• Lurco dachte angestrengt nach, worin sich die Formeln möglicherweise gleichen konnten. Oder vielleicht war es etwas, dass sie anderweitig verband? Leider hatte er mit solchen Dingen nicht genug Erfahrung, dass ihm so etwas spontan auf- oder einfiel. Aber dafür war er hier, dass sich daran etwas änderte. Purgitius zuckte grübelnd leicht mit den Schultern und schaute sich nach den anderen um. Vielleicht hatte einer von ihnen eine Idee, oder sogar die Antwort parat?


    "Mir leider nicht", gestand er offen.

  • "Mir fällt auf, dass es nicht wirklich Verträge sind, also nicht in dem Sinn eines gegenseitigen Geschäftes.", sagte ich, obwohl auch mir schleierhaft war, worauf Magister Tiberius hinauswollte. Er machte es spannend:


    "Einmal wird Eigentum übertragen, in dem der eine aus irgendeinem Grunde schweigt, das andere Mal geraten sie sozusagen in einen formellen Streit, und der Praetor muss entscheiden, wer Recht hat.

    Kann es sein, dass unsere geschätzten Vorfahren das Prinzip des Kaufens und Verkaufens als Tausch von Ware und Geld noch gar nicht wirklich verinnerlicht hatten?"

    Ich wollte die maiores nicht kritisieren, aber die besprochenen beiden Prozeduren hatten entschieden etwas Gewaltsames, auch wenn sich die Vertragsparteien mit den Stäben, die sie in den Händen hielten, nicht gegenseitig verprügelten sondern nur symbolisch den Sklaven schlugen, um zu beweisen, dass er ihr jeweiliges Eigentum war.

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    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • "Oh, das Prinzip war ihnen denke ich durchaus nicht unbekannt. Man stand ja durchaus im Austausch mit anderen Völkern, die Kaufgeschäfte kannten. Also, wenn ich mich nicht verhört habe, ist keiner von euch drauf gekommen. Es liegt auch ein gedanklicher Schritt, der nicht besonders nahe liegt.

    Euch sollten in den Formeln gewissen Gemeinsamkeiten aufgefallen sein. Hier nocheinmal die Mancipatio: "hunc ego hominem ex iure quiritium meum esse aio " Und hier der relevante Teil der Legis Actio Sacramento in Rem: "Hunc ego hominem ex iure quiritium meum esse aio" Das, meine Freunde ist eine zu deutliche Gemeinsamkeit, um Zufall zu sein.

    Der Text der Mancipatio klingt schon seltsam nicht nach dem was einenen Kaufvertrag ausmachen würde. Wieso behauptet jemand, dass etwas ihm nach dem Recht der Quiriten gehört, wenn er es doch gerade erst kauft. Und hier kommt der Trick. Die Gelehrten glauben, dass die Mancipatio ursprünglich überhaupt kein Kaufvertrag war. Denn man konnte die Res Mancipi ja nicht verkaufen.

    Und jetzt müssen wir einen Moment juristisch denken. Soll heißen, wie kommen wir da herum? Nun, es gab einen Weg, wie jemand in das Eigentum von Res Mancipi kommen konnte, die vorher jemand anders gehört hatten: Man konnte diesen anderen verklagen. Mit der Legis Actio Sacramento in Rem, die dazu gedacht war, Dinge von jemandem heraus zu bekommen, die diesem nicht gehörten. Wenn also zwei Leute übereingekommen waren, einen Sklaven zu übereignen, ging der "Käufer" zum zuständigen Richter und verklagte den "Verkäufer" mit der Legis Actio Sacramento in Rem darauf, dass ihm der Sklave heraus gegeben werden sollte. Und im Prozess schwieg der Verkäufer auf die Behauptung, dass der Sklave dem Käufer gehörte, verlor damit den Prozess und der Sklave hatte den Eigentümer gewechselt. Über die Zeit hat siche dieser "Prozess" zu diesem Ding mit der Waage und den Zeugen verselbstständigt. Die Mancipatio ist auch nicht das einzige Geschäft per Libram et Aes. Hat aber das Prinzip jeder verstanden?

    Warum erzähle ich das? Um euch an das juristische Denken heran zu führen. Es führt um Ecken und Kanten und folgt seiner eigenen Logik. Denkt einen Moment darüber nach und behaltet es bei unseren Überlegungen im Kopf."

