Der Tribun hatte es Optio Octavius bereits angekündigt: Nachdem sein Centurio während des Sklavenaufstands gefallen war, hatten die Cohortes Urbanae einen neuen suchen müssen. Das Suchen hatte ein Ende gefunden - heute würde der Neue übernehmen. Wie der Optio bereits informiert worden war, handelte es sich um einen gewissen Quintus Falcidius Virginianus.
Als die Centuria an diesem Morgen als auf dem Exerzierplatz antrat, erwartete sie also dieser Falcidius Virginianus an der Seite des Tribuns Petronius, der den Neuen als Kommandeur der Kohorte einführen sollte. Falcidius war auffallend jung, was daran lag, dass er ein "Etappenhase" war. Er stammte aus einer italischen Ritterfamilie und war direkt als Duplicarius bei seinem Onkel in der Legio XXXII Adiutrix eingestiegen. Nach Durchlaufen der Grundausbildung und einigen Jahren im Legionsstab hatte er nun seine erste Offiziersstelle. Wahrscheinlich würde er früher oder später selbst den Ritterring empfangen und dann einen Verwaltungsposten in irgendeiner Provinz bekleiden. Aber bis dahin musste er hier seinen Dienst versehen.
Lucius wusste vom Alten, dass das keine Seltenheit war, aber alle Soldaten diese "Etappenhasen" hassten. Trotzdem verhielt er sich neutral-freundlich gegenüber dem jungen Mann, der kaum älter war als er selbst. Der Grund war, dass er - anders als sein Vater - inzwischen gelernt hatte, dass man die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft für sich nutzen musste. Und in diesem Fall kostete es ihn nicht viel - Virginianus war der Sohn eines einflussreichen Eques, der dem Petronier sogar ein Empfehlungsschreiben mitgeschickt hatte. Darin hatte er gebeten, seinen Sohn ordentlich zu behandeln und - was das Entscheidende war - in Aussicht gestellt, dass er und seine einflussreichen Freunde und Verwandten (sein Schwager hatte einen hohen Posten in der kaiserlichen Finanzverwaltung!) sich erkenntlich zeigen würden. So funktionierte das System - eine Hand wusch die andere!
Und da Lucius wusste, dass er bisher keine besonders starke Hausmacht in der stadtrömischen Gesellschaft aufgebaut hatte, hoffte er, dass das hier eine Gelegenheit sein würde, den ein oder anderen Fürsprecher beim Kaiser zu finden. Der Preis war sowieso lächerlich - der feine Virginianus sollte für irgendeinen Verwaltungsposten freigestellt werden, damit er seine Zeit bei der Fußtruppe wenigstens sinnvoll verbrachte... Die Arbeit würde also an seinem Optio hängen bleiben, was Lucius aber wenig bedrückte - Octavius Maro hatte sich bisher als relativ fähig erwiesen und würde sich sicher freuen, wenn ihm niemand dazwischenfunkte!