[Theatrum Pompeium] Megalesia | Rex leonum

  • Seit altersher gehörten zu den Ludi Megalenses nicht nur die äußerst populären Wagenrennen, sondern ebenso musische Darbietungen, die vielfach Bezüge zu den Mythen der Götter hatten, gelegentlich jedoch auch gänzlich profane Sujets bedienten und sich gemeinhin ebenfalls größter Beliebtheit erfreuten. Zahlreiche Autoren, darunter etwa der noch immer bekannte Maccius Plautus, hatten in diesen Tagen somit die Uraufführungen ihrer Stücke erlebt, weshalb die Connoisseure der römischen Theaterszene jenem Datum mit besonderer Inbrunst entgegenfieberten.


    Der diesjährig zuständige Aedilis Curulis Manius Flavius Gracchus Minor selbstredend hatte ebenfalls sich um eine Schauspieltruppe mit einigem Renomée bemüht, welche am dritten Tag der Spiele, die traditionell dem Schauspiel waren gewidmet, ein neues Stück würden debütieren. Der Autor des Stückes war ein aufstrebender Poet namens Irenaeus Meccius, welcher bereits im vergangenen Jahr einige namhafte Darbietungen hatte verantwortet, sodass der Flavius ihn gern unter Vertrag hatte genommen, um seine neueste Schöpfung dem Publikum zu präsentieren, die, wie die allseits verbreiteten Aufschriften an Häuserwänden und auf Tafeln bekannt gaben, einen überaus verheißungsvollen Titel eignete:

    LUDI MEGALENSES
    AEDILIS CURULIS M' FLAVII GRACCHI MINORIS


    COMPARANT


    REX LEONUM


    COMOEDIA

    IRENAEI MECCII
    IN THEATRO POMPEIO


    Als am Morgen des Tages die ersten Zuschauer in das benannte Theater strömten, lag dieses noch recht leer da: Das Bühnenbild des Theaters zeigte sanfte, karge Hügel, die auf die Leinwände zwischen den Säulen gemalt waren und gut zu der sonstigen Leere des Pulpitum passten, wo die Schauspieler gleich spielen würden. In der Orchestra hingegen hatte der Chor bereits seinen Platz eingenommen und den trällernden Stimmen hier und da war zu vernehmen, dass mancher noch seine Stimme ölte, um sodann eine imposante Darbietung geben zu können.

  • Das Theater war eine Abwechslung, welche ich mir hie und da gönnte. Zu Ludi auf jeden Fall. Das schöne daran war, dass ich sie nun zum ersten Mal als Senator auf den entsprechend privilegierten Sitzen geniessen durfte. Auch wenn das im Theater des Pompeius nicht den gleichen Vorteil bedeutete wie im Amphitheatrum Flavium, so war der Unterschied in Bezug auf den Blickwinkel doch noch immer gross. Ich freute mich darauf im Kreise der Senatskollegen die angekündete Komödie zu erleben.

  • Als Editor jener Spiele kam der Aedilis Curulis selbstredend ein wenig später als das übrige Auditorium, sodass das Volk ihren Euergeten sah und ihm durch seinen Applaus Dank für die kostenfreien Lustbarkeiten zollen konnten. An seiner Seite durften auch sein Tiro fori sowie weitere Familiaren die beste Loge seitlich der Cavea Platz nehmen und auch Irenaeus Meccius, der Poet, war geladen worden.


    "Nun, Meccius, ich bin voller Erwartung!"

    , erklärte Minor vergnügt, da in der Tat dieser Spieltag innerhalb der ganzen Megalesia der liebste war, bereiteten doch Wagenrennen ihm nur limitierte Freude, während die Magie der Sprache seit jeher ihn in seinen Bann zog.

    "Ich hoffe, Iakobus Ioannes Princeps ist nicht zu aufgeregt. Er hatte gerade ziemliches Lampenfieber!"

    , erwiderte der Dichter und lächelte ein wenig insekur, da augenscheinlich auch ihn die Perspektive der Uraufführung seines Stückes nicht eben in behagliche Ruhe versetzte. Der Flavius nickte mit seinerseits mildem Lächeln, da der auch als Pantomimus bekannte Darsteller bekannt war und seine Furcht unmittelbar vor dem Auftritt in ganz Rom bekannt.

  • Ich war gekommen, um das neue Stück des Irenaeus Meccius zu sehen, und nun ja, weil mir Ovid mit seinem

    Aber du lauere besonders im Theaterrund: Diese Orte sind für deinen Wunsch ziemlich ertragreich. Dort wirst du finden was du lieben könntest, mit was du tändeln könntest... * im Kopf herumspukte. Ob die Matinia Musa auch ins Theater gehen würde? Oder irgendeine der Schönen mit Sehen und Gesehen werden? Ach was, eigentlich wollte ich nur Musa sehen, und wie ihr liebliches Gesichtchen sich im Feuer der Poesie rötete - und vielleicht still und heimlich ihre kleine Hand drücken. Aber ich war ihr zu arm, das war gewiss.

    Ich hatte in der Beziehung schlechte Erfahrungen gemacht. Die liebreizende Thalia hatte mich so lange geliebt, bis ich pleite war. Aus Alexandria hatte ich wegen des Todes meiner Pflegemutter abreisen müssen - sonst wäre es mir mit der anmutigen Damaris gewiss nicht anders gegangen.

    Ich suchte jemanden, der vom Stand und der Vorstellung über das Leben zu mir passte. Durchzubrennen mit der großen Liebe und in Dachkammern von Provinzstädten zu hausen, das war eine Vorstellung von romantischen Sklaven oder aus einem Theaterstück.

    Apropos Theaterstück...Rex Leonum, hieß es, und da es neu war, hatte ich den König der Löwen natürlich wie alle hier noch nicht gesehen. Das Bühnenbild war schon aufgebaut, sehr schöne sanfte Farben.

    ich wollte mich allzugerne heute entführen lassen ins Reich der Phantasie...


    Als Flavius Gracchus Minor, der ausrichtende Aedil, seinen Ehrenplatz betrat und sich dem Volk zeigte, brandete Applaus auf, in den ich bereitwillig mit einstimmte.


