Triclinium | "Wahrheit ist die kostbarste aller Tugenden..."

  • "Wahrheit ist die kostbarste aller Tugenden - und sollte aus diesem Grund mit äußerster Vorsicht und Bedachtsamkeit angewandt werden."



    Als ich das Triclinium betrat, legte sich die Befangenheit lähmend schwer auf mich, und das lag nicht an der ungeheuren Pracht dieser Säle. So oft hatte ich mir in den letzten Monaten gesagt: Ich muß mit Manius reden! und so oft hatte ich es dann doch nicht getan. Auch wenn ich mir selbst intensiv versicherte, dass das Verschweigen gewisser Dinge bei weitem nicht das gleiche war wie mutwillige Lügen, so war mir doch, als würde ein Dorn in meinem Herzen stecken, jedes mal wenn ich Manius sah, jedes mal wenn ich an ihn dachte.
    Seit Sciurus, Hadesbrut Sciurus, der verfluchte Sicarius, von den Toten wiederauferstanden war, waren Manius und ich übereingekommen, uns nicht mehr in der Villa Eutopia zu treffen, wir pflegten zur Zeit nur den unverfänglichen Umgang "guter Freunde".

    Und wie einen guten Freund empfing Manius mich vertraulich im Triclinium, nachdem ich unangemeldet vor der Türe seiner Villa gestanden hatte. Es war ein schwüler Tag, die Hitze des beginnenden Sommers machte Roms Glanz stumpf, die Menschen halb schläfrig, halb reizbar. Ich war nach dem Dienst in der Therme gewesen, hatte mir Schweiß und Staub abgewaschen, mich pflegen und ölen lassen, bevor ich zu ihm kam.

    "Salve..." Meine Füße schritten über das noble Mosaik auf ihn zu, und schienen zentnerschwer dabei. Ich lächelte angestrengt. "Nein, es ist nicht wegen Sciurus, es gibt da leider noch immer nichts neues. - Ich wollte nur... dich sehen, mit dir sprechen." Ich holte tief Luft, und fragte dann doch nur: "Wie... wie war deine Woche?"



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  • Faustus Decimus Serapio

    Hat den Titel des Themas von „Triclinum | "Wahrheit ist die kostbarste aller Tugenden..."“ zu „Triclinium | "Wahrheit ist die kostbarste aller Tugenden..."“ geändert.
  • Es gab kaum eine angenehmere Überraschung dieser Tage für Gracchus als ein unangemeldeter Besuch Serapios, gleichwohl die Nähe des Geliebten in Kombination mit jener Reduktion auf einen freundschaftlichen Umgang dem Flavier bisweilen als schlimmeres Übel erschien als ihn weit fort in der Fremde zu missen. Ab und an trug er sich mit dem Gedanken, dass dieses Leidenschaft allfällig irgendwann zu einem Abenteuer musste verkommen, welches durch die Gewohnheit schlussendlich seinen Reiz verlor, ja dass Faustus selbst im Verrinnen der Zeit seinen Reiz würde verlieren müssen. Doch Gracchus sah in Faustus die ihn ergänzende Seele, deren Anziehung nicht auf Reizen basierte, sondern dem Streben nach der Vervollständigung der verlorenen Einheit. Allfällig indes war es auch nur die Distanz, welche sie stets in der Öffentlichkeit - selbst in den meisten Räumlichkeiten ihrer beider Zuhause - umgab, welche Gracchus' Sehnen nicht minder werden, ihn stets auf ein Neues entfachen ließ, und Serapio mit jedem Jahr, das verging, ihm begehrlicher machte. Dem epischen Heroen gleich trat Hephaistion auf ihn zu, in eine Melange aus unschuldiger Frische und männlicher Verwegenheit gehüllt, und nur einen winzigen Augenblick lang vermochte das leidige Thema Sciurus die klandestine Euphorie in Gracchus' Herzen zu trüben.

    "Frage nicht"

    , winkte er sodann auf die Frage ab.

    "Ich sehne mich nach den Senatsferien, oder besser noch nach dem Tage da ich Minor schlichtweg all diese Pflichten überantworten kann und in der Curia nur noch mein Einverständnis geben muss."

