauern zu jeder Zeit gegenüber der Libertät und Schönheit von Flora und Fauna präferierten, aber auch trotz seiner Leibesfülle eine besondere Sensitivität gegenüber der Kälte besaß, so war er doch ohne Zögern ebenfalls im Hortus erschienen, wo man auf Iullus' Proposition hin sich einfand. Um der Kälte vorzubeugen, hatte er sich indessen in eine wollne Tunica mit langen Ärmeln gehüllt, wobei sein Vestispicius an diesem Tage ein himmelblaues, mit weißen Laticlavi versehenes Exemplar ausersehen hatte. Hinzu trat ein weißes Focale und, selbst wenn dies nicht gänzlich stilecht wirken mochte, da nicht der Vestispicius, sondern Patrokolos dieses Kleidungsstück mit relativer Spontaneität auserkoren hatte, eine scharlachrote Chlamys.
    So präpariert nun saß der junge Flavius dem anderen gegenüber und betrachtete sein Spielbrett, welches Patrokolos aus seiner Spieltruhe geholt hatte, in welche es nach seinen Liberalia recht bald verschwunden war, da Patrokolos es doch als recht unansehnlich beschrieben und Manius Minor ohnehin über ein hübscheres Exemplar verfügte, welches Manius Maior ihm einstmals aus Achaia mitgebracht hatte. Für diesen Anlass war es allerdings überaus adäquat und ohnehin unvermeidlich, um seinen Anverwandten nicht zu kränken, was der Knabe ob seiner großen Zuneigung zu dem jüngeren Milonen unter jeglichen Umständen vermeiden wollte. Dessenungeachtet vermochte der Knabe selbst ohnehin kaum die Disparitäten und Abnormitäten der einzelnen Figürchen wahrzunehmen, sodass es ihm doch relativ gleich sein mochte, welches Exemplar er nutzte.
    "Die blauen!"
    verbalisierte er aber endlich und ergriff sogleich die Schar der Figuren, um sie rund um ihren perlenbekrönten "König" auf der eigenen Seite in Formation zu bringen.

  • Vergnügt greift Fusus sodann nach den roten Figuren und beginnt ebenso jene auf seiner Seite zu arrangieren. Etwas fällt ihm jedoch ins Auge, was einem derart modebewussten Geist kaum entgehen kann. Daher entfährt dem Flavier ein flüchtiges Glucksen und sogleich teilt er auch die Quelle seines Amüsements: "Wenn ich mir so unsere Umhänge ansehe, hätte die Wahl wohl eigentlich umgekehrt ausfallen müssen!" Mit einem breiten Lächeln deutet er auf den scharlachroten Umhang seines Gegenübers, sowie den eigenen in Dunkelblau gehaltenen.


    Indes hat man die Startaufstellung der Figuren eingenommen und Fusus greift kurz zur Seite, um sich an seinem Getränk zu bedienen. Den ersten Zug überlässt er seinem Gegner und nimmt entspannt einen kleinen Schluck von dem süßlichen Getränk, begleitet von dem Gedanken ob es wohl ein kulinarischer Frevel wäre, sich dies in aufgeheiztem Zustand noch zu wünschen. "Alsbald steht wohl auch unsere erste Unterrichtsstunde bei jenem Rhetor an. Ich muss gestehen, dass ich schon einigermaßen gespannt darauf bin. Bereitest du dich eigentlich in besonderer Weise irgendwie darauf vor, Manius?"

  • Obschon der jüngere der beiden Flavii zweifelsohne weder unter die populärsten Modelle, noch unter die Modezaren der Urbs zu zählen war und dieser Umstand sich wohl auch in dem langen noch vor ihm liegenden Lebensrest konstant sich halten würde, so perzipierte doch selbst er die ironische Inversion der getragenen Kombinationen, weshalb er ein mildes Lächeln zur Schau stellte, indessen zugleich dem Gedanken nachhing, dass dies keinesfalls geeignet war, ihn zu einem Austausch zu bewegen, da eben dies doch eine kurzfristige Entblößung implizierte.


