Der Wettstreit der Rhetoren

  • Severus hatte mit Erleichterung zu Kenntnis genommen, dass es keine Fragen zu seinem Vortrag gegeben hatte. Danach verfolgte er die nächste Rede, in der Helena von Sparta respektive Troja verteidigt wurde. Eine Frau, die durch ihren Ehebruch den Tod zahlreicher wichtiger Männer und Frauen zu verantworten hatte. Der Helvetier schmunzelte, als der Decimer die Schuld auf die Götter abwälzte, aber ob Venus - wenn es sie denn tatsächlich gäbe - davon sonderlich beeindruckt oder begeistert wäre, war eine ganze andere Frage. Den Kniff mit der jungen, knackigen Sklavin, die Severus bereits bei den Saturnalienfeierlichkeiten in der Casa Decima aufgefallen war, fand er derweil recht clever. Nach der Rede des Decimers ging Severus daher auf ihn zu und sprach ihn an: Nun, Decimus, eine eindrucksvolle Rede, die durch deine hübsche Unterstützerin den letzten kreativen Schliff bekommen hat. Natürlich konnte ein Purist sagen, dass er mit der Schönheit seiner Begleiterin von irgendwelchen rhetorischen Minuspunkten ablenken wollte, aber letztlich konnte man ja auch durch solche Anschauungsobjekte erst Sympathie erzeugen. Für den Helvetier war das aber nicht in Frage gekommen, da es ohnehin nicht in seine Strategie gepasst hätte.

  • Etwas überrascht freute sich Marcus über dieses Lob. "Danke, ich muss aber sagen dass mich dein Beitrag doch deutlich mehr überzeugt hat. Mein kleiner Kniff mit der Helena sollte ja nur dazu dienen den Menschen noch einmal zu verdeutlichen welchen Reiz von ihr ausging. Aber ich glaube bei manchen Damen kam das nicht so gut an." Gekränkte Frauenehre eben, am Ende dachte jede sie sei die Schönste.

  • Severus musterte nochmal die hübsche, junge Sklavin, die der Decimus mit auf Forum gebracht hatte und nickte dann. Erstmal vielen Dank für deine Wort. bedankte er sich und fuhr dann fort: Nun, deine junge Sklavin hat bezüglich ihrer Reize tatsächlich einiges zu bieten. Und auch wenn es manchen Frau nicht gefallen hat, die meisten Männer werden sich ihres Anblicks sicherlich nicht verschlossen haben. Bei ihnen hast du also sicherlich ein paar Bonuspunkte machen können. Viele Männer ließen sich ja gerne durch den Anblick einer hübschen jungen Frau unterhalten, Severus gehörte zweifelsohne auch dazu. Nun hatte er natürlich auch insoweit Recht, dass auf der Richterbank ja auch eine Frau saß, nun saßen da aber auch zwei Männer, die damit in der Überzahl waren.

  • Vor Maro waren bereits einige interessante und beeindruckende Reden gehalten worden und nun lag es an ihm sie zu überbieten und sich dabei möglichst nicht zu blamieren.


    Ein so eindrucksvolles Requisit wie der Decimer hatte er leider nicht zur Hand, es würde so gehen müssen. Maro würde sie nur Kraft seiner Worte überzeugen müssen.


    Neidlos erkannte er an, dass die vorangegangenen Reden vortrefflich gewesen waren. Allerdings war während des Zuhörens auch Maros Ehrgeiz erwacht.


    Er stand auf, erwies dem Kaiser und dem Konsul angemessene Reverence und wandte sich der Menge und den Schiedsrichtern zu, die Beine plötzlich wie Butter, die auf einem Teller in der Sonne weich geworden war.


    Maro atmete tief durch, spannte seinen Körper und seine Beine an wie auf dem Exerzierplatz um sich zu stabilisieren. Kurz besann er sich noch einmal seiner ganzen Rede. Die einstudierte Routine gab ihm Sicherheit und Maro begann zu reden. Zunächst laut und schneidend um die Aufmerksamkeit der Leute wieder zu gewinnen, deren Konzentration nach dem Vorrangegangenen schon etwas nachgelassen haben mochte:


    „Vielen Dank. Nun denn Quiriten, bevor es nun daran geht die edle Medea vor diesem Gericht zu verteidigen, möchte ich noch einmal betonen, was der ehrenwerte Konsul zu Beginn schon einmal erwähnt hatte. Die Stadt Rom und ihr Reich, das sich über so große Teile der bekannten Welt erstreckt, mag wohl auf soliden Steinblöcken und stabilen Säulen aus Marmor ruhen.
    Mit ihrem Antlitz kann sich keine Siedlung, keine Stadt auf dem Erdkreise messen. Doch ist es das Gemeinwesen, welches diese Mauern und Gebäude Schützen, das die Seele Roms ausmacht. Und sowie die steinernen Gebäude der Stadt auf heiligem Grund stehen, so ruht das römische Gemeinwesen ebenfalls auf einigen festen und, man kann sicher behaupten, ungemein prächtigen Säulen.
    Die erste Säule nun ist offensichtlich das römische Schwert. Scharf und von herausragender Qualität schneiden die Soldaten Roms, zu denen ich selbst die Ehre habe zu gehören, durch die Reihen unserer Feinde. Dem Schwerte Roms konnte noch keine Macht der Welt widerstehen. So viel, Quiriten, ist klar.


    Doch was ist nun die andere Säule auf der das römische Gemeinwesen ruht? Nun, es ist natürlich die Rede. Jene Rede, die freie Männer in den Versammlungen des Volkes zur Beratung des Staates halten. Durch die Kunst der Rede – und der Konsul hat völlig Recht: Es ist die höchste aller Künste – ist das römische Volk in der Lage jene kühnen Pläne, die zur Errichtung eines so großen Reiches geführt haben überhaupt erst zu ersinnen.


    Das Schwert ist wertlos ohne den Kopf, der die Bewegungen, Streiche und Stiche vorher denkt. Und durch die Rede denkt der Staat.
    Deshalb, Quiriten, leistet der Konsul mit seinen Bemühungen um die Kunst der Rede einen elementaren Beitrag zum Erhalt unseres großen Gemeinwesens, so viel ist gewiss, und das ganze römische Volk sollte dankbar sein für diese wichtigen Mühen.“


    Das sollte ihnen gefallen. Nun aber genug Pirouetten gedreht. Maro sollte so langsam zum Fall der Medea kommen.

    „So bin ich auch auf das äußerste geehrt Teil dieses Werkes des Konsuls zu sein und mit meiner Rede eben nicht nur wie es angekündigt wurde Medea sondern auch die Redekunst selbst zu verteidigen.


    Mögen die Götter mir dabei beistehen.Also, Quiriten, Medea. Ihr alle werdet die Geschichte dieser unglückseligen Frau kennen und gerade wurde sie noch einmal dargelegt, sodass die Fakten rein und klar vor uns liegen. Und da kommen wir, liebe Mitbürger zu einigen erstaunlichen Schlussfolgerungen.


    Beschäftigen wir uns zunächst einmal mit Iason König von Korinth, den man hier die Klage führen lässt, denn um die Taten der edlen Medea zu verstehen ist es notwendig zu wissen wo die Ursache für jene schrecklichen Ereignisse liegen, die zu jener Zeit geschahen.


    Es kam also dazu, dass jener Iason auszog um das Goldene Vlies aus Kolchis zu… holen. Als eine Aufgabe, die er erfüllen musste um seinen Anspruch auf die Stadt Korinth zu wahren. Sicherlich eine schwere Aufgabe, doch sieht man sich andere Helden der Hellenen an, dann erkennt man schnell, das Iason nicht in deren illustre Gesellschaft gehört.
    Entsinnt euch Quiriten doch einmal des göttlichen Herkules. Kennt ihr die Anzahl der für sterbliche unlösbaren Aufgaben, die er auferlegt bekam von seinem niederträchtigen Verwandten.


    Es waren deren zwölf, werte Richter, eine unlösbarer, als die andere. Wohingegen unserer ach so tapferer Iason genau eine Aufgabe gestellt bekam um zu seinem Ziel zu gelangen. Das macht ihn wohl genau ein Zwölftel so ruhmreich wie den göttlichen Herkules.
    Genaugenommen, Quiriten muss er sich aber selbst diesen Ruhm noch mit seinen nicht minder edlen Gefährten teilen, die Ihm bei der Fahrt nach Kolchis die Hand halten sollten. Oh was würde der listenreiche Odysseus über so einen Helden hönisch lachen.