    :app:

    Auch ich erhob mich, um zu applaudieren. Der Aedil hatte keine Kosten und Mühen gescheut, einen renommierten Bühnenautor und den Star Iakobus Ioannes Princeps anzuheuern, und das alles zur Freude des Volkes von Roma und seinen Ruhm willen.



    Sim-Off:

    * Ars Amatoria - 1, 089-100


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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • Ich war hinter Florus auch ins Theater geschlüpft, um mir das heutige Stück anzusehen. Bisher kannte ich Theater nur aus Erzählungen, da mein Vater extrem altmodisch gewesen war und meine Mutter und mich niemals gehen ließ. Doch nun war dies ja anders und in der großen Stadt war das ja auch ein ganz anderes Kaliber. Ich hatte mich extra in Schale geworfen mit der Hilfe einer Ornatrix, die irgendetwas mit meinen Haaren gemacht hat, das sie wunderbar seidig machte und sie dann kompliziert geflochten hatte. Sie hatte mein Gesicht dezent, aber schön geschminkt und ich trug Schmuck aus Silber und mit Perlen. Richtig wohl fühlte ich mich nicht so recht, aber das gehörte nun einmal dazu (versicherte mir die Ornatrix eifrig).


    Trotz all der Bemühungen der Frau war ich nicht die schönste Blume im Raum. Da gab es durchaus die eine oder andere Dame, die prächtiger gekleidet und hübscher war. Ich trennte mich von Florus, der sich auf den Weg zu den Ehrenplätzen machte und begab mich zu einem Pulk von Damen, dem ich mich anschloss. Dort wurde ein wenig geplaudert und geklatscht, während man auf den Anfang des Stückes wartete. Ich lächelte hier und da höflich, erwiderte einen Gruß und stellte mich vor. Einer älteren Matrone ließ ich den Vorrang bei der Platzauswahl, da sich schön langsam alle einen Platz suchten.


    Kurz danach kam auch schon der Flavier, den ich bereits beim Umzug gesehen hatte - Flavius Gracchus Minor, wie mir Florus erklärt hatte - und die Leute applaudierten ihm als Ausrichter der Spiele. Ich stimmte in den Applaus natürlich mit ein.

  • PROLOG


    Der Applaus legte sich bald wieder (war doch eine Steigerung vonnöten, um später den eigentlichen Akteuren des heutigen Tages ihre Anerkennung zu erweisen) und nicht lange darauf erschollen auf ein Zeichen Fanfaren und gespannte Stille trat ein.


    Dann begannen die Chorsänger, welche sich in der Orchestra bereits aufgestellt hatten, mit dem gesungenen Prolog:


    "Quiriten, hört nun die Geschichte

    aus des Muphases Königreich,

    aufdass einjeder selbst nun richte

    über die Mär, die folget gleich:


    Muphases hatte einen Erben:

    Symbanes, sein geliebter Sohn,

    der sollt regieren, wenn er sterben

    würd', und erhalten seinen Thron.


    Doch wollt’ der Jüngling nicht gern warten,

    und strebte stets nach Ehr' und Ruhm

    wollt' wie sein Vater Heldentaten

    vollbringen und noch größ'res tun.


    Des Königs Bruder unterdessen,

    mit Namen Helkos ward genannt

    war gleichsam auf den Thron versessen,

    doch hob nie offen seine Hand.


    So ging der König einst zum Jagen

    nahm mit den Bruder und den Sohn,

    auch einen Sklaven, um die Beut‘ zu tragen:

    Nala, Symbanes‘ Freund seit langem schon.


    Der Tag, er eilte gleich den Hirschen,

    auf die mit Bogen und mit Pfeil

    die Männer zielten nach dem Pirschen,

    und wetteiferten darum derweil.


    Muphases war wie stets der beste,

    dem beinah' jeder Schuss gelang.

    Symbanes trotz des Eifers blieb der letzte,

    auch Helkos blieb zurück solang.


    Des Abends Lager nun sie hielten

    an einem recht einsamen Ort.

    Ein wohlig Feuer dann sie schürten

    und brieten ihre Beute dort."

  • Selbstredend ließ Gracchus sich das Schauspiel nicht entgehen, nicht nur da sein Sohn es ausrichtete, sondern mehr noch da die Theateraufführungen ihm die angenehmsten aller ludi waren. Ein gänzlich neues Stück dem Publikum zu präsentieren war stes ein Wagnis, doch der Autor Meccius hatte immerhin bereits von sich Reden gemacht, so dass auch der ältere Flavier überaus gespannt war. Das Stück begann alsbald und Gracchus ward bereits mit dem Prologe gänzlich in der Darstellung gefangen.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Der Prolog war äusserst gelungen, zumindest in meiner bescheidenen Meinung. Die Verse passten, die Szenerie wurde angemessen dargelegt und was nun folgen sollte wurde nicht schon zu Beginn verraten. Der Ruf des Schreibers und das bisher gehörte liessen darauf schliessen, dass es in diesem Stil weiter gehen würde und der Abend durchaus angenehm werden könnte.

  • Das Geschnatter der Damen um mich herum verebbte, als der Prolog begann. Es schien mit Gesang los zu gehen, wo über einen König und dessen Erben gesungen wurde. Ich war ganz gebannt und versuchte aufmerksam der Handlung zu folgen. Was wohl als nächstes passierte? Würden kostümierte Schauspieler kommen? Was es wohl mit dem Bruder des Königs auf sich hatte? In meinem Kopf regten sich viele Fragen die Handlung betreffend.

  • I. SZENE: JAGDPARTIE


    Über eine Hebebühne erschienen aus dem Boden heraus die vier Schauspieler, die um ein Feuer saßen. Sie alle trugen die typischen Theatermasken, kurze Mäntel und die typische Jagdkleidung römischer Aristokraten.


    Einer von ihnen, etwas kleiner als die anderen und mit einem leicht dümmlichen, bartlosen Gesicht, begann:

    "Muphases, Herr, nur staunen kann

    ich: Was bist du ein Jägersmann!

    bedenk' ich deines Bogen Schuss

    der jeden Eber fällen muss!"

    Der angesprochene trug eine Maske mit einem reifen, sorgsam gepflegten Bart und einem goldenen Diadem im Haar - offensichtlich der König!

    "O Nala, schmeichle mir doch nicht -

    ihr wisst, es ist die Übung schlicht!

