Triclinium parvum | Kleine Fische, Große Fische

  • Da die öffentlichen Riten der Feiern zu Ehren der Ceres, sowie der Fides Publica Populi Romani von den zuständigen flamines waren ausgeführt worden, hatte Gracchus an diesem Tage in seiner Funktion als Pontifex pro magistro nicht mehr und nicht weniger zu tun gehabt, als dem schlichtweg beizuwohnen. Dennoch war er durchaus erleichtert als er dem Trubel, welcher an solchen Tagen noch mehr als sonstig ohnehin bereits in Roms Straßen herrschte, gewissermaßen entkommen und in die Ruhe des flavischen Anwesens auf der Kuppe des Quirinal sich flüchten konnte. Gleichwohl entzückte ihn die Aussicht auf den erwarteten Besuch der Aurelier, ob dessen er sich nach den Opferungen nur kurz ein wenig frisch machte und seine senatorische Tunika und Toga gegen eine etwas informellere Tunika in dunklem Blau mit goldfarbenen Rändern eintauschte, ehedem er sich in dem kleinen Triclinium einfand, in welchem bereits alles war vorbereitet. Er nahm noch nicht Platz, schlenderte zum Fenster und blickte ein wenig nervös hinaus in das angrenzende Peristyl - es war lange her, seitdem er sich zuletzt in politischen Gefilden hatte betätigt.

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  • Selbstredend stand es auch Manius Minor wohl an, den Gesellschaften Manius Maiors bisweilen beizuwohnen, um die Fassade familiarer Eintracht stets aufrechtzuerhalten, obschon diese, zumindest in der Imagination des Jünglings, keineswegs mehr in unlimitierter Breite existent war. Indessen zählte der junge Flavius noch immer nicht zu jenen Personen, welche sich ihren Emotionen hingaben und ihre Gedanken offenbarten, womit es zweifelsohne dem Vater überhaupt nicht mochte auffällig geworden sein, dass der Sohn ihm gegenüber Regungen des Respekts gegen solche der Abscheu hatte eingetauscht, dass er ihm bei jedem Kontakt einen stummen Vorwurf der Furcht wie der Pflichtvergessenheit zur Last legte, während er doch zugleich artig jedweder paternalen Order sich beugte und manierlich sich auch gegen Dritte niemals negativ bezüglich seines Erzeugers äußerte.


    So war es auch kaum verwunderlich, dass er an diesem Tage zeitig und nach der Rückkunft vom Tempel der Fides sich im Triclinium Parvum einfand, wo bereits sein Vater ihn in denkerischer Pose erwartete. Erstlich musste Manius Minor hierbei erkennen, dass die Vestiarii sich augenscheinlich abgestimmt, respektive eine derartige Abstimmung hatten unterlassen, denn die Synthesis des Jünglings war in einem Marineblau gehalten, welches dem der paternalen Tunica in nicht geringem Maße similär erschien, obschon die güldenen Stickereien darauf keineswegs sich auf die Umrandungen beschränkten, sodass zumindest eine gewisse Variation der Bekleidung war geboten.


    "Salve, Vater."
    , salutierte der junge Flavius in dem ihm gebräuchlichen, reservierten Tonfall den Anwesenden, um sogleich sich nochmalig der Umstände des heutigen Gastmahles zu versichern, da doch Patrokolos ihm lediglich die Gästeliste, mitnichten hingegen alles weitere hatte angekündigt:
    "Gibt es einen speziellen Anlass für den Besuch der Aurelii?"

  • Die Stirn noch immer ob seiner Überlegungen in Falten gelegt, wandte Gracchus auf die Stimme seines Sohnes sich hin um.
    "Salve, Minimus."
    Die farbliche Konvergenz stach auch Gracchus Maior ins Auge, indes gereichte die Similarität zwischen Vater und Sohn kaum dazu, aus Minor eine kleinere Ausgabe seiner selbst werden zu lassen.
    "Nun, davon abgesehen, dass die Aurelii gute Freunde unserer Familie sind und es wichtig ist, diese Art von Freundschaften zu pflegen, werden wir heute Abend ein wenig Politik betreiben, welche auch Im..plikationen für dich wird aufbringen. Weiters möchte ich, dass du dieses Gespräch konzentriert verfolgst und beoba'htest. Da wir recht nah beieinander sein werden, mögen dir zwar die sublimen Regungen im Antlitz der Beteiligten entgehen, doch um so essentieller ist es, dass du lernst diese Nuancierungen in der Couleur der Stimme zu detek..tieren - denn andernfalls wirst du in Rom nicht allzu erfolgreich sein. Ich möchte also, dass du deine Vigilanz auf die Details richtest, dir mental vermerkst wann es scheint, dass über mehr gespro'hen als tatsächlich gesagt wird. Sofern es nicht allzu spät wird, werden direkt im Anschluss, sonstig morgen rekapitulieren, was du bemerkt hast - und ich gehe davon aus, dass es im ent..scheidenden Augenblick durchaus einige dieser Aspekte wird geben."
    Gleichwohl beabsichtigte Gracchus nicht, seinen Sohn in alle Details dieser Aspekte einzuweihen, denn schlussendlich gab es zumeist gute Gründe, sie nicht auszusprechen.

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  • Auch Scato hatte natürlich unlängst mitbekommen dass heute aurelischer Besuch in der Villa anstand, und dieses Ereignis die familiäre Aufmerksamkeit bedurfte.
    In seiner feinsten Tunika gekleidet betrat er das Triclinium unauffällig da sich Gracchus und sein Sohn gerade in einem Gespräch befanden und der dieses ungern stören wollte. Darüber hinaus wäre dieser Abend wohl eine ideale Schulung für seine Selbstbeherrschung und seine Mimik, schließlich würde sicherlich auch Prisca den Weg zu den Flaviern finden, und weder seine noch ihre Familie wussten wohl von ihrem Treffen, sodass er sich doch ein wenig zusammenreißen musste was ihm im politischen Kontext mehr als leicht viel, aber bei dieser Frau doch eine gewisse Herausforderung darstellte.


    Nur mit einer nickenden Geste, setzte sich Scato und versuchte nicht allzu offensichtlich das Gesagte zu verfolgen.