    Oh, und edel war auch Iasons Aufgabe selbst, Den heiligsten Besitz von Kolchis zu stehlen, das goldene Vlies. Iason, der Dieb in der Nacht. Es fehlte ihm von Anfang an an der römischsten aller Tugenden, der Virtus.
    Bedenkt man dies alles, Quiriten, bleibt von dem Helden Iason nicht viel übrig. Und trotzdem haben es die Götter eingerichtet, dass sich die edle Medea in diesen Mann verliebte und zur Helfershelferin seiner Schandtaten wurde.
    Nun, allen Respekt den Göttern, aber sie hatten es auch eingerichtet, dass sich Pasiphae in ein Rindvieh verliebte. Scheinbar ein gern gewählter Scherz der Götter.


    Dies alles müssen wir wissen, wenn wir die Umstände der schrecklichen Taten der Medea beurteilen, dies rückt alles ins rechte Licht.
    Als nun Iason wie ein geiler Bock an den Saturnalien – verzeiht, edle Zuhörer die schmutzigen Worte, doch schmutzige Wahrheiten bedürfen manchmal schmutziger Worte um sie in all ihren Facetten begreifbar zu machen – mit der Tochter des Kreon schändlichen Ehebruch beging, sah sich Medea in einer verzweifelten Situation, aus der offenbar nicht einmal die guten Götter sie befreien konnte.
    Als Söhne des Iason, König von Korinth hatten die Kinder Medeas einen besseren Anspruch auf den Thron Korinths, das sie älter und von edlerer Abkunft waren. Niemals hätte die Tochter König Kreons einen Nachfahren der Medea auf dem Thron Korinths geduldet.


    Vielmehr hätte sie, wie Barbaren es nun einmal tun, alles getan um Platz für ihre eigenen Welpen zu schaffen.Zweifellos wären Medeas Söhne von einem grausigen Schicksal ereilt worden, herbeigeführt von den süßen Händen der Glauke.
    Nach alle, was wir wissen hätte unser großer Held Iason auch noch dabei geholfen, die… überzähligen Prätendenten zu… beseitigen um den Weg frei zu machen, für den Wurf seiner ehebrecherischen Verbindung.
    Sehen wir also genauer hin, Quiriten, hat Medea trotz der Schändlichkeit ihrer Tat weitaus weiser gehandelt, als es zuerst den Anschein hatte, indem sie ihre totgeweihten Söhne einem grausigen, wahrscheinlich von Folterungen begleiteten Tod ersparte.


    Oh, nur die Götter wissen wie tief der Hass einer betrogenen Frau und wie hoch der Mut einer sich sorgenden Mutter ist. Lassen wir uns nicht blenden von den lügnerischen Heldengeschichten eines Iasons sondern blicken mit schonungsloser Klarheit auf die Tatsachen und Beweise.
    Die edle Medea ist mag wohl drastisch und vollkommen unrömisch – wären die Söhne Römer gewesen hätten man sie mit Feuer und Schwert mit aller Virtus um ihr Erbe kämpfen lassen müssen - gehandelt haben, doch nur um schlimmeres zu verhindern. Vielen Dank, Quiriten.“



    Damit beendete Maro seine kleine Rede und hoffte, dass sie den Kampfrichtern zusagen mochte. Er hatte sein Bestes getan. Eine ungeheure Anspannung fiel von ihm ab und ersetzte sich nach den angemessenen Respektsbezeugungen vor den Richtern mit genauso wackligen Knien, wie vorhin, als er aufgestanden war.

  • Leider war gerade eine Frau sicher nicht begeistert davon, aber gut das Risiko war er bereit gewesen einzugehen und er konnte ja auch nicht ahnen dass ausgerechnet die Augusta unter den Iururen zugange war.
    "Sie ist zwar nicht meine Sklavin, aber danke. Mir war ja nicht klar dass eine Frau unter den Iururen sein würde, aber das Risiko war ich bereit einzugehen. Mir war vor allem wichtig dass die Zuschauer auch unterhalten wurden und auch ihre eigene Meinung bilden konnten, ich denke das habe ich erreicht."

  • Appius Aquilius Bala hatte es sich auf der Ehrentribüne neben seinem Vater gemütlich gemacht. Zunächst hatte er es dem flavischen Consul zwar etwas übel genommen, dass er nicht als Preisrichter erwählt worden war. Jedoch war er letztlich froh darüber, dass er nun ohne Beteiligung dem Spektakel als Zuschauer beiwohnen konnte. Dies war doch im Allgemeinen weitaus angenehmer und erquicklicher, als sich zum Schluss in umfassender Würdigung gemeinsam mit den anderen Richtern Gedanken über die Preisvergabe machen zu müssen. Zudem blieb ihm nun bis zum Ende die Spannung erhalten, welcher der Redner denn den Sieg davontragen würde.


    Die erste Verteidigungsrede emfand der Caesar als gelungenen Einstieg in diesen Wettbewerb. Der Helvetier überzeugte allein durch seine Argumente. Zusätzlich wies er einen formvollendeten Stil vor, der auch vor dem hiesigen Praetor Eindruck gemacht hätte. Bala applaudierte dem jungen Mann am Ende der Rede und warf seinem Vater einen anerkennenden Seitenblick zu. Ja, der Helvetier war seiner Meinung nach auf jeden Fall Anwärter auf einen der vorderen Plätze. Ob das die Preisrichter wohl auch so sahen?


    Zitat

    Original von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS
    "Ob die Regeln solch ansehnliche Requisiten in der Wertung berücksichtigen?" murmelte er schließlich vergnügt seinem Sohn zu, als Decimus Scipio die Rostra mit seinem hübschen Anschauungsobjekt verließ. Ein Blick auf die Richterbank erinnerte ihn dann aber wieder, dass zumindest einer der Juroren wenig empfänglich dafür sein durfte.


    Die zweite Rede, gehalten von einem jungen Decimus, konnte ebenfalls in ihrer Argumentation überzeugen. Der Wille der Götter war nun einmal nicht zu brechen. Man konnte ihnen nicht zuwider handeln, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatten, davon war Bala fest überzeugt. Das besondere Schmankerl in Gestalt der schönen Helena ließ den Caesar breit grinsen. Er wandte sich seinem Vater zu: "Grundgütige Venus, da hat er aber auch eine Schönheit auf die Bühne geholt! Ich fürchte allerdings, dass unsere liebe Augusta nicht besonders überzeugt ist." Lachend deutete er mit einer dezenten Geste auf die Kaiserin, die missbilligend die Lippen geschürzt hatte. Bala amüsierte die ganze Szene außerordentlich. Sollte seine Stiefmutter ruhig verdrießlich dreinschauen, an der guten Show des Decimers änderte das seines Erachtens nach nichts.


    Und schließlich betrat ein Octavius das Rednerpodest und verteidigte Medea. Oh weh, dieses Unterfangen gestaltete sich nun wahrlich äußerst schwierig! Wie verteidigte man eine Kindermörderin? Zudem, wo es ja auch noch die eigenen Kinder waren! Bala verfolgte die Rede mit großer Spannung, wurde jedoch letztlich enttäuscht. Zu seinem Vater gewandt war er es nun, der kommentierte: "Naja, Iason hat er ja ganz gut in die Pfanne gehauen. Aber ob Medeas Schuld dadurch nun geringer zu bewerten ist? Also ich weiß nicht..." Er warf nochmal einen grüblerischen Blick auf den jungen Redner, der gerade das Podest verließ. Vielleicht war der Kaiser ja von der Entschuldigung der Medea überzeugt.

  • Ein schmales Lächeln umspielte Gracchus' Lippen bei der Eröffnung des Octaviers, welche noch nicht sich auf den Fall bezog, sondern den Wettstreit selbst, was zweifelsohne durchaus ein kluger Schachzug war. Hernach verknüpfte er für seine Argumentation römische Werte mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur was in sich zweifelsohne schlüssig war - und obgleich dies bereits die dritte Rede war, so ließ die Aufmerksamkeit des Consuls nicht nach. Guten Reden oder Geschichten konnte er endlos lauschen.
    "Auch dir, Marcus Octavius Maro, vielen Dank für deine Verteidigungsrede. Zweifelsohne hat auch Medea gute Chancen, vor unserem Gericht freigespro'hen zu werden. Wir haben keine weiteren Fragen zu deiner Verteidigung."
    Letzteres war im Grunde bereits unerheblich. Sie hatten sich entschieden, keine Fragen bei den beiden ersten Reden zu stellen, so dass es ob der Chancengleichheit nur recht war, dies auf halbem Wege nicht mehr einzuführen.