    Mein Sohn, schau nicht so düster drein:

    Du wirst ein Schütz' wie ich einst sein!"

    Aufmunternd tätschelte Muphases seinem Sohn, dessen Maske den Zügen denen des Vaters glich, doch bartlos war. Dieser seufzte vernehmlich, dann erwiderte er verdrießlich:

    "Ja, ja, ich soll geduldig sein

    und an dem steten Üben freu'n...

    Ich wünscht', schon wär' er da, der Tag,

    da ich an Kraft dir gleich sein mag!"


    "Du wirst einst stärker sein als ich,

    doch heute nicht - gedulde dich!

    Doch geht's nicht schneller, wenn man wacht.

    D'rum geh' ich schlafen, gute Nacht!"

    Muphases erhob sich und holte aus dem Gepäck eine Decke hervor. Dann legte er sich ein wenig abseits schlafen. Auch Nala gähnte herzlich und bereitete sich in einiger Entfernung eine Schlafstätte.


    Dafür rutschte Helkos ein wenig näher an Symbanes heran. Seine Maske zierte eine hässliche Narbe, die sein verschlagenes Gesicht längs durchzog. Der Königssohn sprach seinen Onkel mit unüberhörbarer Frustration an:

    "Mein Onkel Helkos, höre mich -

    ich hör' nur stets: Gedulde dich!

    Ich bin nicht mehr ein Knäbelein -

    ich will jetzt gleich der König sein!"

    Helkos nickte und sah verstohlen hinüber zu dem schlafenden Muphases, ehe er mit betont mitleidiger Stimme antwortete:

    "Ich weiß, voll welchem Drang du bist,

    der auf die Prob' begierig ist!

    Muphases einst war jung wie du

    und hörte nicht den Alten zu!

    Er wagte Heldenstück' sogar

    und schwamm durch den Bouphorbia!"

    Symbanes blickte seinen Onkel fragend an:

    "Bouphorbia? Das hört' ich schon..."

    "Gewiss, der breite, reißend' Strom,

    der nah von hier durchzieht das Land

    und vor dem mancher hilflos stand.

    Obwohl es ihm verboten war

    errang Muphases Ruhm so gar!"

    Helkos hielt plötzlich inne und ergriff Symbanes' Schultern mit beiden Händen.

    "Versprich jedoch, dass du bleibst hier

    und schaffst nicht auch Gefahr so dir!

    Ich wär' untröstlich, solltest du

    's ihm gleichtun und dir stößt 'was zu!"

    Der Jüngling wusste offenbar nicht, was er sagen sollte, doch Helkos schien zufrieden, denn er ließ ab und machte sich ebenfalls daran, sein Nachtlager vorzubereiten.

    "Geduld' dich, wie Muphases spricht -

    wach' du zuerst und träume nicht!"


    Mit einem Gähnen legte Helkos sich nieder und ließ den jungen Prinzen zurück, der nun allein zwischen den schlafenden Jagdkameraden saß.

  • Der Flavius genoss den Jubel des Volkes, obschon er wusste, dass dieser weniger seiner individuellen Leistung als dem Rahmen galt, in welchen er eben, indifferent, ob er diesen extraordinär gut oder lediglich dürftig füllte, gebunden war und zu dem die Finanzierung derartiger Schauspiele zählte.

    "Siehst du, Ravilla: Leicht ist's, dem Volke zu gefallen."

    , bemerkte er an seinen Tiro fori gewandt, ehe bereits das Spiel seinen Lauf nahm. Der Prolog bereits sagte ihm durchaus zu und mit anerkennendem Nicken bedachte er den Autoren neben sich, als die exotischen Namen bereits in gedanklich in ferne Gestade entführten und vor seinem inneren Auge orientalische Figuren ließen erstehen, wie er sie während seines Studienaufenthaltes in Alexandria bisweilen hatte angetroffen. Insonderheit selbstredend erschien ihm Symbanes als eine attraktive identifikatorische Offerte, da doch jene Erfahrung, beständig im Schatten des eigenen Vaters zu stehen und den Wunsch zu hegen, die eigenen Qualitäten zu beweisen, jedem jungen Aristokraten wohlvertraut waren, sodass voller Vorwitz er erwartete, welche Jagdgeschichte nun sie würde erwarten.


    Obschon die Jagd nicht eben zu seinen favorisierten Metiers zählte, war er doch genötigt zurückzudenken an den eigenen juvenilen Überschwang, der erst in Alexandreia im Sog der Epikureer war verdampft und heute sich als inverse Furcht präsentierte, den hohen Ansprüchen der eigenen Geburt nicht genügen zu können. Als daher der verschlagene Helkos den Weg bahnte, welchen die Handlung zweifelsohne würde nehmen, minderte sich die Identifikation Minors mit den augenscheinlichen Heroen der Darbietung wieder ein wenig.

  • Ravilla applaudierte lauter als die anderen und tat seiner Verzückung zudem durch ein Crescendo verbaler Galanterien kund. Unterstrichen wurde seine Prägnanz durch Ravillas leuchtend gelbe Toga, unter der er eine tiefschwarze Tunika trug. Sein Gesicht war dermaßen geschminkt, dass man meinen könnte, auch er wolle sich an einer pantomimischen Darstellung versuchen. Passend zum Gelb glitzerte Goldstaub auf seinen schwarz umrahmten Lidern und auf den mit Rouge verdunkelten Wangenknochen. Der süße Duft von Ambra umwogte den Seius bei jeder raumgreifenden Bewegung.


    "Bravourös", rief er unter lautstarkem Klatschen. "Welch Brillianz bietet sich dem Auge und dem Ohr heut dar!"


    :app:


    Gesegnet mit dem Feuer des Ostblutes in seinen Adern und geprägt von einem Umfeld, welches die ausschweifende Zelebration von Emotionen tradierte, waren Ravillas Ausbrüche so ehrlich wie die eines jeden anderen Anwesenden, gestalteten sich indes deutlich öffentlichkeitswirksamer - zu des einen Freud und des anderen Leid.


    "Dem Volk gefällt, was es sieht und hört, verehrter Aedil! Mit diesen Spielen manifestiert sich der Name Manius Flavius Gracchus Minor in unauslöschlicher Partizipation ihrer Gedanken. Die Emotionen sind's, welche dies bewirken! Man muss die Menschen an den Herzen packen, um sie mit sich zu reißen!"