  • In Erwartung im Klang der nächsten Schritten die Gäste begrüßen zu können, blickte Gracchus Maior an Gracchus Minor vorbei, doch mitnichten waren die Aurelier bereits eingetroffen, indes trat sein Neffe Scato in den Raum und nahm Platz. In den festgefahrenen Grenzen seiner eigenen Gedankenwelt missdeutete Gracchus das grüßende Nicken geleitet von Schweigen als eine herausfordernde Geste, ob dessen sein Tonfall dem Enkel seines Vetters gegenüber ein wenig frostig ausfiel, obgleich er sich mühte ein ausdruckslos Antlitz zu bewahren.
    "Scato, Minor und ich empfangen hier heute persönli'he Gäste, der Rest der Familie speist wie üblich im großen Triclinium."

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  • Der Argwohn des Jünglings, es handele sich in diesem Falle keinesfalls um eine reine Höflichkeitsvisite wurde in Wort und Tat recht rasch von seinem Vater bestätigt. Erstlich indessen erreichten ihn lediglich die Worte, welche eine nicht geringe Indiskretion in ihm evozierten, zugleich allerdings auch ihn ein wenig beschämten, da doch Manius Maior recht offen seine visuellen Unzulänglichkeiten thematisierte und dabei implizierte, jene würden ihm im Laufe seiner politischen Laufbahn womöglich ein unüberwindliches Hindernis werden. Selbstredend hatte der junge Flavius bereits in der Erforschung der Bandbreite menschlicher Äußerungen einige Expertise erlangt , da jenes Potential ihrer Detektion für einen hypermetropischen Jüngling zu nutzen unumgänglich war, sofern er nicht gewillt war die Worte seiner Gesprächspartner fehlerhaft zu interpretieren und sich damit bisweilen in arge Bedrängnis zu bringen. Dennoch erfreute es ihn in gewisser Weise, dass Manius Maior ihm diesbezüglich noch einige Hinweise zu bieten versprach, da jener, obschon dieser ihn für einen Feigling und Deserteur hielt, zweifelsohne einen unermesslichen Schatz an politischer Erfahrung sein Eigen nannte, welcher zu teilen zweifelsohne als profitabel sich würde erweisen.
    Der Vorwitz wurde hingegen nochmalig gesteigert, als der ältere Gracchus Scato des Platzes verwies, was, soweit der jüngere Gracchus sich zu entsinnen vermochte, noch niemals war geschehen und somit die Bedeutsamkeit jenes Zwiegespräch ins Unermessliche zu steigern schien. Folglich fühlte der junge Flavius sich auch bemüßigt, jenen Umstand mit einer neuen Hypothese zu kommentieren, nachdem der Dritte den Raum zurückgelassen hatte:
    "Geht es um die Familie?"
    Mitnichten mochte der Jüngling zu imaginieren, welche Thematik von einer derartigen Tragweite würde sein, dass sie der Exkludierung der übrigen Familiaren bedurfte, obschon er vermutete, dass diese sich womöglich auf Eheanbahnungen und dergleichen bezog, die zur Kalmierung des Gesprächsklimas wohl besser in Absenz der beiden Aspiranten zu führen waren.

  • Die Einladung zu einer gemütlichen cena war eine wirklich nette Geste seitens der Flavier und eine willkommene Gelegenheit, um in privater und ungezwungener Atmosphäre die freundschaftlichen Beziehungen zu pflegen. Oder gab es gar einen konkreten Anlass? Zumindest hatte Prisca nichts weiter aus dem Einladungsschreiben heraus lesen können. Oder hätte sie womöglich stutzig werden müssen? Vielleicht hatten aber auch Lupus und Flavius Gracchus bereits bestimmte Gesprächsthemen geplant, von denen ihr "lieber" Cousin ihr bislang nichts erzählt hatte:


    "Ich hoffe doch sehr, dass du diesen Abend nicht wieder nur für politische Diskussionen nutzen wirst. Ich warne dich! Ich werde vor Langeweile sterben und dann hast du den Schlamassel. Oder gibt es gar etwas Wichtiges zu besprechen, von dem ich nichts weiß? … Ansonsten könnten wir uns ruhig mal über ein paar Themen unterhalten, die uns Frauen so interessieren. … Ich könnte zum Beispiel von dem Händler erzählen, bei dem ich neulich kostbarste Stoffe aus dem fernen Osten entdeckt habe. Der hat auch viel Interessantes für Männer im Angebot. Was hältst du davon, liebster Cousin? ", raunte Prisca ihrem Cousin grinsend zu während sie neben ihm ein her durch die villa Flavia schritt. Ach ja, sie liebte es ihn so zu necken und mit ihren "kleinen Drohungen" zu nerven, wobei er es wiederum blendend verstand sie auf seine Art und Weise zur "Weißglut" zu bringen - und sei es nur indem er so tat als würde er ihr gar nicht zuhören.


    Viel Zeit zum plaudern würde ihnen ohnehin nicht mehr bleiben, da sie dem triclinum immer näher kamen und man bereits Stimmen vernehmen konnten, ohne jedoch das Gesprochene verstehen zu konnen. Na egal. Wenn es wieder nur um Männerthemen geht, dann werde ich eben "brav" zuhören, meinen Mund halten und versuchen, gut auszusehen. ... Na wenigstens hätte Lupus mir einmal sagen können, dass ich gut aussehe! Oder auch zwei oder dreimal, dachte Prisca innerlich seufzend und mit einem letzten kritischen Blick an sich herab, prüfte sie ob auch alle Falten ihres sündhaft teuren Kleides ordentlich saßen.


    Das schneeweiße Kleid, mit den vielen Faltenwürfen, den filigran gestickten Goldsäumen (in Form ineinander laufender Linien), sowie dem zugegebenermaßen etwas gewagtem Dekolleté, hatte Prisca nämlich auch bei dem besagten Händler erstanden. Dazu trug sie ihren Lieblingsschmuck aus Gold, in Form der üblichen Fibeln, einer schweren Halskette, den Armreifen und den Ringen, auf denen jeweils das Wappentier der Aurelier verewigt war. Auf eine aufwendige Hochsteckfrisur hatte Prisca - dem legeren Anlass entsprechend - verzichtet, stattdessen war ihr schwarz glänzendes Haar lediglich kunstvoll zu einem Knoten geschlungen- und mit einem Diadem geschmückt worden. Nebenbei bemerkt bevorzugte Prisca diese Art der Haarpracht, war diese doch viel angenehmer zu tragen, ohne Gefahr zu laufen bei jeder Kopfbewegung gleich aus dem Gleichgewicht zu geraten. Zu guter Letzt sei noch die dezent sparsame Schminke erwähnt, die lediglich Augen und Mund der Aurelia betonten, da sie überzeugt war noch genügend jugendliche Schönheit zu besitzen um auf drastischere Anstriche verzichten zu können ...