    Es gab nur wenige Menschen in seinem Leben, welchen gegenüber er in dieser Hinsicht ehrlich war, doch Faustus kannte weitaus dunklere Seiten seines selbst. Er bot ihm einen kühlen, noch reichlich verdünnten Wein an, welcher indes von solcherart Güte war, dass er selbst in dieser Mischung einen angenehm samtig-fruchtigen Charakter aufwies. Als er ihm das Glas reichte, streiften Gracchus' Finger für einen Augenblick Serapios Hand, was einen wohligen Schauer in ihm evozierte.

    "Wie geht es dir? Du siehst ... ein wenig müde aus. Ich weiß, du darfst mir nicht beri'hten, doch ich hoffe das Imperium ist nicht in Gefahr."

    Auch wenn ein schalkhaftes Lächeln die Lippen des Flaviers umspielte - er wusste, dass das Leben eines Praetorianers nicht unablässig aus heldenhaften Ermittlungen und Einsätzen bestand, sondern durchaus auch aus Routine und Bürokratie -, so lag doch auch ein wenig Sorge in seiner Stimme - schlussendlich wusste man nie, wann das Imperium, respektive der Augustus tatsächlich in verborgener Gefahr schwebte, oder aber Serapio kurz vor einer Mission in die Ferner stand.

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  • "Nicht mehr als sonst auch." winkte ich ab. Gab es doch zersetzende Kräfte in unserem Imperium, die niemals ruhten.
    Manius' Fingerspitzen streiften die meinen. Ist das alles? Das halbschräge Lächeln um seine Mundwinkel griff nach meinem Herz, zugleich fühlte ich mich wie in Bande geschlagen. Wir waren wie Schauspieler, die immer wieder die gleiche Szene spielten, so eingefahren, dass wir nie vom Fleck dabei kamen. Ich ließ den Wein in meinem Glas kreisen, ein roter Strudel.

    "Wir müssen da raus," hörte ich mich mit einem Mal dringlich sagen, hob die Augen zu seinem Antlitz. "Manius, weißt du noch wie wir gebrannt haben? Du hast dem Vipernkaiser die Stirn geboten für mich. Ich dich trotz Proskription versteckt. Oder... die Briefe! Jeder deiner Briefe, über das Mare Nostrum, damals über die lachende Hyäne... war wie eine Welt für mich. Wir waren bedingungslos, elementar, eine Naturgewalt! Und jetzt... jetzt takten wir unsere spärlichen Treffen fein säuberlich im Kalender ein, zwischen Senatspflichten und Gardedienst und Familiencena! Wir haben uns verstellt vor der Welt, so lange und so gründlich, es ist uns bis ins Mark gedrungen, es erstickt, es lähmt, ich hasse diese verdammte Routine, wir verlieren uns, am Ende gibt’s gar nichts mehr zu verstecken!"
    Meine Finger bebten, als ich das Glas abstellte, eine Bewegung auf Manius zu machte, dann wiederum innehielt und ihm erblassend gestand:
    "Ich habe... ich wollte... muss dir sagen... jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut."

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  • In Vorfreude der berauschenden Nähe des herannahenden Geliebten war Gracchus aus seinem Gedankengebäude freimütig herausgetreten, setzte sehnsüchtig Schritt um Schritt über den Strand der Hoffnung in Erwartung der Ankunft der prächtigen Barke, den körnigen, doch weichen Sand unter seinen Fußsohlen spürend, die warme Brise auf seiner Haut. Ein wenig zögerlich wurde sein federnder Gang als Serapio zu sprechen begann, langsam, gedehnt, denn auch Faustus spürte die nahende Gefahr der Gleichförmigkeit, einen aufziehende Flaute, welche sie voneinander fort zu treiben drohte, und doch war Gracchus dessen sicher, dass all dies nur eine Episode war, dass die hitzige Leidenschaft noch immer in ihnen brannte und nur eines neuen Funkens bedurfte, ob dessen er unbekümmert blieb, bar und bloß im Schein seiner inneren Sonne stand, sorglos und ein wenig naiv den sanften Reigen der Wogen beobachtend bis zu jenem umstürzenden Herzschlage dass Faustus seine Bekenntnis offenbarte.

    Jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut.