    In Folge imitierte er Fusus' Gestus und griff seinerseits nach dem Wein, wobei dieser neuerlich gänzlich konträre Erwägungen nach sich zog, denn gerade süße, gewärmte Erfrischungen zählten zu jenen Dingen, die Manius Minor überaus schätzte, was er freilich nicht mehr verbalisierte, da bereits ein gänzlich differentes Sujet ihm präsentiert wurde, welches dringlicher einer Kommentierung bedurfte:
    "Ich muss gestehen, dass mir nicht bewusst wäre, wie ich den Unterricht präparieren sollte. Mein Grammaticus in Cremona hat durchaus Deklamationen mit mir exerziert, doch scheint es mir, dass mich hier etwas gänzlich differentes erwartet. Wie sollte ich mich also vorbereiten?"
    Dies entsprach in der Tat seiner Perzeption, doch evozierte Fusus' Erkundigung doch jene vertraute Insekurität, welche den Knaben nur allzu häufig in ihre Fänge packte, indem sie ihn mit der Furcht der Insuffizienz infizierte, eine Insuffizienz, die angesichts der hohen Ideale und Erwartungen, welche das Leben eines Flavius in Rom mit sich brachte, an jedem Ende zu lauern schien und auch nun wieder hervorbrach wie ein wildes Tier.
    "Du etwa?"
    , fragte er somit mit einem geradezu timiden Timbre in der Stimme zurück, die Hände sorgsam auf den Knien platziert und ein wenig in sich zusammengesunken.

  • Der ältere Flaver lächelt etwas beschämt, das timide Timbre in diesem Augenblick nicht so recht wahrnehmend. Vielmehr sieht er zumal den jüngeren Gracchus als den vorbildlicheren, strebsameren und gar gebildeteren Schüler an und hatte sich jenen daher als leuchtendes Vorbild hinsichtlich einer extensiven Vorbereitung vorgestellt. "Oh, ähm... Mitnichten... Ich hoffe, dass dergleichen nicht in impliziter Weise dem Studium vorausgesetzt wird. Daher bin ich vielmehr beruhigt, dass dir eine entsprechende Bedingung nicht mehr bekannt ist als mir."


    Durchaus erleichtert erhellt sich seine Mimik daher noch etwas mehr und die Haltung des Patriziers entspannt sich. Er nimmt noch einen genüsslichen Schluck von dem süßen Getränk und stellt seinen Becher dann beiseite. "Schließlich besuchen wir den Rhetor um zu lernen und da wäre es womöglich sogar eine Beleidigung ihm gegenüber, wenn wir die Qualität seines Unterrichts anhand einer zweiten Quelle im Voraus schon in Frage stellten...", entfaltet Fusus seine ganz eigene Logik, um sich diesen speziellen Punkt für den Moment gerade so zurechtzubiegen, wie es ihm gefällt. Tatsächlich funktioniert diese Strategie insofern, als dass sich sein schlechtes Gewissen vorerst verflüchtig und er sein bisheriges Handeln zuversichtlich für korrekt befindet.

  • In der Tat teilte der junge Flavius die Regung des geringfügig älteren zur Gänze, da eben dieser ja seine singuläre Referenz darstellte, obschon sich ihm auch der Gedanke Bahn brach, sich andernorts nochmals der Prämissen rhetorischen Unterrichts zu versichern. Indessen hatte die Argumentation seines 'Neffen' durchaus ebenso etwas für sich:
    "Dies hatte ich nicht bedacht."
    , gestand es somit und griff nach jenem Stein, mit welchem er den ersten Zug zu machen gedachte, um freilich die Hand unvermittelt zurückzuziehen, als sei ein Blitz in ihn gefahren und habe ihm einen Schlag versetzt gleich jenem, welchem der Arbor Felix im Garten der Villa Flavia Felix seine leicht ramponierte Gestalt verdankte.
    "Wer beginnt?"
    , explizierte er seine Reaktion und kniff die Augen leicht zusammen, um zu ergründen, ob sich irgendwo rund um den Tisch ein zum Losen geeignetes Objekt wie ein Würfel oder ein Astragalus sich befand, da jener Modus für gewöhnlich zur Dezision über den Initiator des Spieles gewählt wurde.

