~ Rostra ~ Kandidaturrede zum Tribunus Plebis von Lucius Annaeus Florus Minor

  • Ich hatte mich am Vortag entschieden, meine Rede nicht gleich an die des Seius Ravilla anzuhängen. Gestern war sein Tag, heute war meiner.

    Auf dem Weg zum Forum Romanum war ich schon an einigen Häusern vorbei gekommen, welche mit Wahlinschriften versehen waren. Sowohl zu meinen Gunsten, als auch für Seius Ravilla. Die Klienten und weitere Unterstützer waren also bereits aktiv und verbreiteten unsere Namen, so dass die Senatoren sie überall sehen mussten.


    So betrat ich nun also die Rostra. Unten hatten die Sklaven der Annaei bereits früh am Morgen Tische aufgestellt und Kisten mit mittelgrossen Amphoren herbeigeschleppt, welche sie am Ende meiner Rede an die Bürger verteilen würden.


    So trat ich also auf die Rostra und brachte das Volk mit erhobenen Armen zum Schweigen.

  • Nicht allein die gewöhnliche Plebs, auch manch Togaträger fand seinen Weg vor die Rostra, um der Ansprache des Lucius Annaeus Florus Minor zu lauschen. Freilich fand auch Ravilla sich in der Menge, aus der er heute veilchenblau herausstrahlte, wobei der heute blendend weiß gewandete Anaxis eine optische Abgrenzung zu einer auffällig gewandeten Dame einige Meter weiter zu bilden hatte, deren pflaumenblaues Kleid sich schmerzlich mit den Farben des Seius biss, vom konkurrierenden Duft ganz zu schweigen, den Ravilla mit Kennernase als einen aus dem Hause Dufter Viri identifizierte.


    Derlei vom Vorwurf optischer wie olfaktorischer Dissonanz gefeit, wartete Ravilla darauf, dass der Senator das Wort erhob.

  • Unter den togati war auch ich, um der Rede meines Patrons zu lauschen (und mich unauffällig nach ein paar geeigneten weißen Wänden umzusehen, die man mit weiteren Wahlaufrufen verzieren konnte, rote Farbe hatte ich noch über). Natürlich sah ich Ravilla (der Mann war auch so etwas von nicht zu übersehen), gewandet in veilchenblauer Toga(?), umgeben von seinem Anaxis, der stets fürs Auge einen erfreulichen Anblick bot.

    Ich nickte ihm zu und wollte etwas zum Gruße sagen, da trat Senator Annaeus auf die Rostra und hob die Arme, zum Zeichen, dass er zu sprechen wünschte.

    Das allgemeine Gemurmel erstarb.... was sah Florus Minor von seiner erhöhten Position wohl, dachte ich einen Moment lang sinnend: Hunderte von Gesichtern ihm zugewandt in gespannter Erwartung...? populus romanus, der zu höchsten Ehren führen konnte, die ein Sterblicher sich vorstellen mochte oder in den tiefsten Abgrund...doch heute war ein fröhlicher Tag, es sollte eine Wahlkampfrede geben und danach Geschenke....

    Wie die meisten Römer liebte auch ich öffentliche Reden.

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • Nachdem das Volk ruhig geworden war und seine Aufmerksamkeit sich auf mich konzentrierte, begann ich meine Kandidaturrede. Eine Sache, die ich noch nie geliebt hatte und die mir genug Kopfzerbrechen bereitete, um mir Sorgen zu machen. Doch was sein musste, musste sein. Es war halt einfach nicht meine Stärke, Versprechen ins Blaue abzugeben. Ich mochte es lieber, konkrete Dinge mit einem Gegenüber zu besprechen und Lösungen zu finden.


    Quirites, Bürger Roms, Bürger des Imperium, hört mich an! Einige von euch mögen mich kennen, einige sind vielleicht extra wegen mir hier, andere fragen sich garantiert, wer ich bin und weshalb ich heute auf der Rostra stehe.
    Eine miserable "Captatio Benevolentiae", eine Technik mit welcher die Aufmerksamkeit und speziell in Gerichtsreden auch das Mitgefühl des Publikums erregt werden soll. Ein Stilmittel jeder Rede, egal wo und wann, sobald man etwas von seinem Publikum wollte. Doch selbst eine miserable Captatio war besser als gar keine!