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    "Ah, da bin ich doch wahrlich froh, dass die Zeit der Zauberkünste vorüber ist, sonst wäre kein Mann mehr sicher in Rom! Vor allem nicht, wenn die Frauen einen Verteidiger wie Marcus Octavius Maro an ihrer Seite hätten! Eine großen Applaus für eben diesen!"
    dramatisierte Calpetanus mit großer Geste.
    "Vielen Dank Marcus Octavius Maro!"
    Nachdem jener die Rostra verlassen hatte, trat Calpetanus weiter vor.
    "Nun denn, ich hoffe ihr seid weiterhin aufnahmefähig verehrte Zuschauer. Doch ich sehe, es mangelt euch an nichts, der Weihnhändler verlässt schon wieder die Reihen und die Frau mit den Trauben hat auch alles verkauft! Darum lasst uns gleich zum unserem vierten Fall schreiten!"
    Er lies noch einmal eine kurze Pause folgen.
    "Die nächste Verteidigung übernimmt Galeo Plautus aus dem Hause Sergius, welches seine Geschichte bis hin zu Sergestes, dem Gefährten des Äneas zurückverfolgen kann! In diesem Sinne ist es höchste Zeit, dass diese Gens mit großen Reden wieder von sich Reden macht und wer könnte dies besser erreichen als ein Mann der den Namen eines der größten Dichter aller Zeiten trägt!? Sergius Plautus übernimmt die Verteidigung des Oedipus, Sohn des Königs Laios von Theben und der Iokaste!"
    Zweifelsohne war auch diese Geschichte den meisten Zuschauern bekannt, doch auch hier wurde der Tatbestand noch einmal zusammen gefasst.
    "Hohes Gericht, werte Zeugen! Einst hatte König Laios die Gastfreundschaft des Königs Pelops missbraucht, aufgrund dessen er von diesem verflucht worden war. Da Laios und seine Frau Iokaste lange Zeit kinderlos geblieben waren suchte der König das Orakel von Delphi auf, welches ihm den Flucht offenbarte: Kein Sohn sollte ihm je geboren sein und falls doch, würde er selbst durch dessen Hand sterben und sein Sohn die eigene Mutter heiraten. Bald darauf bekam Iokaste einen Sohn und um dem Fluch zu entgehen beschlossen sie, das Kind sterben zu lassen. Sie ließen dem Neugeborenen die Füße durchstechen, zusammenbinden und es im Gebirge aussetzen. Der Bote jedoch hatte Mitleid mit dem Kind und übergab es einem vorbeiziehenden Hirten aus Korinth. So gelangte das Neugeborene bis zum König Polybos von Korinth, welcher es mit seiner Gemahlin Merope adoptierte und es Oedipus nannte. So wuchs Oedipus in Korinth auf und befragte eines Tages durch einen Ausspruch seines vermeintlichen Vaters beunruhigt das Orakel von Delphi, wer seine wahren Eltern seien. Das Orakel gab keine Antwort auf seine Frage, verkündete ihm jedoch, dass er seinen Vater töten und seine Mutter zur Frau nehmen werde. Um dieser Prophezeiung zu entgehen, verließ Oedipus Korinth. Auf seiner Reise traf er an einer engen Weggabelung im Gebirge auf einen Wagen, der ihm den weiteren Weg versperrte. Polyphontes, der Fahrer des Wagens, forderte ihn auf, mit seinem Gespann Platz zu machen und als Oedipus dem nicht nachkam, tötete Polyphontes schlichtweg eines seiner Pferde. Aus Zorn tötete Oedipus daraufhin den Polyphontes, sowie dessen Passagier - König Laios von Theben."
    Den Titel des Königs betonte Calpetanus hier ganz besonders.
    "Nach Laios' Tod übernahm dessen Schwager Kreon die Herrschaft über Theben. Zu dieser Zeit lebte auch die Sphinx nahe der Stadt und lauerte Reisenden auf, verschlang jeden, der ihr Rätsel nicht lösen konnte. König Kreon versprach jenem, welcher das Ungeheuer tötete, den Thron Thebens und dazu seine Schwester Iokaste zur Frau. Der gute Oedipus war nicht auf den Kopf gefallen und vermochte das Rätsel zu lösen, woraufhin die Sphinx sich in das Meer stürzte. Zur Belohnung wurde Oedipus zum König von Theben ernannt und heiratete Iokaste - seine eigene Mutter. Er zeugte mit ihr vier Kinder - Eteokles, Polyneikes, Antigone und Ismene."
    Hier wiederum bemühte Calpetanus sich um die Neutralität des Gerichtes, wenngleich ihm dies aus diesmalig nicht ganz gelingen wollte.
    "Nach vielen Jahren brach in Theben eine Seuche aus und das Orakel von Delphi verkündete, dass der Mörder des Laios gefunden werden müsse, um die Stadt von der Seuche zu erlösen. Der Seher Teiresias verkündete die Wahrheit, dass nämlich dies Oedipus sei und auch dieser konnte sich bei genauem Bedenken der Vorfälle dieser Wahrheit nicht entziehen. Iokaste erhängte sich aus Gram und Oedipus stach sich die Augen aus."
    Calpetanus schüttelte sich bei dieser Vorstellung und blickte mit großen Augen zu den Richtern.


    Daraufhin erhob sich Gracchus wiederum kurz zur Verkündung der Anklage.
    "Die Anklage wird im Namen Kreons, König von Theben und Bruder der Iokaste, geführt und lautet auf Vatermord und Schändung der eigenen Mutter."

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  • Nun auch der dritte Beitrag wusste auf seine Art zu überzeugen. Die Kaiserin nickte wohlwollend. Es würde wirklich eine schwierige Entscheidung werden. Obwohl die Kaiserin insgeheim schon einen Favoriten hatte. Dennoch freute sie sich auf den nächsten Beitrag und wartete nun auf die Verteidigung des Oedipus.

  • Maro war in seiner Rede gezielt zum Angriff auf Iason übergegangen um die Anklage mit dem Ankläger selbst zum sinken zu bringen und hoffte, dass seine Strategie aufgehen mochte. Lang hatte er sich Gedanken darüber gemacht, wie man denn eine Kindsmörderin denn überhaupt entlasten sollte. Es hätte nichts gebracht ihre Taten zu leugnen und von einem Anfall von Wahnsinn, wie ein Medicus ihn festgestellt hätte, und der Medea ihrer geistigen Kräfte hätte berauben können, wusste man auch nichts.


    Also hatte Maro stattdessen auf die Logik abgestellt. Die kalte, erbarmungslose und widerwärtige Logik der Macht und der Ränke an einem Monarchenhof, die Medea ihre Kinder hatte töten lassen um sie vor Glauke und Iason zu bewahren. Hoffentlich ging das auf. Der Consul lächelte dünn, der junge Caesar redete mit seinem Vater - hoffentlich zu seinen Gunsten. Die Richter würden bewerten und Maro war sehr gespannt.


    Anstatt aber weiter herumzugrübeln, drehte er sich zu seinen Vorrednern um, während die nächste Rede angekündigt wurde, beglückwünschte sie zu ihrer Leistung und fragte an Decimus gewandt. "Ein eindrucksvolles und wunderschönes Requisit hast du da. So eine mitzuringen ist mir im Traum nicht eingefallen. Aber eine blutverschmierte Matrone als Medea hätte auch nicht die gleiche Wirkung entfaltet, wie deine Schönheit da. Sag, wie bist du darauf gekommen sie mitzubringen? Das könnte dir den Sieg bringen..."

  • | Quintus Petilius Sophus


    Noch einmal rief der Moderator dazu auf, zu applaudieren - eine Bitte, welcher gerade der Petilier selbstredend stante pede nachkam, wenngleich sich Dives seinerseits nicht ganz sicher war, ob sein Mitsenator hier noch in erster Linie für den decimischen Redner und dessen Rede, oder nicht doch hauptsächlich für die schmückende 'Helena' Beifall spendete.