  • Es erstaunte Catus, wie sehr der Müßiggang ihn dazu verführen wollte, ihm noch etwas länger zu frönen, denn er kannte sich selbst voller Tatendrang und Wissbegier, dennoch hatten die etwas ruhigeren Tage eine willkommene Abwechslung dargestellt. Diesen wenigen Tagen, die seit seiner Ankunft vergangen waren, und vermutlich auch seinem Alter war es zu verdanken, dass die Anstrengungen der langen Reise bereits weit zurücklagen.
    So zog es ihn, den Mantel über der Tunika um die Schultern gezogen, aus den Räumen der Villa Flavia nach draußen, sein Sklave folgte ihm mit wenigen Schritten Abstand, um seinem Herrn jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Catus wollte es sich nicht nehmen lassen, den Hortus noch zu genießen solange es sowohl das angenehme, wenn auch etwas kühle, Wetter als auch seine Pflichten noch zuließen. Dort verfing sich sein schweifender Blick an zwei jungen, über einem Ludus latrunculorum sitzenden Herrschaften. Dies wiederum weckte stante pede seine Neugier, sodass er sich ohne weiteres Zögern den beiden näherte und sie unterdessen musterte. Einen von ihnen schätzte er etwas jünger, den anderen ein wenig älter als sich selbst ein. Vermutlich waren sie ebenfalls Flavii, oder zumindest einer von ihnen, aber mit größter Sicherheit waren es junge Leute, die es wert waren, die Zeit, sich mit ihnen bekanntzumachen, aufzubringen.
    "Salve", grüßte er deshalb freundlich lächelnd und doch nicht vollkommen sicher, ob er inzwischen bemerkt worden war. "Findet sich an eurem Tisch noch Platz für einen Zuschauer?"
    Ein Blick auf das Spielbrett verriet ihm, dass die beiden noch gar nicht begonnen hatten. Umso besser, dachte er sich, wenn er das Spiel ein wenig mitverfolgen wollte.

  • Noch ehe Fusus seine Replik zu äußern imstande war, erschien nahe des Hauses eine Gestalt, respektive zwei, die ihm gänzlich unbekannt erschienen. Langsam approximierte sie sich, doch vergaß der junge Flavius gänzlich das Spiel ob des Vorwitzes, welcher ihn angesichts der fremden Person ergriff, da hier im Innersten der Villa Flavia Felix konventionellerweise lediglich Mitglieder der Familia allein anzutreffen war, zumal selbst enge Freunde des Hauses stets im Atrium oder dem Tablinium, womöglich noch in den Thermen, niemals aber in diesem allzu intimen Regifugium empfangen zu werden pflegten.


    "Selbstredend, sofern du uns verrätst, wer du bist."
    , erwiderte er somit endlich, als Atilianus ihren Tisch erreicht hatte, womit dessen Züge in den Augen des Knaben zu einem Schemen verschwommen, womit nur noch die markante Frisur einigen Wiedererkennungswert bieten mochten.

  • Bei dem ersten Einsatz des neuen Spiels erscheint es dem jungen Mann geradezu eine Selbstverständlichkeit, dass der erste Zug dem Beschenkten gebührt. Ein liebreizendes Lächeln umspielt daher die Mundwinkel des Flavius Fusus, während er auf die Frage seines Onkels noch leichthin entgegnet: "Diese Ehre überlasse ich freilich dir, Manius..."


    Überrascht schaut er indes auf, als eine weitere Person - mitsamt Sklave - sich der Szenerie hinzugesellt. Mit einem freundlichen, offenen Lächeln mustert der junge Mann den Unbekannten von Kopf bis Fuß. Keineswegs fühlt er sich gestört und auch seine Neugier ist schnell geweckt. "...in der Tat. Wie mein Freund es dir bereits sagte. Ich bin übrigens Iullus Flavius Fusus, Sohn des Titus Flavius Milo." Keine Befindlichkeiten hindern ihn daran, auch sich selbst zuerst vorzustellen. Schließlich verharrt der Blick seiner dunkelbraunen Augen auf der Mimik des Catus Atilianus und er legt seinen Kopf ein wenig schief, während er aus dessen Gesichtszügen Ähnlichkeiten zu anderen Flaviern oder andere Anhaltspunkte auf dessen Identität abzulesen versucht.