  • Es ereignete sich nicht oft, dass Menecrates Zerstreuung und Anwesenheitspflicht unter einen imaginären Helm bekam. Mit Ausschreitungen, die den Einsatz seiner Männer erforderten, rechnete er bei dieser Veranstaltung nicht. Trotz allem drängte sich kurz vor Beginn der Vorstellung der Gedanke in seinen Kopf, dass der Sklavenaufstand auch bei Ludi ausgebrochen war. Heute würde er keine Familienmitglieder beschützen müssen, denn er weilte alleine hier. Außerdem deutete nichts auf eine Störung hin, er war guter Dinge und im Moment, wo die Fanfaren erklangen, fiel alle Sorge von ihm ab. Zwar brauchte es eine Weile, bis er die innere Ruhe fand, um den Versen voll umfänglich zu lauschen, aber dann stellte sich Vergnügen ein, das er durch Applaus zum Ausdruck brachte.

  • STASIMON


    Während Symbanes noch am Feuer saß, begann der Chor mit dem nächsten Zwischengesang, deren Zeit die übrigen Schauspieler nutzten, um sich von der Bühne zu machen.


    "Der Jüngling saß nun still am Feuer

    und hielt allein die erste Wacht.

    Bedachte lang das Abenteuer,

    das einst sein Vater hatt' vollbracht.


    Doch in Symbanes triumphierte

    der Wunsch s' dem Vater gleich zu tun.

    So stand er auf und losmarschierte

    zum Flusse Bouphorbia nun."


    Der Symbanes-Darsteller erhob sich nun tatsächlich und sprang schließlich eilig von der Bühne.


    "Er wusste nicht, dass er erfüllte

    damit des Helkos bösen Plan,

    der Muphasos die Falle stellte

    aufdass den Thron er selbst bekam."


    "Kaum war der Jüngling weggegangen

    weckt' Helkos den Muphasos auf

    berichtet' von des Prinz Verlangen,

    facht' an des Königs Sorg' darauf.


    Muphasos' Furcht war rasch entzündet,

    dass Symbanes ertrinken sollt'

    wenn nicht, wie Helkos nun verkündet

    wenn man ihn nicht gleich hindern wollt'.


    Am Morgen also eilt' der König

    mit Helkos zum Bouphorbia.

    Symbanes war voraus nur wenig

    und doch am Fluss als erster da."


    II. SZENE: AM FLUSS BOUPHORBIA


    Für die zweite Szene schwenkten die Sänger des Chores blaue Stoffbahnen hin und her, um den Eindruck des reißenden Stromes Bouphorbia zu erwecken, dazu boten die Musiker durch wildes Flötenspiel ein musikalisches Abbild der rauschenden Fluten. Durch einen Hintereingang der Scena kam nun Symbanes an die Kante der Bühne und blickte hinunter in die Orchestra, wo ihm die Fluten des Flusses entgegenflogen.

    "Bouphorbia, welch' gewalt'ger Fluss!

    Am Ufer doch ich schaudern muss!"

    Zögernd lief er an der Kante der Bühne ein Stück weiter, blieb dann wieder stehen:

    "Doch was gelang dem Vater schon,

    das sollt' auch schaffen leicht sein Sohn!"

    Mit diesen Worten warf er seinen Bogen beiseite und stürzte sich, die Arme voraus, in die Fluten. Sofort scharten sich die Chorsänger, die die "Wellen" schwenkten, um ihn und einer setzte ihn auf die Schultern, sodass es wirkte, als schwimme er auf den Fluten. So bewegte er sich ein wenig auf und ab, noch immer untermalt von der Kakophonie der Flöten.


    Da plötzlich trat Muphases, gefolgt von Helkos, auf die Bühne. Hoch erhoben stand er da und blickte um sich, bis er seinen Sohn im Fluss erblickte und seine mit goldenen Armreifen geschmückte Hand in die Richtung streckte.

    "Symbanes, Sohn, was tust du hier?

    Bei Zeus, das Herz bleibt stehen mir!"

    Überstürzt rannte er zur Bühnenkante, dem "Ufer" des Flusses. Symbanes streckte die Hand in seine Richtung, doch die Fluten trugen ihn weg von seinem Vater. Klagend und japsend rief er:

    "Vater, die Flut - fort trägt sie mich!"

    "Halt aus, mein Sohn, ich rette dich!"

    gab Muphases zurück, warf ebenfalls seinen Mantel ab und stürzte sich ebenfalls in den Fluss, wo weitere Chorsänger ihn wie seinen Sohn aufnahmen. Helkos trat inzwischen langsam schlendernd ans Ufer, von wo aus er beobachtete, die der König sich mühevoll in Richtung seines Sohnes arbeitete, während beide weiter von den wilden "Wellen" umspielt wurden. Das Flötenspiel wurde dramatischer, schwoll an, während Symbanes immer ängstlicher zu werden schien und wild mit den Armen fuchtelte. Kraftlos klagte er:

    "O weh, mir's nun der Kraft gebricht!"

    Quälend langsam arbeitete Muphases sich zu ihm vor, doch kurz bevor er ihn erreicht hatte, versank Symbanes in den Fluten.

    "Symbanes, nein! Verlass mich nicht!"

    rief der König und verdoppelte seine Anstrengungen, sodass er doch zu der Stelle gelangte, wo sein Sohn gerade untergegangen war. Auch er verschwand im Reigen der "Wellentücher" und die Flöten verstummten plötzlich. Einige Sekunden schien alles erstarrt zu sein.


    Mit einem Beckenschlag setzten die Flöten jedoch wieder ein und die Köpfe von Muphases und Symbanes stießen plötzlich wieder hervor. Offenbar hatte der König seinen Sohn herausgezogen und hielt ihn nun, während er mit dem freien Arm ans Ufer zu kommen versuchte. In Panik brüllte er:

    "Helkos, der Bogen - hilf uns schnell!"

    Helkos, der noch immer an der gleichen Stelle verharrte, wo er ans Ufer getreten war, schien langsam aus einer Starre zu erwachen. Dann lief er herbei und streckte den Bogen in Richtung Muphases.