    "Die Verteidigung der Medea", kommentierte Sophus anschließend überaus anerkennend die nächste Ankündigung, "scheint mir aber ein äußerst spannender Fall." Er wandte sich an seinen iulischen Nebenmann. "Gerade für den Fall, dass diese Medea tatsächlich eine Frau der Zauberkünste war, hat der nächste Redner es sicherlich nicht einfach, sie zu verteidigen, ist doch schon die Benutzung von Fluchtafeln hier in Roma verboten - und das keineswegs erst seit gestern.", bemerkte der Petilius, der zwar einerseits sehr wohl um die dennoch große Popularität der Fluchtafeln gerade bei den unteren Schichten wusste, der jedoch andererseits auch nicht ignorieren mochte, dass einst der Princeps Tiberius gar 130 Magier und Magierinnen hinrichten ließ. In der Folge also war er nun überaus gespannt, was der kommende Redner aus diesem Fall nun machen würde. Und erst als sich der Wettbewerber bald ein wenig in seinem Vorwort verlor, ließ die vorfreudige Spannung bei Sophus allmählich nach. "Hat er schon angefangen?", stöhnte er in divitische Richtung.


    "Nun, er redet, wie du hörst und siehst.", beantwortete der Iulier zunächst die gestellte Frage - froh, den unvorteilhaften Menelaos-Vergleich erst einmal abgeschlossen und hinter sich gelassen zu haben. "Dass er redet, höre ich auch in meinem Alter noch gut. Jedoch frage ich, ob er bereits dieses genauso berechtigte wie unangemessene Loblied auf den flavischen Consul fertig gesungen hat und schon zu seiner eigentlichen Rede, die zu hören ich hier bin, gekommen ist.", war eine gewisse Unzufriedenheit in der Stimme des Petilius nicht zu verkennen. "Ehre, wem Ehre gebührt?", konterte Dives mit einer rhetorischen Frage. "Ich meine, gewiss war es nicht die beste Idee, dem Consul auf diese Art und Weise zu danken, bevor nicht erst womöglich der Augustus eben derartige Worte hatte an den Consul richten können; wie es sicherlich auch noch einen zusätzlichen Beigeschmack hat, dass er selbst ein Teilnehmer des auch vom Consul zu bewertenden Wettbewerbs ist. - Allerdings und andererseits vermag auch der etwas ungünstige Zeitpunkt wohl nichts am Wahrheitsgehalt seiner Worte zu ändern. Denn diese Veranstaltung ist doch wahrlich ein Erfolg: Ein Erfolg für den Consul Flavius, ein Erfolg für uns Zuhörer und Zuschauer, ein Erfolg für ganz Roma... oder etwa nicht?", verteidigte der Iulier den Auftritt des Octavius und erntete dafür einen leicht enervierten Blick des Mannes, der noch eben erst Dives mit dem verlassenen und gehörnten Menelaos verglichen hatte.


    "Ich verstehe.", lächelte Sophus nach kurzem Schweigen plötzlich. "Der Octavius wurde als jemand aus dem gleichen Hause angekündigt, aus dem auch dein Großvater Octavius Anton, dein Onkel Octavius Victor sowie dein Cousin Octavius Macer stammen.", lag es für den Petilier sogleich auf der Hand. "Da hätten wir nach deinem Klienten Helvetius und dem _fast_ mit dir verwandten Decimus nun also auch einen _richtig_ mit dir verwandten Octavius als Teilnehmer dieses Wettbewerbs. Und wer bleibt darüber hinaus dann noch übrig für die beiden letzten Reden?" Kurz musste der Senator selbst erst einmal überlegen, bis er sich an die erste Vorstellung der Teilnehmer erinnerte. "Ein Sergius, der natürlich _bestimmt_ nur zufällig das gleiche Gentilnomen trägt wie deine werte Frau und entsprechend auch _bestimmt_ nicht näher verwandtschaftlich mit ihr verbunden ist, richtig?" Eine kurze Zäsur betonte die Ironie. "Und nicht zu vergessen natürlich auch der Sohn deines Nachbarn, der den Knaben - wissen die Götter warum - ausgerechnet zu dir geschickt hat, ihn bei seinen Redevorbereitungen zu unterstützen." Sophus drehte die Handflächen seiner Hände nach oben. "Dreh es, wie du willst, Dives. Aber Roma ist bei Weitem groß genug und hat genügend Einwohner, als dass all diese 'Zufälle' noch ein reines Werk der Fortuna sein könnten.", sah der Petilius sich in seiner bereits zu früherem Zeitpunkt geäußerten Vermutung bestätigt.


    "Wunderbar.", kommentierte der iulische Quaestorier schlussendlich trocken den petilischen Monolog. "Jetzt kriegen wir abgesehen vom Vorwort mehr als den Schlusssatz der Rede nicht mehr mit." Dives wandte sich mit bedauerndem Seufzen wieder dem octavischen Redner zu, während sein befreundeter Mitsenator die Gelegenheit für eine weitere kleine Spitze nicht verstreichen ließ: "Naja, wenn er selbst am Ende noch seine eigene Klientin als unrömisch bezeichnet und sie der Tat für schuldig befindet..." Der Petilier brach seinen Satz in der Mitte ab, um sich hernach ebenfalls wieder der Rednerbühne zuzuwenden.

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    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
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    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

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  • Mit einem leichten Schauer im Rücken ging Plautus nach vorne. Er wurde die Vorstellung nicht los, die Augen des Kaisers auf seinem Hinterkopf zu spüren. Aber irgendwie musste das Dings ja laufen: Erst mal die Anrede rausplautzen, der Rest der Rede würde dann schon hinterher trippeln. Sagte er sich.


    "Werte Quiriten, hochverehrte Iudices,


    das ist doch alles Theater! Großes Theater sogar, wo man solche Geschichten lustvoll genießt, sich an den Verstrickungen der Charaktere weidet und das unabwendbare Schicksal der schuldlos schuldig Werdenden mit dezent gesträubten Nackenhaaren verfolgt. Na und? Gleich nach der Vorstellung wird dann das ganze Drama bei einigen delikaten Häppchen und einem Becher Wein gleich wieder restlos abgeschüttelt. Alles Theater?


    Nein, ruft lauthals der Ankläger: Diesmal ist es ein Kapitalverbrechen. Vatermord! Inzest! Der Fall gehört vor Gericht. In der Tat, die Sache schreit nach Gerechtigkeit, werte Bürger Roms. Das ist garnicht so unterhaltsam, aber es führt kein Weg dran vorbei."


    Na, das war doch schon mal ein Anfang. Er ordnete, um seine Restnervosität zu bekämpfen, seine Tabulae zu einem perfekten Stapel.


    "Werfen wir also einen Blick auf die bedauernswerten Opfer dieses Verbrechens: Da ist erstens der Vater des Ödipus, Laios. Geplagt von einer kinderlosen Ehe, sucht er die Ursache dafür nicht bei sich selbst, sondern wendet sich an das Orakel von Delphi. Man mag über dieses Orakel denken was man will, aber meistens höre ich höhnisches Gelächter bei den Haruspices, wenn es erwähnt wird. Dort erfährt er nun aus dem Gebrabbel der amtierenden, notorisch bekifften Pythia, dass ihm zwar ein Sohn ins Haus stehe, der ihn aber töten und seine Gemahlin schänden werde. Entnervt verstümmelt er deshalb diesen Sohn später auf grausamste Weise und lässt ihn aussetzen, um seinem eigenen Tod zu entgehen. Welch ein Vater! Welch eine Dummheit!


    Dummheit ist unschuldig, weil sie unfähig ist, sich selbst zu erkennen, aber das gehört nicht zu unserem Fall. In seiner Dummheit ist Laios jedoch auch grenzenlos feige. Abgesehen davon, dass er die beabsichtigte Kindestötung nicht selber vollzieht, bringt er andererseits auch nicht den Mut auf, seinen Sohn wie ein liebevoller Vater aufzuziehen, was vielleicht den Teufelskreis der Verstrickungen hätte sprengen können.


    Dann haben wir als zweites bemitleidenswertes Opfer Laios' Ehefrau Iokaste, die eiligst jedwedes mütterliche Gefühl beiseite schiebend, der Kindestötung zustimmt und sich damit zur willigen Komplizin macht. Auf sie werde ich später noch mal zurückkommen."