    Im Hintergrund strafft sich währenddessen die Haltung seiner Sklavin Vulpes, welche bereits ahnt dass es bald einen weiteren Stuhl zu beschaffen gäbe. Sie hält sich bereit und verfolgt aufmerksam die initiale Begrüßung, wartet mit der Ausführung allerdings noch den Ausgang der ersten Wortwechsel ab.

  • Die Aufmerksamkeit der beiden lenkte sich wie erwartet auf Catus und eine Antwort ließ nicht lange auf sich warten, sodass auch er nicht zögerte, seinen Namen zu nennen.
    "Dann freut es mich, mich vorstellen zu dürfen. Quintus Flavius Catus Atilianus, Ziehsohn des Flavius Furianus …", antwortete er mit nicht gänzlich zurückgehaltenem Stolz, aber vor allem sichtlich erfreut, von den anderen beiden willkommen geheißen zu werden, denn kaum etwas erheiterte ihn mehr, als mit guter Gesellschaft Bekanntschaft zu machen. Und Flavii waren allemal gute Gesellschaft, daran konnte er keine Zweifel hegen.
    "… damit bist du wohl ein Vetter, werter Flavius Fusus", fügte er noch fröhlich an Fusus gewandt an, der sein Lächeln erwiderte und ihn mit freundlicher Miene musterte. Dennoch klangen Catus' Worte für seine Verhältnisse sogar ein wenig zögerlich, da er sich trotz allem nicht zur Gänze sicher war, sich in ihrer Verwandtschaftsbeziehung, wenn man sie als solche bezeichnen konnte, nicht doch zu irren. Er gab Taurion, der sich im Hintergrund gehalten und das Gespräch wie gewöhnlich mit mäßigem Interesse mitverfolgt hatte, schließlich einen kurzen Wink, und wartete dann einerseits darauf, dass ein dritter Stuhl beschafft wurde, und andererseits, dass sich ihm auch der jüngere der beiden vorstellte.
    "Aber lasst euch nur nicht zu sehr von mir ablenken", meinte er mit Blick auf das noch nicht begonnene Spiel, das er ursprünglich ein wenig zu beobachten beabsichtigt hatte.

  • Freiheraus eröffnete Fusus dem Opponenten seine Identität, doch in ebensolcher Offenheit replizierte dieser mit seiner eigenen, welche, wie sich offenbarte, überaus interessant sich gerierte, da es sich doch augenscheinlich um einen Adoptivsohn Onkel Furianus' handelte.
    "Manius Flavius Gracchus Minor, Sohn des Manius Flavius Gracchus."
    , präsentierte schlussendlich Manius Minor selbst sich ebenso, ohne indessen seine verwandtschaftlichen Konnexionen verbal zu rekonstruieren, obschon ihm recht rasch in den Sinn gelangte, dass es sich similär zu Fusus und Scato wohl um einen Großneffen handeln musste, was neuerlich die Kuriosität seines geringen Alters hinsichtlich der verwandtschaftlichen Situiertheit pointierte.


    Die Aufforderung zum Fortfahren vorerst gänzlich ignorierend war der infantile Vorwitz des Knaben indessen nicht gestillt, sodass er unvermittelt eine neue Frage verbalisierte:
    "Bist du neu hier in Rom? Und wirst du länger hier verweilen?"
    Selbstredend war die Probabilität einer langfristigen Unterbringung hier in der Villa Flavia Felix ohne ein Zusammentreffen mit den übrigen Flavii überaus gering, doch bewohnte Onkel Furianus doch einen separaten Trakt des Anwesens, in welchem durchaus bisweilen Gäste ein- und ausgingen, welche der übrigen Familiaren kaum ansichtig wurden.

  • Fusus nickt eifrig auf die Nennung des korrekten Verwandschaftsgrades. "Das ist korrekt, lieber Vetter. Und mein Freund ist folglich auch dein Onkel dritten Grades.", resümiert der Flavier zur Vollständigkeit. Er bedenkt den jüngeren Gracchus mit einem freundschaftlichen Seitenblick und zwinkert ihm eingedenk der widersprüchlichen Altersverhältnisse verschmitzt zu. Längst hat Iullus sich sehr an die Gesellschaft seines jüngeren Onkels gewöhnt und fühlt sich sichtlich wohl in dessen Gegenwart. Seine kürzlich durch ein Missverständnis ausgelöste Verärgerung ist längst der Vergessenheit anheim gefallen.