  • Innerlich seufzte Sextus bei den Anspruchsformulierungen seiner Cousine. Stellte sie da gerade wirklich wichtige Themen zusammen auf eine Stufe mit der Frage von illustren Stoffhändlern? “Irgendwie hege ich Zweifel daran, dass Flavius Gracchus daran besonders interessiert wäre“, entgegnete er nur trocken.
    Die Frage, ob es etwas wichtiges zu besprechen gab, ignorierte er dabei gekonnt. Es gab immer Dinge zu besprechen, die wohl wichtiger waren als das Angebot von verschiedenen Stoffarben oder -qualitäten. Das Wetter, beispielsweise... Allerdings hatte Sextus zwar durchaus einige Themen im Kopf, die er vielleicht anbringen konnte – und die er natürlich nicht mit Prisca zu diskutieren pflegte – jedoch war Gracchus derjenige gewesen, der sie eingeladen hatte. Und so gern sich Aurelier und Flavier wohl auch hatten, vermutete Sextus doch einen aktuellen Gesprächsanlass hinter der Einladung. Damit würde die Wahl der Themen wohl vornehmlich beim Gastgeber liegen, was die Chance für Marktplatzthemen wohl zusätzlich minimierte.
    “Aber versuch dein Glück ruhig“, feixte er ein wenig und lächelte seiner Cousine leicht zu. Zwar war das natürlich eine Herausforderung, die sie verlocken würde. Und bei allem, was Sextus über Frauen zu wissen glaubte, war so etwas wohl der sichere Weg, eine Frau zu einer Dummheit überreden zu können. Aber irgendwie hielt er seine Cousine doch nicht für dermaßen naiv und dumm, dass sie sich wirklich derart lächerlich machen würde.


    Dann waren sie aber auch schon am Triclinum angekommen, und Sextus merkte, dass er wohl ein wenig zu förmlich gekleidet war. Zwar war in der Einladung etwas von 'klein und gemütlich' gestanden, dennoch hatte Sextus vorsichtshalber sich eine Toga über seine feine, krappfarbene Wolltunika legen lassen. Beim Eintreten bemerkte er allerdings, dass es in diesem Fall keine höfliche Untertreibung gewesen war, sondern tatsächlich auf einen gänzlich informellen Abend deutete, an dem, wie es aussah, auch keine weiteren Teilnehmer zu erwarten waren.
    Allerdings war dies weniger ein Problem. Eine Toga war weitaus schneller ausgezogen, als angezogen. Kurzerhand hob Sextus die doppelten Stoffbahnen über seine Schulter und reichte den Stoffberg an einen herumstehenden Sklaven, ehe er sich aufmachte, den Gastgeber vernünftig zu begrüßen.
    “Flavius Gracchus, es ist eine Freude, dich wiederzusehen. Verzeih den Aufzug, ich hatte mit mehr Teilnehmern am Gastmahl gerechnet und wollte dich nicht durch eine unzulängliche Kleidung dann vor deinen Gästen in Verlegenheit bringen.
    Und das ist dein Sohn, nehme ich an?“
    Sextus war sich nicht sicher, ob er schon einmal den Sohn von Gracchus getroffen hatte, war sich aber sehr sicher, dass dieser zum einen Vater zweier Söhne war und zum zweiten er die Kinder wenn, dann vor längerer Zeit getroffen hatte. Ein Umstand, der seinem schlechten Namensgedächtnis sicher nicht unbedingt zugute kam.

  • Gracchus bedachte seinen Sohn mit einem bedeutungsvollen Blicke.
    "Letztlich geht es immer um die Familie, Minimus, immer."
    Sodann erreichten die Gäste das Triclinium und ein Lächeln umkräuselte Gracchus' Lippen, ehedem er zu Lupus und Prisca trat und zuerst den Aurelier mit einem dextrarum iunctio empfing.
    "Salve Aurelius Lupus, dies Wiedersehen ist mir ebenso eine Freude, um so mehr euch als unsere Gäste begrüßen zu dürfen. Ob der Toga ent..schuldige dich nicht, es ist zumeist doch eher von Vorteil zu viel als zu wenig zu tragen, nicht wahr?"
    Obgleich Gracchus seinem Gegenüber vermutlich ob ihrer gemeinsamen Vergangenheit um die Konspiration des Tiberius wegen niemals gänzlich würde vertrauen - schlichtweg da er allem und jedem in Hinblick auf diese Konspiration nurmehr misstraute -, so war es doch gerade diese Vergangenheit, welche gleichsam auf einer anderen Ebene eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen schuf. Ehedem er die Frage seines Gastes beantwortete, wandte der Flavier sich indes zuerst Aurelia Prisca zu, welche er nicht wagte zu berühren, schien sie ihm in ihrem formvollendeten, weißfarbenen Kleid doch einer Epiphania gleich, welche mit jeder noch so marginalen Berührung sich würde in Luft auflösen. Er adorierte ihre Schönheit - nicht auf eine begehrliche Art und Weise, da das weibliche Geschlecht ihn schlichtweg nicht konnte erregen, sondern in Hinblick auf die Ästimation der perfektionierten Komposition ihrer Präsenz -, wiewohl ihre Anwesenheit ob ihres Wissens ihm durchaus ein wenig unangenehm war.
    "Für einen Augenblick war ich wahrlich betrübt, Aurelia, glaubte ich doch du hättest diesen Besuch verworfen und dein Vetter hätte stattdessen nur Aphrodite persönli'h mit sich gebracht."
    Ein pikareskes Schimmern blitzte in seinen Augen auf, ehedem er sich ein wenig zu seinem Sohn umwandte.
    "Minimus"
    , forderte er ihn auf, ein wenig näher zu treten.
    "Dies ist mein ältester Sohn, Manius Gracchus Minor. Minor, dies ist der Haruspex Primus Senator Sextus Aurelius Lupus, und seine Base Aurelia Prisca, welcher du dich indes zweifelsohne noch entsinnen wirst."
    Letztlich hatte die Aurelia als Gemahlin Flavius Pisos durchaus einige Zeit in der Villa Flavia verbracht, jedoch war dies noch vor dem Bürgerkrieg gewesen. Nach der allgemeinen Begrüßung wies Gracchus auf die Klinen.
    "Lasst uns doch Platz nehmen."