    Er nahm drei Tabulae von seinem Stapel und legte sie rechts davon ab.


    "Nehmen wir also jetzt den Angeklagten in unseren Blick. Ihn und seine Taten müssen wir streng mit den Augen des römischen Rechts betrachten. Ich setze voraus, dass Ihr, liebe Landsleute, wisst, dass das römische Recht das beste der Welt ist, weil es erstens Rom groß gemacht hat und weil es zweitens den Richtern die Handhabe gibt, bei ihren Urteilen immer auf dem Boden der Gerechtigkeit zu bleiben.


    Kreons Anklageschrift wirft dem Ödipus einen Vatermord vor, den er bei der Begegnung mit einem Verkehrsrowdy namens Polyphontes begangen haben soll.


    Auf Vatermord steht, wie wir alle wissen, die Todesstrafe. Der Ankläger sagt aber selbst, Ödipus habe im Zorn gehandelt. Wenn aber jemand in einer begreiflichen heftigen Gemütsbewegung einen anderen tötet, kann er nach unserem Recht nicht mit dem Tod bestraft werden. Nicht genug damit, setzt unser Recht auch voraus, dass nur vorsätzliches Handeln bestraft werden kann, aber wo wird man denn da einen Vorsatz finden können, wenn der Beklagte nicht wusste, dass er seinen Vater vor sich hatte? Ich könnte jetzt auch noch auf Notwehr plädieren, aber ich bin sicher, dass schon die ersten beiden Gesichtspunkte für die verehrten Iudices hinreichend sein dürften.


    Das heißt: IN DUBIO MITIUS, im Zweifel für das Mildere! Für die Todesstrafe reicht es jedenfalls nicht."


    Den letzten Satz hatte er mit einer weit ausholenden Handbewegung unterstrichen, die damit endete, dass er, für jeden sichtbar, zwei weitere Tabulae auf die rechte Seite legte.


    "Ferner beschuldigt Kreon den Angeklagten des Inzests mit Iokaste, seiner Mutter. Man hatte nämlich dem Ödipus die sicherlich attraktive Enddreißigerin zusammen mit dem Königsamt als Eheweib angeboten, nachdem er das Rätsel der Sphinx gelöst hatte. Jene Sphinx war übrigens eine uneheliche Tochter von Laios, dem liederlichen Vater des Ödipus. Aber das gehört nicht zu unserem Fall.


    Zu diesem Zeitpunkt wusste Ödipus mit Sicherheit nicht, dass diese Enddreißigerin seine Mutter war. Auch hier sind wir gezwungen, entweder Abstriche an Kreons Vorwurf des Inzests zu machen oder ihn ganz und gar zu verwerfen. Denn die Lex Iulia verlangt, dass ein Inzest mit Arglist erschlichen sein muss, um strafbar zu sein. Wo, frage ich, ist da denn bei dem ahnungslosen Ödipus eine Arglist zu erkennen? Auch hier: IN DUBIO MITIUS!


    Arglist finden wir da eher bei Iokaste, die wohl just die Beute ihrer eigenen Torschlusspanik geworden war. Denn es ist absolut unglaubhaft, dass Iokaste auch nach Jahren die ehedem geplante Kindestötung vergessen haben könnte, zumal ja vor allem die sichtbaren Narben an den Fersen des Ödipus genug Beweis für seine Herkunft waren."


    Wieder wanderten zwei Tabulae von links nach rechts.


    "Ich komme zum Schluss: Leider legt uns Kreon auch noch eine ganz lausige Beweisführung vor, denn er stützt sich nur auf einen einzigen Zeugen, nämlich auf einen blinden Spökenkieker namens Teiresias, der selber Dreck am Stecken hat.


    Aber mal ganz abgesehen von den persönlichen Qualitäten dieses Teiresias: Wie, bei allen Göttern, sollen denn die hochverehrten Iudices ein gerechtes Urteil fällen, wenn ihnen die Möglichkeit abgeht, die Aussagen dieses Zeugen mit anderen Aussagen abzugleichen? Damit fällt Kreons Beweisführung doch in ein winziges Quantum warmer Luft zusammen. Alles und Jedes ist jetzt zweifelhaft! Nun gilt: IN DUBIO PRO REO! Ich bitte deshalb das hohe Gericht, die Klage abzuweisen."


    Die letzten Tabulae nahmen ihren Weg auf den rechten Stapel, den Plautus nun einsteckte.

  • Auch die Rede des Sergius gereichte dazu, Gracchus' Aufmerksamkeit in ihrer Gänze zu fesseln, denn obgleich sie in ihrer Beweisführung in die Tiefen römischen Rechtes hinabtauchte war sie keinesfalls dröge, weder in Aufbau und Inhalt, noch in der Art und Weise ihres Vortrages. Als Advocatus würde Plautus zweifelsohne die Tristesse eines jeden realen Gerichtes aufhellen können.
    "Vielen Dank, Galeo Sergius Plautus! Wie auch immer dieser Wettstreit heute ausgehen mag, als Iudices würde es uns zweifelsohne schwer fallen, Oedipus nach diesen Worten noch eine Schuld zuzuspre'hen. Wir haben keine weiteren Fragen zu deiner Verteidigung."
    Obgleich der Consul einerseits durchaus ergötzliche Reden sich hatte erhofft, so hatte er letztlich doch erwartet, dass das Urteil über einem Sieger nicht allzu schwer würde fallen. Nachdem sie nun bereits den vierten von fünf Redner hatten angehört, wurde ihm indes deutlich, das dies durchaus eine verzwickte Angelegenheit mochte werden, in welcher Vorzug gegen Vorzug genauestens würde abgewägt werden müssen.

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  • | Quintus Petilius Sophus


    Und auf die Rednerbühne also trat der nächste Redner, Galeo Plautus aus dem Hause Sergia. Mit einem originellen Beginn zog er zunächst auch unter anderem die beiden Senatoren Dives und Sophus geschickt in seinen Bann, bevor es nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Geschichte und jener seiner iulischen Gens der Erstere von beiden war, der in schockierter Verblüfftheit die rechte Hand zur Brust führte und mit offenem Mund erst einen Moment nur starr dastand und schwieg, bis er im nächsten Augenblick seine Worte wiederfand.


    "Höhnisches Gelächter und das Gerede einer notorisch 'bekifften' Pythia?! Hast du diese unverschämte Wortwahl gehört?", wandte sich der divitische Quaestorier empört an seinen Nebenmann. "Gebrabbel - nicht Gerede. Ich glaube, so nannte er es.", antwortete der Petilier vergleichsweise neutral. "Einerlei. Doch als jemand, dessen eigene Familiengeschichte so eng verbunden ist mit sowohl dem großen Apoll als auch dessen heiligstem Orakel von Delphi, bin ich über alle Maßen... überrascht, ob einer solch abschätzigen Äußerung.", fehlten dem Iulier offenkundig ein wenig die Worte, dieser seiner unerfreuten Überraschung angemessen Ausdruck zu verleihen. "Die Pythia ist schließlich ein Sprachrohr des weisen Lichtbringenden, sodass ein Affront gegenüber ihr doch praktisch einem Affront gegenüber ihrem Erleuchter gleichkommt. Und überhaupt, werfen diese Worte wohl nicht nur ein schlechtes Licht auf die Phythia von Pytho, sondern auch auf die Sibylle von Cumae und all die anderen heiligen Orakelstätten des Imperiums.", beklagte er sich bei seinem Mitsenator, während er zugleich verschwieg, welcher leise Verdacht ihn an dieser Stelle beschleichen wollte. Denn war es möglich und konnte es tatsächlich sein, dass es kein Zufall war, dass nicht nur dieser Redner keinen großen Respekt gegenüber den Göttern zeigte, sondern überdies auch die divitische Gattin aus der gleichen Gens ebenfalls nicht die religiöseste war?