    Interessiert nimmt so auch der Sohn des Milo die gegebenen Informationen auf und versucht sich aus diesem Anlass der konkreten familiären Umstände des Furianus zu entsinnen. Nachdenklich die zarten Lippen geschürzt, fühlt er sich schließlich doch zu einer Nachfrage veranlasst. "Als sein Ziehsohn bist du möglicherweise einer vergangenen Ehe der Claudia entsprungen?" Ganz ungeniert erkundigt er sich so direkt wie immer, ohne selbst eine Befürchtung zu hegen mit der Frage womöglich auch Anstoß zu erregen oder in allzu persönliche, private Themen vorzudringen. So schließt er sich lediglich mit einem freundlichen Nicken noch bekräftigend der Frage des Gracchus Minor an. Freilich führt dabei auch Fusus nicht den von Catus herbeigesehnten ersten Zug des Spieles aus, zumal er diesen seinem Kontrahenten überlassen hat.

  • Taurion hatte unterdessen einen weiteren Stuhl beschafft, stellte ihn neben dem Tisch ab und trat wieder zurück, auf dass sein junger Herr sich setzen konnte. Dieser zögerte keinen Augenblick und nahm am Tisch der beiden anderen Flavii Platz. Als der jüngere ihm nun ebenfalls seinen Namen nannte und sich nebenbei als Onkel seinerseits herausstellte, konnte Catus eine gewisse Verwunderung, gepaart mit einem flüchtigen Schmunzeln, nicht verbergen.
    "Tatsächlich? Erstaunlich." Er bedachte den jüngeren Onkel erst mit interessiertem Blick, bis er sich von einer neuen Frage wieder ablenken ließ, wobei ihm die Antwort leichter fiel als manch einer womöglich erwartet hätte. "Korrekt. Nun, mein leiblicher Vater ist… war Marcus Atilius Proximus, der verstorbene Gatte meiner Mutter Claudia Catilina", antwortete er recht sachlich und rechnete nicht damit, dass Fusus das Thema noch weiter würde vertiefen wollen, deshalb wandte er sich wieder ein wenig mehr Gracchus Minor zu.
    "Ich bin erst vor kurzem angekommen, die letzten Jahre habe ich zum Studium in Achaia verbracht", begann er bereitwillig zu erklären und setzte mit ungetrübter Selbstsicherheit fort. "Vorerst werde ich in Rom bleiben, um mich weiterzubilden und in der Politik Erfahrung zu sammeln. Aber wer weiß wohin meine spätere Laufbahn mich noch führen wird."
    Dass die beiden auf seine Aufforderung zum Beginn des Spiels unbeachtet gelassen hatten, war ihm natürlich nicht entgangen, doch hielt er es nicht für nötig erneut zu drängen, sondern blickte stattdessen interessiert auf das Spielbrett, auf dass seine Verwandten aus freien Stücken ihre strategische Raffinesse unter Beweis stellten.
    "Haltet ihr euch etwa schon länger in Rom auf?", erkundigte Catus sich, als ihm auffiel dass bisher vor allem von ihm geredet worden war.