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  • Obschon der Blick dem Jüngling entging, akzeptierte er doch den paternalen Locus communis als einen Appell, ihn nicht weiter durch seinen Vorwitz zu traktieren, zumal in jenem Augenschlag die Gäste eintrafen. Zuletzt hatte Manius Minor den aurelischen Senator und Klienten des Kaisers (dies hatte ihm selbstredend der greise Artaxias nochmalig eingebläut, als der junge Flavius von der abendlichen Gesellschaft berichtet hatte) auf der iulisch-sergischen Hochzeit angetroffen, doch selbstredend nicht gesprochen. Dennoch erkannte er ihn rechtzeitig, ehe er so nahe trat, dass seine Züge verschwammen, sodass Gracchus Minor Gracchus Maior gleich jenes Lächeln aufsetzte, welches sein Paedagogus Artaxias ihm nach unzähligen Gesellschaften mit den Worten 'Nun sieh nicht so missmutig drein!' einexerziert hatte. Doch auch die Base des Aurelius war dem jungen Flavius nicht unbekannt, zumal sie von betörender Attraktivität und somit keinesfalls leichtlich zu vergessen war. In der Tat verspürte der Jüngling nun, da seine Libido erwacht war, gar jene der Adoleszenz eigentümliche Lüsternheit, als er ihres Dekolletés gewahr wurde, ehe Manius Maior ihn herbei,rief sodass er hinzuzutreten genötigt war und die feminine Pracht zu einem Schemen verschwamm. Dies hingegen war ohnehin nicht mehr von Belang, da der junge Flavius aufs Neue mit jenem ihm verhassten, despektierlichen Kosenamen in aller Öffentlichkeit war tituliert worden, sodass er für einen Augenschlag einen zornigen Blick in die paternale Richtung sandte, um dann wieder ein Lächeln zu präsentieren, als sei es niemals interrumpiert worden.
    Denn schon operierte in ihm jenes Programm, zu der auch das Lächeln gehörig war und das ein Spross der flavischen Familia gleich einer zweiten Natur beherrschte, weshalb prompt auch die Konfirmation der väterlichen Präsentation erfolgte:
    "Durchaus, durchaus."
    , und der Jüngling sich gar genötigt fühlte seine beständige Aufmerksamkeit hinsichtlich der Gäste zu belegen, wobei er zugleich an die paternalen Worte anzuknüpfen imstande war:
    "Das letzte Mal hatten wir auf der Hochzeit von Iulius Dives das Vergnügen, wenn ich mich nicht irre."
    Weiterer Worte bedurfte es hingegen nicht, denn sein Vater führte die Gesellschaft nunmehr zu den Klinen.

  • "Tja, warum sollte ich mein Glück auch nicht versuchen?", gab Prisca (mit einem gespielt vorwurfsvollen Blick) leise und mehr zu sich selbst gesprochen zurück, nur um das letzte Wort zu haben. Oder besser gesagt: Mein Glück heraus fordern, so wie Prisca es in der Vergangenheit oft und gerne getan hatte. Fortuna wird mir schon beistehen! So wie sie es immer getan hat, … so hoffe ich doch. Oder? Natürlich konnte Prsca nicht immer auf Fortunas Gunst und Gnade hoffen, doch hatte die Vergangenheit gezeigt, dass jede noch so prekäre Situation, in die sie hinein geraten war, am Ende für sie glimpflich ausgegangen war. Eine Garantie für die Zukunft war das natürlich nicht, doch würde Prisca alles tun um "ihre" Schicksalsgöttin nach Möglichkeit gnädig zu stimmen. Ganz oben auf Prisca´s persönlicher "Wunschliste" standen im übrigen zwei "Dinge, oder besser gesagt "Menschen":Ein fürsorgender Ehemann und ein gesundes Kind! Ob Sohn oder Tochter war Prisca dabei völlig egal, Hauptsache gesund und meinem Leib entsprungen. - so Fortuna es zulassen mochte ...


    Denn Prisca wurde schließlich nicht jünger und auch ihre Schönheit würde irgendwann verblassen. Dem war sich Prisca wohl bewusst, wobei es stets Balsam für ihre Seele war, wann immer sie den "lüsternen" Blicken eines Mannes gewahr wurde, der von ihren weiblichen Reizen in den Bann gezogen wurde. Mintunter sogar von manch Knaben, … Oder hab ich mich da gerade versehen? Prisca war eine gute Beobachterin in Bezug auf Blicke, Mimik und andere Gesten, welche mitunter unbewusst ausgestrahlt wurden und so entging ihr selbst jene flüchtig erscheinenden Blicke nicht, mit denen der Vater, als auch sein Sohn sie bedachten. Der Vater eher ihre selbstverständliche Schönheit bestätigend, während der Sohn durchaus Hintergedanken dazu hegen mochte. Soll ich mir etwa Sorgen machen?, überlegte Prisca ein wenig verunsichert, während sie nach außen hin die übliche Gelassenheit und Dignitas widerspiegelte.


    "Salve Senator Flavius. Es ist mir eine besondere Freude und Ehre, deiner Einladung heute Folge zu leisten Nicht zuletzt, weil ich deine wunderbaren Komplimente keinesfalls missen möchte, die du meiner Wenigkeit in Bezug auf Aphrodite zugesteht. Selbst wenn ich wohl niemals ernsthaft in Konkurrenz zu der Schönheit der Göttin treten kann, so sehr ich mir auch Mühe gebe", bedankte sich Prisca mit einer huldvollen Neigung des Hauptes für das schmeichelnde Kompliment, wohl bedacht die Göttin letztendlich nicht zu erzürnen, indem sie sich demütig gab, gleichwohl die Worte wie Balsam auf ihrer Haut genießend.


    Gleichermaßen gab sie sich gegenüber Gracchus´ Sohn, wengleich sie bei ihm aus einer anderen Intention heraus handelte. Verband sie mit Gracchus so manch "delikates Geheimnis", so war es bei seinem Sohn einfach nur das Verlangen, ihm ein wenig Selbstbewusstsein zu vermitteln angesichts der Tatsache, dass sein Vater ihn offenbar mit einem Kleinkindernamen rief. Minimus? Wie süß … Oder wie sonst sollte sie den flüchtigen, zornigen Blick sonst deuten, den der Sohn seinem Vater subversiv zu warf: "Salve Flavius Gracchus Minor. Ich freue mich sehr, dich so bald schon wieder zu sehen. Du hast Recht! Zuletzt trafen wir einander auf der Hochzeit des Iuliers. Unglaublich! Ist doch in der kurzen Zeit ein ganzer Mann aus dir geworden"Mit einem besonders freundlichem Lächeln würdigte Prisca den Sohn des Hausherrn, ihn mit seinem formellen Namen anredend und wohlwissend, dass Söhne mitunter unter ihren Vätern zu leiden hatten. Aus dem Grund wollte sie einfach nur nett sein und ihn ebenbürtig begrüßen, obgleich sie in ihm (insgeheim gesprochen) nicht viel mehr als ein Kind sah, dass augenscheinlich in die Gesellschaft eingeführt werden sollte.