    Ich bin Senator Lucius Annaeus Florus Minor, Sohn des Senators Lucius Annaeus Florus und Initiator der Gesetzesänderung, welche einigen von euch neue Chancen und Rechte gebracht hat, als die Lex Germanica Servitium und der Codex Militaris kürzlich angepasst wurden.
    Auch dies war ein Stilmittel römischer Reden. Erinnere das Publikum an einen kürzlichen Erfolg, vor Gericht oder wo auch immer, damit sich möglichst viele von ihnen mit der entsprechenden Bekanntmachung oder dem entsprechenden Fest verbinden können oder sich daran erinnern.


    Nun galt es aber ernst:

    Ich stehe heute hier vor euch, weil ich den nächsten Schritt im Cursus Honorum machen möchte. Als Vigintivir arbeitete ich für das Volk und versuchte die Strassenreinigung zu verbessern, damit bei Hitze oder Regen unsere Strassen sauber und problemlos passierbar sind. Als Quaestor Principis habe ich dann unserem Kaiser gedient. Nun ist es an der Zeit, dass ich meinen Fokus wieder auf das Volk richte, das Volk aus welchem ich stamme. Die Annaei sind noch immer eine plebejische Familie, auch wenn sie in der Zwischenzeit einige Senatoren hervorgebracht haben. Doch immer waren wir und bleiben wir dem einfachen Volke verbunden, aus welchem unsere Vorväter und auch mein eigener Vater sich emporgearbeitet haben. Status bedeutet nichts, wenn man vergisst woher man kommt. Wir Annaei vergessen dies nicht.


    Aus diesem Grund stehe ich heute vor euch, um meine Kandidatur zum Tribunus Plebis zu erklären. Nicht Spiele und Luxus sollen das Thema meiner nächsten Amtszeit sein, sondern die Rechte der einfachen Römer, eure Rechte, die Rechte derjenigen Menschen, die jeden Tag ihren Schweiss vergiessen, ihr Blut hergeben, um das Imperium gross zu halten oder noch grösser zu machen.

    Nun war klar, warum ich hier stand. Doch was wollte ich erreichen? Gab es denn überhaupt ein Ziel, welches ein Volkstribun in der heutigen Zeit noch verfolgen konnte?


    Vielleicht fragt ihr euch, was denn heute, in unserem Reich, unter der Führung des Kaisers, ein Volkstribun noch erreichen kann. Schliesslich sind wir keine Republik mehr, in welcher das Veto des Tribunus Plebis jeden Gesetzesentwurf verhindern konnte. Damals war der Volkstribun die mächtigste Person im Land, mächtiger selbst als die Consuln, denn sein Veto verhinderte alles, ohne eine Möglichkeit es umzustossen.

    Das liess ich zuerst sacken, denn zu oft hatten Volkstribune versucht, die alte Republik wiederherzustellen, bloss um ihre eigene Macht zu festigen.


    Ganz in der alten Tradition will ich versuchen, die Rechte der einfachen Bevölkerung zu stärken. Meine Vorbereitung hat gezeigt, dass in den Zeiten der Wirren und des Bürgerkrieges unser höchstes Gesetz, der Codex Universalis, willkürlich und gesetzeswidrig zu Gunsten des damaligen Machthabers geändert wurde. Nach dem Bürgerkrieg wurde der Codex einfach belassen wie er war und die Änderungen nicht rückgängig gemacht. Die Macht des Kaisers und des Caesars sind praktisch uneingeschränkt und selbst der Senat kann sich seiner Rechte nicht sicher sein.

    Ohhhs und Ahhhs machten sich im Publikum breit. Es war nicht allgemein bekannt, dass damals faktisch eine Entmachtung des Volkes stattgefunden hatte und die zuvor noch begrenzten Rechte des Kaiseramtes massiv ausgebaut wurden. Ich liess das Volk in Ruhe etwas murren und genoss es, dass es mir gelungen war, ihre Aufmerksamkeit zu halten und ihnen etwas zu geben, was man diskutieren konnte. Doch dann wurde es Zeit, weiter zu sprechen.