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    KLIENT - MANIUS FLAVIUS GRACCHUS

  • Lurco starrte Flaccus an. Man kaufte Sklaven also im Grunde nicht, sondern behauptete dieser Sklave gehört mir und verklagte den Verkäufer. Der Verkäufer schwieg, verlor die Klage und schon ging der Sklave in den Besitz des neuen Eigentümers über. Juristisch betrachtet war das ein Winkelzug, um etwas zu verkaufen, was nicht zu verkaufen war.


    Wo kein Kläger, da kein Richter. Aber hier gab es einen Kläger, der nun zum Kauf auch noch einen Anwalt, einen Richter und ein Gericht beschäftigte. Einerseits konnte man die Kreativität loben, inwieweit man eigentlich etwas Feststehendes dennoch durch Winkelzüge umgehen konnte. Eine Schenkung und gegenseitiger Geldaustausch wäre vielleicht auch möglich, aber wer wusste schon, ob Sklaven verschenkt werden durften? Vermutlich gab es dort auch eine andere Form des Tausches. Statt Klage und Prozessverlust, gab es vielleicht eine andere Lösung.


    Sklavenhaltung war nichts für Anfänger, dass stand für Lurco fest.

  • Aha, das hieß also, die Vorfahren wussten ganz genau, dass es sich um einen Winkelzug handelte und handelten nicht aus Unwissenheit. Diese Denkart gefiel mir, und so langsam dachte ich, dass es vielleicht mehr Spaß machen konnte Gesetze legal zu umgehen als auszuführen, und ich grinste vor mich hin. Ich meinte zu verstehen, was Tiberius am Recht reizte.


    Ich fragte noch einmal nach: "Aber heutzutage werden die meisten Sklaven nicht mehr auf diese Weise verkauft, oder? Ich meine, es gibt Orte wie die großen Sklavenmärkte, da wechseln an einem Tag Tausende den Besitzer, da wäre das zu umständlich.


    Mir fällt noch etwas ein, die Freilassung eines Sklaven vor dem Praetor, die läuft ähnlich ab, wenn man es hochoffiziell und nicht etwa durch einen Brief machen möchte.

    Der adsertor ad libertam* behauptet, dass der Mann frei ist und berührt ihn, und der eigentliche Freilasser schweigt.

    Ist das auch ein Zeichen dafür, dass die Freilassung eigentlich vorher nie vorgesehen war?"



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    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • Ravilla kam nicht umhin, die Vorfahren ob ihrer schlitzohrigen Raffinesse zu bewundern. Die Antwort auf die Frage des Saturninus war auch für ihn von Interesse. Seine eigenen Sklaven entstammten dem Familienbesitz, auf einem Sklavenmarkt erworben hatte er bislang keinen. Während der Vater seines Anaxis noch den Duft der Freiheit kannte und rechtmäßig als Kriegsbeute in den Familienbesitz übergegangen war und heute Ravillas Vater diente, so war Anaxis hausgeboren.

  • Lurco dachte über die Worte von Saturninus nach.


    "Es könnte auch durchaus sein, dass die Freilassung am Ende die einzige Möglichkeit ist, eine unliebsamen Sklaven los zu werden. Kauf wie Verkauf scheinen an extreme Bedingungen geknüpft zu sein. Hat man nun ein Sklaven geerbt, der einem nichts als Ärger macht, kann man diesen somit nicht einfach verkaufen. Da ist doch die Frage berechtigt, wer hier wen besitzt. Sprich der Herr ist meines Erachtens nach schlimmer an den Sklaven gekettet, als der Sklave an den Herrn. Denn der Herr darf den Sklaven versorgen, ihm ein Dach über dem Kopf finanzieren, ebenso Kleidung, Nahrung und so weiter. Arbeitet dieser Sklave dann nicht ordnungsgemäß oder schlimmer noch, zeigt sich von schlimmster Seite kann man ihn nicht einfach verkaufen.


    Heißt kann man den Sklaven weder verkaufen, noch in die Arena schicken, bleibt einem nur die Freilassung. Falls diese auch noch an zig Gebote und Verbote geknüpft ist, mit fast unüberwindbaren Zusatzhindernissen was bleibt denn da?", grübelte Lurco laut.