    Ungeachtet der unmittelbaren Reaktionen der Einzelnen, folgte Prisca zunächst der Einladung zu den Klinen um sich aber, wie es sich für eine Frau gehörte in einem der ebenfalls bereit stehenden Korbsessel gemütlich zu machen. Die Beine züchtig übereinader geschlagen, die Hände im Schoß gefaltet und den Blick fortwährend aufmerksam (und neugierig) auf die anwesenden Männer des heutigen Abends gerichtet ..

  • Die Begrüßung seiner Cousine fiel – ganz natürlicherweise – weit wortreicher, um nicht zu sagen blumiger aus. Wobei Sextus durchaus zuzugeben bereit war, dass sie eine schöne Frau war, vor allem, wenn sie sich in Schale geworfen hatte.
    Ein Gedanke huschte kurz durch Sextus' Geisteswelt, der durchaus interessante Folgerungen zuließ. Eine solche Begrüßung war sicherlich nicht das schlechteste Zeichen bei einem verwitweten Mann, allerdings auch nicht mit allzu großen Hoffnungen zu versehen ob der übertriebenen Höflichkeit unter Höhergestellten. Dennoch war ein Teil von Sextus Aufmerksamkeit durchaus geweckt, und auch die Antwort Priscas stimmte ihn da durchaus verheißungsvoll für den kommenden Abend. Allerdings hatte Sextus nun doch nicht vor, Zeichen für die Zukunft aus seinem Abendessen zu lesen, oder den Begrüßungsworten zu eben jenem.


    Da Prisca schon die übliche Floskel des 'Du bist aber groß geworden!' an den Jungen weitergegeben hatte, sah Sextus sich nicht in der Pflicht, selbiges noch einmal zu wiederholen. Zweifellos war eine solche Schmeichelei von einem weiblichen Wesen auch weit wirkungsvoller, und letztendlich erinnerte sich Sextus auch nicht mehr an die letzte Begegnung, so dass er ein Wachstum oder eine Veränderung glaubhaft hätte bestätigen können. So beließ er es bei einem freundlichen, leichten Lächeln und einem Nicken und begab sich zu dem ihm zugewiesenen Platz auf den Klinen.
    “So speisen wir heute im kleinen Kreis?“ nahm Sextus sogleich das Gespräch wieder auf und gab damit Gracchus auch die Möglichkeit, seine Einladung gegebenenfalls noch ein wenig näher zu erläutern. Wenn sie tatsächlich nur zu viert speisen würden, lag die Annahme noch näher, dass es vielmehr um die Möglichkeit zu einem privaten Gespräch über ein noch unbekanntes Thema gehen würde, als um die generelle Aufrechterhaltung des Kontaktes. Immerhin lebten laut Sextus begrenztem Wissen noch die kleine Schwester seiner Ex-Frau – deren Fernbleiben noch mit Höflichkeit ihm gegenüber zu erklären gewesen wäre – und der junge Flavius, der im letzten Jahr als Vigintivir nicht unbedingt geglänzt hatte, im Hause.

  • Einen Augenblick stellte Gracchus sich die Frage, was sein Sohn auf der Hochzeit des Iulius Dives hatte verloren und insbesondere, wie er dorthin geladen worden war - letztlich berichtete Sciurus ihm zwar von solcherlei Dingen, doch oftmals nahm er kaum Notiz davon -, doch da augenscheinlich auch Aurelia Prisca dort gewesen war, schien es ihm letztlich nicht weiter wichtig.
    "In der Tat"
    , gab Gracchus zur Antwort auf die Frage nach dem kleinen Kreise, ohne indes bereits weiter auf die Gründe für diese Limitation einzugehen. Obgleich er üblicherweise es durchaus favorisierte, wichtige Gespräche mit dem Kern des Anliegens zu beginnen, so war ein Gastmahl - auch ein solches von geringer Größe - doch ein Gastmahl und das Mahl eben ein essentieller Bestandteil davon, und wie dieses mit bekömmlichen Kleinigkeiten seinen Beginn nahm, um den Appetit anzuregen und den Magen auf die Hauptspeisen vorzubereiten, so wollte auch eine bedeutsame Konversation wohlüberlegt vorbereitet sein. Nachdem die Patrizier sich zu Tisch hatten begeben traten ohnehin erst einmal Sklaven heran mit silbernen Schalen, angefüllt mit lauwarmem Wasser, und weichen Tüchern, so dass Gäste und Gastgeber die Hände sich konnten reinigen, während andere Sklaven Wein - selbstredend einer der exquisiteren Tropfen aus den schier unerschöpflichen Vorräten des flavischen Weinkellers - und klares Quellwasser heran trugen, um die grünfarbenen Gläser zu füllen. Während Gracchus seine Hände trocknete, wandte er sich Lupus auf der Kline neben ihm zu.
    "Wie geht es deinem Sohn, Aurelius? Ich hoffe, er befindet sich wohlauf?"
    Letztlich floss in den Adern dieses Jungen auch flavisches Blut, so dass die Nachfrage nach seinem Befinden durchaus ein wenig mehr als höfliches Interesse barg. Derweil trugen weitere Sklaven die Vorspeisen auf - kleine Champignons gefüllt mit scharfem Moretum und garniert mit Mandelsplittern, Artischockenherzen gefüllt mit einer salzigen Sardellenpaste, schwarzfarbene Oliven gefüllt mit Senfkörnern, und in Essig eingelegte kleine Gurken, dazu frisch gebackenes Brot. Da Gracchus zu diesem Mahl hatte geladen, war letztlich auch das Essen nach seinem Geschmack - keinesfalls süßlich, eher scharf, säuerlich oder orientalisch gewürzt, und bisweilen in seiner Kombination ein wenig ungewöhnlich.