    Quirites, ich bitte euch, beruhigt euch. Genau aus diesem Grund kandidiere ich als Volkstribun. Ich will eure Sorgen hören, eure Probleme aufnehmen und das Grundgesetz unseres Imperiums wieder so installieren, wie es von unseren guten Kaisern eigentlich gedacht war. Der grosse TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS, unser geliebter Kaiser, hat seine Rechte nie missbraucht und euch, das Volk Roms, immer den nötigen Respekt entgegen gebracht. Ich bin mir sicher, dass auch der Senat dies tun wird und verspreche euch, dass ich mein Bestes geben werde, um den Codex Universalis und darin vor allem die Rechte und Pflichten der kaiserlichen Familie, wieder so herzustellen, wie es eigentlich gedacht war. Meine Leute arbeiten bereits daran, die Geschichte dieser ungesetzlichen Veränderungen aufzudecken, damit ich die Beweise dem Senat und dem Kaiser vorlegen kann.

    Wieder begann das Volk zu diskutieren, ich liess es, bevor ich wieder Ruhe verlangte.


    Ausserdem habe ich mich, wie es unsere Tradition verlangt, um die offene Stelle als Sodalis der Augustales beworben. Als Senator und speziell als Volkstribun, sehe ich es als meine Pflicht an, auch eine Position im Cultus Deorum zu haben. Und welcher Kult wäre da besser geeignet als der des göttlichen Augustus? Wie die Annaei stand auch er unter dem Schutz der Venus und leitete den Staat mit Geschick und einem guten Auge auch für das Volk.


    Ihr, Bürger Roms, ihr habt es in der Hand, mich zu wählen! Gebt mir eure Stimme, macht mich zum Volkstribun, macht mich zu eurem Instrument, mit welchem wir die Fehler und Schäden an unserem Staat beheben können.
    Ich schloss mit dem Bild des "Bürgerwerkzeuges", des Arbeiters für die Kleinen. Ein weiterer rhetorischer Trick, doch ich meinte es durchaus ernst. Ein Annaeus würde nie vergessen, woher die Familie kam. Vom Peregrinus zum Senator, aus der untersten Schicht in die oberste. Mehr ging nicht und daran musste man IMMER denken.

  • Die Rede gefiel dem Seius gut. Der Annaeer wirkte glaubwürdig in seinem Anliegen, den Senat stärken zu wollen und in der Tat hielt Ravilla ihn für einen fähigen und engagierten Mann. Das einzige fragwürdige Detail konnte im Rahmen eines persönlichen Gesprächs untersucht werden, es stand im Raum, dass Ravilla dies Anliegen anders verstand, als es gemeint war.


    Die Rechte des Volkes zu stärken erschien ihm keineswegs als ein erstrebenswertes Ziel. Vielmehr vertrat er die Auffassung, dass eine hoch spezialisierte gesellschaftliche Elite sich um diese Angelegenheiten kümmern sollte - durchaus im Zwiegespräch mit den Niederen zur Evaluierung der Umstände. Doch glaubte er nicht daran, dass das gemeine Volk, bis auf wenige talentierte Ausnahmen, in der Lage sei, die eigenen Angelegenheiten im globaleren Maßstab als dem eigenen Haushalt oder Geschäft zufriedenstellend zu realisieren. Woher sollten sie dies Wissen nehmen, woher die Lehre und Erfahrung, wenn sie nicht von Kindesbeinen an darauf vorbereitet worden waren? Sie waren wie Kinder, die einer starken und gleichwohl gerechten Führung bedurften.


    Oder waren es andere Rechte, von welchen Annaeus Florus Minor sprach? Nun, eine entsprechende Unterhaltung würde Licht ins Dunkel bringen.