    "Mein König, ich bin gleich zur Stell'!"

    Muphases gelang es, den Bogen zu ergreifen und zog. Mit beiden Händen hielt Helkos dagegen, doch der König zitterte:

    "Ich halt's nicht, erst Symbanes fang!"

    Ächzend schob der König Symbanes nach vorn und hängte ihn über den Bogen, mit dem Helkos sie beide hielt. Mit einem weiteren Stoß fiel der leblose Prinz aufs Ufer.

    In diesem Moment richtete sich Helkos auf.

    "Heil dir, mein König - lebe lang!"

    rief er und ließ den Bogen los. Sofort wurde Muphases fortgerissen und verschwand in der Flut aus Chorsängern, "Flut-Tüchern". Die Musik schwoll noch einmal an, doch das laute Lachen von Helkos übertönte die Instrumente mit ihrem tragischen Klang.

    Erst nach einer Weile schwoll der Klang ab und verlief in einer leisen, traurigen Melodie.


    Da ertönte plötzlich ein Husten. Langsam regte sich Symbanes und Helkos trat auf ihn zu. Als der Prinz endlich den Kopf hob, blieb sein Onkel stehen und sah auf ihn hinab. Langsam schüttelte er den Kopf.

    "Symbanes, was hast du getan?"

    Der Jüngling brach wieder zusammen und hustete.

    "Ich weiß es nicht, sieh mich doch an!

    Mein Vater eilt' zur Hilfe mir,

    als ich droht' zu ertrinken hier!"

    Er sah auf und blickte um sich. Fragend blickte er schließlich zu Helkos hinauf:

    "Wo ist er nun? Los, sag es mir!"

    Ungerührt und kalt antwortete dieser:

    "Tot! Er ertrank nur wegen dir!"

    "Mein Vater tot? Das kann nicht sein!"

    Mühevoll setzte Symbanes sich auf, weiter zu seinem Onkel aufblickend.

    "O doch! Und schuld bist du allein!"

    Symbanes stürzte zurück.

    "Ihr Götter, o was soll ich tun?

    "Nur eines: Du musst fliehen nun!"

    Helkos strich sich genüsslich durch den schwarzen, ungepflegten Bart. Dann setzte er zur Erklärung an:

    "Denn wenn der ganze Hof erfährt,

    dass er nur starb, weil du begehrt

    zu sein Held, das wär' kein Glück!

    Verschwind - und komm nie mehr zurück!"


    Langsam, dann immer schneller erhob sich Symbanes. Noch einmal blickte er auf den Strom, der nun fast ruhig dahinzufließen schien, dann wieder zu seinem Onkel. Dieser zeigte jedoch keine Regung.

    Noch einen Augenblick zögerte der Prinz, dann wandte er sich um und rannte davon.

  • "Dem Volk gefällt, was es sieht und hört, verehrter Aedil! Mit diesen Spielen manifestiert sich der Name Manius Flavius Gracchus Minor in unauslöschlicher Partizipation ihrer Gedanken. Die Emotionen sind's, welche dies bewirken! Man muss die Menschen an den Herzen packen, um sie mit sich zu reißen!"

    Die emphatische Anteilnahme des Seius amüsierte den Flavius, weshalb ein mildes Lächeln ihm echappierte, während der den frenetischen Jubel des Jünglings verfolgte. In allem erschien Ravilla geradezu exaggeriert, ob dies nun seinen Enthusiasmus in seinen Pflichten oder wie heute beim Betrachten der Künste betraf, seine Aufmachung bis hin zur häufigen Verwendung güldenen Staubes auf seinem Antlitz oder dem Duft, welchen er beständig zu verbreiten pflegte. Alles in allem war er, similär zu den Galli der derzeitigen Festtage, eine Reminiszenz an die alexandrinischen Jahre Minors, da er doch ganz augenscheinlich ein Sohn des Orients war, demgegenüber selbst die bisweilen prunkvollen Flavii in ihrem traditionalen Auftreten und ihrer Gravitas und Dignitas geradezu bescheiden wirkten.


    "Da magst du Recht haben, mein lieber Ravilla. Doch sind die Herzen des Volkes wankelmütig, wie uns die Geschichte lehrt!"

  • Der Gesang war wunderbar und es dauerte nicht lange, bis ich buchstäblich mitfieberte. Natürlich musste Spannung und Dramatik aufgebaut werden, weil Geschichten dieser Art immer so funktionieren, aber an liebsten hätte ich dem Prinzen eine Warnung zugerufen. Zumindest war ich nicht die einzige Dame, die anscheinend recht emotional bei dem Stück mitfühlte.


    Als auch noch der König von seinem eigenen Bruder verraten wurde und in den "Fluten" versank, war ein durchaus hörbares nach Luft schnappen und Geräusche der Trauer unter den Damen hörbar. Ich selbst musste mir einen Laut verkneifen, da es schon sehr dramatisch dargestellt wurde von den Schauspielern und das Spiel der Flöten sehr mitreißend war. Ein kleines Tränchen musste ich aber schon wegtupfen, wie auch die eine oder andere Matrone im Publikum.


    Was würde nun bloß mit dem Prinzen passieren und würde der böse Onkel noch die gerechte Strafe bekommen?

  • STASIMON


    Die Chorsänger hatten ihre "Wellen" bereits wieder verstaut und übernahmen aufs Neue die Überleitung zur nächsten Szene:


    "Der König war nun in den Fluten
    versunken dank des Helkos Plan.

    Vor Gram Symbanes' Herz musst' bluten,
    zumal Helkos ihm's lastet' an.


    Die Furcht den jungen Prinzen schreckte,

    dass Trauer, wie sie ihn befiel,
    zu Haus auch großen Zorn erweckte,

    für den er würde sein das Ziel.

    Die Angst, dem Vater gleich zu sterben,
    wenn man zu Haus die Missetat

    würde vernehmen von dem Erben,
    des' Tollheit sie verschuldet hatt':


    Sie wirkt' und macht' dem Jüngling Beine,

    sodass er floh, so weit er kam,
    bis er auf weiten Fluren stand alleine

    und einsam nährte seinen Gram.


    So Tag um Tag er lief stets weiter,
    erfüllt ganz voller Furcht und Scham,

    dieweil die Trauer als Begleiter
    ihn immer wieder trieb voran.