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  • Deplorablerweise hatte der junge Flavius bereits unzählige Male eine derartige Bemerkung wie die Priscas vernommen und beobachtet, dass jene für gewöhnlich den Unmündigen vorbehalten war, die durch kleine Spielzeuge und warme Worte leichtlich zu erfreuen waren, sodass diese ihn kaum mochte mit Stolz erfüllen, zumal er für sein Alter ohnehin eher als zu klein zu titulieren war. Dennoch folgte er selbstredend den Etiketten und präsentierte ein genantes Lächeln, verbunden mit einem knappen
    "Dankesehr."
    In der Tat lagen aber bereits Jahre zwischen besagter Eheschließung und dem heutigen Gastmahl und der Umstand, dass sie seither nicht mehr gemeinsam eine Gesellschaft visitiert hatten, aktualisierte bei Manius Minor, in welcher Introversion und Ungeselligkeit Manius Maior sein Dasein fristete, dass seither niemals eine Gelegenheit sich hatte ergeben, die Aurelii im Hause begrüßen zu können. Zwar mochte dies auch dem Jüngling durchaus zusagen, der keineswegs die Gesellschaft vieler Personen schätzte und dabei wohl mehr von seinem Vater ererbt hatte, als ihm lieb war, dennoch erschien es ihm am heutigen Tage überaus bedenklich, da er doch stets mit größter Vehemenz war indoktriniert worden, dass Kontakte der weitaus größte Schatz darstellte, den ein altes Haus zu hüten hatte, da Macht, Reichtum und Sicherheit doch stets dem zu folgen pflegte, der viele Freunde sein Eigen nannte.


    Jenen Gedanken reflektierend folgte er zuletzt den Aurelii und seinem Erzeuger hinüber zu den Klinen, wo er den ihm zustehenden Platz an der Seite des Hausherrn wählte, welcher ihn bemächtigte, weitaus besser die Grazie im Korbsessel direkt auf der anderen Seite des Tisches zu betrachten denn den Aurelius. Da dies ob seines limitierten optischen Potentials für seine heutigen politischen Studien ohnehin sich als unerheblich erweisen würde, zumal Gracchus Maior ihn spezifisch zur Konzentration auf auditive Signale hatte angehalten, erschien jener Umstand wenig deplorabel, zumal selbst der Scheme der überaus attraktiven Gestalt Priscas einen mehr als adäquaten Trost darbot, der dank der kürzlich erfolgten anatomischen Studien des Jünglings auch in ihrer Unbestimmtheit die Phantasie anzuregen überaus geeignet schien. Dennoch mühte der junge Flavius sich selbstredend rasch, den Blick von der Aurelia zu wenden, da doch ein Begaffen des Gastes überaus unschicklich gelten musste, sondern fixierte vielmehr seine vom flavischen Siegelring geschmückte Hand, während er sein Ohr dem sich evolvierenden Dialog zwischen den beiden älteren Personen lieh.

  • Offensichtlich wollte Gracchus diese Chance zur Erklärung nicht nutzen und Sextus konnte weiter spekulieren, was der genaue Anlass war. Zumindest konnte er aus dem Fehlen einer Erklärung schon schließen, dass es eine solche für die Abwesenheit der Verwandten der Flavier gab. Wären besagte Mitbewohner einfach nur indisponiert gewesen, hätte Gracchus selbiges sicher einfach angefügt, wenn er allerdings jetzt ein Geheimnis daraus machte, würde das wohl einen Grund haben.
    Allerdings war es ja auch vorerst nicht von Belang. Sextus war sich durchaus sicher, dass er im Laufe des Abends noch darauf kommen würde. Und selbst wenn nicht, so kam ihm dieser Termin einfach zu gelegen, um selbst bei Gracchus bezüglich der ein oder anderen Sache unverbindlich nachzuhorchen, die ihm derzeit im Kopf herumging.


    Gerne nahm Sextus den Wein an – in stark verdünnter Form. In letzter Zeit machte er ihn müder als sonst, und heute wollte er in jedem Fall möglichst lange wach und aufmerksam sein.
    “Lucius geht es, soweit ich weiß, sehr gut. Er ist ein gesunder, für sein Alter recht starker Bursche geworden.“ Sextus verließ sich da ganz auf die Berichte, die er aus Tarquinia erhielt, wo sein Sohn nach wie vor weilte. “Mittlerweile hat auch seine Ausbildung begonnen. Leider beklagen seine Lehrer einen gewissen... Schlendrian, was mathematische Fragestellungen angeht, so dass seine Ergebnisse häufiger vom gewünschten hier abweichen. Ich nehme an, das wird sich noch verwachsen. Dafür zeigt er ein sehr gutes Gedächtnis in den Bereichen der Botanik und Zoologie.“ Was wohl damit zusammenhängen mochte, dass Lucius, wie seine Lehrer es ausdrückten, lieber in die Landschaft starrte, als in seine Schriftrollen. Allerdings war, wie Sextus aus eigener Erfahrung wusste, die Ausbildung zum Haruspex sehr allumfassend, schwer verständlich und für junge Geister mitunter sterbenslangweilig.
    Sextus zuckte leicht die Schultern. Er packte sein Essbesteck aus seiner Serviette (selbiges hatte er selbstverständlich mitgenommen. Welch grauenhafte Vorstellung wäre es, mit anderen das persönliche Essbesteck zu teilen?) und pikte einen der Champignons auf. “Seiner Jugend sei verziehen, dass er die Bedeutung der etwas trockeneren Themenstellungen euklidischer und archimedischer Mathematik noch nicht mit Begeisterung erfassen kann. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sich dieses noch ändert.“


    Der Pilz war sehr gut. Die Oliven ignorierte Sextus, mochte er sie in jedweder Form nur bedingt, und ebenso die Gurken. Der anstehende Winter würde es noch häufig genug machen, in Essig eingelegtes Gemüse zu verspeisen, da wollte er jetzt im Spätherbst nicht damit beginnen. Also nahm er sich ebenfalls eine der Artischocken mit Tapenada und ein wenig Brot.
    “Nachdem es deinem Ältesten ganz augenfällig gut geht, was macht dein Jüngster?“
    Kurz nur streifte sein Blick noch einmal Gracchus Minor. Selbiger schien aber eher in die Beobachtung von Prisca vertieft zu sein. Sextus konnte es ihm nicht verdenken. Von allen hier anwesenden Personen hatte seine Cousine ganz zweifelsfrei das attraktiveste Äußere, und wäre Sextus in jenem Alter, er hätte es nicht anders gemacht.

