Vox Populi Vox Dei - Wahlrede des Titus Fabius Torquatus zum Vigintivirat

  • Wenige Tage nach der Wahlrede Flavius Gracchus Minors erklomm auch Titus die Stufen der Rostra. Die Götter hatten ihm einen sonnigen Morgen geschenkt und Titus war gewillt, dies als Zeichen der Unterstützung zu werten. Dies vor allem auch, um seine Nervosität in den Griff zu bekommen. Seit zwei Tagen litt er an Magenverstimmungen und Übelkeit, war dies doch seine erste freie Rede vor einem größeren Publikum. Zur Vorbereitung hatte er zwar im Perystilium der Domus Iunia über seinen Nutzen für das Gemeinwesen schwadroniert, sich lebhaft und gestenreich über die Sorgen und Nöte der Bürger ausgelassen und an die Unterstützung des Volkes appelliert. Nun, da er das Forum Romanum überblickte, erahnte er aber erst die Bedeutung dieses Moments.


    »Qui...riten!«, begann Titus mit zittriger Stimme und stellte fest, dass kaum einer der Anwesenden ihn bemerkte. Er räusperte sich.


    »QUIRITEN!«, rief er sodann fester und spürte, wie ihm nach und nach mehr Blicke zuteilwurden. Seine glänzend weiße Toga candida sowie seine güldenen Haare schimmerten sanft in der Sonne und verliehen ihm eine gewisse Erhabenheit, die wohl in Maßen über seine innere Anspannung hinwegzutäuschen vermochte.


    »Ich bin Titus Fabius Torquatus, Sohn des Ritters Cnaeus Fabius Torquatus und Enkel des Ritters Quintus Fabius Vibulanus. Wie meinem Vater und auch dessen Vater war mir vorbestimmt, meinen Dienst am Gemeinwesen als Tribun in einer der zahlreichen Legionen oder als hoher Beamter im Verwaltungsapparat zu tun. Ein privilegiertes Leben, werdet ihr sagen! Ein Leben mit wenig Entbehrungen! Ein Leben mit weitaus weniger Sorgen und Nöten! Warum also steht dieser Jüngling auf der Rostra und blickt zu uns hinab? Nur, um seine Privilegien zur Schau zu stellen?«


    Titus ließ seinen Blick langsam durch die Menge gleiten.


    »Nein, sage ich euch! Einem jeden von uns sind durch Geburt Leben und Wirken vorgezeichnet. So wie mir bestimmt war, als Ritter meinen Ahnen nachzufolgen, ist euch bestimmt, ein Handwerk zu verrichten, auf den Märkten Handel zu treiben, die Straßen der Stadt zu sichern oder für sauberes Trinkwasser zu sorgen. Selten wird uns die Möglichkeit zuteil, unser Leben unseren Talenten entsprechend zu gestalten. Mir jedoch wurde diese Möglichkeit zuteil und ich verspreche euch, diesem Geschenk der Götter nicht mit Arroganz und Hochmut zu begegnen, sondern meinen Weg gänzlich der Bestrebung zu widmen, auch euch diese Möglichkeit zuteilwerden zu lassen - euer Leben und Wirken freier zu gestalten!«


    Titus spürte, dass seine Aufregung merklich nachgelassen hatte.


    »Noch mag mein Streben illusorisch wirken und manch einer von euch wird sagen, dass dies nur leere Versprechen sind. Jedoch werde ich schon meine Bewerbung für das Amt des Vigintivirs dieser Vision anheimstellen! So die Kurie mich als würdig erachtet, möchte ich diese Amtszeit als einer der Tresviri Capitales der Rechtspflege widmen, um für mehr Sicherheit und Ordnung in den Straßen Roms zu sorgen und euch, ehrbare Bürger, mehr Freiheit zu schenken!«


    Ein letztes Mal pausierte Titus, um noch einmal kraftvoll seine Stimme zu erheben:


    »Daher gebt weiter: Wählt Titus Fabius Torquatus zum Vigintivir! Überzeugt eure Patrone und die die Ihrigen, mir eine Stimme zu geben und ich werde die Stufen des Cursus Honorum mit euch gemeinsam erklimmen!«


    Titus hielt inne und spürte den strafenden Blick seines Vaters, der gewiss hier war, den er in der Menge aber nicht erspäht hatte. Er spürte seinen Groll, war doch seine Rede weitaus mehr dem einfachen Bürger als der senatorischen Elite gewidmet. Indes sprach er an diesem Morgen auf der Rostra und nicht in der Kurie und sich mit dem Volke gemein zu machen war kein politisches Kalkül, sondern in seinen Augen eine Notwendigkeit. Er gedachte tatsächlich, seinen Weg einem höheren Ziel zu widmen und ziemte sich dabei nicht, seinem Vater auf die Füße zu treten.