    Bis an der Erde Ende trieb's den Knaben,

    wo hauset weder Mensch noch Gott.
    Dort wollt' er keine Kraft mehr haben

    und nieder sank in seiner Not."


    III. SZENE: FINIS TERRAE


    Rennend betrat Symbanes erneut die Bühne und lief ein Stück, ehe er schnaufend innehielt und sich an einen Stein lehnte.

    "Nun eile ich seit Tagen schon

    vor jenen, die mit Straf' mir droh'n!

    Doch auch wenn man mich Mörder hasst -

    ich muss nun endlich halten Rast!"

    Mit diesen Worten ließ er sich auf den Stein fallen und legte sich schließlich ganz hin. Es dauerte nicht lange, ehe gleichmäßiges Schnarchen zu hören war.


    Da plötzlich erschien ein recht ungleiches Paar am Rand der Bühne: Der eine war groß, gehörnt und stand auf Ziegenbeinen - ein Satyr! Der andere war gerade halb so groß und nackt, doch bärtig - offensichtlich ein Zwerg, der mit seinen kurzen Beinen neben dem dicklichen Satyr vorwärts watschelte. Der Zwerg blieb schließlich stehen, gähnte und streckte sich genüsslich, sodass das ganze Publikum deutlich sehen konnte, dass er bis auf die Maske völlig nackt war.

    "Perdomas, Freund, was für ein Tag,

    den ich recht gut genießen mag!"

    Der angesprochene Satyr ließ einen lauten Furz vernehmen. Das Publikum lachte.

    "So sollten alle Tage sein:

    Genug im Bauch und Ruh' allein!"

    Die beiden zogen weiter, als sie plötzlich den schlafenden Jüngling auf dem Stein erblickten.


    Vor allem der Satyr Perdomas schien erstaunt zu sein, denn fragend deutete er auf den daliegenden Menschen und wandte sich an seinen kleinen Begleiter:

    "Timon, sag, was ist denn das?

    Kein Satyr ist's! D'rum nochmals: Was?"

    Der Angesprochene schüttelte wissend den Kopf:

    "S'ist kein Pygmäe, kein Satyr -

    es ist ein Mensch! Das sag ich dir!"

    "Ein Mensch ist hier am End' der Welt?

    Sowas wurd' mir ja nie erzählt!"

    Neugierig sah Perdomas hinunter auf den noch immer reglosen Symbanes und musterte ihn ausführlich, während der Zwerg die Arme vor der Brust verschränkte und das ganze beobachtete.


    Da plötzlich schlug Symbanes die Augen auf und mit einem Schrei wichen der Satyr und der Pygmäe zurück hinter einen Baum, der als Bühnendekoration aufgebaut war.

    "Wo bin ich? Und wer seid denn ihr?"

    fragte der Prinz und rappelte sich auf. Der Pygmäe schien kurz zu zögern, dann trat er lässig hinter dem Baum hervor und erklärte wie selbstverständlich:

    "Ganz klar: Das End' der Welt ist hier.

    Timon bin ich, Perdomas er-"


    Er deutete auf den Satyr, der nun auch zögerlich hervortrat.

    "Doch sag uns: Wo kommst du denn her?"

    Symbanes seufzte tief und antwortete mit Trauer in der Stimme.

    "Von einem Orte voll Unbill,

    wo man mich nicht gern haben will!

    Obwohl ich war ein Königssohn-"

    Ehe der Jüngling beginnen konnte zu erzählen, unterbrach ihn der Pygmäe, indem er mahnend die Hand hob und erklärte:

    "Ob Prinz, ob Gott - wen kümmert's schon?

    Wir lassen Herren Herren sein -

    bei uns gilt Lust und Glück allein!"

    Perdomas nickte eifrig.


    Dann sahen sich Timon und Perdomas kurz an, nickten sich zu und begannen mit einem vergnüglichen Wechselgesang:

    "Ganz schlicht 'Carpe diem' - diesen Spruch sag' ich gern!"
    "Ganz schlicht: 'Carpe diem' klingt stets als modern!"

    "Es heißt: Die Sorgen bleiben dir immer fern!"
    "Keiner nimmt uns die

    Philosophie:

    ganz schlicht 'Carpe diem'!"

    Während die beiden sangen sprangen sie vergnügt um Symbanes, der ein wenig verdattert dastand und offensichtlich nicht recht wusste, wie ihm geschah.

    Der Pygmäe blieb schließlich vor ihm stehen und bot ihm die Hand.

    "Na komm, du Narr, schließ dich uns an -

    Wer nichts hat, nichts verlieren kann!"

    Zögerlich griff Symbanes zu.

    "Hurra! Als Freund ich grüß' nun dich!

    Doch sag: Wie heißt du eigentlich?"

    Der Satyr hakte sich auf der anderen Seite unter und gemeinsam zogen Timon und Perdomas Symbanes vorwärts und von der Bühne.

  • STASIMON


    Neuerlich oblag es dem Chor, die Handlung zu kommentieren und zugleich sie erzählend fortzuführen, um das Publikum für die folgende Szene zu präparieren, wobei sie diesmal dasselbe Metrum, doch eine heiterere Melodie anstimmten:


    "Des Timon Red' verwirrt' den Knaben,

    den einst man Ernst und Demut lehrt'.

    Doch bald schon war er doch zu haben

    für's Leben leicht und unbeschwert.


    Satyr und Zwerg lebten ein Leben

    ganz ohne Furcht vor Mensch und Gott:

    für sie sollt's reine Lust nur geben,

    Demut und Ernst traf nur ihr Spott.


    Ganz anders als am Königshofe

    lebten sie in den Tag hinein,

    sang'n lustig manches Liedes Strophe

    und wollten frei von Sorge sein.


    Symbanes nun gefiel's zu lassen

    Schuld, Trauer, Sorge einerlei

    allein die Lust nur zu umfassen,

    aufdass er schlicht ein Mensch nun.


    So schloss er an sich dem Pygmäen

    und auch dem Satyr Perdomas.

    D'rauf sah man nun zu dritt sie gehen

    und treiben fröhlich ihren Spaß.


    Quer durch das einsam' Land sie zogen

    und nährten sich von Frucht und Gras.