  • Zu seiner Schande musste der junge Flavius erkennen, dass er keinerlei Kenntnis davon besessen hatte, dass Aurelius ebenfalls einen Sohn in Titus' Alter besaß, sofern sich dies aus dem Studium der Arithmetik und Geometrie schließen mochte. Dennoch empfand er unvermitteln Compassion mit jenem armseligen Geschöpf, das mit jenen mathematischen Disziplinen torquiert wurde, da auch er selbst Derartiges über sich ergehen hatte müssen, wobei nicht nur sein Paedagogus Artaxias seine liebe Not gehabt hatte. Beinahe schon fühlte er sich bemüßigt jener Regung Ausdruck zu verleihen, als er sich doch eines Besseren besann und stattdessen manierlich mit den Fingerspitzen nach den Champignons griff, die er zwar kaum zu identifizieren vermochte, sodass sein Griff danach ein wenig ungelenk erschien, doch nach einem ersten Entgleiten führte er den mundgerechten Happen endlich zum Munde, wo er eilig erkannte, dass es sich um ein höchst pikantes Stück handelte, das ihm eine beinahe bereits unwohle Hitze ins Antlitz trieb und in seiner Art künftig eher zu meiden war.


    Jene Zurückhaltung bei der Beteiligung am Gespräch schien indessen ohnehin geraten, da der Aurelius ganz augenscheinlich keinerlei Intention hegte, ihn diesbezüglich zu inkludieren, da er doch ihn mit einem höchst ambiguären Kommentar abspeiste (dem Dafürhalten des Jünglings zufolge galt das Prädikat 'gut gehen' nämlich nicht selten als dezenter Hinweis auf die Fülligkeit des Infanten), um unumwunden zu seinem Bruderherz Titus überzugehen, um somit keinesfalls den dialogischen Opponenten wechseln zu müssen.

  • Tatsächlich konnte Gracchus die Nöte des jungen Aurelius durchaus nachvollziehen, hatte er doch seit Kindheit an kein sonderlich großes Talent für Mathematik gezeigt - weder in der Lösung geometrischer Problemstellungen, noch in der Berechnung umfassenderer Kalkulationen, hatte sich stets viel lieber in jeder möglichen Ausprägung der Sprache verloren, allfällig noch in der Musik. Kurz blickte er zu Minor, welcher neben ihm auf der Kline lag, denn es waren stets nur Augenblicke solcher Art, in welchen er ab und an bemerkte, wie wenig er über seinen ältesten Sohn wusste, nicht einmal dessen Neigungen oder Aversionen kannte, dessen Talente oder Defizite - abgesehen von dem Offensichtlichen. Und auch in Hinblick auf Titus war er ein wenig ratlos, denn stets hatte Antonia sich um die Erziehung der Kinder gekümmert, hatte deren Sorgen und Nöte von ihm ferngehalten, während er selbst viel zu sehr in seiner eigenen Welt war verloren, um deren Fortschritte nachzusuchen. Gracchus schluckte einen Bissen Artischocke hinab.
    "Nach Antonias Bestattung weilte Titus noch einige Zeit hier in Rom, doch… letztli'h war es nicht der adäquate Ort für ihn."
    Respektive war Gracchus schlichtweg überfordert gewesen mit all den Kleinigkeiten, welche für das Kind hatten entschieden werden sollen, so dass er die Erziehung nur allzu bereitwillig an jene hatte abgegeben, welche sich ohnehin bereits übermäßig damit mussten befassen.
    "Er ist nun in Baiae bei meinem Vetter Aristides, respektive dessen Sohn Serenus und seiner Familie, in welcher auch meine Tochter eine ange..messene Erziehung erhält. Beide befinden sich indes wohl und gedeihen prächtig."
    Da Gracchus mit Flamma noch weniger hatte anfangen können als mit seinen Söhnen war diese bereits direkt nach der Bestattung ihrer Mutter nach Baiae verschifft worden. Mit der Säure einer Gurke stieg in Gracchus die Erkenntnis auf, dass seine gesamte Familie vollkommen zerfasert war und dass niemand geringerer dafür die Verantwortung trug als er selbst. Familie war stets ein überaus diffiziles Thema gewesen, doch der Bürgerkrieg hatte auch dieses gänzlich zerrüttet.
    "Es ist überaus deplorabel, dass dein Sohn noch nicht erwachsen ist, um seine Pflicht zu erfüllen. Ich hörte, es gibt einige Schwierigkeiten im Collegium Haruspicum, vakante Plätze neu zu besetzen?"
    suchte Gracchus darob das Thema vorerst ein wenig zu verschieben. Letztlich mochte es nichteinmal sonderlich auffällig sein, musste er als als pro magistro doch über alle möglichen kultischen Vorgänge einen Überblick behalten.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Sextus nickte verstehend zu den Ausführungen, dass Gracchus seine jüngeren Kinder nach außerhalb von Rom verbracht hatte. “Ich verstehe, was du meinst. Lucius weilt ja ebenfalls aus ähnlichen Gründen in Tarquinia bei meinem einstigen Mentor.“ Manche Menschen reagierten mit Unverständnis, wenn ein Vater seine Kinder nicht in unmittelbarer Nähe haben wollte, um sie zu herzen oder was auch immer man deren Meinung nach tun sollte. Sextus teilte eine eben solche Einstellung ganz und gar nicht und war durchaus einer solch rationalen Entscheidung mehr als zugetan, das eigene Kind dorthin zu verbringen, wo es eine gute Erziehung genießen konnte und in sicherer Obhut war. Ganz abgesehen davon, dass wohl jeglicher Ort von Rom eine weitaus bessere Luftqualität zu bieten hatte.
    So war der Kommentar in seiner Fülle zwar für Sextus nur eine ausgesprochene Selbstverständlichkeit, dennoch wollte er ein mögliches Befangenheitsgefühl bei Flavius Gracchus von vornherein ausschließen.