  • Wie so oft in der Wahlkampfsaison fand sich Tiberius auch heute wieder in der Nähe der Rostra, um den Kandidaten zu lauschen. Tiberius wusste auch aus eigener Anschauung, wie es war, dort oben vor der versammelten Menge zu stehen und zu reden. Die Instinkte sagten einem, möglichst schnell weg zu rennen. Aber stattdessen musste man komplexe Gedanken möglichst laut und verständlich vor einer mehr oder weniger gelangweilten, hungrigen und übermüdeten Volksmenge zum Besten geben. Deswegen gab es wiederum schon Vorschussbeifall, als Torquatus vor die versammelte Menge trat. Und diese Rede versprach schon von vornherein eine außergewöhnliche zu werden.


    Nämlich wegen der Person, der sie halten würde. Im Gegensatz zur Rede des Flavius Gracchus Minor, die er neulich gehört hatte, wurde diese Rede von einem völligen Aufsteiger gehalten werden. Der Name Fabius Torquatus sagte ihm nicht viel. Vielleicht waren die Fabii Torquati irgendwie besonders begütert? Hatte er nicht beim Pontifex Flavius sein Trocinium gemacht? Irgendwie so etwas war es, ja.

    Ansonsten würde sich der Fabier ganz auf die Überzeugungskraft seiner Worte verlassen müssen. Ein Umstand, der ihm Tiberius direkt sympatisch machte, sah er doch einige Gemeinsamkeiten zu ihm selbst.


    Mehr Beifall klatschte er, als er hörte, dass sich der Kandidat mit der Rechtspflege befassen wollte. Das war Musik in Tiberius' Ohren. Fabius trug am Schluss noch ein bisschen dick auf, als er verkündete man werde den Cursus gemeinsam mit ihm besteigen, aber das machte nichts, klappern gehörte zum Handwerk.

    Insgesamt, befand Tiberius, eine sehr ordentliche Rede.

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - MANIUS FLAVIUS GRACCHUS

  • Auch heute war ich wieder anwesend, als ein nächster Kandidat auf die Rostra trat. Ein junger Mann, der scheinbar für das Vigintivirat kandidieren wollte. Erst als er zu sprechen begann wurde mir klar, dass es sich hier um den eben erst in den Ordo Senatorius erhobenen Titus Fabius Torquatus handelte. Gespannt hörte ich zu und machte mir wiederum einige Notizen.


    Titus Fabius Torquatus - Vigintivir - Tresvir Capitalis


    Als der Jüngling endete, schaute ich auf die Tafel und stellte fest, dass nichts weiter drauf stand. Etwas erstaunt wartete ich, ob da noch etwas folgen würde.

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    DOMINUS FACTIONIS - FACTIO ALBATA

    SODALIS - AUGUSTALES

    Klient - Marcus Decimus Livianus

  • Als Candidatus oblag es Manius Minor, bisweilen sich auf dem Forum aufzuhalten, um mit diesem oder jenem Senator einen Plausch zu halten und auch sich bei den amtierenden Trägern des erstrebten Amtes sich über aktuelle Vorgänge zu informieren. In dieser Funktion befand sich der Flavius auch auf dem Platze, als Torquatus seine Kandidatur proklamierte. Selbstredend war ihm der Jüngling nicht unbekannt, da doch dieser in den vergangenen Monaten ein Tirocinium fori bei seinem Vater hatte absolviert, doch kam ihm in diesem Augenblick die Frage, ob jener Fabius eigentlich auch sich unter die Klientel seiner Familie hatte begeben. Deplorablerweise erwähnte der Redner dies ebensowenig wie weitere Details über seine Biographie, sodass der jüngere Gracche letztlich Patrokolos zur Rate zog, welcher selbstredend die Frage negierte.

    Dennoch spendete er höflichen Applaus, erwartungsfroh, ob hiesig mehr Fragen an den Candidatus würden adressiert werden.

    :app:

  • Um aus erster Hand gut informiert zu sein, verfolgte ich den Wahlkampf zur nächsten Amtsperiode diesmal recht genau.
    So hörte ich außer der Rede von Manius' Spross auch die des jungen Fabius Torquatus. Ich für meinen Teil war überzeugt davon, dass dem Ritterstand die Zukunft gehörte, und sah es gerne, dass die Grenzen zum Senat für uns immer durchlässiger wurden. Doch es missfiel mir, dass Fabius ein ritterliches Legionstribunat als arm an Entbehrungen anzusehen schien. (All diese Jünglinge sollten erst mal sub aquila dienen - und am besten als einfacher Miles - um eine Ahnung vom wahren Leben zu haben, bevor sie "nach Höherem" strebten!!) Allerdings machte er eine gute Figur da oben, sprach wohlklingend, und mir fiel ein, dass sein Vater mir ein sehr großzügiges Hochzeitsgeschenk gemacht hatte: eine schwere goldene Kette. Darum verkniff ich mir einen kritischen Kommentar.