    Stumm und ungerührt stand der Flavier im Äußeren, während im Inneren die zarten Cumulus-Wolken am Horizont sich verdichteten, in keiner Zeit zu einem Gewitterberg sich auftürmten und die See unter sich mit sich zogen. Zornig brausten die Wellen auf, schlugen übereinander in wilder Hatz, bis dass eine gewaltige Flut sich brach und mit dem Getöse unzählig aufgebrachter Bienen dräuend auf das Ufer zurollte.

    Jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut.

    Noch unfähig zu verstehen, die Bedeutung dessen zu durchdringen wandte der innere Manius mit vor entsetzen aufgerissenen Augen sich um, rannte den Strand entlang - der Sand unter seinen Füßen tausenden Glassplittern gleich, der reißende Wind eiskalt auf seiner Haut -, rannte in die sicheren Gefilde seines Gedankengebäudes, doch hielt nicht ein, rannte und rannte, die endlos langen Flure entlang, vorbei an den Kammern, Zimmern und Sälen, welche die Erinnerung all jener kostbaren Augenblicke mit Serapio bargen, rannte bis zu den Stufen des Turmes, verfolgt von jenem unbarmherzigen Echo, das von allen Mauern widerhallte.

    Jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut.

    In seiner Kehle brannte der Atem, sein Herz schlug ihm bis in die Ohren, doch noch immer hielt er nicht inne, rannte die Stufen empor, weiter, immer weiter dem Himmel entgegen, Stufe, um Stufe, um Stufe. Erst oben, weit oben auf der kleinen Plattform des Turmes angelangt kam er zu Atem, kehrte Ruhe, kehrte Taubheit in ihn ein. Unter ihm tanzten die tosenden Stürme der Emotionen, weit unten rollten die gewaltigen Flutwellen der Enttäuschung über den Strand, doch die festen, dicken Mauern des Turmes, welchen über Jahre, Jahrzehnte er sich hatte errichtet, standen unbeeindruckt, brachen jegliches Gefühl. Hier oben war er sicher. Einsam. Doch sicher.

    Jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut.

    Es drängte ihn danach, auch im Äußeren zurückzuweichen, die Distanz zwischen Faustus und sich zu vergrößern, die Gefahr zu bannen, dass jener den Schmerz in seinem Inneren würde entdecken können, doch Gracchus zwang sich, stehen zu bleiben. Unbewegt. Reglos. Gefangen hinter seinen festen, dicken Mauern, die Maske tragend, welche in Jahren der Öffentlichkeit er sich hatte zu eigen gemacht.

    "Dann ... ist das also ... das Ende?"

    So einfach war es? Verdrängt von einem anderen. Einem anderen, der nun unter Faustus Haut kroch, mit ihm brannte, ihm Briefe sandte und über die Weltmeere folgte, mit ihm eine bedingungslose, elementare Naturgewalt war. So einfach. Damals, als Caius ihn verlassen hatte für eine Frau, ihm nur eine Nachricht hatte hinterlassen, damals hatte er geglaubt, im Angesichte hätte er alle elementare Gewalt walten lassen, hätte gekämpft um sein Herz, ihm bewiesen, dass es ihm gehörte. Doch nun, Jahre später in similärer Situation fühlte er sich wie eine alte, traditionelle Marmorstatue, an welcher man sich hatte satt gesehen, die ausgetauscht wurde gegen ein Modell nach moderner Art, die entsorgt wurde auf einem Haufen aus Schutt - ebenso kalt und hart und zerbrochen. Die Gegenwart Faustus' machte keinen Unterschied, denn Gracchus stand längst auf seinem Turm, unfähig zu kämpfen, erstarrt in Furcht vor der Zukunft, welche die Vergangenheit in sich barg.

