Berechnend … Im Grunde war jeder Mensch berechnend, so auch Prisca und deshalb bedurfte es eigentlich keiner Erklärung. Diese würde Gracchus ihr ohnehin nicht liefern, da die Flavier genauso wenig familieninterne Entscheidungen nach außen tragen würden, wie die Aurelier es tun würden. Egal, wie eng die beiden gentes miteinander verbunden wären. Den Frauen wurden politische Entscheidungen ohnehin nicht immer mitgeteilt, da hierfür keinerlei Notwendigkeit bestand und insbesondere dann nicht, wenn es "nur" um eheliche Verbindungen ging. Warum auch? Schließlich wurde stets dafür gesorgt, dass die Bräute nicht unter Wert verkauft wurden und es wäre wohl müßig gewesen in Domitilla´s Fall weiter darüber streiten zu wollen, ob die Tiberer tatsächlich eine schlechte Partie wäre nur, weil dieser seine Schwester an einen homo novus "verschachert" hatte. Sei´s drum! Es ist - wie es ist. Domitilla würde mit der Entscheidung ihres Vaters ebenso leben müssen, wie Prisca es mit der von Gracchus und ihrem Cousin würde tun.
Das Thema Heirat war damit abgeschlossen! Fast, denn der Zeitpunkt der Spiele hing nunmehr im Wesentlichen von den Terminen der beiden geplanten Hochzeiten ab.
"Nun einen genauen Zeitpunkt hatte ich noch nicht ins Auge gefasst. Dieser wäre allerdings ohnehin Makulatur, nun, da gleich zwei Hochzeiten in die Planungen mit einzubeziehen sind", entgegnete Prisca gelassen wirkend, auch wenn es ihr innerlich missfiel sich nach dem Termin für Domitilla´s Hochzeit richten zu müssen. Hoffentlich wird diese Ehe schnell und leise geschlossen, damit ich nicht noch eine Ewigkeit warten muss, dachte Prisca in Hinblick auf die Tatsache, dass sie nicht jünger wurde. Nicht, dass sie deshalb Torschlusspanik gehabt hätte. Neeeeeiiiinnnnn! Niemals! Wo denkst du hin?! Aber so langsam war es wirklich an Zeit zu beweisen, dass der Makel der Kinderlosigkeit nicht ihrem Leib zu zu schreiben war. Vielmehr waren andere Umständen daran schuld - oder besser gesagt: Einer ganzen Reihe von unglücklichen Umständen!
Diese alle aufzuzählen zu wollen würde wohl den Umfang sprengen, doch gab es genügend Ereignisse in ihrem Leben, die Prisca davon überzeugten, dass es nicht an ihr gelegen haben konnte, noch immer keinem Kind das Leben geschenkt zu haben: Allein die Entwicklung der letzten Jahre - angefangen von der Ehe mit Piso, über die Fehlgeburt, seinem Tod, bis hin zu dem Trauerjahr und dem Folgen des Bürgerkrieges …
Letzteres Ereignis war zweifellos die schwierigste und einscheidenste Phase in Prisca´s bisherigem Leben, in welcher der Wunsch nach einem Kind keineswegs an erster Stelle gestanden hatte. Hätte ich mich denn glücklich schätzen sollen, von irgend einem unbekannten Soldaten vergewaltigt zu werden? Nur um zu beweisen, dass ich sehr wohl Kinder bekommen kann? zog Prisca gedanklich Bilanz und sie war felsenfest davon überzeugt, dass es in ihrem Leben einfach nur an genügend Gelegenheiten gemangelt hatte um zu beweisen, dass sie sehr wohl im Stande gewesen wäre genügend Kinder zu bekommen.
Doch was nützte ihr diese Erkenntnis, im Hinblick auf die bevorstehende Ehe mit Gracchus und der Zeit, die ihr noch bleiben würde? Zweifellos müsste sie die Frenquenz der Kopulationen deutlich steigern, was angesichts der geschlechtlichen Gesinnung ihres zukünftigen Gatten nicht ganz einfach werden würde. Zumal er schon zwei Nachkommen gezeugt hatte (was ihm womöglich genügte), sodass er am Ende gar keinen Bedarf an einer weiteren heterosexuellen Verbindung, zum Zwecke der Fortpflanzung seiner Gene, als zwingend erforderlich betrachten würde.
Das allerdings würde Prisca mit allen Mitteln zu verhindern versuchen, denn sie wollte unbedingt ein Kind und das so sehr, dass sie nichts unversucht lassen würde um ihren Willen zu bekommen: Ich will ein Kind und ich werde es bekommen! Wenn nicht mit Scato, dann mit Gracchus! Ich muss nur seinen Verstand soweit vernebeln und seine Libido derart steigern, dass es ihm am Ende egal ist, wen er vor sich hat. Zum Glück gibt es dafür entsprechende Pulver und Tränke, glaubte Prisca sich helfen zu wissen - wenn es denn darauf an käme - indem sie regelrecht verschwörerische Gedanken entwickelte …
"Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu der Erkenntnis, dass wir die Spiele am besten losgelöst von den Terminen der Hochzeiten betrachten sollten. ... Denn ich würde mich sehr freuen, wenn du und ich - wenn wir - unsere Ehe so bald wie möglich "offiziell" bekannt geben könnten. Die Spiele können wir immer noch im Namen unserer beiden gentes ausrichen, wann immer wir wollen. Was meinst du? ",richtete Prisca schlussendlich die Frage wieder an ihren Ehemann in spe, in der Hoffnung, dass er ihre Gedankengänge nur bis zu dem Wunsch nach einer baldigen (und einvernehmlichen) Verbindung würde nachvollziehen können ...