    So rasch die Jahr' und Tag' verflogen

    und Symbanes, was war, vergaß.


    Er dachte nicht mehr an den Vater,

    sein Land, an Ehrgeiz oder Leid,

    nahm sich die Freunde als Berater

    und floh vor der Vergangenheit


    Er wuchs heran zum reifen Manne,

    doch lebte sorglos wie ein Kind.

    Vollbrachte seine Lebensspanne,

    als ob ihm sei kein Ziel bestimmt.


    Sang mit dem Timon manche Weise

    und scherzte mit dem Perdomas

    Nahm Frücht' und Blätter sich zur Speise

    und fühlte nicht, als fehlt' ihm was."


    IV. SZENE: REDITUS PRAETERITORUM


    Symbanes, Timon und Perdomas betraten nun wieder die Bühne, die noch immer den dichten Wald der vorherigen Szene zeigte. Während der Zwerg und der Satyr unverändert waren, trug Symbanes nun einen Bart wie sein Vater. Sichtlich gemütlich schlenderten sie durch die Orchestra.


    In der Mitte der Bühne angekommen ließen sie sich schließlich auf dem Stein nieder, auf dem Symbanes schon zuvor gerastet hatte.

    "Was für ein Tag, o Perdomas,

    an dem man fröhlich liegt im Gras!"

    erklärte der Jüngling und streckte gähnend die Arme von sich.

    Perdomas beugte sich vor und furzte herzlich. Die anderen beiden gaben sofort Geräusche des Ekels von sich und hielten sich die Nase zu.

    "Wenn man nur Geist und Leib entspannt,

    geht’s gleich viel leichter von der Hand!"

    Perdomas kicherte.


    Da plötzlich flog ein Pfeil quer über die Bühne und blieb mit einem dumpfen Schlag in einem Baum stecken. Die drei erstarrten, dann mit einem Schrei sprangen Timon und Perdomas auf und verbargen sich hinter dem Stein, während Symbanes aufsprang und verwirrt um sich blickte. Sein Blick verharrte schließlich an einer Stelle an der Seite der Bühne, wo nun ein weiterer Darsteller mit einem Bogen sichtbar wurde. Symbanes stieß einen Schrei aus und rannte auf ihn zu, der Schütze wandte sich vom Publikum ab und lief davon. Die beiden lieferten sich ein Katz- und Mausspiel quer über die Bühne und wieder zurück, dann endlich mit einem beherzten Sprung bekam Symbanes den Angreifer zu fassen und warf ihn zu Boden.

    Auf ihm liegend rief er triumphierend:

    "Hab' ich dich, Mörder, wie mir scheint!"

    Mit einem Ruck riss er den Schützen herum, sodass dieser seinen Kopf heben und endlich seine den Zuschauern nicht unbekannte Maske zeigen zeigen konnte:

    "O Nala, du mein alter Freund!"

    Mit diesen Worten ließ er von dem Schützen ab, der sich nun aufsetzte und ebenfalls wie erstarrt Symbanes anblickte, um dann ans Publikum gewandt zu fragen:

    "Symbanes lebt? Wie kann das sein?"

    Er wandte den Blick wieder zu seinem Überwinder:

    "Ich weint' um dich, o Herre mein!"

    Unvermittelt fiel er Symbanes um den Hals und dieser erwiderte die Umarmung.


    Der freudige Moment des Wiedersehens wurde unterbrochen durch die spitze Stimme des Pygmäen, der nun gemeinsam mit Perdomas hinter dem Stein vorblickte:

    "Der Mörder herzt den Retter hier?

    Was geht da vor? Auf, sagt es mir!"

    Symbanes löste sich aus der Umarmung und blickte hinüber zu seinen Freunden:

    "Nala hier einst mein Sklave war,

    er dient' mir wie ein Freund fürwahr!

    Ich freue mich, dass ich ihn seh'!"

    Perdomas schüttelte ungläubig den Kopf:

    "Des Jägers Freund bist du? O weh!"


    Doch Symbanes blickte nun direkt wieder Nala an und schien die Bedenken der anderen beiden Wesen kaum zu beachten:

    "Sag, was führt dich zum Erdenrand?"

    "Die Not, die peinigt unser Land!

    Des Helkos eisern' Herrschaft quält

    das Reich und wer nur Land bestellt,


    muss leisten harte Sklavenfron

    das Land verarmt seit Jahren schon!

    D'rum flieht, wer nur kann retten sich -

    der Hunger trieb hierher nun mich!"

    Die Erzählung betrübte Symbanes ganz offensichtlich und er fragte sogleich:

    "Helkos ist König? Was geschah?"

    "Der Tag am Fluss Bouphorbia:

    Wir jagten doch an ödem Ort,

    da schlichst des Nachts du still dich fort.

    Als wir erwachten, Helkos sprach

    von deinem großen Ungemach:

    dass wollt'st allein du durch den Fluss,

    der jeden doch ertränken muss.

    Darauf Muphases Helkos nahm

    und zu dir zu dem Flusse kam.

    Der König sprang dir hinterher,

    doch rettet' letztlich keinen mehr:

    Vater und Sohn ertranken dort

    und Helkos ging allein nun fort -

    das immerhin gelobte er..."

    Nalas Rede wurde langsamer und nachdenklich und schließlich legte er seine Hand auf Symbanes' Schulter.

    "Wie's scheint, war'n seine Worte leer!"

    Noch einmal klopfte er seinem alten Herrn auf die Schulter.

    "Du lebst! Nun unser König sei!

    Rett' uns vor Helkos' Tyrannei!"

    Timon begann plötzlich spitz zu lachen.

    "Symbanes König? Welch' ein Witz!

    Besser auf unserm Thron er sitz'!"

    Perdomas stimmte ein:

    "Wir alle sind die Kön'ge hier!

    Carpe diem - das sag' ich dir!"


    Verwirrt blickte Symbanes von einem zum anderen.

    "Nala, die beiden haben Recht:

    Als König wär' ich viel zu schlecht!

    Vergangenheit vergangen ist!"

    Nala packte den zaudernden Jüngling plötzlich und rief flehend:

    "Unsinn! Ich weiß noch, wer du bist!"