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  • War das alles? Hatte er nichts anderes zu sagen?! Da war ja nicht mal der allerspärlichste Versuch, mich zu halten. Oder gar, um mich - um uns - zu kämpfen.
    "Das Ende?" wiederholte ich wie ein Echo. "Ende? Von Ende habe ich nichts gesagt, ich habe gesagt, ich will dich nicht verlieren, du hast dieses Wort benutzt: Ende."
    Wie eine Statue des Iuppiter Optimus Maximus, so kühl und scheinbar unberührt stand er vor mir, marmorne Noblesse, erhaben über die profanen Gefühle, die Sterbliche wie mich umtrieben. Dass es in seinem Inneren anders aussah, das konnte ich mir schon denken, dafür kannte ich ihn gut genug, trotzdem brachte mich diese überlegene Fassade seit jeher schon auf die Palme.
    "Sag du's mir!"
    Jäh trat ich auf ihn zu, umgriff seine Schultern, wollte ihn schütteln, um irgendeine ehrliche Reaktion aus ihm heraus zu holen.
    "Manius! Mir... mir wäre doch das nicht passiert, wenn zwischen uns alles in Ordnung wäre! Bonadea, ich hab's doch nicht darauf angelegt. Du bist... du warst immer..."
    Impulsiv zog ich ihn an mich, spürte die Vertrautheit, die Bande, die uns verflochten, den Widerhall der alten Leidenschaft, und zugleich die abweisende angespannte Härte seiner Schultern, die mich abprallen ließen, ganz so als hätte ich tatsächlich versucht, eine Iuppiter-Statue zu umarmen.
    "Mit ihm ist einfach alles auf einmal wieder... unglaublich leicht und..."
    Das schlechte Gewissen erstickte meine Stimme. Ich räusperte mich, versuchte konfus, mich zu verteidigen.
    "Verdammt, es ist ja nun auch nicht so, als hättest du nur immer Augen für mich gehabt und dich nicht auch anderweitig zerstreut! Sciurus war dir doch, viel, viel mehr als nur ein Bettgefährte! Und... und deine Senatslehrlinge... einer attraktiver als der andere...! Diesen Seius, diesen flamboyanten Schönling, den hast du dann ja auch unverzüglich bei dir einquartiert!"

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  • Starr stand der Flavier inmitten Serapios Versuch der Umarmung, einzig seine linke Braue hob sich, als Faustus ansetzte zu erklären, dass er immer ist...war... Was war er? Das Gegenteil von unglaublich leicht? Allfällig stimmte dies gar, zweifelsohne stimmte dies. Hatte er sein Leben lang damit gehadert, ein Gefühl der Leichtigkeit außerhalb seiner höchst privaten Mauern zu zeigen, so war ihm als gäbe es seit einigen Jahren diese Leichtigkeit nicht einmal mehr in seinem Innersten. Das Leben in all seinen Facetten wog schlicht zu schwer - sein Erbe, die Pflichten, die Laufbahn, die Ämter, Caius, Leontia und Quintus Tullius, Antonia und Prisca, die Kinder, Konspiration und Mord, Bürgerkrieg und Verrat, Flucht und Verdrängen, Sciurus und die Christianer, selbst Faustus, das Sehnen und Bangen, Verstecken und Verleugnen - dies alles lag auf ihm wie eine dumpfe Schicht Staub und Geröll, welche beständig ihn hernieder drückte und bei jedem Atem in seine Lungen sich ätzte. Er war kein Atlas, der mühelos die Welt mit all ihrem Grauen auf seinen Schultern balancierte. Einen Augenblick lang fielen seine angespannten Schultern herab, als indes Faustus zu einem Angriff überging.

    "Sciurus?"

    Eine Couleur des Unglaubens färbte Gracchus' Stimme.
    "Er war ein Sklave!"
    Zweifelsohne ein besonderer - früher zumindest -, welchen der Flavier mehr als nur geschätzt hatte - durchaus auch zur Befriedigung seiner Bedürfnisse -, aber eben doch nur ein Sklave.
    "Ebenso könntest du mir vor..werfen, mich eine jede Nacht in meine Bettdecke zu schmiegen!"
    Gracchus selbst wäre durchaus gerne Faustus' Bettdecke, welche sich allabendlich um seinen nackten, noch immer muskulösen Körper legte und die Nacht mit ihm durfte verbringen.