    Der durchaus wohlartikulierten Rede Beifall zu spenden, dies war das Mindeste, was die Ehre und auch die Freundschaft geboten. Lächelnd applaudierte er und rief: "Ausgezeichnet! Ein kompetenter Mann, dieser Annaeus! Fürwahr, großartig!" Und die Sklaven des Seius, verteilt in der Menge, fielen ein in den Applaus und die freudigen Rufe.

  • Applaus und erste Rufe mit meinem Namen brandeten auf, doch auch Fragen wurden auf die Rostra gerufen.


    Wird der Kandidat für die Bürger auch offene Türen haben, wie es Tradition ist? fragte ein Individuum, dem man ansehen konnte, dass es eher daran interessiert war herauszufinden, ob die Wachen der Domus Annaea abgezogen würden, als dass es ein politisches Interesse verkörperte. Doch im Wahlkampf erforderten auch (oder gerade) solche Individuen die Aufmerksamkeit. Niemand wusste, welcher Senator vielleicht hinter einem Mann stand, der komisch aussah, oder den Auftrag hatte, komische Fragen zu stellen.


    Selbstverständlich! Es ist Tradition, dass die Türen des Tribunus Plebis für die Bürger der Stadt offen stehen. Dies wird auch in meiner Amtszeit der Fall sein.
    Ein Sklave der Annaei trat dabei an den Fragesteller heran und übergab ihm eine kleine Amphore mit Wein, damit er auch den Namen des Kandidaten nicht vergessen würde.

  • Stella weilte in einfacher Aufmachung vor der Rostra, lauschte den wohlgelobten Worten, machte sich ihre eigenen Gedanken und schmunzelte dann. In ihrer Aufmachung mochte so mancher sie für eine einfache Peregrina und Handwerkerin halten: die großen Farbblecken in Rot und Grün auf ihrer Tunika deuteten auf eine Farbmischerin hin. Stella mochte es in den Straßen, je nach Belieben, eine Rolle zu spielen. Die neueste Errungenschaft war die Farbmischerin. Die Tiberia ließ ihre Augen umherwandern. Wie gewohnt wohnten den Reden sehr wenige Frauen bei, was Stella, wohlwissend um die römische Tradition, nicht mal verwunderte. Die Männer, die sich hier versammelt hatten, gaben leider oft auch nur ein politisches Interesse vor. Es war eine Art Elitenbingo, wer zuerst etwas Kluges anmerkte oder ganz bedeutungschwer Nicken konnte. Nicht, dass sie es nicht belustigend fand, aber in Rom bewegte sich eigentlich nicht viel, außer viele Menschen in den täglich ähnlichen Abläufen. Die politischen Reden war den täglichen Kreisen nicht unähnlich. Dennoch kam sie nicht umhin, dass dieser Annaeus einen neuen Anstrich probierte. Etwas war anders als bei den anderen, wenn auch nicht bedeutsam anders. Seine Wirkmacht mit einem Autokraten auf dem Thron war auch eher begrenzt. "Fast revolutionär," rief Stella mit ihrer starken aber melodischen Stimme, fast so, als ob eine Demigöttin vom Himmel herab rief. Nicht, dass sie sich selbst als Demigöttin sah aber sie hatte schon immer eine sehr durchsetzungsstarke Stimme gehabt, die zwar nicht laut aber doch schon recht herausbrechend war. Stella bemerkte, dass sie wohl zu sehr aus der Menge herausgestochen war. Man sollte in Rom nicht zu sehr auffallen. Nicht nur die Christianer waren eine Gefahr. Trotzdessen mochte sie den Ansatz des Annaeus etwas Macht in die Hände des Volkes zurückzulegen. Dies war zwar mal wieder mit einer Lobhymne auf die Augusti begleitet aber im Kern wollte er tatsächlich etwas wagen. Vielleicht sollte man die Sache noch etwas anwürzen. Immerhin wollte er ja Volkstribun werden. "Republik, Republik!"* - rief sie und stuppste einen Nebenmann an, der ähnlich ärmlich gekleidet war. Dieser war etwas erstaunt aber stimmte dann aus Reflex in den Ruf ein. Stella hoffte, dass sich weitere anschlossen, damit der Annaeus nicht vergaß, dass er ja das gemeine Volk vertreten wollte. Da sie aber darum wusste, was dies bedeutete, und sicherlich bald irgendeiner dieser spaßverderbenen Speculatores oder Statores weitere Kräfte anfordern würde, um den Ausrufenden ausfindig zu machen, verdrückte sie sich schnell aber bemerkte im Gehen diesen Seius Ravilla. Schon wieder. Er war auch überall. Sie wollte ihn aber diesmal nicht ansprechen, obwohl er für sie irgendwie süß aussah, wie er so klug tat und sich bemerkbar machen wollte. Sein Ehrgeiz hatte etwas tragisch-komisches. Irgendwie fand sie ihn wirklich süß aber schüttelte diesen Gedanken ab, als sie mit eilig entspannten Schritten aus der Menge verschwand.