    Symbanes zögerte, doch griff dann nach den Händen seines früheren Sklaven und schob sie sanft beiseite:

    "Hier bin ich gleicher unter Gleichen-"


    Nala schien es kaum glauben zu können: Er rang um Fassung und trat nervös von einem Bein aufs andere

    "Dies' Narretei kann dir nicht reichen!"


    Doch Symbanes schüttelte traurig den Kopf. Fast flehend erklärte er:

    "Nichts zieht mich in mein Land zurück!"

    Nala blieb stehen und sah seinen ehemaligen Herrn lange schweigend an.

    "Dann bist du tot - ich wünsch' dir Glück!"

    Damit wandte er sich um, hob seinen Bogen auf und lief davon.


    Der Satyr und der Pygmäe sahen ihm hinterher. Schließlich erklärte Timon höhnisch:

    "Was für ein Narr! Kommt, gehen wir!"

    Doch Symbanes schien noch immer bedrückt. Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

    "Geht ihr ruhig schon - ich bleib' noch hier!"

    Timon zuckte mit den Schultern und watschelte dann, gefolgt von Perdomas, in die andere Richtung davon, in die Nala gegangen war.


    Symbanes sank zurück auf den Stein und stützte seinen Kopf nachdenklich auf. Schließlich schüttelte er den Kopf.

    "Welch' Possenspiel! Was sollt' ich tun?

    Bin weder Prinz, noch König nun!"


    In diesem Augenblick schlugen die Musiker alle Pauken und Fanfaren ertönten. Unter diesen lauten Tönen schwebte, an einem Seil befestigt, eine Person über den Rand der Scena und ließ sich auf ihr nieder. Der Schauspieler trug ein glänzendes Gewand und auch die Maske schien vergoldet. Die Züge und auch der Bart glichen jedoch dem des Muphases aus der ersten Szene. Das Publikum klatschte, die Musik verstummte.

    "Mein Sohn, du hast vergessen mich!"

    rief der verstorbene König auf die Bühne hinab. Erschrocken erwiderte Symbanes:

    "O Nein, das niemals wollte ich!"

    "Du hast vergessen, wer du bist,

    und was deine Bestimmung ist!"

    "Was soll ich tun? -" "-Das weißt du schon!


    Folg' deinem Herz und sei mein Sohn!"

    Wieder ertönten die Fanfaren und Pauken und der Besucher aus der Götterwelt erhob sich, von einem Kran angehoben, in die Lüfte, um hinter dem Bühnenhaus zu verschwinden.


    Zurück blieb Symbanes, der dem entschwundenen Vater nachsah. In diesem Augenblick tauchten Timon und Perdomas wieder am Rand der Bühne auf.

    "Symbanes, Freund, wo bleibst du nur?"

    rief der Zwerg und Perdomas ergänzte aufgeregt:

    "Wir fanden eines Rehlein Spur!"

    Doch Symbanes schüttelte nur den Kopf.

    "Dies' Leben ist mein Schicksal nicht

    wahr ist es, was mein Vater spricht!"

    Timon legte ungläubig den Kopf schief.

    "Dein Vater doch verstorben ist!"

    "Freilich, auch wenn du ihn vermisst!"

    ergänzte der Satyr.

    "O nein, mein Vater sprach zu mir

    gerad' an diesem Orte hier!

    Erinnert' an mein Schicksal mich -

    es ruft und zieht gar fürchterlich!"

    Mit diesen Worten eilte Symbanes davon und hinterließ einen ratlosen Pygmäen und einen ebenso ratlosen Satyr.

  • Das Carpe-diem-Lied war ein echter Ohrwurm! Als leidenschaftlicher Theaterfreund verfolgte ich gebannt das Spektakel, litt und bangte mit dem jungen Königssohn, dessen Zwiespalt ich gut nachempfinden konnte. Gleicher unter gleichen sein, Freundschaft abseits von Rang und Herkunft... war in dieser Welt, so wie sie war, eben doch nur als ein romantisches Hirngespinst möglich - doch die Geschichte brachte eine Saite in mir zum Klingen. Und auch wenn mein Vater kein König war, so waren doch seine Senatoren/Legaten/Statthalter/Allseits-beliebter-Staatsmann-Fußstapfen ähnlich un-ausfüllbar.


    Ich schmunzelte über charmante Reime wie 'Doch geht’s nicht schneller, wenn man wacht / drum geh ich schlafen, gute Nacht!' und lachte über den fidelen Satyr, den Publikumsliebling... wobei meine Gedanken (ebenso wie bei der Jagdszene) rasch zu einem Satyr ganz anderer Art abschweiften, und ebenso schweiften meine Augen unwillkürlich immer wieder suchend über die bunte Menge der Menschen in den aufragenden Rängen des Theaters. Das ging mir in letzter Zeit ständig so, und manches Mal, wenn mein Blick zufällig einen schwarzlockigen Gutgebauten streifte, so aus dem Augenwinkel, da durchzuckte mich blitzartig ein – da ist er! – er war es aber nie, der zweite Blick brachte stets die Enttäuschung. (Es war wohl auch Unsinn, im Publikum einer Komödie Ausschau nach ihm zu halten, schließlich bevorzugte er Tragödien.) Dann blickte ich zur Loge der Flavier und ebenso blitzartig fühlte ich mich wie der allerletzte Hallodri. Ich musste mit Manius sprechen...

    wirklich...


    Sein Sohn hatte sein Wahlkampfversprechen jedenfalls mehr als wahr gemacht. Leider hatte ich aufgrund meines Dienstes den Auftakt der Megalesia verpasst. Die Korybanten hätte ich gerne gesehen, und das Löwengespann, von dem alle sprachen.
    Ich klatschte mitgerissen vom Szenenapplaus beim Auftritt des Geistes... (Es gibt ja viele Theater-Connaisseure, die Kran-Kunststücke verachten, zum Beispiel mein alter Bekannter Cluvius vom Pegasus-Theater, der Purist, aber ich persönlich finde: es ist eine Frage der Umsetzung. Wenn es sich harmonisch in das Stück fügt und der Geschichte dient wie hier – fabelhaft! Cluvius und der Kran waren wohl eher wie der Fuchs und die sauren Trauben.)
    Ich war gespannt wie Symbanes, jugendlicher Held, den Usurpator besiegen würde.

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