  • Inzwischen waren dem noch immer jüngsten sämtlicher attendierender Flavii die amüsanten Anwandlungen hinsichtlich seiner generationär-lebensalterlichen Paradoxie wohlbekannt, weshalb ihm lediglich ein schmales Lächeln entfleuchte, ehe er neuerlich mit höchstem Interesse und ernstem Blick den Explikationen des Atilianus lauschte, welcher doch sich als Waisenknabe identifizierte, was indessen keinesfalls ihm eine standesgemäße Edukation verwehrt zu haben schien.
    "Nun, wer weiß das schon?"
    , kommentierte er den knappen biographischen Abriss mit einer Platitüde, obschon die Heimstatt der griechischen Heroen, welche die Narrationen seiner Kindheit wie auch die Dramen seiner Jugend bevölkert hatten und bevölkerten, durchaus gewisse Sehnsüchte in ihm evozierte, da er doch niemals in seinem Leben das italische Festland verlassen hatte, wie er nun auch freiheraus zu gestehen genötigt war:
    "Ich bin hier in Rom geboren und lebe Zeit meines Lebens in diesen Mauern. Möchte man von den Jahren des Bürgerkrieges wie diversen Sommern in unseren Residenzen vor den Toren der Stadt absehen."
    In der Tat war ein freigewähltes Exil in Zeiten der Senatsferien ja überaus gebräuchlich, welches er bisweilen an der Seite seiner Mutter in Baiae, was lediglich mit größtem Wohlwollen als 'vor den Toren der Stadt' zu titulieren war, indessen auch auf weiteren Landgütern der Familia verlebt hatte. Sie alle übertrafen an Fröhlichkeit beiweitem die düstren Monate in Mantua und selbst jene erfreulicheren in Cremona, da selbst der gute Vindex keinesfalls geeignet gewesen war, die maternale Gemeinschaft in ihrer Qualität gänzlich zu ersetzen. Neuerlich leitete dies seinen Geist hinüber zu jener Antithese seines damaligen Gastgebers und damit zu seinem Vater, von welchem ihn nunmehr eine noch größere Distanz trennte, was wiederum die Frage aufwarf, ob jene Regungen similär zu diesen sein mochten, welche Atilianus mit seinem Adoptivvater verbanden, zumal eben jener in seinem fortgeschrittenen doch keineswegs als der leutseligste oder warmherzigste unter den Flavii gerühmt wurde, obschon er dies aus filialer Pietät selbstredend keineswegs verbalisierte, sondern bestenfalls dem kundigen Auge sich durch einen kurzen, mitfühlend-komplizenhaften Blick verriet, welcher in Ermangelung eines Kontextes aber zweifellos kaum von den Anwesenden zu dechiffrieren war.


    Den ersten Zug hingegen prokrastinierte er aufs Neue, um auch seinem Opponenten Gelegenheit zu geben, seine Vita in Kürze darzulegen und damit den Anverwandten ins Bild zu setzen.

  • Interessiert nickt Flavius Fusus und schürzt kurz nachdenklich die Lippen. Selbstredend ist ihm die Vita seines Onkels zumindest ungefähr bekannt, mit den vorigen Ehen von dessen derzeitiger Gemahlin hat er sich bis dahin allerdings noch nicht befasst. Die gegebene Information veranlasst ihn jedoch seine eigenen familiären Umstände zu bedenken, bei welchen eine ähnliche Konstellation zu einem abweichenden Ergebnis geführt hatte. Bei der neuerlichen Heirat seiner eigenen Mutter, waren er und seine Brüder nämlich nicht von deren neuem Gatten adoptiert worden. Somit versinkt er vorübergehend ein wenig in Gedanken, das weitere Gesagte nur mit halber Aufmerksamkeit vernehmend. Erst als von ihm wohl auch eine Auskunft hinsichtlich seines Werdegangs erwartet wird, reißt er sich mühsam von selbigen los und lächelt Catus herzlich an.


    "Oh, ich bin erst vor nicht allzu langer Zeit in die Ewige Stadt gekommen. Bis dahin habe ich bei meiner Mutter und ihrem neuen Gemahl, Sextus Tarquitius Sura, in Tusculum gelebt. Zu meinen Zielen gibt es noch nicht allzu viel zu sagen. Gewiss bin ich mir der Erwartungshaltung unserer Familie bewusst, was den Fortgang meiner Karriere anbetrifft." Der Flavier seufzt demonstrativ schicksalsgeplagt, ungeachtet der Tatsache, dass seine Gesprächspartner im Mindesten gleichartigen Herausforderungen gegenüberstehen. "Allein interessieren mich andere Dinge derzeit noch mehr. Ich trachte danach intensiv die Stadtluft zu schnuppern und ein Gefühl für diese atemberaubende Metropole zu bekommen." Sein Lächeln erstrahlt wiederum, noch ist die Begeisterung des jungen Mannes für seine idealisierte Vorstellung von der Metropole ungebrochen.