  • Diese Ansicht erstaunte mich nun, so dass ich dazu etwas sagen musste.


    Das klingt in meinen Ohren komplett falsch. Die Freilassung ist keine Belohnung für schändliches oder widerspenstiges Verhalten und das darf sie auch nicht werden! Mit der Freilassung wird der Libertus noch enger an die Familie gebunden als zuvor als Sklave. Er geht Verpflichtungen ein, welche einen Willen zur Zusammenarbeit mit seinem Patron voraussetzen. Es kann also nicht sein, dass ein Sklave der nur Sorgen macht und sogar unverkäuflich ist, einfach freigelassen wird, zumal ihm dies ja auch Tür und Tor zum Bürgerrecht öffnen würde!


    Nein, ein Sklave der sich mir gegenüber widerspenstig oder gar auflehnend verhält, der wird gezüchtigt. Immerhin ist er mein Eigentum. Wenn er sich komplett uneinsichtig zeigt, dann übe ich als pater familias meine Rechte aus und die gehen ja selbst bei Töchtern und Söhnen bis zur Todesstrafe, also kann ich sicherlich auch einen Sklaven richten, wenn es nötig wird, oder nicht?

  • Lurco hörte seinem Patron aufmerksam zu.

    "Ja so soll es sein. Eine Frage, was geschieht eigentlich mit jenen Herrn, die bewusst ihr Recht auf Züchtigung missachten und somit wissentlich und willentlich Leib und Leben wie auch das Wohl anderer Römer gefährden? Wie hat man so einen Vorfall zu werten? Sprich wenn jemand bewusst einen Sklaven schützt, wider jeder Vernunft und besseren Wissens. Mehr noch wohlwissend, dass dieser Sklave andere bereits beleidigt, bedroht, tätlich angegriffen und vermutlich sogar eine Brandstiftung begangen hat?


    Der Herr haftet für seinen Sklaven. Hat er somit nicht auch für sämtichen entstandenen Schaden zu haften? Sprich tatsächlich jenem Schaden, der von diesem Sklaven allein oder in Zusammenarbeit mit anderen niederen Subjekten ausging? Immerhin hat dieser Herr das unziemliche bis kriminelle Verhalten seines Sklaven nicht unterbunden", fragte Lurco freundlich nach.


  • Auch ich war erstaunt, denn was der Purgitier anmerkte, hatte ich so nicht sagen wollen, und ich nickte zu den Ausführungen meines Patrons:

    "Man darf nicht vergessen, dass die Sklaven zur Familia gehören und unter dem Schutz unserer Laren stehen.

    Zumindest was die Haussklaven betrifft. Bei zehntausenden von Arbeitern auf den Latifundien ist das wohl nicht so."


    Ich richtete meinen Blick aufmerksam auf Purgitius Lurco.

    Ich selbst hatte gerne Ruhe und Frieden in der Familia und würde einen aufsässigen Diener wieder weiter verkaufen. Bei harter Feldarbeit oder Arbeit in einem Bergwerk würde dem Sklaven die Aufsässigkeit gewiss vergehen. Aber nun war ich neugierig:


    "Kennst du denn solch einen Fall, o Purgitius Lurco, wie du ihn beschreibst?"

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  • "Leider kenne ich einen derartigen Fall, vermutlich sind selbst die Laren an diesem Sklaven verzweifelt. Es kann nicht anders sein. Deshalb frage ich derart nach, da mir die rechtliche Einschätzung diesbezüglich weiterhelfen würde. Persönlich kann ich mich glücklich schätzen, dass unsere Sklaven friedlich und freundlich sind. Terpander ist ein alter Grieche, der mit Wissen und Lebenserfahrung aufwarten kann. Als freundlich und geduldig würde ich ihn beschreiben, ebenso ein guter Lehrer. Charislaus ist jung, fleißig und weiß ebenfalls wie man sich zu benehmen hat. Die beiden führen zudem für uns die Taberna der Lallende Löwe und sie machen das wirklich sehr gut", antwortete Lurco freundlich.