    "Und Seius!"
    Deplorablerweise konnte der Flavier nicht ganz so viel Empörung in seine Stimme legen wie er sich wünschte, denn Seius Ravilla war durchaus eine Augenweide, der Gracchus nicht wäre abgeneigt gewesen, hätte die Gelegenheit sich geboten. Doch die Gelegenheit hatte sich nicht geboten, und er war nun einmal auch kein junger Alkibiades, der in Ausschweifungen die Welt sich untertan machte.
    "Seius ist ein Abkömmling nobler Familien, der in Rom noch keine Ver..bindungen besitzt. Die Gastfreundschaft gebietet es mir, als Patron ihm eine Bleibe zu gewähren bis er eine angemessene Unterkunft be..ziehen kann. Bis auf den besiegelnden Handschlag habe ich ihn nicht ein einziges Mal berührt."
    Seine Schultern spannten sich wieder an.
    "Und mitni'hten nicht ist er mir unter die Haut gegangen!"
    Gracchus zögerte. Was genau bedeutete dies überhaupt? Er hatte augenblicklich angenommen, dass es zu viel, dass es alles bedeutete, doch was, wenn nicht? Und weshalb rechtfertigte er sich, obgleich er doch nicht mehr sich hatte vorzuwerfen als einige fantasievolle Gedanken - welche indes aus der Situation der Gastfreundschaft heraus entstanden waren und keinesfalls das Patronatsverhältnis aus diesen Gedanken heraus.
    "Was soll dies überhaupt bedeuten? Er ist dir unter die Haut ge..gangen? Hast du ... ?"

    Wie das Schwert des Damokles schwebte die unausgesprochene Frage über ihnen.

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  • "Na und?!" erwiderte ich hitzig. "Ein Sklave, wohl, aber zugleich ein Mann!!"
    Doch die Erinnerung daran, wie Manius den Sciurus in die Tiefe gestoßen hatte, und die rechtschaffene Replik zum Seius – alles ganz harmlos, aha - die ich mit verkniffener Miene hörte... nahmen mir den Wind aus den Segeln. Nobel und selbstgerecht, und dazu noch im Recht stand mein Meditrinalien-Aton vor mir, und meine eigene Nichtswürdigkeit sickerte lähmend aus jedem Winkel des Raume, aus jeder Fuge des erlesenen Bodenmosaikes auf dem ich stand, wie der Rauch auf den phlegraeischen Feldern.

    "Ich habe es nicht darauf angelegt. Aber ich bin das Einerlei so leid! Wir drehen uns umeinander, Manius, wie Pantomimen, die das immergleiche Stück aufführen, eine Erinnerung hochhaltend, immer die Erinnerung zelebrierend, eine Meditrinaliennacht in Bernstein gefangen, perfekt und leblos, aber wir haben es verpasst, unser Leben zusammen zu führen, wir hätten zusammen fortgehen können, haben es nicht getan, haben es beide nicht gewagt, jetzt ist es zu spät und wir sind... nicht mehr jung... und erstarrt in Routinen, Dienst, Familie, Ansehen... - Ich habe es satt. Mein Dienst, dem ich so viel geopfert habe – was ist er überhaupt nütze, Kaiser kommen und gehen, und gegen Ränke und Giftmord kann alle Wachsamkeit der Welt nicht bestehen. Früher... da war ich immer der jüngste, der jüngste Tesserarius der Prima, der jüngste Centurio der Stadtkohorten, der jüngste Praefectus Praetorio den Rom gesehen hat... aber das ist lange her, nun bin ich nur noch ein Relikt aus martialischeren Zeiten, altes Eisen, für unseren 'Friedenskaiser' nur noch störend, eine lästige Erinnerung daran, dass er einst mit Hilfe meiner Gens an die Macht kam, meiner Gens, die längst nur noch ein Schatten ihres einstiges Ruhmes ist, ich bin ein alternder Tribun im Abseits, es fließt mir wie Sand durch die Finger. Ich bin es leid. Ich habe es nicht darauf angelegt. Ich wollte nur Ablenkung, auf dem Bacchanal, nur flüchtigen Rausch, aber als ich... ihm begegnet bin, war es als ob ein Blitz die dunkle Nacht erhellt." Trotzig, weil dies so abgeschmackt klang, und doch wahr war, reckte ich das Kinn, hob wieder den Blick und blickte Manius direkt an.
    "Ich kann nichts dafür, jeder der Augen im Kopf hat, oder auch nur eine Spur von ästhetischem Empfinden, muss ihm verfallen. Er ist umwerfend, wie ein Held aus alter Sage, als wäre Orion vom Firmament herab gestiegen. Ich wette, ja, ich würde meinen Streitwagen darauf verwetten, dass es dir ganz genauso ergehen würde, wenn du ihm entgegen treten würdest."

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  • 'Kein Mann, ein Sklave!'