    "Nun, der Sergius wird seine Worte wohlbedacht gewählt haben - und sich gewiss auch darüber bewusst sein, dass es der Pontifex pro magistro ist, welcher diesem Richtergremium vorsitzt.", schloss Sophus diesen Punkt ab und konzentrierte sich im Folgenden eher auf den Inhalt der weiteren Ausführungen. "Indes - und hinsichtlich des iuristischen Falls doch etwas relevanter - scheint mir, dass uns der Verteidiger ausgezeichnet begründet, weshalb dies kein VaterMORD ist. Warum aber der Oedipus nicht des ebenso mit Strafe bedrohten und entsprechend strafbaren Totschlags schuldig sein kann, das bleibt für mich offen.", erklärte der Petilius ähnlich sachlich, wie auch der vortragende Sergier offenkundig darauf bedacht war, nicht nur über seine Rhetorik diesen Fall des Oedipus zu gewinnen. "In der Tat", stimmte Dives - noch immer leicht aufgewühlt ob der sergischen Äußerungen über die Pythia - zu, "glaube ich sogar, dass seine Aussage zum Vorsatz nur die halbe Wahrheit ist. Irgendwo steht indes gewiss geschrieben, dass mitunter auch manches nicht-vorsätzliche Handeln mit einer Strafe bedroht wird und strafbar ist." Denn schon das Zwölftafelgesetz kannte schließlich nicht nur den Feuertod für vorsätzliche Brandstifter, sondern auch die Schadenswiedergutmachung für nicht-vorsätzliche, lediglich fahrlässige Brandstifter. "Letztlich gegen den erhobenen Vorwurf des VaterMORDES jedoch ist die Verteidigung wohl dennoch wasserdicht.", fasste der Iulier zusammen.


    "Auch der zweite Teil erscheint mir einmal mehr recht überzeugend, obgleich ich sicherlich den Vorwurf der Iokaste gegenüber nicht ganz glaubwürdig finde. Denn Narben an den Fersen hin oder her, habe ich damals nicht schon vor dem Vollzug meiner Ehe gewusst, wo überall meine Frau Sommersprossen oder Muttermale hatte. Narben an den Fersen sind eben letztlich keine Narben, die jemandem - wortwörtlich - ins Gesicht geschrieben stehen.", lächelte Sophus leicht, während er seinem Nebenmann erklärte, weshalb er den Angriff gegen die Schwester des Klägers für eher schwach hielt. "Wenn nur nicht diese vielen Schmähungen erst der apollinischen Pythia von Pytho und nun auch noch des iovischen Teiresias nicht wären...", seufzte Dives indes am Ende der Rede und schüttelte leicht den Kopf. Denn gewiss musste keiner der Redner ganz und gar Feuer und Flamme sein für die Götter. Eine hohe Dienerin des Apoll und einen hohen Diener des Iuppiter jedoch in aller Öffentlichkeit und vor den Augen und Ohren des Pontifex Maximus und seines Stellvertreters in der Form anzugehen, das hielt der Senator allerdings auch für alles andere als richtig.

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  • "Das ist möglich, aber war so nicht unbedingt in erster Linie angedacht, eher an kleiner Nebeneffekt. Aber ich wollte vor allem den Menschen die zuhören klarmachen wie Helena war, wie sehr sich keiner ihr entziehen konnte, Mann wie Frau. Und ich hoffe dass mir das auch gelungen ist, auch wenn ausgerechnet unsere Kaiserin nicht sehr begeistert wirkte."
    Was der Sache kein Abbruch tat dass die restliche Zuschauerschar offensichtlich mit wohlwollen darauf eingegangen war.
    "Wie fandest du den dritten Beitrag?"

  • Die Kaiserin wirkte nicht begeistert? fragte Severus erstaunt. Er hatte nur vor seiner Rede einen kurzen und danach einen etwas längeren Blick auf die Tribüne der Wertungsrichter werfen können und bei ihm wirkte die Kaiserin recht gefasst, ebenso der flavische Konsul und der decimische Prätorianerpräfekt. Letztlich zuckte er aber mit den Schultern. Das ist natürlich bedauerlich, aber wir haben ja auch noch zwei männliche Richter dabeisitzen, die diesen kleinen Effekt bestimmt zu schätzen wissen. Zumindest gefiel ihm die Kleine, die ihm ja auch schon in der Casa Decima positiv aufgefallen war, doch spielte diese Sklavin ja, wie der Decimer selbst gesagt hatte, nur eine untergeordnete Rolle, wie es ja nun mal auch die Aufgabe von Sklaven war.


    Auf die weitere Frage des Decimers hin spitzte er die Ohren und lauschte einigen Augenblicken der Rede des Octaviers. Die Schleimerei am Anfang hätte er sich sparen können sagte er schließlich mit einem leichten Grinsen. Als ob solche Schmeicheleien den Ausschlag geben würden - oder ging es vielleicht auch nur darum, von inhaltlichen, strukturellen oder argumentativen Schwächen der folgenden Rede abzulenken, indem man die Richter bereits wohlstimmte? Gut, die Herstellung der benevolentia des Publikums war sicherlich ein wichtiger Teil jeder Rede, Severus hatte es ja auch versucht, es jedoch deutlich kürzer gefasst - und sie zudem struturell zum eigentlichen Aufhänger seiner Rede genutzt, eben nicht um Wohlwollen für sich selbst, sondern um dieses für seinen imaginären Klienten herzustellen.

  • [Blockierte Grafik: http://www.niome.de/netstuff/IR/nsc/redner.jpg]
    "Alles und jedes ist jetzt zweifelhaft! Das gilt wohl auch für den Sieg bei diesem Wettbewerb mit jedem weiteren Redner! Einen Applaus für Galeo Sergius Plautus, liebes Publikum, für diese wortgewandte Verteidigung!"
    Calpetanus applaudierte selbst und wartete bis die Zuschauer damit wieder aufhörten.
    "Vielen Dank Galeo Sergius Plautus!"
    Verabschiedete er diesen von der Rostra, ehedem er zu der letzten Anklage überwechselte.
    "Hochverehrtes Publikum, kommen wir also nun zum letzten, aber nicht minder spannenden Fall! Dieser wird verteidigt von Quintus Rufinus aus dem Hause des Petilius Rufus - mit Praenomen ebenfalls Quintus und Großvater unseres Teilnehmers, der sicherlich den etwas älteren unter uns noch bekannt ist für seine sprachgewaltige Beredsamkeit, mit der er mühelos ganze Legionen übers Land dirigierte! Wir dürfen gespannt sein, ob sein Enkel dieses Talent geerbt hat! Quintus Petilius Rufinus verteidigt Theseus, den Sohn des Aigeus und der Aithra."
    Nachdem er beide Namen - den des Teilnehmers, sowie jenen des Angeklagten - hatte kurz wirken lassen, fuhr Calpetanus fort.
    "Nach Anhörung der Klägerin stellt sich der Tatbestand folgendermaßen dar: vor etlichen Jahren hatte König Minos von Kreta Athen unterworfen, nachdem dort sein Sohn ermordet worden war. Als Sühne wurden die Athener verpflichtet alle neun Jahre sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge als Menschenopfer für den Minotaurus nach Kreta zu schicken!"
    Dies berichtete Calpetanus in großer Empörung, denn war der Tag bereits von Mord und Totschlag durchzogen, so waren Menschenopfer doch noch einmal ein Steigerung menschlichen Gräuels.
    "Der Minotaurus war ein Wesen aus Mensch und Stier, mit gewaltigen Hörnern und schrecklichen Pranken, geboren von Minos' Frau Pasiphaë als Strafe für ein Vergehen des Minos an den Göttern. Er wurde in einem Labyrinth gefangen gehalten und musste durch die Menschenopfer besänftigt werden, um nicht beständig auf Kreta zu wüten. Als der den Athenern aufgezwungene Opfertag sich zum dritten Male näherte, meldete Theseus sich freiwillig als einer der nach Kreta zu schickenden Jünglinge, im Vorhaben den Minotaurus zu töten und sein Volk so endlich von der Opferpflicht zu befreien."
    Calpetanus trat zur Brüstung der Rostra und breitete die Hände aus, um sie mit nachfolgenden Worten der Liebe ein wenig theatralisch zu seinem Herzen zurück zu führen.
    "Auf Kreta angelangt verliebte sich Ariadne, Tochter des Minos, in Theseus, und erklärte sich darob bereit, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Gegen sein Versprechen, sie zur Ehefrau zu nehmen, war sie gar bereit, den Minotaurus - ihren Halbbruder -, der Liebe wegen zu opfern. Die kluge Ariadne bewaffnete Theseus mit einem geweihten Schwert und übergab ihm am Anfang des Labyrinthes ein Knäuel roten Wollfadens, dessen Ende er am Eingang des Labyrinthes befestigte. So ausgestattet gelang es Theseus den Minotaurus zu töten und danach mithilfe des Wollfadens unversehrt aus dem Labyrinth wieder hinaus zu finden."
    In einem Theaterstück wäre diese Szene natürlich weitaus spannender, doch das hier war schlussendlich ein Gericht, so dass Calpetanus diesmalig gänzlich ernsthaft blieb.
    "Um dem Zorn des Minos zu entgehen flüchtete Theseus in Begleitung Ariadnes zurück Richtung Athen. Unterwegs jedoch verliebte sich Theseus in Aigle, Tochter des Panopeus, und setzte daher die von ihm schon schwangere Ariadne auf der Insel Naxos aus."
    Nun konnte er sich ein Kopfschütteln doch nicht mehr verkneifen, ehedem er zu den Iudices blickte.