    Sim-Off:

    Wohlwissend, dass der Begriff in diesem Fall übertragen für eine Staatsform gemeint ist und nicht mit "res publica" gleich gesetzt ist. ^^ Sorry Florus, wenn du keine größeren Ausrufe haben willst, einfach ignorieren. Stella ist manchmal etwas frech. xD

  • Wie die Wiederkehr der Jahreszeiten, traten ebenso in beständiger Wiederholung die Wahlredner auf der Rostra auf. In eben diesem Wechsel des Geschehens mussten die Urbaner ihren Dienst versehen und zu diesen Zeiten ein verstärktes, wachsames Auge auf diese Veranstaltungen richten.

    Canutius nutzte dies wenn er hier Dienst hatte, den klugen, um Aufmerksamkeit heischend, mehr oder weniger einfühlsamen Worten zu lauschen und sich zu informieren. Natürlich achtete er auf Störungen und versuchte Störenfriede ausfindig zu machen. Was sich in dem Gedränge recht schwierig gestaltete.

    Jemand rief etwas. Er zuckte zusammen. Es war eine Frauenstimme, sehr ungewöhnlich. Da ertönte sie schon wieder. Was rief sie? Republik! ? Beim Pluto die Stimme kannte er doch.

    Suchend schweifte sein Blick umher, natürlich würde er sie nicht sehen, vielleicht kann ich aber an Bewegungen in der Menge erkennen wo sie sich befindet, dachte er, obwohl er wusste, dass es ein Traum war.

  • Sim-Off:

    Spielzüge kann man nicht voraussehen, nur darauf reagieren. Daher: Kein Stress


    Auf der Rostra war es teilweise unmöglich, einzelne Stimmen zu erkennen, wenn gerade eine Äusserung diskutiert oder ein Kandidat mit Applaus und Zurufen eingedeckt wurde. Doch manchmal tönten einzelne Stimmen aus der Masse heraus, wie im Theater, wenn man die Schauspieler auch auf den hintersten Rängen noch deutlich hörte, obwohl sie nur ganz normal sprachen. Die Akkustik, so nannten die Griechen dieses Thema, war etwas das ich zwar interessant fand, mir jedoch so verschlossen blieb wie das Atrium Vestae. Es gab Zeiten, da durfte ich es besuchen, doch meist waren die Tore geschlossen und die Geheimnisse unlösbar für mich.


    In diesem Falle jedoch drang so eine Stimme auf die Rostra. Die Höhe liess erahnen, dass es sich vielleicht um eine Frauenstimme handeln könnte. "Republik" rief sie und einige andere Personen griffen den Ruf auf. Obwohl diese Forderung immer wieder einmal bei Wahlreden auftrat und unser Kaiser, respektive seine Prätorianer, sich normalerweise nicht in den Wahlkampf einmischten, war dies ein Ruf, der gefährlich war. Gefährlich weniger für mich als Einzelperson, denn ich hatte nichts gesagt, was auf die Wiederherstellung der Republik hinauslaufen würde, aber für die Res Publica, den Staat. Dieser war nämlich durch über 100 Jahre kaiserlicher Herrschaft überhaupt nicht mehr darauf ausgerichtet durch das Volk regiert zu werden. Eine Rückkehr zu dieser Staatsform wäre der Untergang des Imperiums, da weder die Bürger in der Lage wären, ihre Aufgaben in der Republik zu erfüllen, noch überhaupt genug Personen zur Verfügung stehen würden, um alle notwendigen Ämter auszufüllen. Zu faul, zu genügsam waren die Menschen. Da es der riesigen Mehrheit gut ging, waren die Wünsche nach einer Republik üblicherweise auf wenige unzufriedene Seelen verteilt, die zusammen nicht einmal eine einzige Stadt nach republikanischem Vorbild hätten regieren können.