    Sicherheit und Ordnung in Roma waren natürlich ein hehres Ziel, allerdings leider ähnlich nahbar wie die Sterne am Himmel. Viele Leute um mich herum, das fiel mir auf, schienen ganz ergriffen von der Idee, das Schicksal in die eigene Hand nehmen zu können und applaudierten dem eleganten Jüngling kräftig. Ich klatschte mäßig und rief dem Kandidaten eine Frage zu:
    "Wie willst du vorgehen, als Tresvir, Fabius Torquatus, um diesen Zielen näherzukommen?"

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Titus, noch immer auf der Rostra stehend, beobachtete nach seiner Rede eine ganze Bandbreite von Reaktionen. Während viele sein salbungsvolles Freiheitsbild zum energischen Jubel veranlasste, schienen einige auch eher skeptisch und tuschelten. Wieder andere hatten sich schon von der Rostra ab- und ihren Geschäften zugewandt. Und einer, den Titus nicht kannte, nahm das Schicksal in die Hand und hakte nach. Lasthenes, das Mädchen für Alles seines Vaters und die einzige (ihm bekannte) Unterstützung, die Titus vom alten Herren angenommen hatte, trat dem Jüngling zur Seite und eröffnete ihm, dass es sich beim Fragesteller um den Prätorianertribun Decimus handelte. Ein Mann also, der wohlbekannt war und dem zweifellos viele Männer Glauben schenkten. Titus wandte sich auf der Rostra in Serapios Richtung und fixierte diesen mit ernster Miene.

    »So ich erwählt werde, Tribun, wird sich meine Amtstätigkeit nicht nur in der bloßen Beaufsichtigung der Kerker erschöpfen, wie viele meiner Vorgänger es praktizierten. Stattdessen gedenke ich in Einvernehmen mit den höheren Magistraten sämtliche repressiven und präventiven Befugnisse der Tresviri zu nutzen, um meinen Teil zur Kriminalitätsbekämpfung in Rom beizutragen. Ich werde darauf hinwirken, dass vermehrt nächtliche Streifen eingesetzt werden und diese auch selbst begleiten, um Verdächtige in Präventivhaft zu nehmen oder schon der erhöhten staatlichen Präsenz wegen eine Abschreckungswirkung zu erzielen. Bei Kapitalverbrechern werde ich bei den Prätoren auf eine schnelle Aburteilung hinwirken und eine zügige Vollstreckung der Urteile veranlassen, um unsere Kerker zu leeren. Als Tresvir bin ich zweifellos nur ein kleines Rädchen in der gigantischen Mühle der Strafrechtspflege, doch ich gedenke dieses kleine Rädchen in ständiger Bewegung zu halten, um der folgenden Legislaturperiode einen sichtbaren Stempel aufzudrücken.«

  • Selbst auf Streife? Skeptisch hob ich die Augenbrauen. Wie alle jungen Magistrate überschätzte sich anscheinend auch dieser angehende Magistrat außerordentlich. Große Töne zu spucken gehörte zu einem Wahlkampf dazu, aber falls er das ernst meinte... die Vigilen würden sich schön bedanken, wenn ihnen ein Zivilist bei ihren Patrouillen im Weg herumtapste. - Oder sah ich das zu resigniert, würden sie sich womöglich gar geehrt fühlen?
    Die Ankündigung, die Praetoren zur schnelleren Aburteilung zu drängen, sagte mir mehr zu, ebenso die Metapher von dem Mahlwerk, in der sich Bescheidenheit und Zuversicht die Wage hielten. Es war abzuwarten, ob das Rädchen dem trägen Mechanismus etwas jugendfrischen Schwung verleihen könnte, oder aber selbst rasch erlahmen würde.
    Der Kandidat hatte mich jedenfalls neugierig gemacht, ich wollte sehen wie er sich als Tresvir schlagen würde.
    "Ehrbare Ziele, Fabius." Ich nickte gemessen und wünschte ihm vernehmlich: "Mögest du bei der Wahl erfolgreich sein, auf dass du deinen Worten alsbald Taten folgen lassen kannst."

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • »Ich danke dir, Tribun«, entgegnete Titus respektvoll. Der Prätorianer schien sich mit den Erklärungen des Kandidaten zufrieden zu geben und inspirierte auch einige der umstehenden Zuhörer zur Zustimmung, hatte der Tribun seines Ranges wegen doch schon zweifellos eine gewisse Strahlkraft.

    Nachdem sich in den folgenden Minuten keine weitere Nachfragen aus dem Publikum mehr ergaben, zog sich Titus von der Rostra zurück. Und auch die Zuhörerschaft löste sich nach und nach in den geschäftigen Menschenmengen auf dem Forum Romanum auf.

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