    Aber ohnehin wechselte das Thema recht schnell weg von der Familie und – wohl zum Leidwesen Priscas – hin zu politischeren Dingen. In diesem Fall erst einmal zum religiösen Bereich, was wohl wenig verwunderlich war, wenn der Pontifex pro magistro und der Haruspex Primus an einem Tisch lagen.
    “Die Schwierigkeiten sind wohl nicht größer oder kleiner, als in den letzten zweihundert Jahren.“ Es war ja kein Geheimnis, dass schon lange Zeit immer größere Anstrengungen unternommen wurden, um mehr Haruspices ausbilden zu können. Diverse Kaiser hatten dazu diverseste Maßnahmen ergriffen, ebenso wie das Collegium an sich.
    “Im Gegensatz zu den römischen Ämtern erfordert das Dasein als Haruspex ja eine sehr langwierige, vorangegangene Ausbildung. Das soll nun nicht abwertend klingen, aber wenn das Collegium Augurum ein Mitglied benötigt, kann dies jeder junge Bursche aus einer senatorischen Familie ausüben, auch nur zeitweilig. Vielleicht muss er sich mit seinen älteren Kollegen noch einmal unterweisen lassen, was ein schlechtes und was ein gutes Zeichen ist, und selbstverständlich muss er die Formeln auswendig lernen – oder passende Schriftrollen mit sich führen – für Tempelweihungen oder um einen Himmelsbereich für die Zeichen zu definieren. Aber dies ist innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitraumes zu bewerkstelligen.
    Um Haruspex zu werden hingegen, muss man etruskisches Blut in sich tragen, und insbesondere noch die alte Sprache beherrschen. Und etruskische Adelige sind noch rarer gesät als römische, und dies sind wie du ja selbst weißt, auch nicht allzu viele. Darüber hinaus dauert die Ausbildung gut zehn Jahre, umfasst sie nicht wie bei den Auguren nur das Erlernen von theologischen Unterschiedsmerkmalen, so dass man generell mit 'gute Zeichen' oder 'schlechte Zeichen' antworten kann.
    Nein, vielmehr umfasst die Ausbildung eine umfassende Wissensgewinnung in Astronomie, Geologie, Zoologie, Botanik, Ornithologie, ja selbst Hydraulik. Selbstverständlich weiß auch ein Haruspex nicht alles über jene Fachgebiete, aber weitaus mehr als ein einfach gebildeter Bürger. Und dies alles ist zu erlernen, noch ehe man auch nur die Grundzüge der verschiedenen libri kennen lernt. Und selbige sind ja wiederum auch sehr Umfangreich mit der disciplina etrusca, den Blitzdeutungen und den in den libri rituales beschriebenen Ritualen über den rechten Ort und die rechte Zeit, aus der das ganze Wissen über die diversen saecula der Weltgeschichte entstammt.“

    Sextus befeuchtete nach diesen Ausführungen erst einmal seine Kehle. Allerdings fand er es nötig, das Problem genauer zu beschreiben, da selbst eigentliche Religionskenner ihn schon fälschlicherweise als einfachen, römischen Auguren abtun – oder mit diesen auf eine Stufe stellen – wollten. Die meisten hatten schlicht keinerlei Ahnung über die Unterschiede zwischen diesem Amt etruskischer Religion und den römischen Kulten.
    “Die Entscheidung, vor der also Eltern potentieller Haruspices stehen, ist wohl am ehesten vergleichbar mit den Eltern einer möglichen Vestalin: Man muss ein Kind im Alter von nicht einmal zehn Jahren auf eine lange Ausbildung schicken, auf die man selbst keinerlei Einfluss hat, und muss in gewissem Maße die eigene Gewalt an die Universität, an der sie ausgebildet werden, inklusive aller dazugehörigen Maßnahmen, abgeben. Häufig bedeutet dies auch eine Trennung von der Familie. Und in jedem Fall ist es äußerst schwierig, gleichzeitig dem jungen Spross noch das nötige Wissen für ein politisches Amt mitzugeben oder ihn auf ein solches vorzubereiten, da der Jüngling sich hauptsächlich auf seine Studien konzentrieren muss.
    Zu Zeiten des Zwölfstädtebundes war es nur den edelsten Familien überhaupt vorbehalten, einem Kind diese Ausbildung zukommen zu lassen. Doch inzwischen sind die Aufnahmebedingungen weitaus lockerer. Andernfalls wäre ich, der ich ja selbst nur von der mütterlichen Linie her etruskisches Blut nachweisen kann, auch heute nicht, wo ich bin.


    Und dazu kommt wohl auch das dir bekannte Problem der fremdländischen Kulte und ihrer Sterndeuter und Handleser, die unter der einfachen Bevölkerung leichtgläubige Opfer suchen und damit unser aller Ruf immer weiter schädigen. Woher soll auch der einfache Bürger den Unterschied zwischen einem ausgebildeten Leser des göttlichen Willens und einem Scharlatan erkennen, wenn letztere sich sogar noch ähnlich zu kleiden versuchen?“

  • Na das kann ja heiter werden ... , seufzte Prisca innerlich, nachdem die beiden Männer sogleich im Dialog versanken. Irgendwie kam sie sich ein wenig fehl am Platz vor, bestenfalls fühlte sie sich als "schmückendes Beiwerk" und insgeheim vermisste sie ihre Freundin Domitilla, von der sie gehofft hatte, dass sie heute ebenfalls zugegen wäre. Aber anscheinend hatte Domitilla etwas bessers vor, oder man hatte sie schlichtweg nicht zu diesem Essen geladen, was im übrigen Prisca doch sehr verwunderte, dass niemand sonst von den Flaviern der cena bei wohnte. Blieb bestenfalls der Sohn des Hausherrn als Gesprächspartner, doch scheute sich Prisca davor, das Gespräch mit ihm zu suchen.


    Nicht, weil sie ihn nicht mochte sondern vielmehr, weil sie nicht so recht wusste, worüber sie sich mit dem Jungen hätte unterhalten sollen. Willst du mir vielleicht deine Holzsoldatensammlung zeigen? ...Nein ..nein, auf keinen Fall, wollte Prisca sich Kinderspielzeug ansehen und erklären lassen. Keine gute Idee! Blieb also nur die Flucht nach vorne ...


    ... oder anders gesprochen, "der Angriff auf´s Buffet", auf jene Speisen, von denen mehr als reichlich aufgefahren wurde. Mmmh, lecker ... Der Anblick all der Köstlichkeiten vermochte natürlich über vieles hinweg sehen zu lassen, waren sie doch allesamt ein regelrechter Augen- und Gaumenschmaus. Nur dumm, dass sich all die Leckereien gar zu schnell in Hüftgold verwandeln, disziplinierte Prisca sich selbst, doch konnte sie andererseits der Verlockung einfach nicht widerstehen.


    Naja, was soll´s ... So sündige ich heute eben, indem ich meinen Leib verwöhne, anstatt mit meinem Leib zu verwöhnen, konnte Prisca sich wenigstens eine frivole gedankliche Bemerkung nicht verkneifen, wenn sie schon sonst nichts weiter tun konnte, als weiterhin den Männer ihre ungeteilte Aufmerksamkeit vor zu heucheln ... und so deutet sie mal hier und mal da auf eine von den zahllosen Leckereien, um sich dieses und jenes reichen zu lassen ...

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