Gefolgt von Lucius marschierte Crispus im strammen Tempo hinter dem Makler das Ufer entlang. Wenn er daran dachte, dass er vor vielen Jahren einmal mühelos Rom mehrfach umrundet hätte, blieb ihm nur ein Seufzen - er war einfach zu alt. Aber immerhin war das hier eine bessere Gegend als die abgehalfterten Mietsbarracken, die sie in der Nacht ihrer Ankunft links und rechts des Weges gesehen hatten. Zumindest hatte der Makler in der Taverne das so behauptet. Er hatte auch behauptet, dass die Wohnung spottbillig war für ihre Größe und ihre Lage! Naja, für den Preis musste sie immerhin riesig sein - und damit vielleicht repräsentativ genug für einen jungen Anwärter auf den Ritterring.
Also marschierte der Alte klaglos weiter, sah links und rechts repräsentative Anwesen von Händlern und Equites, immer wieder unterbrochen von vielstöckigen Insulae, die gelegentlich nicht sonderlich stabil wirkten. Die Straßen waren hier nicht ganz so eng und verdreckt wie in der Subura - aber das ruhelose Moloch Rom war auch hier zu spüren.
Schließlich blieb der Makler - er nannte sich Popilius Maro und Haakon hatte ihn in irgendeine Taverne aufgegabelt - vor einem besonders hohen Exemplar einer Insula stehen. Neben der massiven Tür war links eine Garküche, rechts war das Ladengeschäft mit Holzlatten verrammelt. Dafür interessierte Maro sich aber überhaupt nicht, sondern er ging zur Tür, zückte einen Schlüssel und versuchte aufzusperren. Das Schloss schien etwas Widerstand zu leisten, dann aber schwang die Tür zurück und öffnete einen Flur in den Innenhof, den sie nun zusammen betraten.
"Willkommen in Eurem neuen Heim, die Herren!"
erklärte der Makler fröhlich und breitete die Arme aus. Hinter ihm öffnete sich ein relativ enger Innenhof mit einer Zisterne in der Mitte. Rundherum war eine sauber gekalkte Wand mit Türen in regelmäßigen Abständen. Darüber eine Ballustrade, dann wieder Türen, dann wieder Ballustrade, Türen, Ballustrade, Türen und so weiter. Insgesamt zählte der Alte sechs Stockwerke - so hoch war nicht einmal die Basilica Germanica in Mogontiacum! In den oberen Stockwerken hingen außerdem Wäscheleinen quer über den Innenhof. Eigentlich ganz nett - wenn es nicht so riesig gewesen wäre. Hier war wohl Platz für mehr Personen als in einem ganzen Kohortenblock des Castellums! Aber so war das eben in Rom - da würde Lucius sich dran gewöhnen müssen!
"Na sauber."
kommentierte er schließlich mit einem Seufzer, was dem Popilier wieder strahlen ließ.
"Ja, nicht? Trans Tiberim mag einen schlechten Ruf gehabt haben, aber momentan gehört er zu den angesagtesten Wohngegenden! In dieser Straße gibt es weniger Ausländer als in jeder Insula auf dem Aventin, das sage ich Dir! Möchtet ihr gleich die Wohnung sehen?"
Crispus nickte stumm und folgte dem Makler dann über die Holztreppe in den ersten, dann in den zweiten und schließlich in den dritten Stock. Seine Lippenbewegungen verrieten, dass er stumm die Türen zählte, bis er schließlich vor der vierten nach links stehen blieb. An ihr war ein großer Riegel mit Vorhängeschloss angebracht, für das ebenfalls ein Schlüssel gesucht wurde. Dreimal brauchte er, bis er das Schloss endlich geöffnet und abgenommen hatte, sodass sie endlich die Tür zur Seite schwingen konnten - oder eben so weit, bis die Tür auf dem Boden aufsetzte und genügend Platz ließ, um sich in die Wohnung zu schieben.
Was sie dort erwartete, war allerdings ganz ordentlich: Vor ihnen war ein Vorraum mit einem klapprig wirkenden Bett - eindeutig für den Haussklaven, dahinter führte ein Durchgang in den Hauptraum, der für derartige Mietshäuser tatsächlich einigermaßen geräumig war. Rechts war schließlich ein Vorhang zu sehen, der scheinbar den Schlafraum abtrennte. Dummerweise waren alle Räume leer und an den Wänden erinnerten helle Flecken daran, wo einmal eine Kline, ein Regal und eine Truhe gestanden hatten.
"Sehr ihr? Eine unfassbar geräumige Wohnung für den Preis! Der Vater kann hier schlafen-"
Er zog den Vorhang beiseite und ließ damit das Licht des kleinen Fensters in einen finsteren Raum fallen, in dem längs ein altes Bett ohne Matratze stand.
"-und der Sohnemann auf der Kline. Und der Sklave-"
Er deutete zuerst auf Armin, der ebenfalls mitgekommen war, dann auf den Durchgang zum Vorraum.
"-bekommt die Pritsche dort vorn. Damit sind alle bestens untergebracht!"
Zufrieden lächelte er in die Runde.
Crispus kratzte sich nachdenklich am Kinn. Im Grunde war diese Wohnung vergleichbar mit dem, was er damals als Centurio in der Kaserne gehabt hatte. Sicherlich war das nicht so viel wie die Domus in Mogontiacum, aber immerhin - für Rom sicherlich ganz ordentlich!