    Nicht unglücklich darüber, sich in dieser andauernden Zeit des Sitzens neuerlich für einen kurzen Augenblick erheben zu können, tat Gracchus eben dies.
    "Die Anklage wird im Namen der Ariadne, Tochter des Minos, geführt und lautet auf Bruch des heiligen Eheversprechens."

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  • Etwas überrascht dass nun auch der Ocatvier ihn Ansprach war Scipio gerade etwas seltsam zumute. Keiner sagte etwas zu seiner Rede, nur Nelia war das Gespräch... so war der Plan nun auch nicht gedacht gewesen.. Verdammt


    "Erstmal Gratulation zu deiner wirklich guten Rede, ich denke darauf sollten die Richter achten, nicht auf meine kleine List. Die Idee kam mir als ich darüber sinierte wie ich die Verteidigung angehen sollte und ich fand es als einen Versuch wert 'Helena' zu präsentieren und damit ihre Schönheit und ihre besondere Rolle darzustellen."

  • "Ich fand diese Schleimerei einen guten Schachzug, immerhin ein rhetorischer und damit sicher eher relevant wie der meinige." Dabei musste Scipio etwas lachen, denn noch war es hier kein Schönheitswettbewerb, den hätte er aber dank Nelia locker gewonnen. Aber nun ging es hier eben um die rhetorischen Begabungen und da fand sich Scipio selbst weniger gut. "Am Ende wird es glaube ich ein eindeutiges Votum sein welches den Sieger entscheidet und ich denke mal da habe ich dann schon keine guten Karten mehr, außer die Augusta fand meinen Beitrag sehr überzeugend."

  • | Quintus Petilius Rufinus


    Der Augenblick der Wahrheit nahte mit großen Schritten, bis er letztlich da war, der Moment, in welchem sich auf einmal die Augen halb Romas auf ihn richteten.
    "Ho...", versagte dem Petilier schon gleich zu Beginn die eigene Stimme ihren Dienst. Hastig nahm er die rechte Faust vor den Mund und räusperte sich. Seine Ohren begannen zu glühen vor Aufregung. "Hohes Gericht! Verehrte Ehrengäste! Geschätztes Volk von Roma!" Quintus fing den etwas mürrischen Blick eines wohlhabend gekleideten Mannes aus der vordersten Zuschauerreihe ein. Kurz senkte der Petilier den Kopf und sah auf den Boden, während er in sich ging und noch einmal tief durchatmete. Anschließend sah er wieder auf und knapp über die Köpfe des Publikums hinweg.


    "Mein Name ist Quintus Petilius Rufinus, Sohn des Quintus Petilius Sophus, Enkel des Quintus Petilius Rufus, und ich stehe heute hier vor euch, den Griechen Theseus zu verteidigen", erklärte er und ließ eine kurze Kunstpause folgen, "zu verteidigen gegen einen Vorwurf, der kurioser kaum sein könnte! Denn dieser Theseus, das lässt sich nicht leugnen, ist ein Held - ja, ein wahrhaftiger Held!", unterstrich Quintus mit seiner zur Faust geballten linken Hand, bevor er selbige senkte und mit seinem rechten Zeigefinger einmal oberflächlich das Publikum musterte. "Aber ich sehe sie genau, die Skepsis in den Augen einiger hier. Deshalb will ich euch nicht mit leeren Phrasen überschütten, sondern will zeigen, weshalb es für mich außer Frage steht, es hier mit einem wahren Helden zu tun zu haben." Er hob seinen rechten Zeigefinger, die Anwesenden zu erhöhter Aufmerksamkeit zu bewegen.


    "Theseus wurde geboren als Sohn der Königstochter Aithra, während die einen im attischen König Aigeus - die anderen in keinem Geringeren als dem großen und mächtigen Poseidon seinen Vater sehen.", ließ Quintus kurz wirken. "Doch machte allein nur seine königlich-göttliche Abstammung den Divus Iulius zu einem Helden Romas?", zog er sodann eine Parallele, welche das Publikum heimlich auf seine Seite zu ziehen versuchte. Denn während die Geschichte des Griechen Theseus für viele stadtrömische Bürger mutmaßlich weit entfernt und lange her schien, war die Geschichte des Iuliers, eines Bürgers ihrer Stadt, ihnen doch vermutlich weitaus näher, wie sie zudem selbstredend auch mehrere Jahrhunderte jünger war. "Nein! Es war nicht allein seine Abstammung, sondern vor allem sein Einsatz für EUCH, seine Taten für das Volk von Roma, welche ihn zu einem zurecht bis heute verehrten Helden werden ließen.", beschwor der Petilier das Publikum und beendete mit einer künstlichen Pause seinen Vergleich.


    "Also richten wir unseren Fokus nun auf die Taten des Theseus - und wir erkennen, dass auch er viel getan und geleistet hat für SEIN Volk, das Volk der Griechen. So nahm er am Argonautenzug teil und war an der Erlegung eines großen und gefährlichen Untiers, des Kalydonischen Ebers, beteiligt. Ferner wählte er nicht den sicheren Seeweg, von Troizen aus - seiner Geburtsstadt, in welcher er bei seiner Mutter aufwuchs - ins Zentrum der griechischen Welt nach Athen - wo sein Vater Aigeus als König residierte - zu reisen. Stattdessen entschied er sich für den ungleich gefährlicheren Landweg, auf welchem er den räuberischen Keulenträger Periphetes im Ringkampf töte. Er brachte den bekannten Straßenräuber Sinis zur Strecke, als jener ihn zu überfallen versuchte. Er befreite die Stadt Krommyon von der dort wütenden krommyonischen Sau Phaia. Er besiegte und tötete den gemeinen Straßenräuber Skiron, den mordenden Ringer Kerkyon und den riesigen Wegelagerer Prokustes - und hatte schon damals, als er sich am Fluss Kephissos vom Blutvergießen rituell reinigen ließ, viel getan für sein griechisches Volk und insbesondere die Sicherheit der Reisenden.", teilte Quintus die lange Liste der großen Taten seines Klienten mit dem Publikum. "Doch seine größte und bedeutendste Heldentat, die sollte erst noch folgen." Nach dieser Ankündigung nickte er kurz bestätigend und ließ eine weitere Kunstpause.


    "Athen, eine Stadt im Herzen Griechenlands wie Roma eine Stadt im Herzen von Italia, war verantwortlich gemacht worden für den Tod des minoischen Königssohnes Androgeos. So griff denn der kretische König Minos die Athener an, bezwang sie und bescherte ihnen, so möchte ich sagen, ihr griechisches Cannae.", sparte Quintus auch weiterhin nicht an Parallelen, welche die anwesenden Römer auf die Seite des Atheners Theseus ziehen und zugleich gegen die Partei der kretischen Klägerin aufbringen sollte. "Die Athener wurden gezwungen, alle neun Jahre sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen als Menschenopfer für den Minotaurus - ein grausames Ungetüm, halb Mensch, halb Stier - nach Kreta zu schicken." Er schüttelte betroffen seinen Kopf. "Ich sage euch, auch die einstigen Punier unter ihrem Feldherrn Hannibal hätten sich gewiss kaum eine schlimmere Strafe einfallen lassen können.", bekam zuletzt auch Minos noch seinen Part in diesem Vergleich zugewiesen.