  • Durchaus hatte der junge Flavius das nepotische Curriculum Vitae bereits mehrfach vernommen und bisweilen einige Worte diesbezüglich gewechselt, doch vernahm er wie bei jedem Male die stupende Freizügigkeit, mit welcher Fusus seinen Unwillen den familiären Wünschen, inklusive einer Beschreitung des Cursus Honorum, unverzüglich Folge zu leisten, mit einer gewissen Verblüffung, welche sich in seinem Blick, mit welchem er trotz der Unschärfe des in seinem Geiste sich präsentierenden Bildes seinen Anverwandten begutachtete, offenbarte. Indessen war er nicht geneigt, den Faden aufs Neue aufzunehmen, da er doch zuerst zu erfahren wünschte, wie der Fremde jene Worte aufzunehmen geneigt war.

  • Beinahe etwas enttäuscht musste er erfahren, dass der jüngere der beiden anderen Flavii allem Anschein nach bisher kaum auch nur Rom verlassen hatte. Fast war er geneigt, ihm gegenüber das Reisen als anstrengend und lediglich mit Unannehmlichkeiten verbunden abzutun, denn er glaubte durchaus ein gewisses Fernweh aus Manius' Worten herauszuhören. Doch war er ehrlich, so wollte auch Catus seine Zeit in Achaia nicht missen, und sei es alleine aus dem Grund, auch einmal etwas anderes von der Welt gesehen zu haben als nahezu nur Italia oder gar die Urbs Aeterna. Den flüchtigen mitfühlenden Blick des Gracchus vermochte er derweil nicht zu deuten und erwiderte ihn stattdessen schlichtweg mit einem freundlichen, wenn auch etwas dürftigen Lächeln. "Bestimmt ergibt sich auch für dich noch die Möglichkeit, fernere Gegenden zu sehen, werter Manius."
    Aufmerksam verfolgte er daraufhin wiederum Fusus' Erkärungen, woraufhin seine Züge das vorhergehende Lächeln wieder missen ließen. Seiner Jugend war es wohl zu verdanken, dass er sich nur allzu voreilig zu einer Reaktion hinreißen ließ.
    "Nun, auch an mich stellt die Familie gewisse Erwartungen", entgegnete er nicht unmerklich erstaunt und zog mit leichter Missbilligung eine Augenbraue hoch. Natürlich wurden Erwartungen an einen jungen Flavius gestellt. Was hatte sein Gegenüber sich denn erhofft? Selbst er, in dessen Adern kein flavisches Blut floss, war mit dieser Tatsache konfrontiert. Und hätte Catus Fusus' Einstellung geteilt, selbst dann hätte er seine Gedanken nicht offengelegt. Viel zu klar zeigte sich in seinen Gedanken die Reaktion, die er auf derartige Worte von Seiten seines Adoptivvaters wohl zu erwarten hätte. Nicht zuletzt aber war es auch sein eigener Wunsch, nach höherem zu Streben, sich zu beweisen. Ob dieser Wunsch nun ursprünglich auf der Tatsache fußte, dass diese Einstellung von ihm erwartet wurde, war einerlei, denn wenn es so war, so schienen die Vorstellungen der Familie und seine eigenen inzwischen eins geworden zu sein.
    "Allerdings lebe auch ich mich erst noch ein und bereite mich weiter auf die Zukunft vor…", meinte er daraufhin wieder milder, um seinen vorhergehenden doch leicht harschen Kommentar zumindest ansatzweise zu revidieren und warf schließlich ganz unverblümt einen allzu offensichtlich erwartungsvollen Blick auf das noch nicht begonnene Spiel, welchen er mit Worten zu ergänzen nicht bedurfte.