    Bezogen auf dieses Thema wollte er eh noch mit Saturninus sprechen. Allerdings im privaten Rahmen und auf den Punkt gebracht, worum es sich handelte. Aber hier war seine Frage tatsächlich genereller Natur, denn derartige Vorkommnisse konnten sich jederzeit wiederholen. Da war es ratsam schon vorab zu wissen, welchen Handlungsspielraum man hatte oder besser gesagt der Herr. Vielleicht war ein passender Ratschlag an richtiger Stelle die frühzeitige und einfachste Lösung.


    Wenn, ja wenn nicht noch ganz andere Dinge als reiner Ungehorsam im Raum standen. Denn genau das war hier der Fall und Saturninus konnte möglicherweise etwas zur Aufklärung beitragen.

  • Also in meinen Augen haftet der Herr für die Taten seines Sklaven, sofern nicht der Sklave selbst zur Rechenschaft gezogen werden kann. Es gibt ja schliesslich Taten, für welche eindeutig der Sklave selbst bestraft werden muss und nicht der Herr. Doch sonst müsste man den Herrn belangen können.


    Auch wenn das hiess, dass ich als Senator vielleicht einmal einen Schaden eines meiner Sklaven beheben musste, oder gerade stehen musste dafür, so war dies trotzdem meine Meinung. Mit konkreten Gesetzen konnte ich das nicht belegen. Mos Maiorum, kam mir da als Stichwort in den Sinn, mehr nicht.

  • Persönlich kann ich mich glücklich schätzen, dass unsere Sklaven friedlich und freundlich sind. Terpander ist ein alter Grieche, der mit Wissen und Lebenserfahrung aufwarten kann. Als freundlich und geduldig würde ich ihn beschreiben, ebenso ein guter Lehrer. Charislaus ist jung, fleißig und weiß ebenfalls wie man sich zu benehmen hat. Die beiden führen zudem für uns die Taberna der Lallende Löwe und sie machen das wirklich sehr gut", antwortete Lurco freundlich.


    Hätte ich die Namen der Sklaven des Lallenden Löwen behalten, hätte ich bemerkt, dass ich beide Diener kannte, und dass sie mir in der Tat positiv aufgefallen war: Der ältere Terpander als ruhiger, lebenskluger Aufsichtsführender und Charislaus als aufmerksam und ein Meister der Kochkunst. Aber in diesem Moment entsann ich mir beider nicht.


    Um meinen Patron zu ergänzen, zitierte ich aus dem Zwölftafelgesetz und zwar aus der zwölften Tafel ( Wie fast alle römischen Knaben hatte ich während meiner Schulzeit Teile davon auswendig lernen müssen):

    "Si Servus furtum faxit noxiamve nocuit....*

    Die Bestimmungen aus dem Zwölftafelgesetz spiegeln das wieder: Für von einem Sklaven begangenen Diebstahl oder von ihm angerichtete Schäden hatte der Eigentümer gegenüber dem Geschädigten zu haften.

    Er kann den Schaden begleichen oder dem Geschädigten den Sklaven zur Bestrafung ausliefern. Der Diener steht damit einem Hauskind gleich.

    Wenn der Herr den Geschädigten nicht entschädigt, ist es meiner Ansicht so, als hätte er selbst den Delikt begangen.

    Allerdings muss ja auch bewiesen sein, dass der Sklave es wirklich war, und das muss vor Gericht geklärt werden.

    Einem Denunzianten, der lediglich behauptet, ich habe den Sklaven bei diesem oder jenem gesehen, würde ich nicht glauben.


    Stell dir nur vor, Purgitius Lurco, rein hypothetisch, denn dem ist nicht so und die Götter mögen verhüten, dass es so kommt: Ich läge mit dir im Streit, vielleicht wegen eines Geschäftes oder einer schönen Hetäre, und du behauptest dann, der Sklave von Furius hätte jenes oder dieses getan und sein Herr müsste Schadensersatz leisten oder dir den Sklaven ausliefern.

    Gäbe es Zeugen? Und wäre der Zeuge vertrauenswürdig oder vielleicht gekauft oder aus eigenem Motiv getrieben?

    Natürlich würde ich zunächst meinen Sklaven verteidigen, denn er ist ja Teil der furischen Familia."



    Sim-Off:

    *Wenn ein Sklave einen Diebstahl beging oder Schaden zugefügt hat, …

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