    Ich erhob daher als Antwort auf diese Rufe aus dem Publikum wieder meine Arme und gemahnte zur Ruhe: Quirites, Bürger! Hört mich an! Die Rückkehr zur Staatsform der Republik ist völlig ausgeschlossen! Weder strebe ich diese an, noch stehen dem Staat die notwendigen Bürger zur Verfügung, um auch nur annähernd die Positionen zu füllen, welche für so eine Rückwendung in der Geschichte notwendig wären. Nein! Wir sollten nicht nach hinten schauen, nicht dem nacheifern, was früher einmal gewesen ist, sondern unseren Blick in die Zukunft wenden! Was soll für das Imperium und für jeden Einzelnen von euch kommen? Wohin soll sich unsere Res Publica (und hier benutzte ich nun ganz bewusst diese Worte) in den nächsten Jahren entwickeln? Welche Macht soll dem Kaiser, welche dem Senat und welche den Bürgern zugesprochen werden? Ist die Verteilung, so wie sie im Moment ist, im Sinne aller oder lässt sich eine Verschiebung erreichen? Diese Fragen will ich aufwerfen und mit ALLEN Beteiligten zusammen klären, nicht ein veraltetes System in einen veralteten Traum wandeln und uns alle den Barbaren preisgeben, für einen Traum der schon viele grosse Männer vor uns ins Verderben gerissen hat! Die Res Publica ist viel mehr als die Republik. Die Republik ist Geschichte, Vergangenheit, die Res Publica jedoch ist Präsens, Gegenwart und Zukunft zugleich. Die Res Publica, die Sache, das Interesse des Staates, wird aber auch durch das Volk getragen und in diesem Interesse müssen wir den Blick nach Vorne, nicht zurück wenden.
    Eine kleine, winzige, kaum merkliche Pause folgte, damit ich mit frischem Atem und der lautesten Stimme bis dahin enden konnte:

    Mein Volkstribunat wird den alten Traditionen so gut es in unserer modernen Welt möglich ist folgen, doch sein Blick wird nicht zurück gewandt sein, sondern in die Zukunft. Für das Wohl unseres Volkes, unserer Provinzen, unserer Bürger, Ritter und Senatoren. UND AUCH ZUM WOHL UNSERES KAISERS!

    Damit endete ich meine Replik auf die Stimme der Republik (*bewusstes Wortspiel ;) ). Es war eine gnadenlose Absage an diese Rufe und das Bekenntnis zu einer Vision für die Zukunft des ganzen Imperiums.

  • Selbstverständlich! Es ist Tradition, dass die Türen des Tribunus Plebis für die Bürger der Stadt offen stehen. Dies wird auch in meiner Amtszeit der Fall sein.
    Ein Sklave der Annaei trat dabei an den Fragesteller heran und übergab ihm eine kleine Amphore mit Wein, damit er auch den Namen des Kandidaten nicht vergessen würde.

    Bei dem Frager grinste ich in mich hinein. Auch wenn die Porta der Domus Annaea offen stehen würde, gab es doch noch immer genügend custodes, und auch der wackere Selenus war auch nie weit entfernt... Langfinger hätten also keine Chance.


    "Fast revolutionär," rief Stella mit ihrer starken aber melodischen Stimme, fast so, als ob eine Demigöttin vom Himmel herab rief.