  • Die Verwunderung und Missbilligung seiner Verwandten entgeht dem jungen Fusus für den Moment weitgehend, weshalb sein offenes Lächeln sich nicht im mindesten trübt. Seine Haltung gegenüber diesen Ansprüchen verhält sich so, dass er sich deren freilich bewusst ist und auch gedenkt diese nicht zu ignorieren, doch für den Moment glaubt sie noch ein wenig aufschieben zu können. Daher geht er so überaus locker - für manchen Geschmack wohl allzu locker - damit um. "Ja, so verhält es sich wohl... Aus einer großen Abstammung erwächst große Verantwortung. Nicht zuletzt deswegen müssen wir uns dieser wohl stellen, um den schier allgegenwärtigen Homines Novi nicht einfach das Feld zu überlassen." Eine zwar leichthin vorgetragene, aber im verborgenen Kern durchaus ernst gemeinte Absichtserklärung.


    Indes zucken seine Mundwinkel leicht, während er der angesprochenen 'Zukunft' des Catus etwas entgegen zu setzen hat. "Der Rang der Caesaren ist für die nächsten Dekaden allerdings schon vergeben, werter Vetter. Du wirst dich mit geringeren Ambitionen zufrieden geben müssen." Fusus' Blick wandert zu Gracchus Minor, dem er ungeachtet dessen Sehschwäche verschmitzt zuzwinkert.

  • Keinesfalls kritisch interpretierte Manius Minor den Kommentar des Fremden, da doch er prinzipiell die naive Neigung sich bewahrt hatte, einer jeden Äußerung bis auf Weiteres eine freundliche Intention zu unterstellen, womit Fusus' spitze Annotation bezüglich einer gänzlich irrealen Karriereoption, welche nur allzu leicht als Verachtung interpretabel erschien, gänzlich inadäquat ihm deuchte.
    Um freilich jedweder Okkasion einer offenen Differenz zuvorzukommen, welche dem Harmoniebedarf des Knaben auf Äußerste zuwider gelaufen wäre, ergriff er das dargebotene Sujet beim Schopfe, um den Fluss der Konversation in ruhigere Fahrwasser zu dirigieren, indem er sich mühte, Fusus' Worte ins Ironische zu transponieren, weshalb er neuerlich ein tapferes Lächeln zur Schau stellte und fragte:
    "Warum nicht? Meines Wissens verfügt der neue Princeps über keinerlei Stammhalter!"
    In der Tat war er eines solchen bei den bisherigen kaiserlichen Auftritten nirgends ansichtig geworden, sondern glaubte sich vielmehr gar zu erinnern, dass die Götter dem greisen Potentaten bishero keinen Stammhalter gewährt hatten.


    Angesichts dieser Thematik enthielt er sich auch weiterer Kommentare bezüglich seiner Reiselust, obschon ihm der ermunternde Kommentar des Catus keineswegs entgangen war, sondern er diesen als Ausweis seiner freundlichen Natur auffasste.

  • Seine Ablehnung Fusus' Einstellung gegenüber war an den beiden anderen rückstandslos abgeprallt - ob bewusst oder lediglich nicht als solche erkannt, erschloss sich Catus nicht. Zweifellos bemerkte er jedoch mit Freude, dass sich das Gespräch wieder anderen Themen zuwandte.
    Am Ende war doch vom Imperator höchstpersönlich die Rede. Und so kam es, dass ihn die durch seine beiden Verwandten geschaffene Vorstellung zwar reizte, sie ihm aber gleichzeitig dennoch unangebracht erschien. Gleichzeitig machte man aber bereits den Eindruck, ins skurrile abzudriften, sodass er sich dazu entschloss, den unangenehmen Beigeschmack schlichtweg zu ignorieren und gewissermaßen mitzuziehen.
    "Dessen bin ich mir sehr wohl bewusst", sagte er mit an gespielter Frustration an Fusus gewandt.
    "Aber gewiss steht uns großes bevor." Ein verschwörerisches Lächeln zierte unterdessen seine Lippen und wich wiederum einer wesentlich gleichgültigeren Miene, als er endete: "Und zumindest der Senat wird sich unser nicht enthalten können."
    Vollkommen bewusst hatte er es dabei vermieden, weiterhin auf den Princeps und dessen Situation einzugehen und seine genaueren Intentionen schlichtweg der Interpretation seiner Gesprächspartner überlassen. Vielleicht würde der Augustus irgendwann einen Nachfolger aus den Reihen der Patrizier bestimmen, doch die Utopie, selbst als solcher erwählt zu werden, erschien, bei all seinem Stolz, auch Catus absurd.

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