    "Jedoch mein Klient Theseus meldete sich freiwillig, als einer der zu opfernden Jünglinge nach Kreta zu reisen, um dort den Minotaurus des Minos genauso unschädlich zu machen, wie einst auch der berühmte Cornelius Scipio aufbrach nach Zama, Hannibal und dessen ungetüme Elefanten heldenhaft und vernichtend zu schlagen!", schüttelte Quintus nach dem Divus Iulius nun noch einen weiteren römischen Helden aus seinen Togafalten. "Und ich kann euch sagen, wie Cornelius Scipio mit taktischem Geschick die Elefanten des Hannibal bei Zama ausmanövrierte und so mit Leichtigkeit unschädlich machte, so vermochte es auch Theseus letztlich mit taktischem Geschick und Raffinesse den kretischen Minotaurus zu töten, bevor er alle mit ihm nach Kreta gereisten Athener wieder sicher zurück in ihre Heimat führte. Wäre mein Klient Theseus ein Römer, ja, er würde nach dieser Tat für sein Volk den Ehrennamen 'Creticus' genauso tragen, wie man Cornelius Scipio seit Zama auch anerkennend 'Africanus' nennt.", beendete der Petilier seine Ausführungen dazu, weshalb er seinen Klienten Theseus unbedingt für einen großen Helden hielt.



    "Ich stelle also fest, dass Theseus ohne jeden Zweifel ein Held ist, der Großes geleistet hat für Athen und die Athener Bevölkerung. Hat er im Rahmen dieser Heldentat nun der Ariadne sein Eheversprechen gegeben? - Die einfache Antwort darauf lautet, ja, das hat er.", gab Quintus in nüchternem Tonfall unumwunden zu. "Doch tat er dies aus völlig freien Stücken? Ich wage es zu bezweifeln. - Wurde er indes von Ariadne, über ihre möglichen Motive mag man spekulieren, in dieses Eheversprechen gezwungen? Ich vermag es nicht auszuschließen. - Und zu guter Letzt", betonte er die Climax seines Trikolon, "war dieses Eheversprechen - ob nun freiwillig oder erzwungen - überhaupt gültig und bindend, bedenkt man, dass die Klägerin Ariadne gewiss nicht die Zustimmung ihres eigenen Vaters Minos zu einem Eheschluss mit dem für Athen und gegen Kreta kämpfenden Theseus hatte?!" Mit großen Augen blickte der Petilier auffordernd in die Menge. "Ich vermute nicht nur, sondern bin mir sogar überaus sicher, dass sie diese Zustimmung nicht hatte. Und bei allen guten Sitten, DAS ist eine absolute Ungeheuerlichkeit!", wurde so nun letztlich der zweite Teil der Rede eingeleitet, in welchem es hauptsächlich um Ariadne gehen würde.


    "Ihr Römerinnen und Römer, die ihr euch treu an die Sitten und Traditionen haltet, ich appelliere an euch, die Klägerin Ariadne nicht für das zu sehen, was sie nicht ist. Denn sie war ihrem Vater keine treue und sittsame Tochter, sich zweifellos ohne seine Zustimmung mit dem Sohn des Feindes verloben zu wollen und anschließend mit ihm gar aus dem Reich des Vaters zu fliehen. - Das, Quiriten, ist weder sittsam noch treu; es ist im Gegenteil sogar nicht weniger als ein Verrat am eigenen Vater!", empörte sich Quintus. "Doch was weiß Ariadne überhaupt vom Pflichtgefühl gegenüber der eigenen Familia? IHR, Quiriten, wisst ALLE, was es heißt, der eigenen Familie und den eigenen Ahnen treu zu dienen, den eigenen Namen hochzuhalten - sei er Flavius, Veturia oder Decimus.", bediente er sich exemplarisch bei den Namen der drei Richter, "IHR ALLE wisst, was es heißt, für die eigene Familie - und im Zweifelsfall gegen jedweden Widerstand - einzustehen! Nie würdet ihr auf die Idee kommen, jemanden bei der Ermordung eures eigenen Bruders zu unterstützen." Der Petilier riss in erregter Empörung die Hände nach oben. "Die Klägerin Ariadne hingegen verriet nicht nur ihren eigenen Vater, sondern lieferte meinem Klienten Theseus überdies sogar eigenhändig jene Waffe, welche ihren Halbbruder, den Minotaurus, in der Folge aus dem Leben befördern sollte. - Ja, die Klägerin ist eine Verräterin! Eine Verräterin an ihrer eigenen Familie!", redete er sich allmählich in eine Rage gegen Ariadne.


    "Doch selbst damit noch nicht genug, versucht sie jetzt auch euch, Quiriten - jeden Einzelnen von euch - zu betrügen, zu hintergehen und hinters Licht zu führen! So berichtet sie in ihrer ersten Anhörung mitleiderregend davon, wie sie allein und schwanger auf der Insel Naxos ausgesetzt und von meinem Klienten Theseus verlassen wurde. Dabei sieht die Wahrheit doch eigentlich ganz anders aus!", erhob Quintus einmal mehr seinen tadelnden Zeigefinger gegen die Klägerin. "Denn längst - und ich wiederhole längst - hat sie schon einen neuen Mann sich an Land gezogen! So hat sich, kaum dass mein Klient die Insel Naxos in Richtung Athen verlassen hatte, bereits kein Geringerer als Dionysos der seither alles andere als schwanger auf sich allein gestellten Ariadne angenommen.", förderte der Petilier auch die zweite Hälfte der Wahrheit mit Vergnügen noch ans Tageslicht. "Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und stelle die Vermutung in den Raum, dass diese gesamte Klage der Ariadne einzig und allein nur den einen Grund hat, mit einer öffentlichen Verurteilung meines Klienten selbst besser dazustehen und sodann gleich in das nächste Eheversprechen sich zu stürzen!" Es folgte ein energisches Kopfschütteln.


    "Deshalb fasse ich am Ende meiner Rede noch einmal alle Fakten zusammen und stelle fest, dass auf der einen Seite mein Klient Theseus ein wahrhaftiger Held ist, der genauso Großes leistete für Athen wie einst auch Cornelius Scipio Africanus Großes leistete für Roma. Auf der anderen Seite steht die Klägerin Ariadne, die sich auszeichnet vor allem durch ihre fehlende Sittsamkeit und Treue, ihr fehlendes Familiengefühl, und nicht zuletzt natürlich auch ihre dreiste Schamlosigkeit." Quintus holte vor seinem finalen Todesstoß noch einmal tief Luft. "Denn hohes Gericht, verehrte Ehrengäste und ihr geschätzten Quiriten, wir befinden uns hier und heute auf römischen Boden in Roma. Hier gilt folglich nicht zuletzt auch unser gutes römisches Recht. Und jenes zuletzt, das gebe ich dem hohen Gericht überaus mahnend zu bedenken, lehnt jeglichen Zwang zur Ehe entschieden ab. So rufe ich daher das hohe Gericht und alle Anwesenden auf, dieser klar und deutlich gegen die guten Sitten verstoßenden Klage auf einen Bruch des heiligen Eheversprechens mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten, sie abzuweisen und der Klägerin nicht auch noch die Möglichkeit zu geben, vor einer derart breiten Öffentlichkeit und den höchsten Vertretern Romas ihre falsche Selbstdarstellung weiter zu verbreiten.", brachte der Petilier sein stärkstes Argument samt zugehöriger Schlussfolgerung und einem entsprechenden Appell selbstredend erst zum Schluss seiner Rede an. Nicht zuletzt auch hätte er wohl kaum noch viel lobpreisen und wettern können, hätte er auf die Unsittlichkeit dieser Klage bereits zu Beginn seiner Rede hingewiesen.


    So also hatte Quintus seine Wettbewerbs-Rede hinter sich gebracht. Sein erster Blick selbstredend ging sodann in Richtung seines Vaters, den er mittlerweile natürlich ausgemacht hatte im Publikum. Dabei konnte der junge Petilier nur hoffen, dass der ältere Petilius am Ende doch etwas Gefallen gefunden hatte an den Ausführungen seines Sohnes. Vielleicht bekäme Quintus Minor am Ende gar erstmals ein Lob des Quintus Maior zu hören? - Es war eine Stille Hoffnung, vor deren Erfüllung oder Nicht-Erfüllung in jedem Fall jedoch zunächst erst einmal die Beantwortung möglicher Fragen des Richtergremiums stand.


    Sim-Off:

    Edit: Rechtschreibung will gelernt sein.


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    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

    Einmal editiert, zuletzt von Marcus Iulius Dives ()

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