    Was wollte diese junge Frau denn? Rückkehr zur Republik? Aus welchem Jahrhundert stammte sie denn? Hoffnungslos anachronistisch diese Forderung, schien mir. Fast hätte ich Lust, sie aufzufordern, sich in der Kanzlei einmal die anfallende Aktenarbeit von nur einem einzigen Tag anzuschauen, dann würde sie sehen, dass es Ewigkeiten dauern würde, jede einzelne Abstimmung durch den Senat zu jagen. Mit Republik war das Imperium in dieser Ausdehnung, das ich selbst zugegebenermaßen respektlos und mit einem Taschenspielertrick einst mit einer Schweineblase verglichen hatte, nicht zu regieren.

    Ich drehte mich zu der Ruferin um, fasste sie ins Auge, schüttelte missbilligend den Kopf, rief halblaut: "Tace!" und legte den Finger auf die Lippen. Einige Umstehende zischten mit und nickten Zustimmung.


    Aber da antwortete Annaeus Florus, dem alles Umstürzlerische fern lag, auf die besorgte Bürgerin.


    Quirites, Bürger! Hört mich an! Die Rückkehr zur Staatsform der Republik ist völlig ausgeschlossen! Weder strebe ich diese an, noch stehen dem Staat die notwendigen Bürger zur Verfügung, um auch nur annähernd die Positionen zu füllen, welche für so eine Rückwendung in der Geschichte notwendig wären. Nein! Wir sollten nicht nach hinten schauen, nicht dem nacheifern, was früher einmal gewesen ist, sondern unseren Blick in die Zukunft wenden!

    Und ich applaudierte wieder: "An -naeus ! An - naeus!"

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    SODALIS FACTIO VENETA - FACTIO VENETA

    KLIENT - LUCIUS ANNAEUS FLORUS MINOR

  • Wieder brandete Applaus auf und ich konnte einige meiner Klienten erkennen, die an vorderster Front dabei waren und meinen Namen skandierten.


    SO sollte es sein, DAS war Wahlkampf, ohne böse Gedanken von Umsturz, Revolution oder Rückwende.


    So lange einfach bloss mein Name gerufen wurde, ohne Zusätze, die auf irgendwelche anderen Ziele hindeuteten, liess ich das Volk gewähren.

  • Varenus interessierte sich recht wenig für die jeweiligen Kandidatur Reden. Waren sie doch oft recht öde, einseitig und farblos. Vor allem wurden Dinge versprochen, die am Ende kaum von jemanden eingehalten wurden. Wein kostete immer noch Sesterzen. Jedoch gab es immer wieder einiges zum Abgreifen. Letztens Karaffen Wein, einmal eine neue Tunika in blau, dann diverse exotische Früchte, und nicht zu vergessen ein Gutschein für seine Lieblingstaverne. Also ging er mal wieder zum Forum Romanum, schaute sich um und fand natürlich zig Becher Wein. Zack, der erste war geext, es folgte der zweite.... der dritte... sein Census war gerettet.


    Als dann aus seiner Sicht sein bester Freund die Rostra betrat. "Ein Hoch auf Annaeus. Mögest du so fruchtbar wie dieser Wein sein." *Rülps*

  • Gut geschlagen hatte der werte Annaeus sich, fürwahr. Die Offensive, die nach Ravillas Mutmaßung von einem der Niedertracht verschriebenen Rivalen initiiert worden war, blockte der mittlerweile in der Politik recht erfahrene Mann, eloquent und fachlich auf sicheren Füßen. Ravilla war guter Dinge für die Amtszeit seines Bekannten, ganz unabhängig von seiner persönlichen Sympathie für den Tribunus plebis in spe. Annaeus Florus würde eine gute Wahl sein. So war weiterer Beifall die folgerichtige Konsequenz, um die Stimmung auf dem Platze wieder in eine genehme Richtung zu lenken.


    Nachdem sich einige Gruppen unter den Zuhörern noch zu Gesprächen versammelt hatten, um die Rede rhetorisch wie inhaltlich zu erörtern oder schlichtweg die Kleiderwahl oder Haartracht des Kandidaten zu besprechen, verabschiedete Ravilla sich, um seinen eigenen Angelegenheiten nachzugehen. Es gab noch zahlreiche Dinge, die zu erledigen waren.

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