    , lag die Replik auf Gracchus' Zunge, doch er schluckte sie hinunter, um sich nicht beständig zu wiederholen - zu oft hatten sie diese Diskussion geführt, ohne sich je überzeugen zu können vom Standpunkt des anderen. Ohnehin, was galt Sciurus noch? Es schmerzte den Flavier wie Serapio alles, was zwischen ihnen bestand, auf eine Nacht reduzierte - eine bedeutsame Nacht, doch letztlich nur der Beginn -, und sein Leib versteifte sich einmal mehr in Abwehr. Nur ein einzige Nacht konserviert in Bernstein? Gracchus pflegte einen ganzen Saal voller Augenblicke mit Faustus - Lächeln, Lachen, Fingerzeige, Nicken, Blicke, Funkeln, flüchtige Berührungen, Handschläge, Umarmungen, Aneinanderschmiegen, Vereinigungen, Seufzer, Worte laut und leise, Grüße, Rufe, Düfte, Farben, Melodien, Geschmäcker, ... so viel mehr. Allfällig würde all dies in ein Zimmer seines Gedankengebäudes passen, so er es in Schubladen würde verwahren, doch viel lieber labte er sich an all den Erinnerungen wie in einem Lustgarten, durch den er konnte wandeln. Gracchus packte Serapio an den Schultern, denn mit einem Male ging es nicht nur um sie beide, mit einem Male schien der Decimer ihm zu entgleiten.

    "Eine einzige Nacht, Faustus? Der Augenblick einer Meditrinaliennacht oder des Ruhmes als jüngster Praefectus Praetorio? Ist dies alles, was zählt? Blitze in der Na'ht?"

    Er schüttelte verärgert den Kopf und ließ seine Hände sinken.

    "Wie kannst du nur derart abschätzig auf dein Leben blicken, derart abschätzig auf deine Familie, ihren Ruhm und ihre Bedeutung! Kein Leben ist eine unendli'he Aneinanderreihung von Glanz und Glorie, nicht einmal jenes der Kaiser, nicht einmal jenes der Heroen! Nur die Götter strahlen endlos, jedes andere Feuer erlischt und seine Bedeutsamkeit zeigt sich in der Spur, welche es hinterlässt!"

    Eine kurze Pause füllte den Raum zwischen ihnen mit Stille.

    "Es gibt zwei Arten von Heroen. Jene, welche wie Achilleus hell und intensiv glühen, und nach diesem ihrem höchsten Glanze verglühen. Und jene, welche wie Odysseus Ruhm erlangen, und hernach noch ein langes, erfülltes Leben abseits des Glanzes führen. Beide sind unver..gessen und werden auf ewig mit ihrem Ruhm verbunden bleiben."

    Noch einmal folgte eine kurze Pause, doch ehe Faustus etwas erwidern konnte, fuhr Gracchus fort.

    "Ich war stets der Ansicht, dass Odysseus der schlauere von beiden war. Das Leben besteht nicht aus perfekten Augenblicken, nicht aus einer kurzen Aneinanderreihung von Ruhm, einem Aufmarsch von Heroen in einem Theaterstück. Ebenso wenig wie die Liebe. Ist nicht darob das Band zwischen uns besonders, da es nie um den perfekten Augenblick ging, nicht um die Illusion des perfekten Augenblickes, nicht um den Schatten an der Höhlenwand, sondern die Wahrheit, das gänzliche Ideal dahinter. Zwei Teile, welche zusammen gehören, die zer..rissene Seele, welche ihr Gegenpart wiederfindet. Gewiss hätten wir mehr haben können, doch allfällig wären wir auch schlichtweg nur verglüht wie Achilleus."

    Sein Antlitz wurde wieder etwas weicher als er Faustus stolzen Blick erwiderte.

    "Faustus, das Leben ist - du bist so viel mehr als nur ein Augenblick flüchtigen Ruhmes! Die Welt wird dich nicht ver..gessen, jüngster Praefectus Praetorio, den Rom je gesehen hat, wie sie Odysseus nicht vergisst ob seiner heroischen Augenblicke. Doch nun, in deinen heimatlichen Hafen zurückgekehrt, ist weder Ruhm zu finden, noch vonnöten. Altes Eisen, vielleicht, doch noch immer von bester Qualität, scharf wie eh und je, mit einer schönen Patina - nicht das Gladius, welches ein stürmischer Jüngling sucht, aber ein Traum für jeden Liebhaber."

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